Und Tomas Tranströmer bekam heute den Literaturnobelpreis. Über Ersteren sind keine lyrischen Werke in der Wolke bekannt und von Letzterem werden auf Wikipedia auch keine deutschsprachigen verzeichnet. (Das wurde in den letzten zwei Stunden von der Wiki-Gemeinde geändert und Perlentaucher hat schnell über den Lyriker etwas zusammengetragen.) Der Carl Hanser Verlag und im besonderen Michael Krüger hat jedoch das Werk dieses Autors (Hanns Grössel ist seine deutsche Stimme.) seit den 80er Jahren immer vorrätig gehalten. Das Lesen kann beginnen (auch für Marcel Reich-Ranicki: „Ich habe keine Ahnung, wer der Lyriker ist‟).
„Die Erinnerungen sehen mich.“ Ingram Hartingers Besuch beim schwedischen Dichter Tomas Tranströmer.
Tomas Wer?
Stern, 6.10.2011
Überraschende Auszeichnung
Der Spiegel, 6.10.2011
Alter Schwede!
BZ, 7.10.2011
Karim Saab: Sprache statt Wörter
Märkische Allgemeine, 7.10.2011
Beglückende Literaturnobelpreis-Nachlese
Münsterländer Volkszeitung, 7.10.2011
Dor0thea von Törne: „Du wirst nie fertig, und es ist, wie es sein soll“
Die Welt, 7.10.2011
Tilman Krause: Alter Schwede!
Die Welt, 7.10.2011
Norbert Mayer: Gedichte sind dauerhafter als das nächste Update
Die Presse, 7.10.2011
Mareike Höckendorff: Der Schwede Tomas Tranströmer erhält den Literaturnobelpreis 2011
suite101.de, 7.10.2011
Michael Krüger: Der wahre König von Schweden
Süddeutsche Zeitung, 7.10.2011
Michael Krüger im Gespräch mit Christoph Schmitz: „Er ist der Autor der Stille“
Deutschlandfunk, 6.10.2011
Nah der Realität, doch nicht von dieser Welt
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6.10.2011
Robert von Lucius: Dass Tranströmer und wir das noch erleben dürfen
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6.10.2011
Dirk Pilz: Leise Worte, laute Welt
Berliner Zeitung, 6.10.2011 (auch in Frankfurter Rundschau)
Der lakonische Verknapper
Berliner Zeitung, 7.10.2011 (auch in Frankfurter Rundschau)
Literaturnobelpreis für „verdichtete, erhellende Bilder“
Neue Zürcher Zeitung, 6.10.2011
Hans Jürgen Balmes: „In meinem Schatten werde ich getragen“
Neue Zürcher Zeitung, 7.10.2011
Aldo Keel: Ein Preis und mehr als das
Neue Zürcher Zeitung, 8.10.2011
Alexander Gumz: Der Dichter und die schneebedeckte Insel
Die Zeit, 6.10.2011
Jan Ehlert: Tomas Tranströmer – ein Mann präziser Worte
tagesschau.de, 6.10.2011
Daniela Seel: Schutzpatron der Jungen
die taz, 6.10.2011
Jan Scheper: „Wie Silber, bei einem Pfandleiher“
die taz, 7.10.2011
Schwedischer Lyriker war unter den Favoriten gelegen
der Standart, 6.10.2011
Richard Pietrass: Flug in die Stille
Der Tagesspiegel, 6.10.2011
Simone Frieling: Im Raum zwischen Wildnis und Zivilisation
literaturkritik.de, Oktober 2011
− Der schwedische Lyriker Tomas Tranströmer erhält den diesjährigen Literaturnobelpreis. „Er ist ein witziger Mensch, trotz seiner Schlaganfälle“, sagt der Kölner Hanns Grössel, der Tranströmers Gedichte ins Deutsche übersetzt hat. −
WDR.de: Hat Sie die Meldung vom Literaturnobelpreis für Tomas Tranströmer überrascht?
Hanns Grössel: Sie hat mich insofern überrascht, als dass Tomas Tranströmer schon sehr oft für den Nobelpreis für Literatur genannt worden ist. Ich hatte die Hoffnung zwar nicht ganz aufgegeben, aber gerechnet damit habe ich nicht. Es war also eine sehr freudige Überraschung.
WDR.de: Wie lässt sich das Werk von Tranströmer charakterisieren?
Grössel: Das Auffallende ist, dass er als Schriftsteller fast ausschließlich Lyrik veröffentlicht hat. Es gibt nur einen kleinen Prosa-Band von ihm mit autobiographischen Skizzen. Der Rest seines Schaffens, er hat ja schon 1954 debütiert, sind Lyrikbände. Es sind inzwischen ein gutes Dutzend geworden.
Seine Lyrik ist durch sehr originelle Metaphern, also durch seine Bildersprache, charakterisiert. Gleichzeitig ist es eine sehr karge Lyrik. Tranströmer drückt sich mit ganz wenigen Worten aus, in einer beredten Kürze. Man hat ihn auch einen Dichter des Schweigens genannt. Damit ist gemeint, dass zwischen den Zeilen sehr viel ausgelassen ist – mit einem deutlichen Appell an den Leser. Es gibt beispielsweise zwei Verse in einem Gedicht und dann eine Pause, die durch eine weiße Zeile deutlich gemacht wird. Dann ist sozusagen der Leser dran. Oder es wird ein Gedanke, der in den ersten Worten angedeutet ist, nicht fortgeführt. Tranströmer hat selber gesagt: „Solange ich an einem Gedicht schreibe, bin ich wichtig. Wenn ich aber das Gedicht geschrieben habe, dann ist das Gedicht wichtig – vor allem das, was es mit dem Leser tut, oder was der Leser mit ihm tut.“
WDR.de: Fällt Ihnen dazu ein Beispiel ein?
Grössel: Es gibt ein Gedicht, da heißt die mittlere Strophe: „Eine Frau hängt Wäsche auf im Schweigen, der Tod ist windstill“. Das zeigt, wie Tranströmer den Kopf des Lesers einfängt. Denn es ist ja eine ungewöhnliche Feststellung: Wie kann eine Frau Wäsche im Schweigen aufhängen? Und auch die Äußerung „der Tod ist windstill“ ist zumindest ungewöhnlich. Daran sehen Sie, dass man aufgeweckt wird als Leser. Darin steckt der Appell: „Jetzt bin ich, der Dichter, nicht mehr dran, sondern du, der Leser.“
WDR.de: Welche Themen behandelt Tranströmer?
Grössel: Da bin ich bei der Beantwortung zurückhaltend, damit man diese Gedichte nicht als Sacherläuterung zu irgendeinem Realitätsausschnitt betrachtet. Aber es ist nicht zu leugnen, dass auch von der Wirklichkeit, von Tranströmers persönlichem Leben, immer etwas sichtbar wird. Er ist ausgebildeter Psychologe und hat lange als solcher in Jugendgefängnissen gearbeitet, später auch im Umkreis der Berufsberatung. Er hat also Menschen beraten, die nach einer schweren psychischen Krise erstmal aus ihrem normalen Umfeld geraten sind. Mit ihnen hat er überlegt, wie es weitergehen kann. Solche Dinge blitzen in den Gedichten auf, mehr aber auch nicht. Man erkennt sie, wenn man weiß, wie er gelebt hat, aber es ist nicht das Hauptthema.
WDR.de: Sie haben viele Werke von Tranströmer ins Deutsche übertragen. Wie übersetzt man Lyrik?
Grössel: Das übersetzt man möglichst so, wie es da steht. Lyrik besteht wie Prosa nur aus Wörtern. Da Tranströmer keine Sprachspielerei betreibt, sondern komprimiert schreibt, ist es insofern nicht schwer, ihn zu übersetzen. Wenn er allerdings schwierige Reim-Schemata hätte, könnte man in der Übersetzung ohnehin nur Annäherungen produzieren.
WDR.de: Wie hat Ihre bisherige Zusammenarbeit ausgesehen?
Grössel: Wir haben uns 1977 kennengelernt. Da habe ich ein Großgedicht mit mehreren Teilen übersetzt, die er dann gesehen hat. Er kann ja auch recht gut deutsch. Später habe ich ihm dann oft brieflich Fragen gestellt, die er auch immer sehr genau beantwortet hat, sogar mit kleinen Skizzen. Ich war immer sehr zufrieden. Denn egal, wie gut man eine Fremdsprache kennt, es bleiben immer Unsicherheiten, bei denen man auf den Autor angewiesen ist. Und man ist beruhigt, wenn er die endgültige Auskunft gibt.
WDR.de: Was für ein Mensch ist Tomas Tranströmer?
Grössel: In den letzten Jahren ist er sehr eingeschränkt durch seine Schlaganfälle. Er kann kaum mehr sprechen. Das Schöne ist aber, dass er seine innere Heiterkeit überhaupt nicht verloren hat. Als ich die Nachricht von seinem ersten Schlaganfall bekam, war ich natürlich sehr betroffen und dachte: „Oje, wie fühlt er sich, kann er noch schreiben, kann er noch dichten? Wie kann ich jetzt mit ihm kommunizieren?“ Dann habe ich ganz ängstlich angerufen. Aber seine Frau sagte: „Nein, nein. Sprich doch mit ihm!“ Er hat nicht voll artikuliert sprechen können, aber er war gelassen, nicht depressiv. Und so ist er auch geblieben. Es ist fabelhaft, wie er mit diesem Zustand lebt.
Ich kenne ihn als einen sehr witzigen Menschen. Als ich das erste Mal bei ihm zu Besuch war in Schweden, hatten wir ein größeres Abendessen mit Nachbarn. Und Tranströmer brillierte im Nachahmen von Stimmen. Wir haben an diesem Abend immer wieder herzhaft gelacht. Er ist überhaupt nicht abgehoben oder ein Wolkenkuckucksheimer. Aber wenn man Jugendliche im Gefängnis betreut hat, muss man ja ohnehin sehr nah an der Erde sein.
Das Interview führte Dominik Reinle, Westdeutscher Rundfunk, 6.10.2011
Die schwedische Presse gratuliert Tomas Tranströmer zum Literaturnobelpreis.
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