– Nach Georg Trakls Gedicht „Heiterer Frühling“. –
GEORG TRAKL
Heiterer Frühling
2. Fassung
1
Am Bach, der durch das gelbe Brachfeld fließt,
Zieht noch das dürre Rohr vom vorigen Jahr.
Durchs Graue gleiten Klänge wunderbar,
Vorüberweht ein Hauch von warmem Mist.
An Weiden baumeln Kätzchen sacht im Wind,
Sein traurig Lied singt träumend ein Soldat.
Ein Wiesenstreifen saust verweht und matt,
Ein Kind steht in Konturen weich und lind.
Die Birken dort, der schwarze Dornenstrauch,
Auch fliehn im Rauch Gestalten aufgelöst.
Hell Grünes blüht und anderes verwest
Und Kröten schliefen durch den jungen Lauch.
2
Dich lieb ich treu du derbe Wäscherin.
Noch trägt die Flut des Himmels goldene Last.
Ein Fischlein blitzt vorüber und verblaßt;
Ein wächsern Antlitz fließt durch Erlen hin.
In Gärten sinken Glocken lang und leis
Ein kleiner Vogel trällert wie verrückt.
Das sanfte Korn schwillt leise und verzückt
Und Bienen sammeln noch mit ernstem Fleiß.
Komm Liebe nun zum müden Arbeitsmann!
In seine Hütte fällt ein lauer Strahl.
Der Wald strömt durch den Abend herb und fahl
Und Knospen knistern heiter dann und wann.
3
Wie scheint doch alles Werdende so krank!
Ein Fieberhauch um einen Weiler kreist;
Doch aus Gezweigen winkt ein sanfter Geist
Und öffnet das Gemüte weit und bang.
Ein blühender Erguß verrinnt sehr sacht
Und Ungebornes pflegt der eignen Ruh.
Die Liebenden blühn ihren Sternen zu
Und süßer fließt ihr Odem durch die Nacht.
So schmerzlich gut und wahrhaft ist, was lebt;
Und leise rührt dich an ein alter Stein:
Wahrlich! Ich werde immer bei euch sein.
O Mund! der durch die Silberweide bebt.
1
Die Birken blühen kalk wie Kokain,
Sie gleichen simplen Fruchtbarkeitsverstärkern.
Ich glaube nicht an die Hormonberserker,
Die scheinbar knutschend durch die Netze ziehn.
An mir war nie ein solcher Ringelpiez.
Kein Trauriglied birgt säumend meinen Schwall.
Der Frühling scheint mir Anfang von Verfall,
Da Winter sich auf Traumgeburt verließ;
Wie Schlaferholung wirkt der Winter mir,
Doch frühjahrs hat man längst nicht ausgedöst
Hell Grünes blüht und anderes verwest.
Ich weiß: bald hab ichs wieder hinter mir.
2
Labelloreigen spröder Lippengrüßer.
Die Kirschblüte als meine Schwester, Huld
Vergib mir meinen kitschgen Frühlingskult.
Ich sprech verdorrt als junger Lippenbüßer –
Ich geb es offen zu, ich denk an Twitter:
Ein kleiner Vogel trällert wie verrückt –
Denn in die Jahreszeiten eingestrickt
Ist’s manchen lieb, ist mancher schon verbittert.
Ist Kitsch der Wächter oder Schlüssel hier?
Hab ich den Frühling? Hat er mich verdrossen?
Was lässt mich durch und durch den Winter hoffen?
Und Knospen knistern weiter dir und mir.
3
Wie scheint doch alles Werdende so krank
Vielleicht ja, weil wir uns das Sein ersuchen
Und Tramping nie ins hier und jetzt verbuchen.
Der Wunsch um den ich jahrzeitlich mich rank
Ist dieses Bloßverliebtsein – nur in wen?
Und meine Mutter wünscht sich Kokain.
Im Grunde wollen wir dasselbe spürn,
Das Weltvergessen – darin ganz vergehn.
Und schmerzlich scheint was ist, was wird
Das wird vielleicht, vielleicht auch nicht.
Ja, Trakl, wir wolln den Frühling im Gedicht
Mit Liebe reimen, auch wenn man sich irrt.
Martin Piekar, aus Mirko Bonné und Tom Schulz (Hrsg.): TRAKL und wir. Fünfzig Blicke in einen Opal, Stiftung Lyrik Kabinett, 2014
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