WALTER MEHRING
… Und Euch zum Trotz – Paris 1934
Daß diese Zeit uns wieder singen lehre
Die guten Lieder eines bösen Spotts
– Selbst wenn uns Herz und Sinn danach nicht wäre –
Nur Euch zum Trotz!
(Nur Euch zum Trotz…!)
Und singen, bis es wider Euch sich kehre –
Und einen Keil treib in den groben Klotz!
Und daß es etwas uns die Brust entschwere!
Und uns zum Trost! Und Euch zum Trotz…
1934
aus: Walter Mehring: Staatenlos im Nirgendwo. Chronik der Lustbarkeiten. Hrsg. v. Christoph Buchwald. Claassen Verlag, Düsseldorf 1981
Nach seinen Anfängen in den Zirkeln der expressionistischen Bewegung und des Dadaismus entwickelte sich Walter Mehring (1896–1981) zu einem der scharfzüngigsten Kritiker der reaktionären und rassistischen Kräfte in der Weimarer Republik. Seine satirischen Bücher und polemischen Artikel in Zeitschriften wie der Weltbühne gelangten nach Hitlers Machtergreifung sofort auf den Index der Nazis.
Mehring entging nach dem Januar 1933 nur knapp der Verhaftung und emigrierte nach Frankreich. Dort spitzte sich die Lage im Jahr 1934 zu, als sich die Anhänger der linken „Volksfront“ in Scharmützel mit faschistischen Verbänden verstrickten. Mehrings Gedicht ist gleichsam mitten in dieser bürgerkriegsähnlichen Situation entstanden. Es handelt vom politischen Selbstbehauptungstrotz eines linken Dichters, der den Widerstandswillen der eigenen Genossen gegen den Ansturm der Reaktion mobilisiert.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009
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