Erst ein Mal posthum 1956 in Amerika veröffentlicht, ist diese zweisprachige Ausgabe die erste Wiederveröffentlichung des Originaltextes. Die Übersetzung durch Ulf Stolterfoht ist eine ebenso genaue wie poetisch durchgearbeitete Reverenz an die Steinsche Welt ganz aus Wörtern.
Auf dem Schreibtisch von Oskar Pastior fand sich nach seinem Tod ein Stapel Manuskripte: ein ausgefunkeltes Spektrum lyrischer Texte, das zwölf Gedichte aus „Les Fleurs du Mal“ von Charles Baudelaire in jeweils fünf Erscheinungsformen gleichzeitig intoniert. In ihnen tritt nicht nur der von Pastior stets entfesselte Reiz der Buchstaben und Wörter ins hellste Licht, sondern auch die Tragweite seiner Themen, die man ja nur allzu gern überliest.
Ulf Stolterfoht beherrscht das Kunststück, Gedichte zu schreiben, die mit allen Wassern der philosophischen und poetologischen Mühlen gewaschen sind – und uns doch zu unterhalten – oder gerade deshalb: weil er sie auf eine Mühle leitet, mit der er nicht einfach zum Klappern beiträgt, sondern zu dessen Erkenntnis.
GRUBENPFERDE – die grubenpferde wurden abgetragen / wie warme fläze. jeder tag nahm schichten / von ihnen fort. in stollen, förderschächten:
FRÜHLINGS VERKENNEN – der frühling bittert, das grün wirft gallene blasen / auf wundem holz und auf der eignen haut /
MÜHLRAD – Dört hoch auf jenem berge / da get ein mülerad, / das malet nichts denn liebe /
EIN HOCHZEITSGEDICHT – die sonne kam auf und / die braut war blond und / sie strahlte die sonne /
PROPHEZEIUNG – Einmal kommt – ich habe Zeichen – / Sterbesturm aus fernem Norden. / Überall stinkt es nach Leichen.