ROLF DIETER BRINKMANN
Einen jener klassischen
schwarzen Tangos in Köln, Ende des
Monats August, da der Sommer schon
ganz verstaubt ist, kurz nach Laden
Schluß aus der offenen Tür einer
dunklen Wirtschaft, die einem
Griechen gehört, hören, ist beinahe
ein Wunder: für einen Moment eine
Überraschung, für einen Moment
Aufatmen, für einen Moment
eine Pause in dieser Straße,
die niemand liebt und atemlos
macht, beim Hindurchgehen. Ich
schrieb das schnell auf bevor
der Moment in der verfluchten
dunstigen Abgestorbenheit Kölns
wieder erlosch.
nach 1970
aus: Rolf Dieter Brinkmann: Westwärts 1 & 2, Rowohlt Verlag, Reinbek 1975
Die Punktualität eines Wahrnehmungsmoments zu fixieren und eine „nur in einem Augenblick sich zeigende Empfindlichkeit konkret als ,snapshot‘ festzuhalten“: Das war von Beginn an die Arbeitsmaxime des rebellischen Kölner Dichters Rolf Dieter Brinkmann (1940–1975), der einer in Begrifflichkeiten erstarrten Literatur den Weg zu einer neuen Poetik der „Oberfläche“ weisen wollte.
Sein berühmtes Augenblicks-Gedicht „Einen jener klassischen“ gehört zu einer Gruppe von Gedichten, die zwischen 1970 und 1974 entstanden sind. Emphatisch wird diese kleine Wahrnehmungs-Sensation des Ich als „Wunder“ und „Überraschung“ gefeiert. Der heraufgerufene Rhythmus des „schwarzen Tangos“ wird in seiner Sprunghaftigkeit durch den die Verszeilen schroff überspringenden Satz nachgebildet, ein Satz, der – durch Einschübe und lakonische Notierung von Ort und Zeit unterbrochen – immer wieder neu anhebt und schließlich auf das Erlöschen des Offenbarungs-Moments hinstrebt.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006
Ein wunderbares Gedicht,die geniale Verdichtung eines kurzen Moments,der Dichter stellt dich mitten hinein in diesen grossartigen poetischen Raum,mit einem ekstasischer Rhythmus,der atemlos macht.in diesem Augenblick.Im Augenblick ist Ewigkeit!