SIMONE BOROWIAK
Bleib sauber!
Vor dem Schlafen
nach dem Essen
Zähneputzen nicht vergessen!
Vor dem Keilen
nach dem Prügeln
unbedingt die Hose bügeln.
Vor dem Morden
nach dem Sengen
Sakko an die Frischluft hängen.
Nach dem Weltkrieg sollst Du ruhn
oder tausend Schritte tun.
nach 1990
aus: Simone Borowiak: Ein Zug durch die Gemeinde. Eichborn Verlag, Frankfurt a.M. 1994
„Komische Gedichte“, so behauptete einst die ehrwürdige Neue Zürcher Zeitung, seien wohl „so wenig eine weibliche Domäne wie die Arbeit auf einer Ölbohrinsel“. Die 1964 geborene Simone Borowiak, sechs Jahre lang Redakteurin der Satire-Zeitschrift Titanic, bewies das Gegenteil und erwarb sich den guten Ruf eine der witzigsten Frauen der Republik zu sein. In ihren Gedichten transformierte sie Kalender- und Werbesprüche in Texte von schwärzestem Humor.
Nach einer geschlechtsangleichenden Operation verwandelte sich „Deutschlands einzige noch lebende Satirikerin“ (Eichborn Verlag) in den Satiriker Simon Borowiak, der gleich über Alkoholismus vorlegte, dessen qualvollen Symptomatiken er noch als Simone durchlebt hatte. Das sarkastische Gedicht von der Sekundärtugend des „Sauberbleibens“ ist nach 1990 entstanden.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007
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