HAMLETS TOD
Ach, Hamlet, Sie Snob Sie, um Größe betrogen!
Die Schminke, die Alter lügt, ist mir bekannt,
ich kenn das Banale, zur Tragik verbogen,
Dämonen, in täglichen Trott eingespannt.
Im Dachstübchen hausend,
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaazum Hinterhof schielend,
und nächtens
aaaaaaaaaaa(das Bett überm Kegelverein)
mit Yoricks vergilbendem Schädel spielend!
Ihren eigenen Namenszug kratzen Sie rein
und üben die müde Entsagungsgebärde –
Wie? Heißt ELSINORTH Ihre Bude von Haus?
Stammt der Fusel, die schwindende Schnapsflaschenherde,
aus Kellern des Königs?
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaZu bald geht er aus!
Nur torkelnd gleicht etwas dem königelichen
Ihr Auftritt in alter und tümlicher Tracht.
Am Ende
aaaaaaaakommt stets
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaDostojewski geschlichen,
mein Hamlet, zu Ihnen in so einer Nacht.
Er quält Sie und starrt, bis Sie greisenhaft sabbern.
Sein oder Nichtsein?
aaaaaaaaaaaaaaaaaaEntscheiden Sie nun!
Ists denn leichter, den Ellbogen anzuknabbern,
mein Hamlet, als das, was uns not tut, zu tun?
Sie Zaudrer,
aaaaaaaaaaahalb Drama,
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaahalb klägliche Posse,
erfüllt von Problem- und Dilemma-Geplärr.
Du hörst, wie das eine dir zuruft:
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaGenosse!
Du hörst, wie das andere tuschelt:
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaHerr!
Und Hamlet besinnt sich,
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaauf einmal behende
sind Antworten da und im Ton des Gefechts;
er zeigt zwei Profile:
aaaaaaaaaaaaaaaaaGrad wie ich es wende,
hier ist links mein Gesicht,
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaund hier ist es rechts!
Nein, kaufts ihm nicht ab!
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaNicht Hamlet, dem blassen!
Dies Dickicht aus Phrasen und Posen, mähts weg!
Um Hamlet kein einziges Schlupfloch zu lassen:
Ha, all seine modischen Masken schlagt leck!
Ein Doppelgänger!
aaaaaaaaaaaaaaaaGespaltener Wille!
Romantik-Gespenst, das nach Weihrauchluft schreit!
(Denn immer, nicht wahr?, blickt die Vierfachpupille,
der Januskopf in die Vergangenheit.)
O Irrlichter wirr, die wie Schemen hinstreichen!
Weshalb aber stinkt jener mystische Dunst
so süßlich, so wie nach verwesenden Leichen?
Ach, das himmlische Manna ist längst nur noch Kunst –
Salut der Chemie!
aaaaaaaaaaaaaa aUnd ein Hoch den Gelehrten!
Auch fand man für Beßres ein neu Etikett.
Die Gaben des Himmels, die lange entbehrten,
ihr Name klingt schärfer jetzt, kaum noch honett:
aaaaaDICHLORDIÄTHYLSULFID – – –
O Speise der Messe! O Moses, dein Manna!
Chlor – statt der Oblate!
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaStatt Wein – Arsenik!
Moses!
aaaaaaUnd Messe!
aaaaaaaaaaaaaaaaUnd Cäsar!
AaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaHosianna!
Und ein schwarzes, ein Kreuz aus der Bomberfabrik!
Romantik? Sie zeigt jetzt Gesicht und Gebaren
von Wachtmeistern,
aaaaaaaaaaaaaaaaaabrüllendem Untroffizier!
Ei, den „Doppelgänger“ noch aufzubewahren
wie Großvaters Havelock hinter der Tür!
Wem steht noch die Mode?
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaWem paßt das von Opa?
Gibts irgendwo einen, der das noch bestaunt?
Es geht Dostojewskis Gespenst durch Europa
und sucht mit dem Knöchel nach SEELE und raunt!
Doch die Menschen – wie Gott aus der Hostie – stahlen
sich längst aus der Seel, als obs Eitriges wär –:
Der Enkel des Hetmans,
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaer kommt mit dem fahlen,
dem Nazijunker die Straße einher,
Karamasow (Aljoscha!), dämonisch Bebrillter,
in heiligen Schwarzhemdenreihn anmarschiert.
Wie er, schwer atmend, im Gasmaskenfilter
seine sonderbar schüttere Seele filtriert!
Aufbläht sich der Respirator, verdrehten
Schlauches – bläst JESUS dem Ding in den Arsch?
Selbst jener Fürst Myschkin schreit:
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaHier!
AaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaAngetreten!
Und setzt sich mit Braunen und Schwarzen in Marsch.
Der öligst Näselnde – Myschkin, ach schnäuz es
endlich ins Tuch! – ist k.v., und ihn freuts,
und so sprießen die Schwänzchen des Hakenkreuzes
auch an Fürst Myschkins sonst schmucklosem Kreuz.
Er zwirbelt den Schnurrbart, verwöhnten, zur Sonne,
der Heiligenschein um sein Haupt: Talmiglanz –
O besessener Jesusse schwarze Kolonne,
o Proselyten der Siguranz!
Und Hamlet?
aaaaaaaaaaaaEr schwankt!
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaUnd wir sehen ihn blinzeln:
Das ist nicht die feine englische Art!
Prinz von Dänemark!
aaaaaaaaaaaaaaaaaaa(Hört er.)
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaAls Bursche des Prinzen
von Soldathien säh man Sie gerne in Fahrt!
Und Hamlet?
aaaaaaaaaaaaVerdrückt sich auf weltferne Zinnen,
die Stirne zur Wand, nicht zu uns, nicht nach dort.
Ist die Lösung des Dramas der Zeit bei den Spinnen
im einsamen Turm und im Spiel mit dem Wort?
Schwarze Scharfschützen hüten mit metrischen Schritten
die Reime, das Elfenbeinfort, das verneint,
und sie zielen auf uns nur –
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaNichts abgestritten:
Auf wen man feuert, den sieht man als Feind!
Spione, gewiefte, und pure Poeten
beginnen gemeinsam und e i n e n Geschmacks
verkürzten Ästhetikkurs runterzubeten:
Pogrome Petljuras plus Strafen Koltschaks!
O Hydra aus Predigten und Poesien,
packt sie an der Gurgel! Die Schemen zerfetzt!
Die wahrhafte Menschlichkeit ward uns verliehen:
Die Menschlichkeit Lenins des Klassenkampfs jetzt!
Hier Neues, dort Altes –
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaagleich Säuren und Laugen!
Jahrhundert, das strikt in zwei Lager zerfiel!
Stirb, Hamlet!
aaaaaaaaaaaaaStirb, Prinz mit den traurigen Augen!
Wir machen den besseren Menschen mobil
im Kampf! Und dort hilft kein Intrigengeschiebe!
Komm, der du dich klein machtest, zögernd dich reckst!
Hier lehrt dich die Klasse den Haß und die Liebe,
hier lehrt dich die Klasse im Kampf, wie man wächst.
Stell dich in die Arbeiterreihn – noch gibts Lücken –,
wo der Hauer, in Schlachten gebräunt wie vom Firn,
dich lehrt, dem Feind in die Augen zu blicken,
zu schießen dem Feind in die Mitte der Stirn.
1932
Übersetzung Adolf Endler
ANSATZPUNKTE
Wer an Bashan für Bashan entbrennt,
wer in seine Wort-Meiler eindringt
und dort in der Ideenglut Feuer fängt,
der kann in einer ansehnlichen Reihe sowjetischer Publikationen,
ukrainischer wie russischer,
den Lebens- und Arbeitsweg des Dichters
– einen langen, an fruchtenden Widersprüchen reichen Weg –
breit dargestellt, tief ausgelotet und hoch gewürdigt finden.
An Polemiken mit und um Bashan
ist ebenda ebenso kein Mangel.
Vorliegende Lese aus dem lyrischen Werk,
von Peter Kirchner klug gewählt und chronologisch geboten,
erlaubt fürs erste eine persönlich gehaltene Erläuterung,
locker geknüpft nach prägnanten Punkten.
Die sind interessant, meine ich,
da die springenden.
UMAN
Dunkel und weit tönend,
für sich selbst lautend: Uman.
Der Name des altertümlichen ukrainischen Städtchens
vokalisiert
das poetische Dienstgeheimnis Mykola Bashans.
Er lokalisiert, er ortet es:
geo- wie biographisch.
1904 geboren, kommt Bashan als Kind nach Uman.
Dort geht er aufs Gymnasium,
dort,
im sagenumwobenen,
mit der Geschichte der Ukraine gewachsenen und verwachsenen Uman,
erlebt er die Revolution,
die Wechsel und Wirren des Bürgerkrieges.
In Uman begrüßt er
die Kämpfer der legendären Ersten Roten Reiterarmee
in Uman begegnet er Jewhen Hryhoruk,
dem Bolschewik und Dichter, der schon wenig später
zu den Pionieren und bestimmenden Organisatoren
der jungen sowjetischen Filmkunst gehört…
Daß Raum und Zeit den Dichter prägten,
die Person wie das Werk
enthüllt der Zyklus „Erinnerungen an Uman“, 1968:
der Vierundsechzigiährige leuchtet zurück
auf seine Ursprünge.
PANFUTURIST
1920 zeigt Les Kurbas in Uman
mit seiner jungen Theatertruppe, dem Ki-Dram-Te,
Stücke von Schewtschenko, Sophokles, Shakespeare:
aufwühlende dramatische Erlebnisse.
Dann poetische:
der junge Bashan liest die ukrainischen Dichter und
Puschkin, Whitman, Verhaeren, Tagore, Majakowski.
Er beschäftigt sich mit Malerei und Architektur,
mit ukrainischen Altertümern (siehe SALZ).
Er träumt – in Gemeinschaft –
von einer „synthetischen Kultur der Zukunft“.
Er zeichnet, schreibt,
spielt im Jugendstudio des Ki-Dram-Te mit.
Zum Sturm und Drang der Zeit – siehe DIE GÖTTER GRIECHENLANDS.
1922 geht er nach Kiew,
studiert dort Orientalistik, Kunstgeschichte, Graphik, schließt sich den Panfuturisten an,
arbeitet gleichzeitig als Dramaturg, Szenarist, Kritiker
im neuen Filmstudio Kiew…
Bemerkenswert:
Das erste gedruckte Gedicht Bashans „Ruhr-Marsch“
ist mit einem Pseudonym gezeichnet:
„Panfuturist“.
ZWEIERLEI ROMANTIK
Der romantische Strang in der ukrainischen Literatur
ist ein alter, kräftiger, national kennzeichnender.
So wächst natürlich – und blüht natürlich –
das Romantische im Atem und im Gemüt aller Bashanscher Arbeit.
Aber der junge Dichter bereits
weiß den Unterschied,
will die Unterscheidung.
Er grenzt sich ab von der „schmachvollen Schminke“,
von Volkstümelei, von nationalistischer Gefühlsduselei,
von der schwermütigen Beweihräucherung der Vergangenheit
wie von ekstatischer Zukunftsgläubigkeit
und den verheerenden Traumflügen linker Bilderstürmer.
Seine Parteinahme ist konkret,
sein Geschichtsbewußtsein ungebrochen,
sein Vertrauen in die Kraß: des Menschen militant.
Wie die Russen Majakowski und Tichonow,
nach denen er sich früh orientiert,
zu denen er sich gesellt,
wünscht und holt er den neuen romantischen Vers
zurück auf die Erde.
Hier, in Dunst und Dickicht revolutionierter Realität,
im Dorngestrüpp sich verästelnder neuer sozialer Beziehungen
sucht er die Novität,
Grund und Gründe der Begeisterung.
DAS SALZ
In der Verserzählung „Salz“, dem letzten Gedicht des Bandes,
fand ich einen Schlüssel zum Herzen,
zum bewegenden Kern der Bashanschen Poetik.
Das Gesetz des Oktober, nach dem er angetreten,
die „Formel des inneren Auftrags“
schließen – in der Preißlerschen Eindeutschung –
Zeilen ein, die es verdienen, noch einmal gelesen zu werden:
… Wir schleppen uns waffenlos, hungrig, zu dritt,
suchen nach Spuren menschlicher Schöpfungen,
Spuren der Wesen, die Schönheit lieben…
… Der Sturm wird die Welt von Asche befrein!
Ein Haus wird wachsen. Wir tragen hinein
die Schätze der Menschheit. Bewahrt wird sein
der Geist in den Büchern, im Ton und im Stein…
… Doch ob dieser Preis angemessen ist?
Das Salz der Soldaten, Gabe der Not…
… Für Schönheit und Farbe und Geist und Kunst
ein Häufchen Salz, grau wie Wolkendunst?
Doch nein! Noch kein Mäzen dieser Welt
war je bereit, solchen Preis zu zahlen
wie jene, die sich vom Munde abstahlen
das Salz, das in mageren Suppen fehlt…
GEWISSEN
Juri Surowzew,
in seiner Arbeit über Bashan, Moskau 1970,
öffnet eine andere Tür.
Ich zitiere sinngemäß:
… Es zieht Bashan immer wieder,
Geschick und Werk anderer Künstler ins Gedicht zu nehmen.
Verdeutlichen wir uns, wer alles und was alles
sich in seiner Dichtung „spiegelt“:
Iwan Franko und die Ukrainka,
Puschkin und Rustaweli,
Mickiewicz und Pschawela,
Hoffmann und Rilke,
die Kunst der Antike,
die abendländische wie die morgenländische des Mittelalters,
die Kunst der Renaissance,
das Barock,
der russische Realismus,
das italienische Rissorgimento,
der deutsche Expressionismus…
… Werke der Kunst,
für Bashan sind sie mehr als Widerspiegelung der Wirklichkeit,
mehr als nur Denkmäler gesellschaftlicher Realität.
Sie sind mehr als geronnene Geschichte.
Sie sind nicht allein das Gedächtnis der Menschheit:
Sie sind ihr Gewissen…
BASHAN UND BECHER
Auch hinkende Vergleiche
erweisen sich manchmal als hilfreiche Krücken.
So führt Bashan beim sowjetischen Leser Rilke ein
als den „deutschen Block“.
So möchte ich Bashan den „ukrainischen Becher“ nennen.
Wie Becher zumindest eignen ihm:
die Leidenschaft der Gesinnung,
das immer für den Menschen Partei ergreifende Pathos,
die lebenslange unermüdliche poetische Bemühung,
das „Schlachtfeld in der eignen Brust“
und,
im Paar mit verständnisvoller Achtung der Gewissensnöte,
der Bewußtseinskonflikte des geistigen Opponenten,
im Paar mit humoriger Behutsamkeit,
kampflustige Kompromißlosigkeit
und, neben der sinnlichen,
die hohe Fähigkeit rationeller Aneignung.
Vor allem: Vielseitigkeit, Tiefe und Gewicht
seines kulturpolitischen Wirkens.
So teilt Bashan mit Becher
die Große Hoffnung,
allerdings auf ganz andere Art.
In Bashans Dichtung ist das lyrische Ich
kaum einmal selbst der Gegenstand.
Seine Poeme sind Monologe, Dialoge, Szenen und Kriegsberichte
von und auf der Hochebene weltbewegender Ideen.
Sein unsterbliches Anliegen, unsterblich, weil eine Aufgabe
die andere ablöst im Gang mit der Geschichte:
das Drama der Zeit zu lösen (siehe HAMLETS TOD)…
EIGENARTEN
Die Poeme Bashans
sind Symphonien, Rhapsodien, Suiten,
sind Paläste, Prachtstraßen, Kathedralen,
Wandgemälde, Panoramen, figurative Friese.
Der Dichter ist wortreich und wortmächtig:
daher explizit, weitschweifig ohne Umschweif.
Dabei ist jedes Detail klar durchgedacht wie das Ganze.
Nur im Glücksfall sind seine Werke adäquat nachzudichten:
Ihren Glanz und ihren Geist
fördern sie aus allen Mächtigkeiten der mütterlichen Sprache,
aus archaischer Urschicht
wie aus alltäglichem Umgang vor Tag.
Herrliche, weiche und wendige, unerschöpfliche ukrainische Sprache!
Das mußte ausgerufen sein,
da in der Übertragung einiges vielleicht matt anmutet,
das im Original doch funkelt.
Und selten gelingt im Deutschen, zum Beispiel, so Bashangerechtes:
… Wie der Sturm in großer Segel Flächen
pfeift die Ferne in Gedanken…
Siehe MICKIEWICZ IN ODESSA in der Fassung von Sarah Kirsch.
Bashan komponiert, baut, malt das Gedicht.
Es singt und summt von innen heraus, es knistert,
es ist geladen mit der Spannung gegensätzlicher Ideale,
weltgeschichtlicher Kräfte und Ideen.
Der Vers schreitet oft feierlich,
die Ballade naht als Oratorium,
große, dynamische Gedanken werden monumental ins Bild gesetzt,
nehmen dramatisch Gesicht an…
Bashan ist ein Virtuose der Poetik.
Er beherrscht und benutzt alle Rhythmus- und Reimarten,
er liebt Leitmotive,
gern läßt er Alliterationen läuten.
Doch seine Kunstfertigkeit ist immer im Dienst.
Ausgreifend. Eingreifend.
Weil Mykola Bashan Kommunist ist,
ein Dichter-Philosoph, ein Dichter-Revolutionär,
der die Welt anschaut und überschaut,
der die Welt anschaulich macht und anders.
TABELLE
Schließlich, und wieder von Juri Surowzew,
eine Übersicht des lyrischen Werks ab 1924,
die sein Wesen trifft und bestimmt:
Die SIEBZEHNTE PATROUILLE: romantische Bestätigung
des selbstlosen Soldaten der Revolution…
GESCHNITZTER SCHATTEN: der Revolutionär in der Bewährung.
Prüfung seiner ideellen und moralischen Festigkeit…
ZWIESPRACHE DER HERZEN, TRILOGIE DER LEIDENSCHAFT:
Dramen des Bewußtseins. Zielbewußt, schwierig, zäh –
der Um- und Aufbau der „Seele des Neuen Menschen“…
BAUTEN, DAS GHETTO VON UMAN, DIE BLINDEN:
Umwälzung und Erneuerung der „Seele der Völker“
im Schmelztiegel des sozialistischen Aufbaus.
In diesen Zyklen verknüpft der Dichter
zum erstenmal bewußt
die sittliche Problematik mit der geistigen,
mit der Wertung und Umwertung nationaler Kulturtraditionen…
HOFFMANNS NACHT: Hoffmanns Gestalt und Geschick
als Beispiel der für den Künstler tragischen Diskrepanz
von idealem Traum und kleinbürgerlichem Alltag…
HAMLETS TOD: polemische Abrechnung mit unproduktiven
Haltungen und Kunstauffassungen in der ukrainischen Intelligenz
zu Beginn der 30er Jahre…
SO DURCHSICHTIG DIE SONNE, das Kirow-Poem
UNSTERBLICHKEIT, die Zyklen über GEORGIEN
und USBEKISTAN:
Preisgesänge auf die sozialistische Persönlichkeit
auf ihre verwirklichte, wirklichkeitsverändernde Schöpferkraft…
GEDICHTE DER KRIEGS- UND DER ERSTEN NACHKRIEGSJAHRE:
hier herrschen zwei Gedanken vor –
daß unser Sieg auch auf der MORALISCHEN Überlegenheit
der sozialistischen Gesellschaft gründet,
daß wir im „heiligen und gerechten Kampf“ gegen den Faschismus
die Kultur der ganzen Menschheit verteidigten
(siehe BEI DER UNIVERSITÄT)…
MICKIEWICZ IN ODESSA, ITALIENISCHE BEGEGNUNGEN:
Einheit der sittlichen und der kulturellen Entwicklung,
das Wahre und Gute in der Gestalt des Schönen…
Soweit Surowzew.
Die großen Dichtungen der letzten Jahre,
die VIER ERZÄHLUNGEN VON DER HOFFNUNG
und die ERINNERUNGEN AN UMAN,
bedürfen keiner zusätzlichen Erläuterung.
Der mündige Leser,
selbst – wie der Dichter – im Streit der Zeit,
wird aus der Poesie Mykola Bashans das Seine nehmen,
das Unsre, das Allen Gemeine,
sich gekräftigt fühlen, sich bekräftigt wissen.
Paul Wiens, Juni 1971, Nachwort
aus dem lyrischen Werk erlaubt eine erste nähere Bekanntschaft mit dem ,Klassiker‘ der sowjet-ukrainischen Poesie. Das Erlebnis der Revolution, die Wechsel und Wirren des Bürgerkrieges in der alten ukrainischen Kulturstadt Uman prägen das Gesicht Mykola Bashans. Er beginnt zu schreiben. Seine Gedichte atmen Romantik. Aber bereits der junge Bashan grenzt sich ab von nationalistischer Gefühlsduselei, von schwermütiger Beweihräucherung der Vergangenheit wie von ekstatischer Zukunftsgläubigkeit. Wie Majakowski engagiert er sich für die neue Romantik, geboren aus der revolutionären Realität.
Die Bashansche Dichtung ist eng verbunden mit der deutschen Lyrik, besonders mit E.T.A. Hoffmann und R.M. Rilke. In „Hoffmanns Nacht“ (1927) berührt der Dichter die tragische Diskrepanz von idealem Traum und kleinbürgerlichem Alltag.
Verlag Volk und Welt, Begleitzettel, 1972
Adolf Endler: Eine Reihe internationaler Lyrik, Sinn und Form, Heft 4, 1973
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