PRAHA
für Jiří Gruša
Jeden Morgen sendet Prag
Seine Brücken über die Moldau
Um Licht aus dem Gewässer zu kämmen
Vollgesogen von Schlaf
Der Hradschin zieht seine Positionslampen ein
Und setzt Segel in den Himmel
Das böhmische Meer
Aufgetaucht aus zurückgelassenen Blicken
Buth setzt auf die innere Heimat: das Wort und ein talmudisches Denken, das an Heine anschließt und an Else Lasker-Schülers Sprachinszenierungen erinnert. Hinck bewunderte an seiner Lyrik, „wie Beobachtungen, Reflexionen und Erfahrungen unmittelbar in Poesie umgesetzt werden: keine Krücken der Vermittlung.“ Und Görner erkannte, daß Buths Gedichte „aus unverhofften Worten bestehen, meist der Musik verwandt, deren Beschreibungselemente ihrerseits poetisierbar sind.“
Ankündigung in Ror Wolf: Poesiealbum 343, MärkischerVerlag Wilhelmshorst, 2019
Buch ist ein Meister der Reduktion. Gedichte sind bei ihm Verdichtungen auf das Äußerste hin. Wenige Zeilen genügen, um eine Situation aufleuchten zu lassen.
Hans Dieter Schmidt
Er verschwistert Prägnanz und Poetizität, die seiner Lyrik Tragfähigkeit und Ausstrahlung verleihen.
Karl Krolow
Jede Zeile ist zugleich ein in sich geschlossenes lyrisches Element. Die Worte schweben ohne jeden Ballast über dem Bedeutungsgrund.
Ulrike Gondorf
Diese Gedichte sind romantisch, sie benennen vieles, ihr Zentrum haben sie jedoch im Unbenennbaren. Demjenigen, was sich entzieht, was man ersehnt.
Jiří Gruša
Semantische und sprachlich-formale Konzentration, Fundierung des wesentlichen poetischen Einfalls in der Metapher: das ist der methodische Impetus.
Franz Norbert Mennemeier
Zur sprachlichen Präzision kommt, daß der Sprachfluß Rhythmus hat; Musiker haben Gedichte von Buch vertont.
Thomas Rausch
Seine lyrische Sprache ist auf das Wesentliche reduziert und kennt keine Geschwätzigkeit; hier spricht einer, der nachtrauert, seine Trauer aber mit nüchternem Scharfblick und einer wohldosierten Prise Heinescher Ironie bricht.
Jürgen Bročan
Buths Gedichte sind nicht verrätselt, sondern von geheimnisvoller Transparenz.
Peter Motzan
Selten sind in der Gegenwartslyrik für unendliche Verlassenheit poetische Bilder von solch tragischer Ironie zu finden. Beobachtungen, Reflexionen oder Erfahrungen werden unmittelbar in Poesie umgesetzt: Keine Krücken der Vermittlung.
Walter Hinck
Diese Lyrik widersteht dem Kryptischen. Sie besticht durch ihre Eingängigkeit, bewirkt durch die schlichte Prägnanz ihrer Sprachbilder. Die Gedichte verdienen, in uns zu Wort zu kommen.
Rüdiger Görner
Märkischer Verlag Wilhelmshorst, Klappentext, 2019
Buth ist ein Poet von Rang, ein Dichter-Jurist. Seine Gedichte sind welthaltig; die Sprachbilder beschreiben nicht, sondern stellen neue Wirklichkeiten her und greifen oft ins Musikalische. Sie halten fest, indem sie Halt suchen, sie gehen in die Enge, um ins Weite zu kommen: das ist der Gestaltungsgeist dieser geradezu umarmenden Lyrik, die Atemraum schafft für den bedrängten Menschen.
Märkischer Verlag Wilhelmshorst, Klappentext, 2019
Gelegentlich dichten auch Beamte, manchmal lesenswert wie Matthias Buth, der als promovierter Jurist neben Funktionen in Regierungsämtern auch Gedichtbände veröffentlicht hat. Aber im Osten ist er bisher kaum bekannt. Da kommt das Poesiealbum gerade recht, es bietet eine Auswahl seiner Gedichte, die „Prägnanz und Poetizität“ (Karl Krolow) ausweisen. „Deine Hand ist / Ein Schmetterlingsflügel / Dein Mund eine Brücke / Und Deine Augen sind / Mein Versteck“, scheinbar bekannte Metaphern, aber in Buths Gedichtkonstellation ein eigenes Bild. Musik und Reisen, Städte und Landschaften bewegen sich durch seine Verse. Eine kluge Auswahl von Helmut Braun, mit einer Grafik von Hans-Hendrik Grimmling. Und so wird uns dieser Dichter vertraut.
Der Dichter Matthias Buth ist ein Reisender voller Skepsis und Neugier. Von Haus aus Jurist (u.a. viele Jahre Leiter des Justitiariats bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien), hinterfragt er bei seinen poetischen Weltumrundungen immer auch die gesellschaftliche Grundierung der bereisten Länder. Buths 2019 erschienener Gedichtband Weiß ist das Leopardenfell des Himmels erkundet für den Leser u.a. Belgien, Frankreich und Italien, führt ihn in die Savanne Botswanas und über Äthiopien und Ägypten nach Rumänien. Letzteres liegt ihm besonders am Herzen, in diesem Jahr ist ein Band mit „Poetischen Annäherungen an Rumänien“ erschienen. Die Zyklen „Okavango-Akkorde“ (Botswana) und „Weiches Land“ (Ägypten) sind Landschaftsgedichte, in denen Flora und Fauna besungen, aber auch der Mensch, die oft existentielle Bitterkeit in den afrikanischen Ländern, in den Blick genommen wird.
Berührend ist Buths Gedicht „Arnaud Beltrame“ über jenen Offizier der französischen Gendarmerie, der sich am 24. März 2018 bei einer islamistisch motivierten Geiselnahme in Trebes freiwillig gegen eine Geisel hatte austauschen lassen und kurz darauf vom Attentäter getötet wurde. Im Gedicht „Gehört“ kritisiert er die hohe Warte, von der aus Politiker oft urteilen:
… Und wissen welche Staatsangehörigkeit
Gedanken haben
Welche Pässe der Geschichte und der Kultur
ausgestellt sind
Wer auf die linke Seite wer auf die rechte gehört
Wo Grenzen verlaufen zwischen
Den Ein- und Angepassten
Sie wissen nichts von der Demut
Die unsere Sprache gebietet…
Der Globetrotter Buth ist ein Poet, der die bereisten Länder mit allen Sinnen zu begreifen und in Tagträumen zu fassen sucht. In seinen „Burgund Elegien“ sieht er, entlang der Yonne wandernd, „Weiden grasen am Wasser / Das nicht weiß in welche Richtung / Es fließen soll“ und wenig später „Das leere Schloss / Umschlossen von Müdigkeit und Nebel“. Im Gedicht „Donau“ horcht der Fluss die Sedimente ab:
Sie sprechen die Sprache von rundgeschliffenen Steinen
Die von den Gletschern kamen
Und im grünen Wasser aneinander und miteinander
Rollen und drängen und wandern.
Buth findet sehr schöne leise Töne, um das Altern zu beschreiben. Seine Gedichte über den Vater und die Mutter haben Tiefgang und lassen doch Raum für den Leser.
Dort im Wintergarten stand das Klavier
Auf dem mein Vater sich hinaus spielte
Ins Uferlose als wär es Quartier…
(Aus: „Kaiser-Wilhelm-Allee 6“)
Musik ist ein ständiger Begleiter von Buth und also auch in seinen Gedichten präsent in Rhythmus, Form und Gegenstand:
Auf die letzte Note hin schreibt sich die Musik
Die in uns singt…
(Aus: „Note“)
Nahezu zeitgleich ist 2019 das Matthias Buth gewidmete Poesiealbum 344 erschienen, welches wichtige Gedichte aus früheren Bänden versammelt. Immer wieder ist es Köln, Buths Studienort, der aufgerufen wird:
NACH DEUTZ
Köln regnet
Der Himmel beginnt
Mit der Kleinschreibung
Von Dächern und Passanten
Noch halten
Die Brücken
Den Rhein
Der Dom
Stürzt kopfüber
Nach Deutz
Der 13-teilige Zyklus „Wieder von Neuem“, exklusiv für diese Ausgabe geschrieben, ist eine filigrane Aneinanderreihung von poetischen Gedanken:
1
Du singst mit den Augen
Sie verstummen nie
Und kennen alle Partituren
Der Zikaden
8
Sich zufächeln was keine Worte braucht
Keine Übersetzung keine Hoffnung
weil alles angekommen ist
Unsichtbar wie Staub
10
Minze in die Haut reiben
Um das Vergessen aufzuhalten
Wie einen Schmetterling
Karl Krolow schrieb einmal über Matthias Buth:
Er verschwistert Prägnanz und Poetizität, die seiner Lyrik Tragfähigkeit und Ausstrahlung verleihen.
Das wird der Leser in den beiden Bänden bestätigt finden.
Axel Helbig, Ostragehege, Heft 96, 3.6.2021
Stefan Seitz: Buth und Beatrice
wuppertaler rundschau, 3.3.2019
Thomas Rausch: Schlichte Miniaturen mit Aussagekraft
Kölner Stadt-Anzeiger, 16.4.2019
Er wird gerne als Dichterjurist bezeichnet – was nur auf den ersten Blick ein Widerspruch ist. Matthias Buth ist promovierter Jurist und Autor, ist hier wie dort als „Sprachexeget“ tätig, bei dem „jedes Wort sitzen muss, wozu sprachliches Vermögen und Genauigkeit“ gehören. Matthias Buth wurde 1951 in Wuppertal geboren, wuchs im Zooviertel auf. Hat auch heute noch eine hohe Affinität zu Elberfeld, sieht hier den Ursprung seines großen Interesses an der Politik. Eines der vielen Themen, die den belesenen Rechtsanwalt umtreiben, die er zu Papier bringt. In diesem Jahr erscheinen gleich zwei Gedichtbände von ihm.
Der Vater spielte Klavier, die Familie lebte ein christliches Leben, der Gang in die katholische St. Remigius-Kirche mit Liturgie, Kirchenfenstern und Friedhof hätten ihn geprägt, erzählt Buth. Mit 15/16 Jahren begann er zu dichten, las Claudius, Heine, Lasker-Schüler, Trakl. „Ich wollte abstrahieren, reduzieren, eine neue Realität schaffen“, erklärt er seinen Hang zur Lyrik. Dennoch studierte er Rechtswissenschaften an der Universität Köln, „weil ich einen Gerechtigkeitsfimmel hatte“. Kein Schmalspurjurist wollte er werden, sondern einer, der über den Tellerrand schaute, germanistische Vorlesungen besuchte und Fragen stellte, viel las. Am liebsten Biographien, gerne auch über Komponisten, weil ihn interessierte, „Sprache in musikalischen Dimensionen zu erleben“. Die Musik, sagt er, sei die „große Schwester der Literatur, da das Nonverbale das Verbale umschließt“.
Er sei ein Meister der Reduktion, sein Sprachfluss habe Rhythmus, seine Sprache sei auf das Wesentliche reduziert, loben die Kritiker. Für Buth ist Sprache schlichtweg „die Welt“, nicht nur Kommunikation, sondern „inneres Ich“, weshalb „wir uns mehr um unsere Sprache bemühen müssen, sie nicht verdrehen dürfen“. Sein Streben: die Gegenstände der Welt poetisch erfassen. Seine Lieblingsgedichte trägt Buth bei sich: Friedrich Rückerts „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ holt er aus dem Geldbeutel, Andreas Gryphius’ „Betrachtung der Zeit“ rezitiert er auswendig.
Er kennt und schätzt viele Poeten früherer und heutiger Zeiten. Seine Lyrik entsteht am Schreibtisch, aus einer anfänglichen Notiz, aus etwas, „das in mir lagert und nach draußen drängt“. Dazu gehört Feinarbeit, die Strophen müssen richtig sein, damit sie „eine Sogwirkung“ haben. Der Dialog zwischen ihm, dem ersten Autor, und dem Leser als zweitem Autor, der sich ebenfalls ins Gedicht einbringe, ist Buth wichtig.
54 Gedichte wurden für das Poesiealbum 344 ausgesucht, ein Ritterschlag für den Autor, der sich damit in die großen Namen einreiht, die die in DDR-Zeiten gegründete Lyrikbandreihe schon veröffentlicht hat. Gedichte, die um die Welt, den Tod, die Liebe, die Suche nach Identität kreisen, in Mitteleuropa, Rumänien, Ungarn, Polen, Frankreich und Italien zuhause sind. „Die Hauptthemen meines Kosmos.“
Weit gefasst ist auch der Themenbogen der Texte, die Buth unter dem Titel Seid umschlungen veröffentlicht hat. Viel Politisches über Grenzöffnungen 1989 und 2015, über ein Deutschland, das vom Freiheits- und Humanitätsideal aus den Werken Schillers, Goethes, Herders und Heines getragen werde. Oder Historisches – ein informationsdichter Essay, der mit seiner Kindheit in Wuppertal beginnt und im heutigen Polen und dem Plädoyer für eine europäische Verständigung endet. Weitere Themen sind Religion, Kultur, Ethik, Recht, Identität, Sprache, Literatur und Musik. „Ein Buch ist projizierte Welt, destilliert aus den Erfahrungen des Autors“, nennt Buth das. Der Titel erinnert bewusst an Schillers Gedicht „An die Freude“. Schiller habe „so schön formuliert, umarme den Menschen, die ganze Welt“, schwärmt Buth, der im Moment einen weiteren, größeren Prosaband vorbereitet. Dennoch: Gedichte sind ihm wichtiger, sind ihm „inneres Ausloten, Fassung gewinnen“.
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