Oskar Pastior: An die Neue Aubergine, Zeichen und Plunder

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Oskar Pastior: An die Neue Aubergine, Zeichen und Plunder

Pastior/Pastior-An die Neue Aubergine, Zeichen und Plunder

An die Neue Aubergine; ein Gedicht von den unausrottbaren Sehnsüchten, die wie Geschwister aussehen, von den zweifelhaften Dingen, die an Nahrung erinnern (Gewächse), von anachronistischen Einflüsterungen jener Vernunft. ←

← derentwegen Die Große Essigmutter wie ein Flugschiff am ligurischen Himmelsbogen erschien, den Faumlöffel schwenkend („He! He! Hesperiden!“), und gramvoll über meiner solchen Verwahrlosung ←

Gewidmet mit Abstand auch dir, Grübelspeise, hin- und herflorierende, den Hand- und Fußmemoiren deiner Titulierwuth (Rauch- und Innigkeit), deinen (…) und auch (…) →

(…)

→ auf daß, wenn schon vorweg-memorierend („hätte“ … „Ligurien, einer Art Schloß“ … „oder kaninchenfarben?“ …), dann jedenfalls an dich →

← derentwegen (oder vielleicht bloß weil Zeit vergehen wird) du mich nicht mehr fragen kannst, wo die unausrottbaren (…) bleiben (und ich das – wie die Frage nach den Lufterschütterungen, der Reisekasse im Schnee, den widrigen Entledigungen – doch noch für wichtig hielte); draußen schießen die Einzelheiten ins Kraut, vor lauter Ausnahmezuständen essen wir weiter und denken nicht daran, das Atmen von Kerzenlicht einzustellen (als käme es darauf an); selbst die gesetzlichen Feiertage sind nicht mehr zum Nachholen versäumter Ängste gebrauchbar; selbst die Mandate sind schlampige, chemische Kreuzungen; eben ging mit Hören und Sagen eine Lawine nieder ←

 

Oskar Pastior liest am 9.5.1989 und 30.5.1989 im Tonstudio des LCB An Die Neue Aubergine

 

 

In Samarkand, wo der Kreis das Viereck fand

– Der Lyriker Oskar Pastior als Zeichner: eine Ausstellung in der Akademie der Künste zum Start des 20. Poesiefestivals Berlin. –

Wer als Künstler in zwei Sphären des Schöpferischen unterwegs ist, in der Bildenden Kunst wie in der Poesie, der kann in eine prekäre Asymmetrie geraten. Denn nicht immer gelingt die ästhetische Koexistenz der Gattungen so gut wie bei Christoph Meckel, dem Meister des sprachmagischen Gedichts wie auch der surrealen Graphik. Bei Peter Weiss wurde einst die Verbindung zwischen den Künsten gekappt: „Peter Weiss war lange ein Künstler, der auch schrieb“, so Meckel einmal über seinen Freund, „er war danach ein Schriftsteller, der kein Bild mehr machte.“ Im Fall des siebenbürgischen Sprachzauberers und Büchnerpreisträgers Oskar Pastior (1927–2006), der mit seiner selbstvergessenen Wörterakrobatik eine ganze Generation von experimentellen Poeten animierte, ist das Verhältnis kompliziert.
Pastior hat sich selbst als „Autor von Sprach- und Zeichengebilden“ verstanden, der mit seinen „Wechselbälgern“, „Sonetburgern“, „Vokalisen“ und „kleinen Kunstmaschinen“ die Möglichkeiten der Sprache auslotete. Dass er von früher Jugend an auch ein passionierter Zeichner war, wussten nur Wenige: Der Dichter selbst hat seine Zeichnungen nur sparsam der Öffentlichkeit preisgegeben.
Dank einer akribischen Erkundung von Pastiors zeichnerischem Werk durch die Stadtforscherin und Autorin Heidede Becker liegt nun eine profunde Analyse seiner bildkünstlerischen Leistungen vor. Becker hatte den damals noch unbekannten Poeten nach seiner Übersiedlung von Bukarest nach Berlin 1973 kennengelernt und mit ihm ein paar Jahre in einer Wohngemeinschaft in Berlin-Charlottenburg zusammengelebt.
Vor einigen Jahren sichtete sie dann den Nachlass des Dichters im Literaturarchiv Marbach, in dem rund 650 Zeichnungen Pastiors aufbewahrt sind. Sämtliche Zeichnungen sind nun in einem großformatigen Band mit umfangreichem Kommentar dokumentiert. Außerdem findet eine Ausstellung der Zeichnungen im Rahmen des Berliner Poesiefestivals in der Akademie der Künste statt.
Pastior, der Sohn eines Zeichenlehrers aus Hermannstadt, arbeitete bereits als Student in Bukarest an einer Verbindung vokabulärer und bildkünstlerischer Impulse. So entwarf er im Herbst 1956 eine Folge von fünf „gezeichneten Gedichten“, in denen ein Dialog zwischen Text und Bild, Poesie und Zeichnung erprobt wird. Eins dieser „gezeichneten Gedichte“, das Poem „Sterne“, erschien fünfzig Jahre später auf dem Cover von Band 1 der Pastior-Werkausgabe.
Das handgeschriebene Gedicht erscheint dabei wie ein poetisch verrätselter Kommentar zur Zeichnung. „Die gelben Sterne sind vor meinen Schritt gefallen“, hebt das Gedicht an, um am Ende in eine apokalyptische Szene zu münden:

Ich kann nicht auf die gezackten Leichen treten.
Ich bin angebrochen wie die Kante Schnee zum Wasser.

Tatsächlich sieht man auf der Zeichnung auf dem Boden liegende Figuren, ein Panzer schickt sich an, sie zu überrollen.
Ernest Wichner hat in der Pastior-Werkausgabe auf den historischen Hintergrund dieses Gedichts hingewiesen: Es ist die schockhafte Erfahrung der Niederschlagung des Ungarn-Aufstands durch sowjetische Panzer.
Pastiors Zeichnungen arbeiten immer wieder mit geschwungenen Linien von gestischer Kraft, die sich zu eigentümlichen Figurationen und Traumgeschöpfen verbinden. Zu den schönsten Funden in „Aubergine mit Scheibenwischer“ zählen neben den kryptischen Hieroglyphen-Tafeln zum Band Vokalisen & Gimpelstifte (Carl Hanser, 1992) die künstlerischen Kollaborationen Pastiors mit seiner ersten Ehefrau Roswith Capesius.
In den 1960er Jahren arbeiteten beide an einem „Kleinen Reim- und Bilderbuch vor dem Asienbesuch“, das im vorliegenden Band erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Zu elementaren Formen wie Kreis und Quadrat und minimalistischen Skizzen von Bäumen und Gebäuden erfand Pastior hier wunderbar leichte Zweizeiler. Einer dieser Zweizeiler ist ähnlich wie der berühmte Elementarvers des Dichters, „Jalusien aufgemacht Jalusien zugemacht“, ein Sprachkunstwerk, mit dem die Alphabetisierung der Welt beginnen könnte: 

Wo der Kreis das Viereck fand,
da entstand einst Samarkand.

Michael Braun, Der Tagesspiegel, 13.6.2019

 

Studio LCB mit Oskar Pastior am 20.12.1990 im Literarischen Colloquium Berlin
Moderation: Hajo Steinert
Gäste: Francois Bondy und Klaus Ramm

Gespräch I
Wie sieht die alchimistische Poesie des Oskar Pastior aus?

 

Lesung I
Oskar Pastior liest Gedichte

 

Diskussion I
Wie deutet man die Texte Oskar Pastiors?

 

Fortsetzung von Diskussion I und Lesung II
Oskar Pastior liest Gedichte vor

 

Diskussion II
Der aleatorische Charakter seiner Poesie

 

Interview mit Oskar Pastior für das Haus des Deutschen Ostens.

Interview mit mir. Diese Aufnahme beinhaltet ein poetologisch dichtes, leider aber nicht realisiertes Interview von Christian Prigent mit Oskar Pastior, dass vermutlich für die von Christian Prigent herausgegebene französische Zeitschrift TXT geführt wurde.

Lesung Oskar Pastior am 20.7.2005 im Deutschen Literaturarchiv Marbach

Herta Müller: Mein Freund Oskar

Franz Josef Czernin: Die Regel, das Spiel und das Andere. Zum Werk Oskar Pastiors.

Oskar Pastior liest aus seinen verschiedenen Texten und Übersetzungen ein Programm, das die Sprachbewegung jeweils in der Konzentration auf einzelne Laute und Buchstaben nachvollzieht. Aufgenommen auf einem mehrtätigen Festival mit dem Titel Für die Beweglichkeit im Kunstverein Maerz in Linz.

 

 

 

Zum 60. Geburtstag des Autors:

Jochen Hieber: Die Suppe ist einmalig
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.10.1987

Herbert Wiesner: Frauen-Bild-Beschreibungsschrift
die tageszeitung, 20.10.1987

Hans Bergel: Vom Rückzug der Sprache auf sich selbst
Siebenbürgische Zeitung, 31.10.1987

Zum 65. Geburtstag des Autors:

Hannes Schuster: Ein „Wörtlichnehmer“, der das Wörtlichnehmen ertragbar macht
Siebenbürgische Zeitung, 15.11.1992

Zum 70. Geburtstag des Autors:

Bettina Knauer/Gunnar  Och (Hg.): Oskar Pastior, 70
Akzente, 1997

Herta Müller: Minze Minze
Die Zeit, 17.10.1997

Franz Mon: die krimgotische Schleuse sich entfächern zu lassen“
Der Literaturbote, 2004

Jörg Drews: Eros & Callas?-: Ein Echo-Kollaps
Süddeutsche Zeitung, 20.10.1997

Zsuzsanna Gahse: Schwitt, Schwitter, am Schwittersten
Stuttgarter Zeitung, 20.10.1997

Harald Hartung: Jalousien aufgemacht!
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.10.1997

Paul Jandl: Die Hosenträger der Erkenntnis
Neue Zürcher Zeitung, 20.10.1997

Cornelia Jentzsch: Gimpelschneise in der Winterreise
Berliner Zeitung, 20.10.1997

Dorothea von Törne: Der Meister der Wortlust
Der Tagesspiegel, 20.10.1997

Ernest Wichner: Magier der Vernunft
Frankfurter Rundschau, 20.10.1997

Thomas Krüger: hart pommern die fritten
Die Woche, 31.10.1997

Gerhard Mahlberg: Aus Anlaß seines 70sten Geburtstags am 20. OktoberDeutschlandradio

Zum 75. Geburtstag des Autors:

Thomas Kling: Die Ballade vom defekten Kabel
Literaturen, Heft 10, Oktober 2002

Thomas Kling: Die glühenden Halden
Frankfurter Rundschau, 19.10.2002

Nachrufe auf Oskar Pastior: NZZ ✝ FAZ ✝ BZ ✝ Der Tagesspiegel ✝
Die Welt ✝ der Freitag ✝ die horen 1 + 2 + 3 + 4 + 5 ✝ AdK ✝
Chimaere ✝ Schreibheft

Weitere Nachrufe:

Nico Bleutge: Ein Verwandlungskünstler der Sprache
Stuttgarter Zeitung, 6.10.2006

Michael Braun: Vom Sichersten ins Tausendste
Basler Zeitung, 6.10.2006

Michael Krüger: Schamane des Experimentellen
Süddeutsche Zeitung, 6.10.2006

Christine Lötscher: Er verzauberte die Sprache und Menschen
Tages-Anzeiger, 6.10.2006

Martin Lüdke: Aus dem Staub gemacht
Frankfurter Rundschau, 6.10.2006

Peter Mohr: Ein Magier der Sprache
Badische Zeitung, 6.10.2006

Lothar Müller: Der Zungenzwinkerer
Süddeutsche Zeitung, 6.10.2006

Hubert Spiegel: Im Exil bei Freunden
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6.10.2006

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Porträtgalerie: Autorenarchiv Isolde Ohlbaum + Keystone-SDA +
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Brigitte Friedrich Autorenfotos + deutsche FOTOTHEK
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Beitragsbild von Juliane Duda zu Richard Pietraß: Dichterleben – Oskar Pastior



Oskarine ist ein Gedicht-Generator von Ulrike Gabriel, der auf den Gedichten von Oskar Pastior basiert. Jedes Gedicht spricht sich selbst – immer neu und mit der Dichter-Stimme.

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