SASAKANANAS
rau ist lombok wie die stimmen der sasak
die dunkle haut ihrer kantigen gesichter
die zottigen hausrücken und schattendächer
die lehmmauern mit den fruchtbaren göttern
sasakkinder kennen den strand bei ebbe
führen uns durch büffelherden und palmenhaine
eienr der jungs in löchrigen shorts spricht unsere
sprache obwohl er nicht zur schule geht weil er
andenken und ananas an touristen verkauft sagt
er hat es von den touris gelernt sagt seine mutter
kann das schulgeld nicht zahlen wahrscheinlich
hat er auch kein geld für die uniform doch er ist
wirklich schlau denn jetzt wollen wir dass er was
verdient
geht mit uns zum hafen schneidet uns eine ananas
auf ein winziges ding kaum größer als eine kinderfaust aber
der duft schon wirft er das erste goldstück uns zu
die vollkommenste süße unseres bisherigen lebens
er arbeitet in der freien hand mit armlangem hackmesser
wenn er geld mitbringt sagt er
kocht seine mutter ein festmahl
reis mit sambal
reiste Martin Jankowski immer wieder nach Indonesien, um den tropischen Archipel der 17.000 Inseln am Äquator zu erkunden: Nicht als Abenteuerer, Tourist oder Handlungsreisender, sondern als Lyriker. Von Sumatra bis Papua haben ihn seine poetischen Expeditionen geführt und es sind Hunderte Texte über Begegnungen mit Land, Leuten und Poesie entstanden. Erste Gedichte aus diesem Material erschienen in Magazinen und Anthologien, einige wurden in Indonesien, aber auch international rasch bekannt; bereits vor Jahren wurde in Indonesien selbst ein Buch veröffentlicht, das sehr erfolgreich war. Erstmals werden diese Gedichte, die zunächst in Indonesien und anderen Ländern erschienen und wahrgenommen wurde, nun als Buch auch im deutschen Sprachraum zugänglich gemacht.
Leipziger Literaturverlag, Klappentext, 2015
APRÈS MAUERFALL
geparkt in der mauerstraße, wo keine mauer ist (noch war)
nur l’oreal und die seufzerbrücke, fernher botschaften
zurücktretender ministergärten, wo ein weniges HEUT
herunterglänzt auf trüber baumfreier straß’, ein
ortstypischer businessman sich trollt : allzu gern nur
möcht ich es glauben, es werde alles was JETZT ist
für alle zeit da sein, hier, wo kierkegård sein
entweder-oder kodierte, wo alles sowohl ist
als auch, und leer von gesang die luft
entquillt die quadriga dem tor, dem wieder
und wieder verschlossnen, wo banken wuchsen, man
wollte ja alles in blondem stein, zur seit die akademie,
kaufhaus für rolltreppen, und ihr im morast der moränen
versunknes archiv, beim adlon, wo ewig herr hauptmann
harrt des kaiserlichen nie kommenden telegramms
wir aber stehn auf liebermann, seinem verzinkten,
dem atelierdach, wo fackeln heraufglänzten bis rauch
melder pflicht wurden, sich karusselle nun drehn :
mur invisible, zwei striche, überrollt westost.
anfangs ein tanzender, mundwinkel aufwärts,
in den vergrauungen, als einheit gestern war,
belange sich lösten wie klar-namen, mehr
oder weniger linear, wo man vergangnes begrub
unter charlottenburger platten schweißt heut man
die gullideckel zu, wenn er, der staatsgast, naht
in karossen, ich trank die tasse, warf die tasse
fort, doch auf der welt da leben menschen
da musst du runtergehn zu lost & found, musst
deine hybris fahren, gebrochen deutsch, ins offne
Für Martin Jankowski
Michael Speier
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