Peter Waterhouses Gedicht „Fahrräder“

PETER WATERHOUSE

Fahrräder

Fahrräder
gelehnt an den Bahnhof –
so, ohne Explosion, beginnt die Welt

Oktober 2011

aus: Peter Waterhouse: Prosperos Land. Verlag Jung und Jung, Salzburg 2001

 

Konnotation

Eine „befreiende Undramatik“ sei diesem Dichter eigen, sagte die Poetin Ilma Rakusa in ihrer Laudatio auf den Erich-Fried-Preisträger des Jahres 2007, „keine choreografierten Höhepunkte. keine Aggressivität, ja nicht einmal Hierarchien.“ So unaufgeregt, so weit- und daseinsverliebt wie in den Gedichten von Peter Waterhouse ist Dichtung selten. 1956 in Berlin als Sohn eines britischen Offiziers und einer österreichischen Mutter geboren, wurde Waterhouse, der heute in Wien lebt, das Glück zuteil, zweisprachig aufzuwachsen. Eine Krise zwischen beiden Sprachen führte ihn zu seiner ersten Zeile: „Aus allen erdenkbaren Gründen musizieren deine Hände.“
Die erwähnte Undramatik taugt als Schlüsselwort auch für den Dreizeiler, der so scheinbar harmlos daherkommt. Dabei spricht das Gedicht von nichts weniger als dem Weltbeginn. Nicht mit einem Urknall, sondern mit der Selbstverständlichkeit einiger an eine Bahnhofswand gelehnter Fahrräder sollen wir uns den Anfang von allem vorstellen. Das könnte auch heißen. daß es keinen Anfang gibt, alles schon immer da war, wie die Fahrräder vor dem Bahnhofsgebäude.

Volker Sielaff (Gedichtkommentar) Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010

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