MEINE NACKADEMIE
Zwischen Nachtigall und Haubenlerche Rosenbettler
aaaaaund Müllkutscher
Tagt meine Akademie
Einberufen sooft mir der Kamm schwillt und mich die
aaaaaTinte
Nicht mehr hält. Meine Füchsin läßt ihre schön
aaaaageäderten Trauben hüpfen
Und ich springe doch immer zu kurz und schelte sie
aaaaasauer
Eingetragen ins Register ihrer Arme und Beine
Bin ich ihr Mitglied solange ich und sei es mit Hilfe
Einen Finger zu rühren vermag
Aufgenommen wurde ich zitternackt und ich brauchte
Keinen Bauch veröffentlicht zu haben noch morschen Bürgen
Oder anderen Nachweis öffentlichen Nabels
Ich obliege allein dem Ratschluß ihrer madenlosen Glieder
Entspannt ruhen wir in unserem sich ständig erneuernden Gebäude
Mit seiner Front ganz aus gläserner Luft
Wahrend wir der Liebe erliegen
Fiedelt zu unseren Füßen die Klasse der Grillen auf ihren filigranen Flügeln
Und die Ameisen errichten emsig ihre erstaunliche Architektur
Derweil die Akazien blühend voller Kunst-Honig stehen
Daß man ihn aus der Luft saugen könnte der durchsüßten
Wären wir auch ohne Friktionszwang nicht schon ermüdet
Nach so lieblicher Lesgislatur
Richard Pietraß
Dreizehn Sächsinnen und Sachsen sind Ihnen unter die Augen getreten mit ihrem nackten Besten: mit (teils älteren, teils neuesten) Satzgespinsten, die Ihnen hoffentlich als Irrlichterndes, Irritierendes, Illuminiertes, als Irisierendes in die Nerven sich einweben (statt Ihnen auf diese zu gehen).
Thema: Die Liebe.
Besagten dreizehn Dichterinnen und Dichtern, die die Sächsische Akademie der Künste zu Dresden unter ihrem so wetterfesten wie weltoffenen Dach beherbergt, erweist s i e sich als jenes Höllisch-Himmlische, das sie ja ist: In den grellen Farben lüsternen Lästerns oder hallenden Lobhudelns tritt sie hervor, freilich ohne daß sie die Schwärze des Verlustes verleugnete; die Fingerfertigkeit, mit der Thantos, der Todesgott, ins paarende Gelingen eingreift, zeigt sich der Handfestigkeit Eros’ furchtbar gewachsen.
Es scheint, als habe sich das Leben, um sich in seiner betörenden Gänze verlautbart zu hören, angemessene und angemessen unterschiedliche Münder gesucht und sie im winzigen Erdbezirk zwischen den Flüßchen Pleiße und Neiße durchaus gefunden. Diese Münder haben sich Ihrem Ohr zu nähern getrachtet – dringlich oder drastisch oder verschlossen. Oder halboffen in der Art des sanguinischen Sachsens.
Peter Gosse und Richard Pietraß, Nachwort
und Dichter geben ihre Eros-Erfahrungen kunterbunt kund – von lüsternem Lästern bis zu lallendem Lobhudeln.
Mitteldeutscher Verlag, Klappentext, 2003
als Gnaden-Ort – in ihren z.T. neuesten Texten vergewissern sich jene Dichterinnen (Domašcyna, Erb) und Dichter (Braun, Gosse, Grüning, Hilbig, Jentzsch, Kirsch, Kunze, Lorenc, Pietraß, Rosenlöcher, Tragelehn), welche die Sächsische Akademie der Künste unter ihrem so wetterfesten wie weltoffenen Dach beherbergt, des himmelhöllischen Gegenstands.
Mitteldeutscher Verlag, Klappentext, 2003
deren Mitglieder nackt sind. Dieses Wort machte mir Freude, denn mit ihm ist sofort gute Stimmung da. Meine Nackademie ist eigentlich eine Spottgeburt. Die Berlin-Brandenburgische Akademie schickte sich an, ihr 300-jähriges Bestehen zu feiern. 300 Jahre Akademie der Künste! Sie druckte sich ein goldbronziertes Festprogramm mit zahlreichen Veranstaltungen, in denen sie sich selbst feierte… Nun gibt es diejenigen, die drin sind und die, die nicht drin sind. Durch so viel Gewese wurden alle daran erinnert. Im Deutschen sagt man:
Wenn dem Fuchs die Trauben zu hoch hängen, schilt er sie sauer!
Der Gedanke als Mittel der Distanzierung: Die sind ja schon morsch und überaltert. Wir gründen eine neue Akademie, mit zwei Mitgliedern, nackt, und beginnen von vorn. Aus solchen Situationen entstehen Gedichte, aus einer Spannung: positiven oder negativen
Richard Pietraß in einem Gespräch mit Sibylle Goepper am 10.2.2010
– Liebesgedichte der sächsisch sinnenfrohen Lebensart. –
Klein und fein passt das Kompendium mit Versen zu Liebe, Sexualität und Erotik in jede Westen- oder Handtasche, glänzt unübersehbar rot neben Lippenstift und Feuerzeug. Meine Nackademie: Die Herausgeber Peter Gosse und Richard Pietraß griffen mitten hinein ins eigene Schrift gewordene Liebesleben und in das der Kolleginnen und Kollegen. Von dreizehn Dichterinnen und Dichtern, Mitgliedern der Sächsischen Akademie der Künste zu Dresden, trugen sie aus Jahrzehnten das Beste zusammen. Das Magische, Märchenhafte und legendär Widersprüchliche gruppierten sie in sieben Kapiteln zu „Rauschangriff“, „Liebeserklärung“, „Leistungskurs“, „Nestflucht“, „Walpurgisnacht“, „Besenkammer“ und „Abschiedshand“. Die Zuordnung bleibt vage; mancher Rausch der Sinne endet im Bedenken und Erklären, manche Hymne in der Elegie, markerschütternde Walpurgisnächte verlieren sich in läppischen Besenkammern. Zwischen Willkommen und Abschied ertönen die unterschiedlichsten Stimmen: der lakonisch und durchsichtig helle Reiner Kunze neben dem dunkel zerquälten, ganz im Existenziellen gründelnden Wolfgang Hilbig, der aufs strenge Metrum versessene Rainer Kirsch neben der auf die freie Spannung des Fragmentarischen setzenden Elke Erb. Das dramatische Prosagedicht B.K. Tragelehns findet sich neben dem verzwickten Satzbau Peter Gosses. Uwe Grünings dichte, fast zeitlose Vergänglichkeitsmetaphorik neben den epischen Versen Volker Brauns, dessen makabre „Walpurgisnacht“-Liebe ein scharf konturiertes Abbild absurder Gesellschaftsverhältnisse aufblitzen lässt. Neben dem Schalk Thomas Rosenlöcher der skizzenhaft zarte Bernd Jentzsch. Wer will, kann eine jahrzehntelange Entwicklungsgeschichte der Liebeslyrik der DDR und der Nachwendezeit bis heute nachvollziehen, nostalgisch in einstiger (später auf dem Index der Zensur gelandeter) Abiturlektüre schwelgen, Tabubrüche verfolgen, Generationsvergleiche ziehen, dem geringen Anteil der Frauen (Elke Erb und Róža Domašcyna gegen elf Männer) nachsinnen oder der Leistung der sorbischen Dichter. Das Bändchen erweist sich als Fundgrube für jegliche Gelüste sowohl literaturwissenschaftlicher wie unterhaltsamer Art. Der Titel der Anthologie ist einem Gedicht des Herausgebers Richard Pietraß entnommen, der in ihr selbst mit etlichen Liebesgedichten vertreten ist, aber soeben einen Band mit eigenen Liebesgedichten unter dem Titel Vorhimmel herausgegeben hat. (…)
Dorothea von Törne, neue deutsche literatur, Heft 554, März/April 2004
Jan Wagner: Lob des Spreewals
Der Tagesspiegel, 11.6.2016
Stefan Sprenger: Dass der Mensch der Stil sein möge
Sprache im technischen Zeitalter, Heft 218, Juni 2016
Das Pietraß _______ Aus einem Bestiarium Literaricum, aufgefunden im Archiv des Museo Rhinum; übersetzt von Peter Böthig
Richard Pietraß liest am 4.5.2018 für planetlyrik.de die 3 Gedichte „Hundewiese“, „Klausur“ und „Amok“.
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