Silke Scheuermanns Gedicht „Die Existenz benachbarter Welten“

SILKE SCHEUERMANN

Die Existenz benachbarter Welten

Lange vor unserem Streit
Regnete es anderswo Feuer und Asche

und du hättest mehr als eine Sonne haben können
Eiskörper schlugen auf setzten Ozeane aus

Wasser frei Alles testete die relative Stärke
der Schwerkraft Ja es war kälter als hier

in dem Kuppelbau Center for Earth and Space wo ich
dir zuhör obwohl dieser Ort unmöglich für ein

Geständnis ist All die Antworten
Kaum noch Fragen Hängt wirklich alles

vom Zufall ab? Und willst du sagen wo
du ihr begegnet bist? Vielleicht wie’s weitergeht?

um 2005

aus: Silke Scheuermann: Über Nacht ist es Winter. Schöffling & Co. Verlagsbuchhandlung, Frankfurt a.M. 2007

 

Konnotation

In den Gedichten der 1973 in Karlsruhe geborenen Dichterin Silke Scheuermann gibt es zahlreiche Sprünge zwischen rationalem Weltbezug und mythischer Welterklärung. So tummeln sich Gestalten aus Folklore und Sagen in Welten, die an den Naturwissenschaften wie an den obskuren Künsten teilhaben und sich zugleich zu einer Kosmologie ergänzen, die an Farbenfreudigkeit kaum zu überbieten sein dürfte.
Eine Beziehungskiste als mythischer Abriss der Weltzeitalter? Das Gedicht-Subjekt verhandelt auf der Folie wechselnder, kurz angespielter Erklärungsmodelle für Welt eine Liebesgeschichte. So setzt die Tirade einer betrogenen Person mit einer Schöpfungsgeschichte aus Feuer und Asche ein, in der mythische und wissenschaftliche Vorstellungen bildlich zusammenfallen. Der große Knall zu Beginn wirft sein Echo bis in die private Geschichte zweier in einer Biosphäre lebender Personen. Wie es weitergeht, diese Frage beantwortet vielleicht die Chaostheorie.

Norbert Lange (Gedichtkommentar) Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010

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