88 111 94
33 333 33
122 4 122
288?8282
5 365 5 3
14 14 642
333 33 53
7 77 95 0
60600246
„unikate”
222 3 222
5 7 91 17
444 5 444
„takineu“
55 444 55
Lesung von Oskar Pastior aus Sonetburger Teil 1 + Teil 2 am 21.6. und 23.6.1989 im Literarischen Colloquium Berlin.
Autorenlesung von Oskar Pastior moderiert von Udo Seinsoth im Antiquariat beim Steinernen Kreuz in Bremen.
Von Gabriele Hasler gibt es eine Vertonung dieses Buches 10 Jahre nach seinem erscheinen.
Jörg Drews: Minima oralia
Süddeutsche Zeitung, 17./18.3.1984
Gipfel der Einsamkeit, sagt Oskar Pastior als wir uns hinsetzen in seinem Arbeitszimmer voller Bücher und Papierstapel, doch ohne Computer, bloß ein großer grauer Kater schläft auf der weißen Bauerndecke, die das Sofa bedeckt.
– Gipfel der Einsamkeit, so habe ich die Kote 1400 genannt.
– Wie das?
– Es ist eine lange Geschichte.
– Nun komm, erzähl sie mir.
– Wann mag es gewesen sein, 1964, 1965? Ich lebte in Bukarest, arbeitete beim Radio für die Sendung in deutscher Sprache. Konnte erst im November in Urlaub gehen. Wo kann man im November schon hin fahren? Vom Meer konnte keine Rede sein, in meine Heimatstadt, Hermannstadt, wollte ich nicht fahren. Und in Bukarest bleiben wollte ich auch nicht. Ich hatte den Zauberberg von Thomas Mann gelesen und dachte, am besten wäre es, zwei Wochen im Gebirge zu verbringen, in jener kräftigen Luft – eben wie in einem Schweizer Sanatorium, wo man interessante Leute trifft, Gespräche führen kann… Ich kam an. Der Weg zugeschneit. Ebenso die Tannen. Die Unterbringung tadellos. Kein Mensch war zu sehen. Kein Erholungsgast. Ich sagte mir, die halten wahrscheinlich alle ihre Nachmittagssiesta und am Abend wird es schon wieder ganz anders aussehen. Zu jener zweideutigen Zeit – die blaue Stunde – rasiere ich mich, bereite mich vor, ziehe den guten Anzug an und gehe hinunter ins Restaurant. Kein Mensch weit und breit. Ich werde langsam irritiert, unruhig. Drehe am Knopf. Schalte das Radio ein. Die Sendung in deutscher Sprache. Ich höre meine Stimme. Nichts als meine eigene Stimme. Ja, ja. In meiner Erinnerung heißt die Kote 1400 Gipfel der Einsamkeit.
Wir reden lange, die Weißweingläser zwischen uns führen mich zurück an einen anderen Ort, in einen anderen Zustand. Wieder dieses so menschliche Gespräch über alles Mögliche, als kennten wir uns schon seit Ewigkeiten und entdecken uns trotzdem eben jetzt erst. Wir sprechen über die Jahre seiner Deportation in die Kohlengruben des Donbas. Über die Warmherzigkeit und Großzügigkeit der russischen Bauern, über Hermannstadt, wo ich etliche Jahre meiner Kindheit verbracht habe, über das Ursulinenkloster, wo ich zur Schule ging, über die Kinos; wo war das Rio? Wo befand sich das Corso und das Appollo…? Wo genau war die Schmiedgasse, welche Schule war am Kleinen Ring, welche im Theresianum, wo war die Salzgasse, wo das Lyzeum Gheorghe Lazar…?
Herrgott, solch ein Dichter und welche Selbstverständlichkeit. Wieder einmal die Bestätigung, daß große Geister keinen Eindruck schinden wollen. Sie beeindrucken auch so.
„Wenn ich schreibe, habe ich den Eindruck, den Zustand der Gnade zu erzwingen“, sagt Oskar: „Ich bezwinge die Gnade. Es geht auf keinen Fall mit ,Ich singe wie der Vogel singt‘, wie zu Zeiten von Walther von der Vogelweide. Nach Auschwitz geht es so nicht mehr!“
Wenn ich schreibe, trete ich einen Maulwurfshügel platt, sage ich, dann trete ich und trete, damit bloß kein Maulwurf mehr durchkomme. Und am nächsten Tag schlüpft der Maulwurf an einer anderen Stelle heraus. Und immer so weiter.
Heute will ich nirgends hingehen. Ich bleibe zu Hause und lese, was ich jetzt geschrieben habe. Gehe meine Erlebnisse durch. Und erlebe sie neu.
Immer habe ich das Schreiben als eines der größten Wunder auf dieser Welt angesehen. Der erste, der die Zeit und den Raum weggewischt und uns die Fähigkeit verliehen hat, etwas noch einmal zu erleben – dieser ist der Bewahrer des Gedächtnisses, er belebt unsere Einbildungskraft, verlängert unsere Gegenwart. Ich lese. Mein Leib vibriert. Das Hirn ist glücklich.
Es klopft an der Tür. Draußen spricht eine Stimme meinen Namen aus. Welcher Mann nennt mich in Berlin mit deutschem Akzent Nora? Irre vor Ungeduld renne ich an die Tür. Es ist Oskar Pastior. Wir umarmen uns. Er erzählt mir, wie angenehm es in Schweden war, wo er sich kurz zu einer Lesung aufgehalten hatte. Am Freitag reist er nach Aachen, wo man ihm einen Preis verleihen wird. Gewiß, bei solch einer Gelegenheit hat man auch die Pflicht, selber einige Worte zu sagen. Er hat dafür bloß fünfzehn Minuten Zeit. Mir käme dies wie Ewigkeit vor. Ihm aber… Er ist ein sehr verschlossener, in sich gekehrter Mensch. Kann nicht in Sätzen sprechen. Er formuliert Gedanken. Und Gedanken brauchen Zeit… „Verallgemeinerungen töten das Leben ab“, sagt er. Jetzt verstehe ich ihn.
Nora Iuga, die horen, Heft 207, 3. Quartal 2002
Aus dem Rumänischen von Ernest Wichner
Doris Hutter: Besuch der Pastior-Ausstellung Aubergine mit Scheibenwischer im Stadtmuseum Erlangen
„Zeichengebilde und Wortgebilde“ Podiumsgespräch im Erlanger Stadtmuseum über den Menschen Oskar Pastior mit Oswald Egger, Ernest Wichner und Rike Felka.
Malwine Markel: Sonderausstellung für Oskar Pastior beim 41. Erlanger Poetenfest 2021.
BALLADE
für Oskar Pastior
Beweint, Menschenbrüder und -schwestern auch
– ihr, die ihr lebt und die Dichtung liebt –
Oskar Pastior, der uns alle verließ,
nie diente ein Dichter besser als er.
Ganz leer seither empfinden wir uns,
geloben wir, ihn zu vergessen nie.
Verwandeln seinen Tod in ein zweites Sein.
In Palindromen, Balladen, Sonetten
und Madrigalen, auch Anagrammen,
war er so meisterlich, ach war, beweint
Oskar Pastior, das sanfte Genie,
geloben wir Treue ihm hie,
verschrieben wir bleiben ihm immerzu,
verwandeln seinen Tod in ein zweites Sein.
Ist Weh uns auch, verehrter Dichter,
dein Gehen, so lebst du doch in uns;
all denen, die nach uns geboren werden,
von deiner Güte wir künden und tönen;
verbreiten deine schönen und starken Schriften
in dieser Welt, wo wir alle geboren wurden,
und verwandeln deinen Tod in ein zweites Sein.
Vereint bilden wir die Menschenschar,
damit Dichtung kann existieren,
damit uns der Beste gewiß ist im Sinn –
woanders als in uns wesen die Worte.
Oskar Pastior ist im Herz des Gedichts,
bleibe in uns, um uns zu erhellen:
verwandeln wir seinen Tod in ein zweites Sein.
Zum Alldenken an sanfte Dichtung
bleibe Pastior in unsren Herzen und Sinnen;
und möge die Zeit, die uns bringt von hinnen,
den Tod verwandeln in ein zweites Sein.
Michelle Grangaud
Übersetzung/Variation: Rainer G. Schmidt
DER TAG AN DEM ICH STERBE
für Oskar Pastior
mit 23 jahren habe ich
bis ich sterben werde nichts mehr zu schreiben
und heute ist leben
mein mund steht offen vor meinem sterbenden mund
und sonne ist überm feuer
dies ist alles was ich noch schreiben würde
wenn ich noch etwas zu schreiben hätte bis ich sterbe
die ausgedehnteste haut des tages
er ist der tag an dem ich sterbe
der tag an dem ich sterbe
ist ein tag im leben
Constantin Virgil Bănescu
Aus dem Rumänischen von Ernest Wichner
Studio LCB mit Oskar Pastior am 20.12.1990 im Literarischen Colloquium Berlin
Moderation: Hajo Steinert
Gäste: Francois Bondy und Klaus Ramm
Gespräch I
Wie sieht die alchimistische Poesie des Oskar Pastior aus?
Lesung I
Oskar Pastior liest Gedichte
Diskussion I
Wie deutet man die Texte Oskar Pastiors?
Fortsetzung von Diskussion I und Lesung II
Oskar Pastior liest Gedichte vor
Diskussion II
Der aleatorische Charakter seiner Poesie
Interview mit Oskar Pastior für das Haus des Deutschen Ostens.
Interview mit mir. Diese Aufnahme beinhaltet ein poetologisch dichtes, leider aber nicht realisiertes Interview von Christian Prigent mit Oskar Pastior, dass vermutlich für die von Christian Prigent herausgegebene französische Zeitschrift TXT geführt wurde.
Lesung Oskar Pastior am 20.7.2005 im Deutschen Literaturarchiv Marbach.
Herta Müller: Mein Freund Oskar
Franz Josef Czernin: Die Regel, das Spiel und das Andere. Zum Werk Oskar Pastiors.
Oskar Pastior liest aus seinen verschiedenen Texten und Übersetzungen ein Programm, das die Sprachbewegung jeweils in der Konzentration auf einzelne Laute und Buchstaben nachvollzieht. Aufgenommen auf einem mehrtätigen Festival mit dem Titel Für die Beweglichkeit im Kunstverein Maerz in Linz.
Jochen Hieber: Die Suppe ist einmalig
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.10.1987
Herbert Wiesner: Frauen-Bild-Beschreibungsschrift
die tageszeitung, 20.10.1987
Hans Bergel: Vom Rückzug der Sprache auf sich selbst
Siebenbürgische Zeitung, 31.10.1987
Hannes Schuster: Ein „Wörtlichnehmer“, der das Wörtlichnehmen ertragbar macht
Siebenbürgische Zeitung, 15.11.1992
Bettina Knauer/Gunnar Och (Hg.): Oskar Pastior, 70
Akzente, 1997
Herta Müller: Minze Minze
Die Zeit, 17.10.1997
Franz Mon: „die krimgotische Schleuse sich entfächern zu lassen“
Der Literaturbote, 2004
Jörg Drews: Eros & Callas?-: Ein Echo-Kollaps
Süddeutsche Zeitung, 20.10.1997
Zsuzsanna Gahse: Schwitt, Schwitter, am Schwittersten
Stuttgarter Zeitung, 20.10.1997
Harald Hartung: Jalousien aufgemacht!
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.10.1997
Paul Jandl: Die Hosenträger der Erkenntnis
Neue Zürcher Zeitung, 20.10.1997
Cornelia Jentzsch: Gimpelschneise in der Winterreise
Berliner Zeitung, 20.10.1997
Dorothea von Törne: Der Meister der Wortlust
Der Tagesspiegel, 20.10.1997
Ernest Wichner: Magier der Vernunft
Frankfurter Rundschau, 20.10.1997
Thomas Krüger: hart pommern die fritten
Die Woche, 31.10.1997
Gerhard Mahlberg: Aus Anlaß seines 70sten Geburtstags am 20. OktoberDeutschlandradio
Thomas Kling: Die Ballade vom defekten Kabel
Literaturen, Heft 10, Oktober 2002
Thomas Kling: Die glühenden Halden
Frankfurter Rundschau, 19.10.2002
Nico Bleutge: Ein Verwandlungskünstler der Sprache
Stuttgarter Zeitung, 6.10.2006
Michael Braun: Vom Sichersten ins Tausendste
Basler Zeitung, 6.10.2006
Michael Krüger: Schamane des Experimentellen
Süddeutsche Zeitung, 6.10.2006
Christine Lötscher: Er verzauberte die Sprache und Menschen
Tages-Anzeiger, 6.10.2006
Martin Lüdke: Aus dem Staub gemacht
Frankfurter Rundschau, 6.10.2006
Peter Mohr: Ein Magier der Sprache
Badische Zeitung, 6.10.2006
Lothar Müller: Der Zungenzwinkerer
Süddeutsche Zeitung, 6.10.2006
Hubert Spiegel: Im Exil bei Freunden
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6.10.2006
Oskarine ist ein Gedicht-Generator von Ulrike Gabriel, der auf den Gedichten von Oskar Pastior basiert. Jedes Gedicht spricht sich selbst – immer neu und mit der Dichter-Stimme.
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