ROBERT GERNHARDT
Fahrt ins Dunkel
Wie ungeheuer grün das Grün
Wie furchtbar grau das Grau
Wie dunkel rings die Dunkelheit
Wie blau das späte Blau
So schwarz der schwarze Horizont
So licht das letzte Licht
So, endlich, geht’s dem Ende zu
So, nichtig, hoffst du: nicht.
nach 2000
aus: Robert Gernhardt: Gesammelte Gedichte 1954–2006. S. Fischer Verlag, Frankfurt a.M. 2008
Viele Sätze und Verse Robert Gernhardts (1937–2006) sind zu buchstäblich geflügelten Worten geworden, was Anlass zur Hoffnung gibt; denn sein Lachen ist kein Stammtischlachen, es hat die Helligkeit, Leichtigkeit und Mehrdeutigkeit aus der Tradition von Heine und Tucholsky. Auch Gernhardts Arbeit widerspricht dem Klischee von der Schwermut der deutschsprachigen Literatur.
Die „Fahrt ins Dunkel“ entstand, als er schon von Krankheiten gezeichnet war, und selbst wenn der Schriftsteller, Zeichner und Maler gern über jegliche Sorte Dunkelmänner spöttelte, zeigt sein Gedicht, dass er vom Dunklen wusste. In einfacher Sprache und einfachem Metrum werden schlichteste Gegensätze beschworen. Die Aussagen vermeiden schweres Pathos, sie sind wortkarg und doch klar: Die Farben der Welt lösen Staunen aus, aber auch Schrecken. Denn grau und schwarz gehören dazu. Vielleicht sind die je ersten Worte der beiden Strophen der leise Pulsschlag des Gedichts: „Wie“ – „So“, wieso, warum müssen wir sterben?
Sabine Peters (Gedichtkommentar) Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010
Schreibe einen Kommentar