VOLKER BRAUN
Marlboro is red. Red is Marlboro
Nun schlafen, ruhen… Und liegst lächelnd wach.
Das ist mein Leib nur, der noch unterwegs ist
Auf irgendwelchen Straßen, ah wohin.
Das Unbekannte wolltest du umfangen.
Jetzt kenn ich alles das. Es ist die Wüste.
Die Wüste, sagst du. Oder sag ich Wohlstand.
Genieße, atme, iß. Öffne die Hände.
Nie wieder leb ich zu auf eine Wende.
1991/92
aus: Volker Braun: Lustgarten. Preußen, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 1996
„So oder so – die Erde wird rot“, sang einst der Dichter Wolf Biermann, als er noch mit seiner geliebten „Oma Meume“ den Kommunismus „siegen“ lassen wollte. Diese Prophezeiung ist in Erfüllung gegangen, wenn auch in anderer Weise, als sich das der historische Materialismus und der junge Biermann erträumten. Die Erde erstrahlt tatsächlich in kräftigem Rot, auf allen Kontinenten begegnet man einer Ikone der Männlichkeit: dem Marlboro-Mann. Das Gedicht des 1939 geborenen Volker Braun zitiert im Titel des 1991/92 entstandenen Gedichts diese Maxime der kapitalistischen Weltgesellschaft: „Red is Marlboro“.
Ein melancholisches Ich spricht vom orientierungslosen Unterwegssein „auf irgendwelchen Straßen“, vom Treibenlassen in purer Faktizität. Die utopische Zuversicht aus den Tagen der Wende 1989, als Volker Braun euphorisch „Volkseigentum plus Demokratie“ in der DDR beschwor, ist endgültig verflogen. Sie weicht einer lakonischen Bestandsaufnahme des Lebens im real existierenden Kapitalismus.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006
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