PETER HUCHEL
Traum im Tellereisen
Gefangen bist du, Traum.
Dein Knöchel brennt,
Zerschlagen im Tellereisen.
Wind blättert
Ein Stück Rinde auf.
Eröffnet ist
Das Testament gestürzter Tannen,
Geschrieben
In regengrauer Geduld
Unauslöschlich
Ihr letztes Vermächtnis –
Das Schweigen.
Der Hagel meißelt
Die Grabschrift auf die schwarze Glätte
Der Wasserlache.
nach 1960
aus: Peter Huchel: Gedichte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 1989
Sein Name stand für die Verteidigung der Poesie gegen alle doktrinären Zumutungen im DDR-Sozialismus: Peter Huchel (1903–1981), der Dichter, der die Landschaften Brandenburgs in naturmystische Orte verwandelte, leitete 14 Jahre lang die weltoffene Zeitschrift Sinn und Form, bevor man ihn 1962 zur Demission zwang und ihn seither in seinem Haus in Wilhelmshorst bei Potsdam bespitzelte. Von diesem erzwungenen inneren Exil und von den Versehrungen des Dichters sprechen die Gedichte dieser Jahre, in denen Natur zum politischen Zeichen geworden ist.
Es ist das Bild eines tödlichen Schweigens, das hier in eine Naturchiffre übersetzt wird. Das „Testament“ der gefällten Tannen korrespondiert mit der „Grabschrift“ der „Wasserlache“. Die im „Tellereisen“ des Jägers gefangene Kreatur ist dabei die Poesie selbst, die von einer autoritären Macht zerquetscht wird. In Huchels Spätwerk finden wir viele solcher Zeichen der Gewalt, die seine poeto-religiösen Visionen in den naturmagischen Gedichten der 1930er und 1940er Jahre ablösen.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010
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