PETER RÜHMKORF
Ich hatte dich
vor aller Welt erwählt.
Ich hatte mich
um zwei-drei Jahr verzählt.
Sowohl bei dir,
als auch was mich betraf,
dann drohte mir
der Sittenparagraph.
2008
aus: Peter Rühmkorf: Paradiesvogelschiß. Gedichte. Rowohlt Verlag, Reinbek 2008
In seinem Alterswerk erteilte sich Peter Rühmkorf (1929–2008) die Lizenz, angesichts seiner krankheitsbedingt widrigen Lebensumstände alle strengen Kunstansprüche zu dämpfen und sich lieber auf Kalauer als auf verbissene Pathetik zu verlassen. Der Dichter als alter Knacker, der kokett seine Rest-Vitalität vorführt – diesen selbstironischen Gestus hat er bis zuletzt durchgehalten. Bereits in den Vorletzten Gedichten von 1999 hatte er sich als Voyeur ironisiert, der begehrliche Blick auf allzu junge Mädchen wirft.
In den „Einfallsquanten“, „Lyriden“ und kleinen Kalauern seines letzten Bandes Paradiesvogelschiß (2008) präsentiert sich Rühmkorfs Alter Ego noch einmal als unbefugter Kavalier, der gegen den „Sittenparagraph“ verstößt. Wer ältere Essays oder Tagebücher des Autors studiert, wird auch dort die Selbststilisierung zum Erotomanen finden, der in imaginativer Erhitzung von einschlägigen Verlockungen schwärmt.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010
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