Michael Wewerka: Gefährliche Töne

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Michael Wewerka: Gefährliche Töne

Wewerka/Nieblich-Gefährliche Töne

Es ist nicht mehr
viel los
hier bei uns
um diese Jahreszeit
die Ratten
werden mager
und gierig
unsere Drinks
schmecken rosa
und das Eis
wird scharf
Worte reden
uns irre
Gelächter kriecht
durch die Hallen
und schwemmt
die Zeit auf

 

 

 

Wenn man

die lyrischen Gedichte von Michael Wewerka liest, gewinnt man den Eindruck, mit der Atmosphäre, mit den Gefühlen und Gedanken eines Menschen konfrontiert zu werden, der im Epizentrum lebt. In ihrer Tonart, in ihrem poetischen Rhythmus und intellektuellen Assoziationen überwiegt das dunkle, finstere Klima einer – bereits stattgefundenen oder heranziehenden – Katastrophe. Ein totaler Untergang unserer Kultur hängt hier buchstäblich in der Luft, obwohl die Ursachen der Katastrophe – außer ein paar ökologisch gefärbten Anspielungen – kaum erwähnt werden. Die Undefinierbarkeit dieser Apokalypse schwächt vielleicht den gesellschaftspolitischen Aspekt dieser Gedichte, erhöht aber dafür ihre expressive Wirkungskraft, läßt das Gefühl der Bedrohung poetisch steigern, denn eine intellektuelle Riposte auf die anonyme Vernichtungsgefahr bleibt uns untersagt. Wenn man die Wurzel des Bösen nicht eindeutig zu lokalisieren weiß, ist man geistig ratlos. Und eben in dieser Ratlosigkeit geht das lyrische Ego dieser Geschichte unter. Es benimmt sich wie ein kranker Vogel, der die unvermeidliche Katastrophe zwar schon riecht, und sucht verzweifelt nach einem Ausweg, aber vermag nur festzustellen, daß der Untergang überall stattfindet – in jedem Bereich, sowohl im Sektor der zwischenmenschlichen Beziehungen, als auch in der gesamten menschlichen Kultur und Zivilisation. Um sich seelisch zu retten, stürzt es sich in die Erinnerungswelt, sinnt seiner Jugend nach, versucht die Vergangenheit zu rekonsturieren und, wenigstens ex post, die Krankheitsdiagnose zu stellen. Notgedrungen wird es also zum Philosophen – statt sich sinnlich auszutoben (und es vermag ja äußerst sensual zu agieren, das beweisen manche Gedichte), reflektiert es und philosophiert, das reflexive Motiv bekommt immer mehr Oberhand über dem Sinnlichen… Das alles bringt allerdings keine Versöhnung mit seiner Lage.
Diese Gedichte spiegeln auf eine sehr eigentümliche, persönliche Weise die hoffnungslose Lage unserer heutigen Kultur wieder, wo man nicht nur bereits verschiedenes ahnt, sondern genau sogar weiß, und wo man nach Rettungsmöglichkeiten sucht, aber letzten Endes doch tatenlos bleibt und nur noch  resoniert. Die Gedichte von Michael Wewerka sind jedoch nicht nur kulturkritisch gemeint, sie spiegeln auch die ausweglose Landschaft wieder. Das lyrische Ego, das mit der Katastrophe konfrontiert wird, steht keinesfalls über der zur Vernichtung verurteilten Welt – es ist Fleisch aus ihrem Fleisch, und Blut aus ihrem Blut.

Verlag Harald Schmid, Klappentext, 1981

 

 

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