Marion Brandt (Hrsg.): Unterwegs und zurückgesehnt

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Marion Brandt (Hrsg.): Unterwegs und zurückgesehnt

Brandt (Hrsg.)-Unterwegs und zurückgesehnt

„JEDER IST ERPRESSBAR“

– Schuld – Scham – Schmerz im Werk Helga M. Novaks. –

Schuld, Scham, Schmerz sind zentrale Themen im literarischen Werk Helga M. Novaks. Von den frühen Texten an beschäftigt sich die Schriftstellerin mit dem Problem der Stasi und ihren raffinierten Methoden, die DDR-Bürger in den Machtapparat des Staates zu verstricken. Ihr Brief „aus den polnischen Wäldern“ an Wolf Biermann, Sarah Kirsch und Jürgen Fuchs, erschienen 1991 im Spiegel,1 war ein bitteres Bekenntnis, ja eine Selbstanklage, in der Novak ihre kurze, aber niemals wirksam gewordene Zusammenarbeit mit der Stasi öffentlich gestand und damit zugleich in die Auseinandersetzungen um die Mitverantwortung der ostdeutschen Intellektuellen für die DDR-Diktatur eingriff. Novak wurde kurz vor ihrem Staatsexamen 1957 von der Stasi als Gesellschaftliche Informatorin (GI)2 angeworben, die ihre Kommilitonen bespitzeln sollte. Einige Monate später floh sie nach Island, ohne jemals die ihr aufgetragenen Aufgaben erfüllt zu haben. Die Autorin wurde zeitgleich selbst zum Objekt der Observation der Stasi, was die umfangreiche, mehrere Jahrzehnte lang geführte Dokumentation über ihr Leben veranschaulicht.
Im dritten Band ihrer autobiografischen Romanreihe Im Schwanenhals (2013) bringt sie ihr ambivalentes Verhältnis zum Thema Schuld pointiert zum Ausdruck:

Ich bin Schriftstellerin und weiß zu wenig und weiß zu viel über Schuld und Schuldhaftigkeit. Wenn wir Dichter nicht mehr differenzieren, wer dann?3

„Zu viel“ und „zu wenig“ zu wissen, weist auf die Komplexität der Lage der Schriftsteller in der DDR hin – und auf die Novak aus eigener Erfahrung bekannten Zweifel und inneren Kämpfe, die sie austragen musste, als sie versuchte, sich als Autorin im kommunistischen Heimatland zu positionieren. Das Ausbalancieren zwischen der Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft und der selbst übernommenen Verantwortung, immer nach der Wahrheit zu streben,4 einerseits und den Versuchungen bzw. Einschüchterungen durch den autoritären (totalitären) Staat andererseits stellt sie als ein fundamentales Dilemma dar, durch das Schuld und Schuldigkeit (in ihrer semantischen Vielfalt) in eine unauflösliche Verschränkung gebracht werden. Das Eine ist ohne das Andere nicht zu denken und zugleich steht beides oft im Widerspruch zueinander.
Bereits in den frühen Werken (in Ballade von der reisenden Anna. Gedichte von 1965 und im Prosaband Aufenthalt in einem irren Haus von 1971)5 behandelt sie die skrupellose Politik des DDR-Staates seinen Bürgern/innen gegenüber. Wie die Stasi die Menschen zu ihren Sklaven machte, sie zu korrumpieren oder einzuschüchtern suchte, ihre Existenz Schritt für Schritt zersetzte und sie schließlich brutal verfolgte und vernichtete, erzählt sie ebenso ungehemmt, wie sie die Anfälligkeit der Menschen für die Verlockungen und Versprechen der Machthaber bezeugt. Das bekannteste und zugleich eines der frühesten Gedichte Novaks (1958), das sich mit den Relationen zwischen Staat, Partei und Bürgern der DDR auseinandersetzt, ist die „Tragoballade vom Spitzel Winfried Schütze in platten Reimen“.6 Nach Jürgen Fuchs hatte u.a. dieser Text Novaks eine schockierende Wirkung auf die Dichter seiner Generation, da er durch seine Thematik und rücksichtslose Direktheit überraschte und beschämte. Fuchs schrieb 1983 dazu:

Stasi-Angst, die Nationale Volksarmee, die Militarisierung des Lebens, das ganze Üben und Melden, die tägliche triumphalistische Präsentation von Präsidenten und Sekretären im Zentralorgan, diese herrschende Lüge, mit der ich gerade meinen kleinen Frieden machen wollte, all das wurde grell beleuchtet. Radikal, geradezu und schön – so kamen die Gedichte von Helga Novak daher auf schlechtem Papier, als Verführung zur Wahrheit, als poetischer Vorschlaghammer.7

Die gereimte Geschichte des erbärmlichen Denunzianten Winfried Schütze, seiner Kindheit im Krieg, des elternlosen Aufwachsens in der Diktatur, seiner Enttäuschungen und (Macht)Träume, demaskiert vor allem die Unmenschlichkeit des kommunistischen Systems, das die Charakterschwäche seiner Träger, ihre Anfälligkeit für Erpressung, Bestechung und Einschüchterung ausnutzt, um einen auf Lüge, Gewalt und Angst fundierten Staat zu errichten. Bereits in diesem ersten Text tritt Novaks Überzeugung zutage, der sie ihr Leben lang treu bleibt und die sie noch einmal in aller Eindeutigkeit im Roman Im Schwanenhals zum Ausdruck bringt: Jeder ist erpressbar, jeder hat seine Wünsche, Bedürfnisse, Pläne und Ängste, jeder kann von den geschulten Manipulatoren und Henkern der Staatssicherheitsdienste in die Enge getrieben werden. Freilich ist nicht jeder zum Heroen geboren, nicht jeder hat den Mut, dem Gewaltapparat die Stirn zu bieten und das eigene Leben sowie das der anderen aufs Spiel zu setzen. Der Zuträger ist Täter und Opfer zugleich, ein Instrument in den Händen skrupelloser Machtspieler, das sie gewissenlos gegen andere zum Einsatz bringen, aber auch den Spitzel selbst können sie in den Tod treiben. Der Denunziant ist das Produkt eines menschenunwürdigen Systems, zum Spitzel wird man gemacht – nach und nach wird das Individuum seiner Würde, Träume und Pläne beraubt und planmäßig in das Getriebe des Unrechtsstaates hineingezogen. So heißt es zum Schluss der „Tragoballade“ unmissverständlich:

jedoch ein Schulbub schrie aus seinen Fenstern
was er von seinen Eltern hörte gestern
– der schlechtste Mann im ganzen Land
das ist und bleibt der Denunziant –
da straffte sich noch einmal Winfried Schütze
sprechend an der Teppichstangenstütze
– der schlechtste Staat auf dieser Welt
ist der der sich die Spitzel hält
8

Und beinahe ein halbes Jahrhundert später schreibt Novak im dritten Band ihres autobiografischen Romans im gleichen Ton:

Die Kränkung, die Beleidigung, die Verletzung, die Erniedrigung beginnt schon mit dem Augenblick, wenn sie einen Menschen ansprechen, es für möglich halten, den Angesprochenen in einen Spitzel verwandeln zu können. Das sowjetische System, in das auch die DDR eingebunden war, gestattete eine Fortsetzung des Absolutismus.9

Dieses Denkbild ist bei Novak öfter anzutreffen. Die Täter-Opfer-Figur des Stasi-Agenten, in der die Rollen des Verfolgers und des Verfolgten unzertrennlich miteinander verflochten sind, hat ihre Analogien oder Spielarten auch in Werken anderer deutscher Schriftsteller (z.B. Günter Grass oder Hans Joachim Schädlich). Was aber bei Novak ganz greifbar in Erscheinung tritt, insbesondere im dritten Band der autobiografischen Trilogie, ist die Thematisierung der „Verfolgung“ nach der Demaskierung des Agenten: der öffentlichen Verachtung, Diffamierung und letztendlich des Ausschlusses aus der Gemeinschaft, der dem Täter-Opfer die letzte Chance auf Umkehr nimmt. Der Vernichtungsprozess des Individuums wird somit fortgesetzt. Denn die Macht der Stasi dringt in die intimste Sphäre des menschlichen Lebens ein und kann so schließlich noch nach dem Zusammenbruch des Systems fortwirken.
Besonders stark kommt dieser Gedanke bei Novak nach dem Fall der Mauer und der Öffnung der Stasi-Akten zum Ausdruck, als sie sich mit der Angst vor der gesellschaftlichen Ächtung und Stigmatisierung, aber auch vor der Unzuverlässigkeit der eigenen Erinnerungen, den unbewussten Verdrängungspraktiken und den Folgen des Bedürfnisses, die eigene Vergangenheit und Person zu idealisieren, intensiv auseinandersetzt. Helga M. Novaks Haltung gegenüber dem Problem der Infiltrierung der Gesellschaft durch die Geheimdienste unter Mitwirkung breiter Kreise der Bevölkerung (sie sagt im „Offenen Brief“: „Komplizen waren wir alle!“)10 lässt sich als eine spezifische Viktimisierungsstrategie mittels einer Individualisierung der Täter und damit der Relativierung ihrer Schuld bezeichnen, da sie immer vor dem Hintergrund ihrer subjektiven Entscheidungen – Ängste, Erwartungen und Motive – betrachtet werden, was pauschale Verurteilungen unmöglich macht.
Von einer anderen Perspektive her als in der „Tragoballade“ wird die Frage nach der Verstrickung des Individuums in die DDR-Diktatur in der Erzählung „Berenike ist weg“11 (aus dem Prosaband Aufenthalt in einem irren Haus von 1971) aufgeworfen. Die Geschichte der Titelfigur ist eine vielstimmige Erzählung über das instabile Leben einer jungen Frau, die ihre emotionalen Defizite (wohl ein Ergebnis traumatischer Kriegserfahrung und einer Reihe von Fehlentscheidungen) durch verschiedene Ersatzhandlungen wie Flucht in Unterhaltungssucht, Alkoholkonsum, Verweigerung regulärer Erwerbstätigkeit und Vernachlässigung ihrer Mutterpflichten zu kompensieren sucht. Ihre psychische Unausgeglichenheit äußert sich u.a. im Streben nach der Befriedigung des fieberhaften Bedürfnisses, das eigene Leben im Gegensatz zur grauen Wirklichkeit des DDR-Alltags bunt auszugestalten und durch den Diebstahl von glänzenden Schmuckstücken und Dekorationen schöner zu machen. Durch dieses „flatterhafte Wesen“ (so wurde Helga M. Novak von einem der auf sie angesetzten GIs charakterisiert)12 wird Berenike zu einer leichten Beute des Sicherheitsdienstes: Für ihr Delikt wird sie zu einer Gefängnisstrafe verurteilt und unerwartet ein halbes Jahr vor Ende der Strafverbüßung entlassen. Für die Mutter der Hauptfigur, Clara, ist die Situation eindeutig:

Also los, was haben sie von dir verlangt, hat Clara gesagt. Ich soll wieder regelmäßig in den Korso-Keller gehen, hat Berenike gesagt, und ein paar Leute beobachten. Sie haben mir extra Fotos mitgegeben. Ah, du sollst schnüffeln, hat Clara gesagt, jetzt verstehe ich. Clara läuft rot an und traktiert Berenike mit Backpfeifen. Sie schreit: du bist wohl von allen guten Geistern verlassen, du dämliches Stück. Herrgottnochmal, das habe ich geahnt, daß sie dich verscherbeln wollen. Umsonst lassen sie dich nicht laufen, umsonst schenken sie dir das halbe Jahr nicht, und Bewährung ist immer noch Leinenzwang. Damit Du es weißt, du kannst dich jetzt überhaupt nicht mehr öffentlich verteidigen, wenn du mal was angestellt hast. Egal, was ich unterschrieben habe, sagt Berenike, wenn mir einer was in die Schuhe schieben will, dann packe ich aus. Bevor du nur den Mund aufmachst, sagt Clara, sind dir schon die Hammelaugen rausgefallen. Aber weißt was, sagt Berenike, sie haben mir sogar einen Decknamen gegeben. Ich soll mich am Telefon immer mit Anneliese melden. Ausgerechnet Anneliese, sagt Clara, und beide müssen lachen.13

Die erzwungene Unterschrift unter der Verpflichtungserklärung für die Stasi als Pfand für die vorzeitige Entlassung aus dem Gefängnis eröffnet paradoxerweise nicht den Weg in die Freiheit, sondern ganz im Gegenteil: Sie bedeutet das Abrutschen in die endgültige Abhängigkeit von den Plänen, Zielen und Launen der Stasi-Beamten. Erst jetzt ist Berenike in einer Falle: als potentielle Täterin, auf jeden Fall als Komplizin, und zugleich als Sklavin des Systems, als sein Opfer. Erst jetzt können die Geheimdienste über ihr Leben beliebig entscheiden. Sie kann mit der Rückkehr ins Gefängnis bestraft werden, mit der Wegnahme ihrer Kinder und deren Freigabe zur Adoption, was in der erzählten Geschichte auch passiert, oder einfach spurlos unter ungeklärten Umständen verschwinden. Und Berenike ist eines Tages weg. Ihre Existenz kann ausschließlich aufgrund der Erinnerungen und Aussagen anderer Figuren beglaubigt werden, denn nur diejenigen, die sie gekannt haben, glauben (noch) daran, dass es Berenike tatsächlich gegeben hat. Die polyphone Konstruktion von Berenikes Bild, das erst aus den Äußerungen der übrigen Gestalten evoziert wird, erhält mit jeder weiteren Aussage eine neue Facette. Zum Beispiel wird der mysteriöse Selbstmord des psychisch labilen Ehemannes von Berenike, für den die leichtlebige Ehefrau von der Umgebung verantwortlich gemacht wird, im Laufe des Erzählens immer stärker in Frage gestellt, da aus den einzelnen Erinnerungssplittern, Gedankenfetzen und Gesprächsfragmenten eine andere Version der Ereignisse hervortritt. Sie suggerieren, dass es sich nicht um Freitod, sondern um einen perfiden Mord handelt, hinter dem die Stasi steckt.
Das plötzliche Verschwinden Berenikes erscheint damit in einem völlig anderen Licht als am Anfang der Geschichte, in der sie nur als oberflächlich, unvernünftig und unzuverlässig dargestellt wird. Vor dem Hintergrund der schleierhaften Todesumstände des Ehemannes erhält die Abwesenheit Berenikes eine neue Dimension. Ist sie verschwunden, oder hat man sie verschwinden lassen? Und wo ist sie nun? Wieder im Gefängnis? In der psychiatrischen Klinik? Im Arbeitslager? Verschleppt? Ermordet? Oder ist sie möglicherweise untergetaucht und damit ihren Verfolgern von der Stasi entkommen? Diese Fragen bleiben unbeantwortet, und der Leser muss selbst aufgrund der unterschiedlichen Versionen der Ereignisse, die von verschiedenen Gestalten erzählt werden, entscheiden, was der Hauptfigur der Geschichte geschehen sein könnte. Aus den sich nicht selten widersprechenden Erinnerungen, Mutmaßungen und Spekulationen lässt sich allerdings kein sinnvolles Bild zusammensetzen, das alle Zweifel und Ungereimtheiten aufheben würde. Ganz im Gegenteil: Aus den Äußerungen der Anderen lassen sich unterschiedliche, ja konträre Geschichten konstruieren, die den Leser mit allen Unklarheiten und Fragen allein zurücklassen. Die einzige Tatsache, die unbestritten bleibt, ist das Verschwinden von Berenike.
Das plötzliche Verschwinden von Menschen und der vollständige Mangel an Informationen über das Schicksal der Vermissten bilden die Thematik der Erzählung „Joseph in der Grube“.14 Diesmal handelt es sich um die Geschichte eines jungen, überdurchschnittlich talentierten Dichters, der in seiner selbstsicheren und provozierenden Art die kommunistischen Machthaber verrückt macht und damit ihre Aufmerksamkeit auf sich zieht. Eines Tages verschwindet er wie Berenike, und sein Aufenthaltsort kann von der Ich-Erzählerin (Ellen Potkowski) nicht ermittelt werden. Aus dem polyphonen Bild Joschas, das durch Erinnerungen, Gerüchte, Meinungen und Vermutungen der anderen Figuren heraufbeschworen wird (eine narrative Strategie wie in der Erzählung „Berenike ist weg), kann auch hier keine logische und zusammenhängende Geschichte aufgebaut werden, denn die Äußerungen der Anderen sind oft unzuverlässig, ja absichtlich falsch. Die bewusste Irreführung der Freunde und Bekannten Joschas ist eine der Zersetzungsmethoden, die die Stasi anwendete, um das anvisierte Objekt unter gesellschaftlichen Druck zu setzen, indem sie z.B. den Ruf des Opfers ruinierte. Gleich auf der ersten Seite heißt es über Joscha:

Joscha ist verhaftet worden, hat sie gesagt, wegen Sittlichkeitsvergehen. […] Er hat Minderjährige verführt, hat sie gesagt, darunter seinen Bruder. […] War das alles? habe ich gesagt. Nein, hat sie gesagt, er hat sich seinen Lebensunterhalt auch als Zuhälter verdient. Nanu, er ist doch Lektor, habe ich gesagt, und lebt von Übersetzungen. Ach wo, hat sie gesagt, er hatte fünf Puppen laufen, die sind für ihn anschaffen gegangen.15

Die Verunglimpfung ist allerdings nur ein Vorspiel, das eine ganze Reihe von Repressalien seitens der Stasi eröffnet. Ihr folgen Verhaftung, Zwangsarbeit, Gefängnis mit Einzelzelle und die Einweisung in die psychiatrische Klinik nach einem Selbstmordversuch, den Joscha unternimmt, um der Zwangseinberufung in die Volksarmee zu entkommen. Der Leser erfährt noch von den Verfolgungen der Eltern (dem Selbstmord der Mutter, der aber alle Anzeichen einer Mordtat aufweist; der Flucht des Vaters, der ,drüben‘ verschollen ist), von der Einweisung der verwaisten Kinder ins Heim, dem Abiturverbot für die Titelfigur etc. Für den genialen Dichter gibt es keinen Platz in einer reglementierten Gesellschaft, deren autoritäre Ordnung er ständig unterminiert, weil seine natürliche Gabe auf Menschen anziehend, ja nahezu verführerisch wirkt. Wie der biblische Joseph in der Wüste, der dem Neid der Brüder auf seine visionären Träume und sein anmutiges Wesen nicht entkommt, landet auch der novaksche Joseph „in der Grube“. Der Neid wird auch ihm zum Schicksal – seine Gedichte bezaubern, seine liebenswerte Art und sein spontanes Engagement wirken ansteckend, sein Charisma wird ihm zum Fluch.
In dem früheren Bändchen Geselliges Beisammensein (1968) ist eine Kurzerzählung in Monologform unter dem Titel „Schlager & Co.“16 zu finden, in der das Thema der Anwerbung der GIs durch die Stasi und der vergeblichen Hoffnung auf die Möglichkeit, mit dem Gewaltapparat zu kooperieren, ohne sich und anderen zu schaden, also ohne „sich die Finger schmutzig zu machen“,17 im Zentrum steht. Eine junge Arbeiterin wird von zwei „grauen Herren“ besucht, die sie zur Bespitzelung der Arbeitskollegen animieren wollen, da sie über ein besonders Talent verfügt: Sie kann „Schlager popularisieren“ und besitzt gute Kontakte zu vielen Gruppen, darüber hinaus kann sie – wie die grauen Herren behaupten – schnell unterscheiden lernen, wer im Chor „nicht mitsingen“18 will. Sie soll also auf ihre Kollegen am Arbeitsplatz angesetzt werden. Angst vor dem Verlust der Arbeitsstelle, der ihr zugewiesenen Wohnung und noch mehr vor der Anschuldigung, Maschinen in der Produktion beschädigt oder die Fabrik bestohlen zu haben, obwohl sie doch nichts dergleichen getan hat, bewegen sie – nach anfänglichem Zögern – zur Annahme des Angebots. Sie stellt sich vor, wie sie ihre neue Rolle meistert, ohne den Mitmenschen Schaden zuzufügen, zeitgleich schmiedet sie aber Pläne zum Aufbau einer schnellen Karriere in der „Firma“. Nach dem Entschluss, auf den Vorschlag der Stasi-Beamten einzugehen, meldet sie sich mit einem ausgefüllten Personalbogen zu einer Unterredung. Es stellt sich aber heraus, dass das Formular leer geblieben ist und dass sie selbst zum Objekt der Observation durch den Geheimdienst wird. Die beiden grauen Herren sollen ihr helfen, ihr Gedächtnis aufzufrischen. Der innere Monolog, auf den Helga M. Novak in dieser Erzählung zurückgreift, ermöglicht es, den Prozess der Akzeptanz des Bösen, d.h. die Mechanismen der Anwerbung, also die Versuchung, Einschüchterung, Korruption und Aufwertung des potentiellen Spitzels, durch die Bewusstseinsströme der Hauptfigur zu beleuchten. Der Wechsel der Rollen geschieht unter diesen Umständen blitzschnell: Wer bereit ist, dem Bösen gegenüber Konzessionen zu machen, wird bald selbst zu dessen Opfer. Der Jäger wird zum Gejagten, der Täter zum Opfer. Im System DDR sind die Trennlinien zwischen Verfolgern und Verfolgten fließend.
Dieser Thematik bleibt Novak auch in ihren autobiografischen Romanen treu, obwohl diese die ersten zwei Bände Die Eisheiligen und Vogel federlos19 eher leitmotivisch durchzieht und nicht den Mittelpunkt der Narration ausmacht. Erst der dritte Teil der Romantrilogie Im Schwanenhals rückt die eigene Erfahrung mit der Stasi in den Vordergrund des Erzählten. Doch der Veröffentlichung dieses Buches ging zwei Jahrzehnte vorher noch der im Spiegel publizierte „Offene Brief an Wolf Biermann, Sarah Kirsch und Jürgen Fuchs“ voraus, der Helga M. Novak in die Wirren der öffentlichen Debatte über die Rolle der Schriftsteller in der DDR und ihren Opportunismus bzw. ihre Unterstützung des Systems schlagartig hineingezogen hatte.
Im Roman Im Schwanenhals erzählt Novak ausgiebig über ihre Beweggründe für die Veröffentlichung des „Offenen Briefes“. An einer Stelle heißt es:

Ich dachte, indem ich mich ausliefere, könnte ich einer Jagd Einhalt gebieten, bevor sie noch richtig losgestürmt ist. Vielleicht würde mein Eingeständnis, einmal Teil des Systems gewesen zu sein, andere zum Nachdenken anregen. Sollten sie doch darauf kommen, dass man nicht einfach jemanden beschuldigen kann, ohne sogleich Beweise mitzuliefern. Ich dachte, wenn solche Hatz losgeht, dann bricht Schreckliches über uns herein. Mein eisgekühltes Bekenntnis sollte andere ermutigen, ihre „Wahrheit“ zu sagen.20

In dieser Äußerung werden mehrere Motive deutlich. Erstens die Überzeugung Novaks, dass viele der DDR-Schriftsteller den Mechanismus des kommunistischen Staates fleißig mit vorangetrieben hatten, selbst seine Rädchen waren und damit für sein Wirken mitverantwortlich sind, und zwar ungeachtet dessen, ob, wann und wie sie dann zu seinen Opfern wurden.
Der zweite Grund, den Novak in der zitierten Passage nennt, ist die Furcht vor der gesellschaftlichen Ächtung der Künstler, die ihrer Mitarbeit mit der Stasi überführt wurden, also vor einer allgemeinen Hetze gegen Intellektuelle, die Zugeständnisse an den DDR-Staat gemacht hatten, seinem Druck erlegen waren und ihre Argumente für diese Entscheidung („ihre Wahrheit“) nicht in der Öffentlichkeit darstellen können. Es ist eben jenes Thema, das Novak schon sehr früh, in der – freilich unter vollkommen anderen politischen Bedingungen verfassten – „Tragoballade vom Spitzel Winfried Schütze“, literarisch behandelte. Die einmal gestellten Fragen kehren nun unter anderen Umständen zurück: Wie wird man zum Denunzianten? Was bewegt einen Menschen dazu? Gibt man dem Zuträger eine Chance, die eigene Geschichte zu erzählen, oder verurteilt man ihn im Voraus? Haben die anderen, „die Makellosen, die Gerechtsamen, die über jeden Zweifel Erhabenen, die moralisch Überlegenen“,21 das Recht, sich „auf den Richterstuhl zu setzen“,22 „auszumisten und anzuprangern“?23 Wer übernimmt die Verantwortung, wenn die gesellschaftliche Schmähung des Denunzianten diesen schließlich in den Tod treibt? Oder braucht man keine Verantwortung zu übernehmen, weil dies die gerechte Strafe für den Verrat ist? Hat man auch handfeste Beweise für die Schuld des Entlarvten? Helga M. Novak stellt Fragen über Fragen, sucht nach Antworten und ruft zur Besinnung und differenzierten Betrachtung der Schuldproblematik auf. Wie in den vorangegangenen Ausführungen dargestellt, diagnostizierte sie die Schuld nicht vorrangig beim Individuum, sondern bei dem menschenverachtenden System, das die Bürger/innen instrumentalisiert und zu seinen Zwecken ausgebeutet hatte. Deshalb auch ihre Überzeugung, dass die DDR-Intellektuellen, insbesondere die Schriftsteller/innen, alle Aspekte in der Stasi-Debatte berücksichtigen sollten:

Dieses Thema sollten wir nicht mit göttlichem Zorn, sondern mit Differenzierung und Verständnis anpacken.24

Mit ihrem „Offenen Brief“ wollte sie die Stasi-Debatte also nicht auf die Schuld des Einzelnen richten, sondern sich auf die Funktionsmechanismen der DDR-Diktatur konzentrieren und erst vor diesem Hintergrund nach den Einzelschicksalen sowie der individuellen „Wahrheit“ fragen. Daher skizziert sie auch ihre eigene Situation als ein gängiges Handlungsmuster, das veranschaulicht, weshalb so viele DDR-Bürger ihre Zustimmung für die Zusammenarbeit mit der Stasi gaben:

Wenn schon, denn schon – ich war auch mal ein Spitzel! Die ,Einsamkeit der weißen Weste‘ passt mir also nicht. Seit Posen/Ungarn (56) war ich dagegen. Nicht gegen den Kommunismus, aber gegen die asiatische Despotie. Ohne Herkunft, Studentin vor dem Staatsexamen, liiert mit einem isländischen Studenten – war ich erpreßbar. Und ich unterschrieb – September 57. Ich wollte nämlich nicht, wie Erich Loest, sieben Jahre in Bautzen sitzen, wo mir, da ich keine Familie, gar keine Blutsverwandten hatte, niemand auch nur eine Schachtel Zigaretten gebracht hätte.25

Und obwohl Helga M. Novak keinen Bericht über die Objekte der ihr aufgetragenen Observation lieferte, da sie keins davon für die Stasi bespitzelte, keinen denunzierte, niemandem schadete und bald danach als Republikflüchtige die DDR verließ, empfand sie doch ihr Leben lang die Scham über die eigene Schwäche, Angst und Unfähigkeit, dem Bösen zu widerstehen, ebenso aber auch Scham für den Staat, der sie zur Denunziantin machen wollte. Sie fügte sich, wie die Anderen sich fügten, um ihre persönlichen Ziele verfolgen zu können, um in Ruhe gelassen zu werden, aus Angst vor dem Gefängnis oder dem Ausschluss aus der Gesellschaft, um unbehelligt von den Machenschaften und Spielen der Geheimdienste zu leben. Aber, wie Novak in ihrem „Offenen Brief“ schreibt, „die Scham beißt ein Leben lang“ und „sie ist auch eine energische Lehrerin“.26 Scham und Schmerz prägen ihre Existenz so maßgeblich und radikal, dass sie niemals mehr und nirgendwo heimisch werden kann, und diese Entwurzelung macht sie für ihr ganzes Leben faktisch und metaphorisch heimatlos.
Ein weiteres Problem, mit welchem Novak sich in ihrem autobiografischen Roman auseinandersetzt, betrifft die Sascha Anderson-Affäre und Biermanns Büchnerpreisrede von 1991.27 Sie übt eine starke Kritik an der Methode der Enthüllung, also vor allem am medialen Spektakel und der „selbstgerechten Art des Urteilens“,28 von der sie sich entschlossen distanziert. Ein Umstand stimmt sie besonders nachdenklich und empört sie zugleich:

Seit Jahren und immer wieder denke ich, wie Sascha Anderson seiner Spitzeldienste überführt wurde. Die Art und Weise dieser Entlarvung verursachte mir tiefen Schmerz, denn zu jener Zeit standen unsere Stasiakten noch nicht für die Einsichtnahme zur Verfügung. Woher wusste derjenige, der Anderson einer Schande preisgab, woher wusste es der Ankläger, dass Anderson der Stasi diente?29

Dass nach dem Fall des Kommunismus neue privilegierte Klassen entstanden und die Mächtigen wieder neue Herrschaftsbeziehungen schufen, machte sie wütend. So heißt es vorwurfsvoll und bitter:

Also Herrschaftswissen – wie immer! Hatten oppositionelle Freunde etwa schon zu DDR-Zeiten profitiert von ihren Kontakten zur Nomenklatura?30

Die Bevorzugung der Einen und Herabsetzung der Anderen, ohne den letzteren eine Chance auf die Darstellung „ihrer Wahrheit“ zu geben, bedeutete für sie einen neuen Machtmissbrauch, der letztendlich zu einer „Jagd gegen Intellektuelle aller Art“31 führen musste. Auch dies war – drittens – einer der Gründe, den „Offenen Brief“ zu publizieren: die Befürchtung, einmal selbst ein Objekt dieser Hatz zu werden.32 Unverhohlen schreibt Novak von ihrer Angst, ja beinahe Panik, als die Demaskierungswelle der Stasispitzel nach 1991 losbricht. Sie fürchtet, öffentlich diffamiert zu werden, ohne die Chance zu erhalten, die eigene Version der vergangenen Ereignisse zu erzählen. Die von ihr unterschriebene Zustimmung für die Zusammenarbeit mit der Stasi liegt ja im Stasi-Archiv vor, ebenso wie das unterzeichnete Schweigegelübde. Und diese von Novak abgelehnte „Jagd“, wie sie die Entlarvung der Stasiagenten unter den Schriftstellern despektierlich bezeichnet, wird ausgerechnet von ihren ehemaligen Mitstreitern angeführt, mit denen sie einen Freundeskreis um Robert Havemann gebildet hatte – von Wolf Biermann und Jürgen Fuchs. Das musste zusätzlich schmerzen.
Die Auseinandersetzung mit der eigenen Verstrickung in den Machtapparat der Stasi und mit der Stasi-Angst ist ein wichtiges Thema im letzten Teil der Romanreihe. Schon die Metaphorik des Titels (Im Schwanenhals) weist eindeutig darauf hin, dass Novak keine Zweifel hat: Jede Berührung mit der Stasi, jede Konzession, jedes Augenzudrücken bedeuten einen Schritt in die Falle, aus der es kein leichtes Entkommen gibt. Die Metapher der Falle, des Tellereisens, ist deutlich: Es schnappt zu und lässt nicht mehr los; um sich zu befreien, muss das Tier sich das Bein abbeißen. Eine Befreiung ist also nur unter größten, sich selbst zugefügten Schmerzen möglich. Das Opfer kann aber auch an den Folgen der schweren Verletzung sterben. Nicht anders geht es einem Menschen in der Stasi-Falle: Er kann niemals unbeschadet davonkommen.
Helga M. Novak zeichnet detailliert die Umstände nach, die in ihrem Fall zur Anwerbung durch die Stasi führten. Erst nach der Einsicht der Stasi-Akten wird ihr klar, wie perfide und peinlich genau der Plan dazu ausgeheckt wurde. Novak erschien dem Geheimdienst schon wegen ihrer Kontakte zu den isländischen Studierenden in der DDR als interessant und wegen ihrer familiären Situation sowie ihres kommunistischen Engagements als für die Stasi nahezu perfekt geeignet. Jede Einzelheit aus ihrem Leben, auch die unbedeutendste Episode, konnte ihr zum Verhängnis werden. Und so erweist sich ihr Rauswurf aus dem Studentenwohnheim mitten in der Prüfungszeit nicht eigentlich als Strafe für die Missachtung der Hausordnung, sondern eben als der erste Schritt, um die angehende Schriftstellerin in eine Falle zu locken: Obdachlos geworden, bekommt sie durch einen „Glücksfall“ ein neues Zimmer vermittelt, das sich später als Observationslokal der Stasi entpuppt. Das Fangeisen ist gestellt.
Als sie dann kurz vor dem Staatsexamen in einen abseits gelegenen Raum in der Universität bestellt wird, in dem die „grauen Herren“ auf sie warten, weiß sie schon, dass sie in der Falle sitzt:

Seitdem der Zettel auf dem Tisch meiner Beglaubigung harrte, hatte ich keine Sekunde lang erwogen, die Abmachung zu verweigern. Ich saß da, abgeschnitten, eingeschlossen in einem Raum, den kaum einer kannte, wo niemand mich suchen würde und verfolgte nur noch das Ziel, die Zusammenkunft zu beenden und heil aus dem Sonderzimmer raus und an die frische Luft zu kommen. Ich gäbe auch zu, dass die Erde eckig ist, wenn ich dafür schneller die Türklinke erreicht hätte.33

Die Flucht als die einzige Überlebenschance wird seitdem zu Novaks Lebensstrategie, die sich allerdings nicht selten als Illusion erweist, da sie keine Probleme löst, dafür aber neue bereitet. Ihre Geringschätzung der Unterschrift unter der Verpflichtungserklärung (und später unter der Schweigeverpflichtung) und ihre Naivität rechtfertigt die Autorin mit den wiederholten Unterschriftensammlungen in der DDR, in denen Unterstützung für von oben angeordnete staatliche Aktionen eingefordert wurde. Aber gerade diese zwei Unterschriften machen sie zur Sklavin des Systems:

Endlich kam ich raus. Danach war ich nicht mehr dieselbe. Außerdem hatte ich gerade diese Signatur unterschätzt, denn ich ahnte nicht, dass sie vom Staatssicherheitsdienst als Freibrief behandelt werden würde, um mich in eine Art Leibeigenschaft zu überführen. Ein Leben lang.34

Das Gefühl der totalen Vereinsamung und die Angst vor Repressalien durchziehen Novaks Erzählung über die systematische Zerstörung der zwischenmenschlichen Beziehungen und der individuellen Lebenswelt, die von den Staatsorganen der DDR zu wirksamen Disziplinierungsmaßnahmen der Gesellschaft instrumentalisiert wurden. Ein Individuum ohne Beistand, ohne Solidarität von seinen Mitmenschen, einsam und eingeschüchtert, ist eine leichte Beute, ein schnell manipuliertes Objekt, das man sich mühelos gefügig und dienstwillig macht. Vor allem die Erfahrung des Ausgeliefertseins und der Verlassenheit macht die Konfrontation mit den Stasi-Offizieren unerträglich, ebenso wie die Situation der öffentlichen Anprangerung bei der FDJ-Versammlung, infolge derer Helga M. Novak exmatrikuliert und zwangsweise „in die Produktion“ geschickt wurde. In Bewusstseinsströmen versucht die Schriftstellerin ihre vergangenen Erlebnisse zu (re)konstruieren, die vor allem das Gefühl der Angst, Einsamkeit und Verzweiflung zum Ausdruck bringen:

ich bin allein, dachte ich, keine Familie, kein Rückhalt, kein Schutz, für mich macht keiner einen Finger krumm. […] mich besucht ja keiner, denke ich, wenn ich sitze.35

Die Angst begleitet das erzählte Ich in jeder Konfrontation mit den Staatsorganen der DDR, sie lähmt und entmündigt. Erst nach der Rückkehr aus Island, als die Hoffnung auf eine journalistische Karriere und ein erfülltes Leben in der DDR gänzlich geschwunden war, ist die Angst überwunden. Über einen erneuten Versuch, sie als GI anzuwerben, schreibt Novak:

Warum hatte ich keine Angst mehr von ihnen? Ich arbeitete hier zur Strafe, tiefer konnte man in ihren Augen nicht sinken, als ungelernte Arbeiterin zu sein. Was konnten sie mir noch tun, wie mich zwingen? Zu was zwingen? Gar nichts konnten sie mir noch tun, dachte ich und gewann meine Sicherheit zurück.36

In Novaks Erinnerungswelt ist diese Szene von symbolischer Bedeutung, da die Überwindung der Angst als ein Weg in die Freiheit gedeutet wird. Wenn man nichts hat und nichts will, kann man nicht mehr erpresst werden, lautet Novaks Schlussfolgerung. Allerdings mag dieses Bekenntnis verwundern, da die Schriftstellerin zu jener Zeit eine alleinstehende Mutter war, ohne finanziellen Rückhalt, ohne Unterkunft, ohne ein gelerntes Fach, was sie doch in einem noch größeren Grad erpressbar machen musste. Man hätte sie leicht unter Druck setzen können, z.B. mit der Wegnahme ihres Kindes und dessen Einweisung in ein Kinderheim drohen, was sie in der oben besprochenen Erzählung „Berenike ist weg“ thematisierte. Geschweige denn, dass die Stasi sie einfach unter einem beliebigen Vorwand verhaften und zu einer Gefängnisstrafe verurteilen oder aber hätte töten können.
Die Geschichte, die uns Helga M. Novak als ihr Leben erzählt, ist „ihre Wahrheit“, ihre Version des Vergangenen. Die Montagetechnik, d.h. die Aneinanderreihung von authentischen Dokumenten (Auszügen aus den Stasi-Akten, Urkunden etc.), von Briefen, Zeitungsausschnitten und anderem historischen Material aus jener Zeit, hat die Funktion, ihre Aussagen und damit die von ihr gezeichnete Existenz zu beglaubigen, ihr den Charakter des Faktischen zu verleihen. Dennoch arbeitet sie mit literarischen Mitteln (wenngleich in einem unvergleichbar geringeren Maße als in den beiden vorangegangenen Bänden), ihre Erinnerungen werden selektiert, poetisiert und modelliert. Sie erzählt uns „ihre Wahrheit“ aus einer doppelten Perspektive: als ein Mensch, der seine Entscheidungen dem Lesepublikum plausibel machen will, und zugleich als Dichterin, die ihr eigenes Leben als literarischen Stoff behandele und zum Gegenstand poetischer Darstellung erhebt. Die (Re)Konstruktion des Vergangenen liefert ihr Anlass zu einer Exploration des eigenen Gedächtnisses, der erinnerten Gefühle und Emotionen, die beim erzählenden Ich durch die literarische Beschäftigung mit der eigenen Lebensgeschichte erwachen und u.a. an die Stasi-Debatte anschließen:

Ich prüfe mich, zerlege mich, nehme mich auseinander. Nirgends in mir kann ich Rachegefühle dingfest machen, nicht gegen die kleinen erpressten, gezwungenen, verdrückten Spitzel, auch nicht gegen diejenigen, die sich ungebeten der Stasi angedient haben. […] Wer kenne schon alle Beweggründe.37

Helga M. Novak erzählte ihre Beweggründe, „ihre Wahrheit“, und sie tat es in einem Wettlauf mit der Zeit. Dem letzten Band der autobiografischen Trilogie fehlen das Lyrische der früheren Bände, der lapidare Stil, die überraschenden Pointen und witzigen bzw. verblüffenden Vergleiche, die so geschätzte Raffinesse des Ausdrucks. Denn dieses Buch ist ein besonderes Buch – ihr Lebensbuch.

Izabela Surynt

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

– Marion Brandt: Zugänge zum Werk von Helga M. Novak

DIE ERFAHRUNG DDR

  • Izabela Surynt: „jeder ist erpressbar“. Schuld – Scham – Schmerz im Werk Helga M. Novaks
  • Roland Berbig: „Grünheide, Grünheide“. Helga M. Novak und Robert Haveman
  • Karol Sauerland: Helga M. Novaks Roman Im Schwanenhals – gelesen aus der Perspektive eines Zeitzeugen
  • Paola Quadrelli: ,,Ihr habt die Hereros ausgerottet!“ Der deutsche Kolonialismus in Südwestafrika im Werk von Helga M. Novak

IN LITERARISCHEN WELTEN

  • Katrin von Boltenstern: „Briefe, die kein Ende finden“. Briefeschreiben in Werk und Nachlass von Helga M. Novak
  • Mirosław Ossowski: Helga M. Novak und Günter Grass. Eine Freundschaft in Briefen
  • Michaela Nowotnick: „Die Wurzeln sind ausgerissen. Man ist nackt und fremd.“ Helga M. Novak und die rumäniendeutsche Literatur
  • Agnieszka K. Haas: Religion und Philosophie als Provokation (in) der Literatur. Helga M. Novaks Lyrik als Dialog
  • Rita Jorek: Suche nach Ursprung und Wahrheit in Helga M. Novaks letzten Texten

UNTERWEGS UND ZURÜCKGESEHNT

  • Ewelina Kamińska-Ossowska: Nachgetragene Biografien. Auf der Spurensuche nach Helga M. Novaks Wurzeln
  • Claudia Vitale: Helga M. Novaks Palermo
  • Monika Tokarzewska: Helga M. Novaks Wissenspoetik in der Legende Transsib
  • Marion Brandt: Semantiken von Legbąd: Zur Genese von Helga M. Novaks Erzählung „Portrait einer polnischen Greisin“

ERINNERUNGEN AN HELGA M. NOVAK

  • Andreas Reimann: DDR ausprobieren. Helga M. Novak 1965 in Leipzig
  • Utz Rachowski: Wie ich die große Dichterin Helga M. Novak verpasste
  • Bernd Markowsky ,,Wenige haben so viele Grenzen hinter sich gelassen wie wir“. Erinnerungen an Helga M. Novak in Polen und andernorts. Helga M. Novak in Legbąd (Fotos)
  • Hannes Schwenger: ,,Ich wohne bei der Eule“. Erinnerung an Helga Novak
  • Hans Altenhein: Transsibirische Reise. Erinnerung an Helga M. Novak

 

Zugänge zum Werk von Helga M. Novak

Helga M. Novak war eine Dichterin des Exils: Als 22-Jährige flüchtete sie aus der DDR nach Island, um Repressalien zu entgehen, kehrte aber wenige Monate später zurück, um nach gut drei Jahren erneut, diesmal durch Heirat, auszureisen. Nach ihrem Debüt als Dichterin versuchte sie noch einmal in der DDR Fuß zu fassen und nahm ein Studium am Literaturinstitut Johannes R. Becher in Leipzig auf. Sie fiel wieder durch ihre Unbotmäßigkeit auf und wurde nun zur Persona non grata erklärt: Im März 1966 bürgerten sie die Behörden der DDR aus. Zwei Monate später erhielt sie die isländische Staatsbürgerschaft und einen Pass auf den Namen Maria Karlsdottir.
Obwohl sie seit 1965 in westdeutschen Verlagen publizierte und 1968 nach Frankfurt am Main übersiedelte, führte sie ihr ruheloses Leben weiter. Heimat war ihr in Deutschland außer der Mark Brandenburg, in die sie nur noch illegal reisen konnte, wohl nur ein Kreis von Freundinnen und Freunden – zu nennen sind hier vor allem Hans Altenhein, Elisabeth Borchers, Jürgen Fuchs, Günter Grass, Robert Havemann, Horst Karasek, Sarah Kirsch, Gert Loschütz, Hannes Schwenger und Natascha Ungeheuer. Ein geistiges Zuhause suchte Novak auch nach ihrer Enttäuschung durch den DDR-Sozialismus, für den sie sich als junge Frau so sehr begeistert hatte, in gesellschaftlichen Aufbrüchen und Protestbewegungen. Der „Klumpen Hoffnung“, den das Ich in ihrem Gedicht Bekenntnis hinter sich herzieht, ,,zog auch die Autorin überall dorthin, wo sich Hoffnung zeigte“:38 zur Studentenbewegung 1968, zur portugiesischen Nelkenrevolution 1973, zur Solidarność. Seit den 1980er Jahren zwischen Island, Deutschland, Jugoslawien und Polen hin und her reisend, ließ Helga Novak sich 1989 in der Tucheler Heide im nördlichen Teil Polens nieder und kehrte erst angesichts schwerer Krankheit fast zwanzig Jahre später in ihre märkische Heimat zurück.
Dieser Nomadismus, das Leben im „gezwungenen und selbst gewählten Exil“,39 ist einer der Gründe für Novaks geringe Präsenz in der deutschen literarischen Öffentlichkeit. Doch obwohl sie einem größeren Leserpublikum in Deutschland unbekannt geblieben ist, erhielten vor allem ihre autobiografische Romantrilogie und ihre Gedichte im Feuilleton lobende und spätestens seit den 1990er Jahren auch enthusiastische Besprechungen. Wohl niemand, der sich in ihr Werk einliest, wird daran Zweifel haben, dass sie zu den großen deutschen Dichterinnen gehört und wunderbare Gedichte geschrieben hat. Von dessen Reichtum zeugt, dass Kritiker und Wissenschaftler es in die unterschiedlichsten Kontexte stellen. Vor allem ihre frühen Gedichte werden als politische Dichtung gelesen, die frühe Prosa als Beitrag zur Literatur der Arbeitswelt, ihre Erzählungen und Romane in die Nähe der Dokumentar- oder Frauenliteratur gerückt sowie als Zeugnisse der literarischen Aufarbeitung alltäglicher Diktaturerfahrung (im „Dritten Reich“ und der DDR) aus weiblicher Perspektive angesehen. Neuere Anthologien legen den Akzent auf die Liebes- und Naturlyrik sowie auf existentielle Themen.40
Das Interesse der Forschung zu Helga M. Novak richtete sich bislang vornehmlich auf die beiden ersten autobiografischen Romane, auf Die Eisheiligen (1979) und – in etwas geringerem Maße – Vogel federlos (1982). In diesen Studien wird ihrem Werk Radikalität in vielfacher Hinsicht zugesprochen. Hervorgehoben wird die fast vollständige Engführung von Leben und Werk und die rücksichtslose Ehrlichkeit der Schriftstellerin gegen sich selbst. Thematisches Zentrum von Novaks Werk sei der Widerstand gegen repressive „Instanzen und Autoritäten“, die Situation verfolgter, marginalisierter Menschen.41 In Untersuchungen von literarischen Mutterbildern und Darstellungen der Mutter-Tochter-Beziehung werden Die Eisheiligen als „eines der ersten literarischen Beispiele für die Problematisierung eines Mutter-Tochter-Konflikts“, in dem „die soziale Realität“ von Frauen thematisiert werde,42 und als ein „extremes Beispiel des Kampfes“43 einer Tochter gegen ihre Mutter bezeichnet. Als innovativ gilt auch Novaks Erzählweise, ihre „Absage an das traditionelle autobiografische Erzählen“,44 was im Überschreiten der Gattungsgrenzen (die Montage aus Dialog, dialogischem Monolog, Gedicht, Zitat) und im fast gänzlichen Verzicht auf den Erzählerkommentar sichtbar werde.
Neben Studien, die in Form einzelner Kapitel innerhalb thematischer Untersuchungen präsentiert wurden, entstanden aufschlussreiche Interpretationen einzelner Gedichte (etwa in der Frankfurter Anthologie) und wichtige Essays: Ursula Bessen zeigte werkübergreifend Veränderungen in der novakschen Schreibweise und der Behandlung einiger ihrer Themen auf, Jürgen Fuchs betonte die im DDR-Kontext explosive politische Dimension ihrer Dichtung, Michael Lentz und Konstantin Ulmer verwiesen auf die Bedeutung der Themen Exil und Heimat, Silke Scheuermann legte einen Zugang zu ihrer Liebeslyrik frei.
Blickt man über die Grenzen Deutschlands hinaus, entdeckt man auch eine Monografie zum Gesamtwerk von Helga M. Novak. Für die polnische Germanistin Izabela Surynt stand am Anfang ihrer Beschäftigung mit dem Schaffen Novaks Verwunderung: Warum hat sich eine deutsche Dichterin am Ende der 1980er Jahre in Polen niedergelassen, ,,die Welt des westlichen Wohlstandes und der Freiheit für das östliche Grau, den Marasmus, die andauernden Defizite“ aufgegeben?45 Surynt untersucht das Werk Novaks vor dem Horizont der Geschichte beider deutscher Literaturen bis 1989 und fragt nach den Auswirkungen der Gewalterfahrung für a) die literarische Konstruktion individueller und kollektiver Identität und b) die literarische Erinnerung, welche Autobiografisches und deutsche Geschichte – die Kolonialpolitik des Kaiserreiches und die beiden Totalitarismen des 20. Jahrhunderts – verbindet. Izabela Surynt hat auch grundlegende Thesen zum Polenbild in den Werken von Novak formuliert.
An diese bisherigen Studien schließen die Beiträge der ersten internationalen Tagung zum Werk Helga M. Novaks an, die im Mai 2017 deutsche, polnische und italienische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Universität Gdańsk (Danzig) zusammenführte. Der polnischen Ostseestadt kommt in der Topografie der Dichterin keine marginale Bedeutung zu. Novak besuchte sie im November 1980 zum ersten Mal, als sie – fasziniert von der Solidarność – nach Polen reiste, und auch danach fuhr sie öfter nach Gdańsk.
Anliegen der Tagung war es, neue Zugänge zum Werk Helga M. Novaks zu diskutieren und der Forschung Impulse zu geben. Mehrere Beiträge beschäftigen sich mit den letzten Publikationen der Dichterin, vor allem mit dem Roman Im Schwanenhals, der 2013 als dritter Teil der autobiografischen Trilogie erschienen ist. Einzelne seiner Aspekte berühren Izabela Surynt, Katrin von Boltenstern, Roland Berbig und Claudia Vitale in ihren Aufsätzen. Karol Sauerland, der sich ausschließlich mit diesem Roman beschäftigt, liest ihn aus der Perspektive eines Zeitzeugen, der in der DDR Mitte der 1950er Jahre vieles auf ähnliche Weise wie Helga Novak erlebte und sich ebenfalls zur Auswanderung entschloss – er ging 1958 nach Polen.
Seit einigen Jahren ist der Nachlass von Helga M. Novak im Deutschen Literaturarchiv Marbach zugänglich. In welchem Maße der Forschung damit neue Perspektiven eröffnet werden, zeigt sich darin, dass mehr als die Hälfte der Studien in diesem Band auf Archivrecherchen fußen. Auf Grundlage der erhaltenen Korrespondenzen kann etwa das Verhältnis Novaks zu Kollegen und Freunden näher charakterisiert werden. In den Beiträgen von Roland Berbig, Mirosław Ossowski und Michaela Nowotnick sind es die Beziehungen zu Robert Havemann, Günter Grass und zu rumäniendeutschen Schriftstellern, die in ihrer lebensgeschichtlichen und ideellen Bedeutung für die Dichterin, aber auch für ihr jeweiliges Gegenüber, rekonstruiert werden. Ewelina Kamińska wiederum hat anhand biografischer Dokumente und mit Hilfe von Recherchen in Archiven in Szczecin die von Novak begonnene Spurensuche nach deren leiblichen Eltern fortgesetzt.
Die im Nachlass aufbewahrten Vorfassungen zu einzelnen literarischen Texten erlauben es nun auch, die Arbeitsweise von Helga Novak besser kennenzulernen. So zeigt Katrin von Boltenstern in ihrem Beitrag, welch fundamentale Bedeutung für die Schriftstellerin, u.a. in dem unvollendet gebliebenen „Medea-Projekt“ und dem Roman Im Schwanenhals, ihre oftmals sehr intensiv geführten Briefwechsel hatten. Monika Tokarzewska beschreibt Novaks Wissenspoetik und untersucht am Beispiel des Gedichtbandes Legende Transsib, in welcher Weise umfangreiches Textmaterial (Geschichtsdarstellungen, Reportagen, Presseartikel, literarische Werke) in das Werk einfloss. Zu den überwiegend quellengestützten Studien gehören ebenfalls Rita Joreks Reflexionen über die letzten, unveröffentlichten Texte und Marion Brandts textgenetische Analyse der Erzählung „Portrait einer polnischen Greisin“.
Neben diesen Studien enthält der vorliegende Band einige thematisch angelegte Interpretationen: Izabela Surynt interpretiert mehrere Texte, in denen Novak von der Verstrickung Einzelner in die Tätigkeit der Staatssicherheit erzählt, und liest aus ihnen eine Wertung ab, die sich nicht auf eine schwarz-weiße Täter-Opfer-Opposition beschränken lässt. Paola Quadrelli beschäftigt sich mit der Problematik des Kolonialismus im Gesamtwerk und stellt die These auf, dass Novak „der in der DDR herrschenden Deutung des Kolonialismus stets verpflichtet“ geblieben sei. Claudia Vitale beschreibt das literarische Bild der Stadt Palermo, in der Helga M. Novak 1963/64 lebte, und Agnieszka Haas betrachtet die intertextuellen Bezüge der Lyrik mit Blick auf philosophische und religiöse Topoi.
Obwohl die in diesem Band präsentierten Studien also eine recht breite Palette von Aspekten berühren, können sie nur einige der Fragestellungen, die Novaks Werk aufwirft, in den Blick nehmen. Intertextualität und Wissenspoetik scheinen Ansätze zu sein, denen weiter nachzugehen sich lohnt. So bleibt Helga M. Novaks Lektüre isländischer Literatur weiterhin ein Desiderat der Forschung, ebenso die Analyse ihrer Brecht-Rezeption oder die literarischen und brieflichen Korrespondenzen mit Horst Karasek und Sarah Kirsch. Auch ihre zahlreichen Hörspiele harren noch der (Wieder-)Entdeckung.
Der Titel der Tagung und des vorliegenden Bandes Unterwegs und zurückgesehnt wurde von einem Satz abgeleitet, den Jürgen Fuchs in seinem Vorwort zu Novaks Gedichtband Grünheide Grünheide schrieb:

Ich kenne keinen, der so sehr unterwegs ist und sich so sehr zurücksehnt. Der weggeht, um wiederzukommen, aber nicht auf den Knien.46

Weggehen und Unterwegssein, erzwungenes Exil und ersehntes Welterleben, imaginäre und tatsächliche Reisen, Versuche der Ankunft und Suche nach den Wurzeln sind denn auch Themen, die sich durch fast alle der hier publizierten Beiträge ziehen.
Durch die Teilnahme einiger Freunde und Bekannter der Schriftstellerin erhielt die Danziger Tagung eine besondere Atmosphäre. Erinnerungen an Novak wurden auch durch die Fahrt nach Legbąd, die Besichtigung ihres ehemaligen Grundstückes und das Gespräch mit dem Besitzer ihres Hauses lebendig. Während der Vorbereitung des Tagungsbandes entstand daher die Idee, diesen um Erinnerungen von Freunden aus verschiedenen Lebensphasen der Dichterin zu bereichern. Ich danke Hans Altenhein, Utz Rachowski, Andreas Reimann, Hannes Schwenger und Bernd Markowsky dafür, dass sie die Bitte, ihre Erinnerungen an Helga Novak aufzuzeichnen, so freundlich aufgenommen haben, und Natascha Ungeheuer für die Erlaubnis, ihr Porträt von Helga M. Novak in diesem Band publizieren zu können. Ein besonderer Dank gilt Bernd Markowsky, der von den Fotos, die er über mehrere Jahre von Helga M. Novak in Legbąd aufnahm, einige für die vorliegende Publikation auswählte.
Die Tagung einschließlich des Tagungsbandes wären ohne die Hilfe von Kollegen und Freunden nicht möglich gewesen. Zuallererst danke ich Roland Berbig von der Humboldt-Universität zu Berlin für die kreative und motivierende Zusammenarbeit bei der Organisation der Tagung. Mirosław Ossowski, dem Direktor des Instituts für Germanistik der Universität Gdańsk, Hartmut Rüffert und der Andreas-Reimann-Gesellschaft Leipzig, dem Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland und dem Herder-Zentrum in Gdańsk sei für die finanzielle Unterstützung gedankt, dem Deutschen Literaturarchiv Marbach am Neckar und dem Robert-Havemann-Archiv für die Bereitstellung von Dokumenten und Fotos. Den Autorinnen und Autoren der Beiträge danke ich für die anregende und gute Zusammenarbeit.

Marion Brandt, August 2017, Vorwort

 

Auswahlbibliografie47

Heinz Ludwig Arnold: „Der unnütze Mensch“ [zu dem Gedicht „Tschechow nach Sachalin“], in: Frankfurter Anthologie 21 (1998), S. 205–208

Katharina Aulls: Verbunden und gebunden. Mutter-Tochter-Beziehungen in sechs Romanen der siebziger und achtziger Jahre, Frankfurt am Main 1993

Ursula Bessen: „Helga M. Novak“, in: Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur (10/01), hrsg. von Heinz Ludwig Arnold, München 2014, S. 1–18. URL: http://www.nachschlage.NET/document/16000000424

Nora Bossang: „Stromernde Dame im Stadtpark“, in: Frankfurter Anthologie 38 (2015), S. 195–198

Marion Brandt: „Nie dziękuję“ lub Zapach wolności, O Heldze M. Novak [,,Nein danke“ oder Der Geruch von Freiheit], in: PAL, Przegląd Artystyczno-Literacki, Toruń (2000) 6, S. 146–151

Klaus Briegleb: „Fragment über politische Lyrik. Ein antipoetologischer Versuch“, in: Text + Kritik 9/9a: Politische Lyrik, hrsg. von Heinz Ludwig Arnold. München, Stuttgart 1984, S. 1–33

Renate Dernedde: Mutterschatten – Schattenmütter. Muttergestalten und Mutter-Tochter-Beziehungen in deutschsprachiger Prosa, Frankfurt am Main 1994

Jürgen Fuchs: „Die mit dem dünnen Fell“, in: ders.: Einmischung in eigene Angelegenheiten. Gegen Krieg und verlogenen Frieden, Reinbek bei Hamburg 1984, S. 87–94

Walter Hinck: „Robuste Poesie“ [zu dem Gedicht „Seitdem du da bist], in: Frankfurter Anthologie 35 (2012), S. 198–200

Werner Jung: „Gewissermaßen, sozusagen. Autobiographische Texte von Struck, Novak und Lenz“, in: Juni. Magazin für Kultur und Politik 19 (1993), S. 83–95

Helga Kraft / Barbara Kosta: „Das Angstbild der Mutter. Versuchte und verworfene Selbstentwürfe (Helga Novak: Die Eisheiligen, Jutta Heinrich: Das Geschlecht der Gedanken, Gabriele Wohmann: Ausflug mit der Mutter)“, in: Helga Kraft und Elke Liebs (Hg.): Mütter – Töchter – Frauen. Weiblichkeitsbilder in der Literatur. Stuttgart, Weimar 1993, S. 215–241

Mechthild Kunert: Zwischen Identifikation und Abgrenzung. Aspekte der Mutter-Tochter-Beziehung in Texten von Marlen Haushofer, Helga M. Novak und Katja Behrens, Osnabrück 1990

Susanne Lackner: Zwischen Muttermord und Muttersehnsucht. Die literarische Präsentation der Mutter-Tochter-Problematik im Lichte der écriture feminine, Würzburg 2003

Michael Lentz: „Herkunft Heimat. Eine Lektüre. Zu den Gedichten von Helga M. Novak“, in: Helga M. Novak: wo ich jetzt bin. Gedichte. Ausgewählt von Michael Lentz, Frankfurt am Main 2005, S. 215–226

Gere Loschütz: „,Ich war anders verletzt…‘ Über Helga M. Novak“, in: Helga M. Novak zum Gedächtnis, Frankfurt am Main 2014, S. 81–101

Elisabeth Mader: Die Darstellung von Kindheit bei deutschsprachigen Romanautorinnen der Gegenwart. Eine pädagogisch-literaturdidaktische Untersuchung, Frankfurt am Main 1990

Tanja Nause: Inszenierung von Naivität. Tendenzen und Ausprägungen einer Erzählstrategie der Nachwendeliteratur, Leipzig 2002

Marcel Reich-Ranicki: „Darstellung der Arbeitswelt – wozu? Aus Anlaß eines Buches von Helga M. Novak: Geselliges Beisammensein“, in: ders.: Lauter Verrisse. Mit einem einleitenden Essay, München 1970, S. 131–137

Madeleine Salzmann: Die Kommunikationsstruktur der Autobiographie: mit kommunikationsorientierten Analysen der Autobiographien von M. Frisch, H. Novak und E. Canetti, Bern 1988

Silke Scheuermann: „Kann nicht steigen nicht fallen. Helga M. Novaks Liebesgedichte“, in: Helga M. Novak: Liebesgedichte, hrsg. von Silke Scheuermann, Frankfurt am Main 2010, S. 135–153

Silke Scheuermann: „Ein Zuhause im Wald“ [zu dem Gedicht „unser wald“], in: Frankfurter Anthologie 34 (2011). S. 217–219

Oliver Sill: Zerbrochene Spiegel. Studien zur Theorie und Praxis modernen autobiographischen Erzählens, Berlin, New York 1991

Monika Spielmann: Aus den Augen des Kindes. Die Kinderperspektive in deutschsprachigen Romanen seit 1945, Innsbruck 2002

Inge Stephan: Medea. Multimediale Karriere einer mythologischen Figur, Köln, Weimar, Wien 2006

Izabela Surynt: „,Epoka kamienna łupanego i telewizor‘. Helgi M. Novak Polska wyobrażona“, in: Znaczenia 2008 (1), S. 79–90

Izabela Surynt: „,so verletzt, so erniedrigt, so elend, so mißhandelt, so verwundbar, so ungeschützt‘. Gewalt und Identität im Werk von Helga M. Novak“, in: Convivium. Germanistisches Jahrbuch Polen, Bonn 2007, S. 119–143

Izabela Surynt: „Leben als Exil. Zum Schaffen von Helga M. Novak“, in: Walter Schmitz und Jörg Bernig (Hg.): Deutsch-deutsches Literaturexil. Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus der DDR in der Bundesrepublik Deutschland, Dresden 2009, S. 173–187

Izabela Surynt: „,tu, gdzie teraz jestem‘ Helga M. Novak pomiędzy NRD a Polska“ [wo ich jetzt bin. Helga M. Novak zwischen der DDR und Polen], in: Basil Kerski et al. (Hg.): Przyjaźń zakazana? Stosunki między NRD a Polską w latach 1949–1990, Wrocław 2009, S. 351–363

Izabela Surynt: Przemoc – Pamięć – Tożsamość w niemieckiej literaturze drugiej połowy XX wieku. Światy ze słów Helgi M. Novak [Gewalt, Gedächtnis und Identität in der deutschen Literatur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Helga M. Novaks Wortwelten], Wrocław 2010

Izabela Surynt: Zwischenräume. Helga M. Novaks polnische Phantasien. Jablonowski Preis 2009, Leipzig 2011, S.13–39

Konstantin Ulmer: „Ungebunden, ungehorsam, ungezügelt. Zum Leben und Werk der Dichterin Helga M. Novak“, in: Deutschland Archiv Online, 07.03.2014, URL: http://www.bpb.de/180114 (19.08.2017)

Sigrid Weigel: Die Stimme der Medusa. Schreibweisen in der Gegenwartsliteratur von Frauen, Reinbek bei Hamburg 1989

 

Fakten und Vermutungen zur Herausgeberin + Kalliope

 

Lebenswege

Die Dichterin Helga M. Novak. Ein Feature von J. Monika Walther

Die verlorene Tochter. Ein Skandal: Helga M. Novak darf nicht nach Deutschland

Ulrich Schäfer-Newiger: Sprache. Freiheit. MelancholieÜber Helga M. Novak als Dichterin.

Utz Rachowski: Wie ich die große Dichterin Helga M. Novak verpasste

Bernd Markowsky: „Wenige haben so viele Grenzen hinter sich gelassen wie wir“

Andreas Reimann: DDR ausprobieren

Hannes Schwenger: „Ich wohne bei der Eule“

Hans Altenhein: Transsibirische Reise

 

 

Zum 70. Geburtstag von Helga M. Novak:

Michael Braun: Schöne Verwilde­rung
Neue Zürcher Zeitung, 8.9.2005

Fries, Fritz Rudolf: Versuch einer Liebeserklärung
Neues Deutschland, 8.9.2005

Thomas Poiss: Dichtermut, Dichterjubel
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8.9.2005

Zum 75. Geburtstag von Helga M. Novak:

Ulf Heise: Anarchin in polnischer Klausur
Märkische Allgemeine Zeitung, 7.9.2010

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