SARAH KIRSCH
Von jetzt an teil ich mit dir
Von jetzt an teilst du mit mir
Jedwede Freude, jedweden Zorn.
Wir lassen uns nicht ins Bockshorn jagen
Von süßen Karaffen
Und Geldbeutelein
1976
aus: Sarah Kirsch: Sämtliche Gedichte. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2005
Das Jahr 1976 markiert für die störrische Naturdichterin Sarah Kirsch (geb. 1935) nicht nur ihren Weg in die politische Abtrünnigkeit gegenüber der DDR-Literaturpolitik, sondern auch die Hinwendung zu einer eigensinnigen Romantik-Rezeption. Ihr Gedichtband Rückenwind (DDR 1976, BRD 1977) wurde in der DDR fast totgeschwiegen; sein Erscheinen fiel mit dem Beginn einer Einschüchterungskampagne zusammen. Im Zentrum des Bandes steht eine deutsch-deutsche Liebe, die prompt als Kirschs „westöstliche(r) DDR-BRD-Divan“ entziffert wurde.
Die Liebesgedichte in Rückenwind sind indes nicht privatistischer Natur, wie das manche klatschbedürftigen Exegeten im Hinweis auf Sarah Kirschs Beziehung zu ihrem Dichterkollegen Christop Meckel nahelegten, sondern setzen die romantische Tradition fort. Die unverbrüchliche, absolute Liebe – sie erscheint hier immun gegen jedwede Einschüchterung und gegen jeden Korrumpierungsversuch.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010
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