Paul Celan: Die Gedichte aus dem Nachlaß

Mashup von Juliane Duda zum Buch von Paul Celan: Die Gedichte aus dem Nachlaß

Celan-Die Gedichte aus dem Nachlaß

DIE ATEMLOSIGKEITEN DES DENKENS,
auch auf den Gletscherwiesen,
ohne Beweis.

Über den großen Steinschild
stürzt ein Morgiger heim.

„Ihr Tiefgesenke mit euren
Trögen aus Lehm,
unterwegs“.

Rauhbrüchiges schabt
an Namen und Stimmen herum,

eine unverlierbare Nothand
brennt Sterniges ab.

Der durch nichts zu trübende Blick.

Einen Tod mehr als du
bin ich gestorben,
ja, einen mehr.

 

 

 

Editorisches Nachwort

Paul Celan hat kaum 5001 Gedichte zur Veröffentlichung bestimmt – etwas weniger als noch einmal so viele2 haben sich nach seinem Tod im Nachlaß gefunden. Ein solches Verhältnis zwischen dem vom Autor anerkannten Werk und der tatsächlichen literarischen Produktion zeigt den hohen Anspruch, den er an die Gedichte gestellt hat, einen Anspruch, den zu ermessen erst durch den Nachlaß möglich wird: was wurde für die Veröffentlichung ausgewählt, was nicht, und warum?
Die Entscheidung darüber, welche Gedichte er, und in welchem Kontext, zur Veröffentlichung freigeben wollte, hat Paul Celan in den verschiedenen Phasen seines Schaffens in unterschiedlicher Weise getroffen. Unpublizierte Gedichte sind zwar aus allen Werkepochen erhalten. Während aber in manche Gedichtbände, etwa Von Schwelle zu Schwelle, Sprachgitter, Atemwende oder Lichtzwang, von wenigen Ausnahmen abgesehen, jeweils alle Gedichte der Zeit, so scheint es, Aufnahme gefunden haben, gibt es in anderen Perioden große Komplexe von Unveröffentlichtem, die im Umfang fast an den der gleichzeitig entstandenen Veröffentlichungen heranreichen. Neben dem Frühwerk und der ersten Pariser Zeit, in der die Entscheidungen für die endgültige Gestalt von Mohn und Gedächtnis getroffen wurden, ist hier vor allem an die Jahre 1959–1963 zu denken, in denen Die Niemandsrose entstand; an die Gedichte aus dem Frühjahr und dem Sommer 1966, die, obwohl zeitlich den Fadensonnen zuzuordnen, unabhängige Zyklen bilden; an die im überaus fruchtbaren Sommer 1968 zeitgleich mit den beiden letzten Zyklen von Schneepart geschriebenen Gedichte; und schließlich an das nach dem Spätsommer 1968 Entstandene, das Paul Celan selbst nicht mehr zu Zyklen geordnet und für eine Veröffentlichung vorbereitet hat.
Für eine kleine Gruppe von Gedichten aus dem Nachlaß hatte Paul Celan eine Publikation erwogen, wenn auch nicht realisiert. Ein Band schwebte ihm vor, in dem zu bereits veröffentlichten „Versen“ – so seine ,Gattungsbezeichnung‘ für Gedichte wie etwa die „Abzählreime“
3 – und eventuell Aphorismen4 auch unveröffentlichte ,Gelegenheitsgedichte‘ (zu recht unterschiedlichen Gelegenheiten) treten sollten.5 Gerade den umfangreichen Nachlaß der beiden letzten Lebensjahre jedoch hat er mit apodiktischen Etiketten belegt wie „Nicht veröffentlichen!“, „Niemals veröffentlichen!“, „Unveröffentlichbar“.6 Vernichtet, wie er es mit anderen Arbeiten ganz offensichtlich getan hat – das zeigen Spuren, von den Resten herausgerissener Notizbuch-Manuskripte bis zu ,verwaisten‘ Titeln –, hat Paul Celan diese Gedichte jedoch nicht. Vielmehr hat er sie aufbewahrt, z.T. sogar wohlgeordnet und mit allen ihren Vorstufen. Beides, das Publikationsverbot wie der Akt des Bewahrens, muß als Teil des einen letzten Willens gesehen werden. So wird die vorliegende Publikation von 218 Nachlaßgedichten, die sich in Teilbereichen über einen ausdrücklich geäußerten Willen hinwegsetzt, gerade auch durch jene Ambivalenz im Umgang mit dem eigenen Werk legitimiert.
Die beschriebene Ambivalenz veranlaßt zu Gedanken über die Gründe für Celans Entscheidungen gegen eine Publikation und damit auch über den Charakter des nachgelassenen Werkes. Denkanstöße könnte die Tatsache geben, daß gewidmete Gedichte selten und zunehmend weniger Aufnahme in die gedruckten Gedichtbände gefunden haben, aus dem Atemwende-Manuskript etwa werden gerade solche ausgeschlossen. Z.T. mögen Konflikte mit Widmungsträgern eine Rolle gespielt haben. Im Falle des nach der Auseinandersetzung mit Claire Goll noch aus dem Druck-Manuskript von Mohn und Gedächtnis zurückgezogenen Widmungsgedichts für Yvan Goll
7 liegt eine derartige Deutung nahe. Hinzu kommt aber in jedem Fall, und das scheint ein ganz allgemeines Ausschlußkriterium zu sein (neben, denn das gibt es sicher auch, einem qualitativen), eine sehr persönliche, allzu persönliche Dimension dieser Gedichte, eine zu offensichtliche Prägung durch die äußeren Umstände ihrer Entstehung, eine zu heftige Emotionalisierung in extrem schwierigen Lebensphasen, wie etwa der Goll-Affäre oder den in Zusammenhang mit schweren psychischen Krisen stehenden Klinikaufenthalten. Eine Lesenotiz aus dem Januar 1969, „Les éléments troubles de l’esprit, ce seront (demain) les meilleurs. – A. Gide“, zeigt gerade in diesem Zusammenhang Celans Ambivalenz. Sein nachgelassenes Gedichtwerk erscheint so als die andere, die Rück- und Kehrseite des autorisierten Werkes: oft zu ,hell‘, zu ,durchsichtig‘ und damit zu verletzlich, oft auch zu polemisch, um der Öffentlichkeit – zumindest zu Lebzeiten, das „demain“ der Lesenotiz mag für Celan das Danach meinen – anvertraut werden zu können, aber gleichzeitig doch wesentlich, also unveröffentlich- aber auch unzerstörbar. Diese beiden Seiten, die in einem keineswegs zufälligen Verhältnis zueinander stehen, gehören zu einem Ganzen, sie sind voneinander abhängig und aufeinander bezogen. Der Status der beiden Werkteile aber ist, das soll betont werden, nicht der gleiche. Wie im Fall der Druckplatte in bezug auf den Abzug einer Radierung – man verstehe das Bild als Hommage an Gisèle Celan-Lestrange, deren Entscheidung im Jahr 1989 diese Ausgabe ihr Entstehen verdankt – gibt der nachgelassene Teil des Werkes, für sich genommen, kein adäquates Bild des Dichters Paul Celan, dem von ihm selbst veröffentlichten Werk vermag er aber Kontur zu geben. Die hier versammelten Gedichte können also auch helfen, die Ästhetik des autorisierten Werkes schärfer zu bestimmen.
Zum Gedicht-Nachlaß im eigentlichen Sinn gehören neben dem bereits veröffentlichten Frühwerk
8 alle in Paul Celans Pariser Jahren, d.h. zwischen dem Juli 1948 und dem April 1970 entstandenen Gedichte, die er nicht selbst publiziert bzw. für den Druck vorbereitet hat. Nicht dazu gehört Lichtzwang, das zwar – mit Ausnahme des schon im Frühjahr 1969 mit Radierungen von Gisèle Celan-Lestrange unter dem Titel „Schwarzmaut“9 publizierten ersten Zyklus – posthum erschienen ist, dessen Manuskript Celan jedoch beim Verlag noch einreichen konnte. Eine Zwischenstellung nimmt Schneepart ein. Celan hat zwar keine autorisierte Druckvorlage hinterlassen, wohl aber seiner Frau Gisele eine sorgfältige, zyklisch gegliederte und paginierte Reinschrift als Geschenk übergeben.10 Zum Nachlaß im engeren Sinn gehört dagegen Zeitgehöft, eine Zusammenstellung des Nachlaßbetreuers Beda Allemann, deren Bestand und Reihenfolge vom Autor auch durch Inhaltsentwürfe in Form von Titellisten nicht autorisiert ist.11 dessen Entstehung am 29.9.1969 ebenfalls in den Bereich der Zeitgehöft-Gedichte12 fällt, bereits in den 3. Band der Gesammelten Werke aufgenommen wurde, ist hier auf eine erneute Publikation verzichtet. Der Status freilich dieser letzten Gedichte Paul Celans ist kein anderer als der jener, die ihnen zeitlich unmittelbar vorausgehen und den vorliegenden Band abschließen. Aufgenommen sind dagegen sowohl die einzelnen im Briefwechsel Paul Celan – Franz Wurm13 publizierten, bisher unveröffentlichten Gedichte, als auch, trotz separater Nachlaß-Publikation,14 die Teile des Zyklus „Eingedunkelt“, die über das von Paul Celan selbst zum Druck freigegebene Zyklusfragment15 hinausgehen. Der vorliegende Band faßt somit die bisher nicht in den Gesammelten Werken und dem Frühwerk-Band enthaltenen nachgelassenen Gedichte Paul Celans zusammen.
Der Nachlaß, so, wie er sich heute im Deutschen Literaturarchiv in Marbach befindet, dem wir für die Bereitstellung der Quellen und die tatkräftige Unterstützung herzlich danken, enthält das nach Celans Tod vorgefundene Material sowie Abschriften von fremder Hand, die zwar erst nachträglich in den Nachlaß gelangt sind, aber für Celan selbst noch bestimmt waren. Auch wenn die Endfassung einiger weniger Texte aus anderen Quellen stammt – jedes in den vorliegenden Band aufgenommene Gedicht hat zumindest Spuren im so beschriebenen Nachlaß hinterlassen. Zum größeren Teil finden sich die Gedichte in Form von Handschriften bzw. Typoskripten in wohl meist von Celan selbst zusammengestellten Mappen oder als Reinschriften in Heften. Die die Einordnung erleichternden Aufschriften stammen meist ebenfalls von der Hand Celans, gelegentlich auch von der seiner Frau, die ihn zu Lebzeiten beim Ordnen seiner Manuskripte unterstützt hat. Darüber hinaus liegen Gedichthandschriften in den Notizbüchern, den Taschenkalendern und Tagebüchern, sowie in den Korrespondenzen (ganz besonders in der mit Gisèle Celan-Lestrange) vor, vereinzelt auch, auf lose eingelegten Blättern oder direkt notiert, in Büchern der ebenfalls in Marbach aufbewahrten Bibliothek. Ergänzendes Material wurde aus anderen, privaten wie öffentlichen, Beständen zur Verfügung gestellt. Wir danken Linde Birk, Jakob und Klaus Demus und dem Dürrenmatt-Archiv im Schweizerischen Literaturarchiv Bern für ihr Entgegenkommen.
Aus dem derart zusammengetragenen Material wurden einige wenige Gedichte deshalb ausgeschlossen, weil nicht mit Sicherheit geklärt werden konnte, ob es sich nicht um Übersetzungen handelt; dazu zwei im weiteren Kontext der Goll-Affäre entstandene, äußerst polemische Verstexte, deren Publikation zumindest in diesem Rahmen nicht möglich scheint. In die vorliegende Ausgabe wurden dann ausschließlich solche Gedichte aufgenommen, von denen eine in Form und Status zu erkennende Endfassung vorliegt. Unter dieser Prämisse ausgeschlossen wurden also Texte, die den Charakter flüchtiger Vers-Notizen haben, offensichtlich unvollendet liegengebliebene Arbeiten und solche, deren weitere Bearbeitung mit großer Sicherheit noch vorgesehen war – derartige Entscheidungen sind, das liegt auf der Hand, schwierig und im Einzelfall möglicherweise auch anders zu treffen. Als Kriterien dienen Uneindeutigkeit (auch hinsichtlich unleserlicher Stellen) und syntaktische Unvollständigkeit. Fehlende Interpunktion dagegen kann kein Ausschlußkriterium sein, da Celan auf den Schlußpunkt häufig ganz offensichtlich bewußt verzichtet. Zum anderen spricht die Kennzeichnung eines Gedichts durch das Zeichen „-i-“ gegen einen abgeschlossenen Status und damit für einen Ausschluß aus dem Textkorpus des vorliegenden Bandes. Ursprünglich Kürzel für „idée“, dient es zur Markierung einer Vielzahl von verschiedenen Materialien, von Exzerpten, Lesenotizen, Wortstudien, Reflexionen bis hin zu mehr oder weniger (z.T. sehr weit) fortgeschrittenen, ja, abgeschlossen wirkenden Entwürfen in Vers und Prosa, darunter auch Übersetzungen. Das Zeichen steht, überblickt man den Nachlaß im ganzen, allgemein für den vorläufigen Status eines Dokuments. Konvolute unter dem Gesamt-Etikett „-i-“ stellen oft heterogenes Material zusammen, sind also als eine Art Reservoir zu betrachten für die weitere Arbeit. Die Einzelblätter selbst aus den Konvoluten tragen nicht in jedem Fall zusätzlich die Markierung. Die Zusammenfassung der Blätter zu einem solchen Konvolut ist sicherlich manchmal recht zufällig, von den Stimmungen abhängig, in denen der Ordnungsvorgang ablief, einige Mappen sind im übrigen erst posthum so gekennzeichnet worden. Die Einordnung eines Manuskripts unter das Etikett „-i-“ spricht also allein ebensowenig gegen die Aufnahme des betreffenden Gedichts in den vorliegenden Band wie das Vorhandensein einzelner durch „-i-“ gekennzeichneter Varianten (solche liegen auch für später veröffentlichte Gedichte vor). Als Kriterium für den Ausschluß eines Textes kann nur die explizite Kennzeichnung aller Textzeugen durch die Markierung „-i-“ gelten.
Einen ähnlich vorläufigen Status hat der aufgegebene Zyklus „Pariser Elegie“, der abgesehen von der „Walliser Elegie“ vor allem Texte im Entwurfszustand enthält, von denen nur einige für Die Niemandsrose weiterbearbeitet oder in Teilen mit Gedichten daraus verbunden wurden. Zeichen für die Vorläufigkeit scheint die hier häufige, sonst ungewöhnliche Kennzeichnung der Blätter oben rechts durch den Zyklustitel. Dies ist durchgehend in einem Zyklusprojekt aus dem Sommer 1966 zu beobachten, das den Titel „Nachtstück“ tragen sollte: Die zu einem Konvolut zusammengestellten Texte, von denen einzig das Widmungsgedicht für Henri Michaux, „Die entzweite Denkmusik“,16 zugleich der einzige längere Text, veröffentlicht wurde, sind nicht eindeutig als unabhängige Einzelgedichte erkennbar, möglicherweise stellen sie auch Teile eines längeren Gedichtes dar, dessen Konturen aber im überlieferten Material nicht sichtbar werden.
Die Gliederungsprinzipien des vorliegenden Bandes sind durch Celans eigene Ordnungsprinzipien, allen voran die Periodisierung nach den veröffentlichten Gedichtbänden, vorgegeben. Eckdaten für diese Perioden oder ,Zeiträume‘ sind einmal, wenn bekannt, die Entstehungsdaten des jeweils frühesten und spätesten Gedichts im betreffenden Band, sowie ergänzend der Zeitpunkt, an dem sich Paul Celan vom Manuskript getrennt hat, indem er es dem Verlag zuschickte. Im Fall von Mohn und Gedächtnis wird unterschieden zwischen den Gedichten, die bereits mit Der Sand aus den Urnen vorlagen – sie sind dem Frühwerk zuzuordnen –, und den beiden Zyklen „Gegenlicht“ und „Halme der Nacht“, die erstmalig unter dem neuen Titel publiziert wurden. Ihre Eckdaten sind die Grundlage für den ersten hier relevanten Zeitraum. Der letzte der Zeiträume konstituiert sich einmal durch Ausschluß aus dem letzten von Celan selbst noch (durch die Zusammenstellung von Schneepart) abgegrenzten, zum anderen durch die Präsenz mindestens eines Textzeugen in einem Notizbuch, das für die Schneepart-Gedichte noch nicht zur Verfügung stand. Auf die leichten zeitlichen Überschneidungen mit dem Zeitraum Schneepart sei ebenso hingewiesen wie auf die zwischen den Zeiträumen von Atemwende und Fadensonnen. Die wenigen schlecht datierbaren, und damit keinem konkreten Zeitraum mit Sicherheit zuzuordnenden Gedichte schließen, zusammen mit dem einzelnen, in Gemeinschaftsarbeit entstandenen, jeweils in eigenen Kapiteln das Textkorpus ab.
Auch die weitere Gliederung der zu einem Zeitraum zusammengefaßten Gedichte ist vorgegeben durch Celans Unterscheidung zwischen solchen Gedichten, die eng zu den jeweiligen Bänden gehören, aus denen sie im Laufe der Arbeit daran ausgeschieden wurden, und solchen – sie sind bei weitem in der Minderzahl –, die, nach den erhaltenen Dokumenten, für einen zu publizierenden Zyklus nie vorgesehen waren. Als Unterscheidungskriterium gilt die Präsenz des Titels in einem der Zyklus-Entwürfe, wie sie in Form von Inhaltsangaben und Titellisten vorliegen, und nicht das bloße Vorhandensein eines der Textzeugen in einem der dem betreffenden Gedichtband zuzuordnenden Konvolute.
Die Ordnung innerhalb der so beschriebenen Unterkapitel, von denen das der „Nicht aufgenommenen Gedichte“ dem der „Verstreuten Gedichte“ immer vorausgeht, ist strikt chronologisch. Auch dieses Ordnungsprinzip ist von Celan durch die meist chronologische Anordnung der publizierten Gedichtbände vorgegeben, und es ist überhaupt erst möglich durch die in den allermeisten Fällen vorhandenen Datierungen, bis hin zur Numerierung der an ein und demselben Tag geschriebenen Gedichte, bis hin zu bis auf die Minute genauen Zeitangaben. Durch die große Sorgfalt in diesem Bereich, vor allem seit den ersten Anzeichen der Goll-Affäre im Zeitraum Sprachgitter, entzieht Celan nicht nur jeder Diskussion um die Entstehungszeit einzelner Gedichte den Boden, sondern er zeigt auch sehr deutlich, wie sehr er sich von konkreten Daten herschreibt, die ihm – so formuliert er in der Büchner-Rede, die auch unter dem Eindruck der Goll-Affäre konzipiert wurde, – „eingeschrieben“ bleiben.17 Von den verschiedenen Fassungen eines Gedichtes ist in der Regel die erkennbar späteste für den Druck ausgewählt. Hier sind jedoch in zweierlei Hinsicht Einschränkungen zu machen. Einmal sind im Falle der „Nicht aufgenommenen Gedichte“ jeweils die Fassungen ausgewählt, die im entsprechenden Kontext des publizierten Gedichtbandes erscheinen, etwa einem Heft mit Reinschriften o.ä. Dies sind meist, aber nicht immer die spätesten Fassungen. Offensichtlich später entstandene abweichende Versionen sind in solchen Fällen, wenn vollständig und eindeutig, in einen Anhang aufgenommen. Ebenfalls dort haben späte, meist als solche ausdrücklich gekennzeichnete und datierte Bearbeitungen früher abgeschlossener Gedichte Platz gefunden. Auch der Anhang ist, wenn auch ohne weitere Untergliederung, chronologisch angeordnet.
Der im Vergleich zum veröffentlichten Werk eher provisorische Charakter der Nachlaß-Gedichte, vor allem aber ihr sehr unterschiedlicher Vollendungsgrad, lassen es angezeigt erscheinen, nicht nur den puren, unkommentierten Text zu geben, sondern dem Leser in einem Anmerkungsteil durch die Charakterisierung der Quellenlage und die Wiedergabe der Varianten Material zur Verfügung zu stellen, das es ihm ermöglicht, den Status des jeweiligen Textes selbst besser einschätzen zu können. Mit dieser Entscheidung soll einer historisch-kritischen Ausgabe des Gedicht-Nachlasses gewiß nicht vorgegriffen werden. Eine solche wäre im Rahmen dieser Studienausgabe auch nicht zu leisten. Weder werden Anstrengungen unternommen, Papier- und Schriftqualitäten genau zu beschreiben, noch der Versuch einer diplomatischen Wiedergabe gemacht. Mit einem einfachen und kleinstmöglichen Zeicheninventar werden vielmehr die einzelnen Textzeugen in der mutmaßlichen Reihenfolge ihrer Entstehung so wiedergegeben, daß die jeweilige Textgestalt in ihrem Ergebnis lesbar wird, Streichungen oder Hinzufügungen im Verhältnis zur Grundschicht aber als solche erkennbar bleiben. Korrekturen nach Streichungen sind nur dann als Hinzufügungen gekennzeichnet, wenn es sich nicht um einen einfachen Ersatz bei gleichbleibender syntaktischer Funktion – etwa bei Sofortkorrekturen – handelt; unabhängig davon erfolgt aber eine solche Kennzeichnung immer bei außerhalb des eigentlichen Textes (auch mit Verweisungszeichen) plazierten Korrekturen. Bei großen Abweichungen gegenüber dem publizierten Text wird die Variante als ganze gegeben, bei kleineren nur die – jeweils vollständigen – betreffenden Verse. Die Verszählung innerhalb der Varianten bezieht sich hier, wenn nicht anders angegeben, jeweils auf die den etwaigen Streichungen und Hinzufügungen vorausgehende Grundschicht der Fassung. Unleserliche Bagatellen wie Striche, unvollständige Buchstaben, Haken sind vernachlässigt, um den Text nicht unnötig zu belasten. Ergänzt wird die Textwiedergabe in jedem Fall durch eine kurze Beschreibung des für die Einschätzung eines Textzeugen Notwendigen. Eine Vollständigkeit der Varianten ist in dem Sinne angestrebt, daß auch Entwürfe, aus denen nur einzelne Elemente in das betreffende Gedicht eingehen, sowie kleinere Fragmente, Wortnotizen u.ä., die zu einem Gedicht gehören, bzw. sich an einem bestimmten Punkt mit ihm verbinden, selbst dann wiedergegeben werden, wenn von Varianten des Gedichtes im eigentlichen Sinn nicht gesprochen werden kann. Bei heterogenen Textzeugen wird nur das für das jeweilige Gedicht Relevante ausgewählt. Die Varianten folgen jeweils der Basisbeschreibung des Gedichts, die die Quelle für die Druckfassung vorstellt. Sind innerhalb dieser Druckfassung Streichungen oder Hinzufügungen zu beschreiben, erfolgt das immer an der im Entstehungsverlauf des Gedichts richtigen Stelle. Gleiches gilt für die im Anhang publizierten Fassungen. In diesen Fällen entspricht die Verszählung immer der der entsprechenden Druckfassung. Ist die Druckfassung eine Reinschrift und folgen keine weiteren Varianten nach, wird sie nach der vorletzten Fassung nicht mehr aufgeführt.
Die textbezogenen Anmerkungen sind ergänzt durch Sacherläuterungen, die, betreffen sie den publizierten Text, direkt der Basisbeschreibung, beziehen sie sich auf eine Variante, dieser folgen. Bei der Kommentierung geht es nicht um Worterläuterung – wo wären die Grenzen zu ziehen? –, nicht um die Übersetzung von Paul Celans französischsprachigen begleitenden Notizen oder denen seiner Frau, und schon gar nicht um eine umfassende Deutung der Texte, sondern ausschließlich um die Bereitstellung von Informationen in drei eng begrenzten Bereichen. Das sind zum einen die besonderen Bedingungen der Entstehung, vor allem in Zusammenhang mit dem Datum, aber auch Verbindungen mit Gedichten aus dem bereits veröffentlichten Werk und mit Lesenotizen; ergänzende Informationen sind der Sammelbeschreibung für den betreffenden ,Zeitraum‘ zu entnehmen. Zum anderen sind es die Personen- und Ortsnamen, die im Gedicht, der Widmung, der Datierung oder in darüber hinausgehenden Bemerkungen auftreten; nicht kommentiert werden dabei Celans nahste Angehörige, seine Frau Gisèle Celan-Lestrange und sein Sohn Eric, nicht kommentiert wird auch der Name seiner Wahlheimat Paris und der von Frankfurt am Main, der Stadt seiner Verlage Fischer und Suhrkamp. Zum dritten wird schließlich der Versuch gemacht, die Herkunft der Motti und Zitate nachzuweisen. Bei aufeinanderfolgenden Texten ist auf eine erneute Erläuterung gleicher Elemente verzichtet.
In die für das Textkorpus ausgewählten Fassungen wurde so wenig wie nur irgend möglich eingegriffen. Systematisch und stillschweigend ersetzt wurden allerdings, gegenüber den auf Celans Schreibmaschine französischen Typs erstellten Typoskripten und entsprechend seinen Handschriften, ae, oe, ue und ss durch ä, ö, ü und ß. Unterstreichungen erscheinen immer kursiv. Nur vereinzelt wurden Rechtschreibfehler verbessert, die Interpunktion oder die fehlende Hervorhebung eines Titels sinngemäß ergänzt. Immer sind aber derartige Eingriffe in den Anmerkungen vermerkt und begründet. Titellose Gedichte sind, entsprechend Celans eigener Druckanweisung in solchen Fällen, tiefer gesetzt.
Im Text der Varianten wurden keinerlei Veränderungen vorgenommen, auch Unterstreichungen erscheinen als solche; etwaige Fehler oder Anomalien, auch hinsichtlich der Groß- und Kleinschreibung oder der Interpunktion, sind durch „[sic]“ bestätigt. Bei den für den Kommentar benützten erläuternden Zitaten aus den Tagebüchern, Taschenkalendern etc., wie auch bei Notizen von Celans Frau auf den Textzeugen, sind gelegentliche Schreibfehler allerdings stillschweigend berichtigt.
Textkorpus und Anmerkungen werden ergänzt durch ein alphabetisches Verzeichnis aller Titel und Titelvarianten (sofern eine eindeutige Form erkennbar ist) von Gedichten und Zyklen sowie, wenn sie vom Titel abweichen, der Anfangszeilen der in Hauptteil und Anhang publizierten Druckfassungen.
Zuerst und vor allem haben wir Eric Celan für seine große sachliche, materielle und moralische Unterstützung zu danken. Kurt Leonhard gab uns das freundliche Einverständnis zum Abdruck des von ihm gemeinsam mit Paul Celan verfaßten Gedichtes. Darüber hinaus sind wir für wertvolle Hinweise und tatkräftige Unterstützung zu Dank verpflichtet: Andreas Angerstorfer, Bernhard Böschenstein, Andre du Beuchet, Nani und Klaus Demus, Ute Doster (Deutsches Literaturarchiv), Ralph Dutli, Sonia Garelli, Jacques Halwisen, Yvonne Hasan, Christine Ivanović, Jürgen Lehmann, Gabriel Marcuson, Jochen Meyer (Deutsches Literaturarchiv), Peter Motzan, Ute Oelmann, Leonard Olschner, Jörg Ortner, Rudolf Probst (Schweizerisches Literaturarchiv), Jean Dominique Rey, Dr. Richter (Staatsarchiv Hamburg), Nicolai Riedel (Deutsches Literaturarchiv), Axel Sauder, Thomas Sparr, Marita Wetzel (Deutsche Verlags-Anstalt), Alexis Wolf, Franz Wurm.

Paris und Regensburg, im Mai 1996, Nachwort

 

Inhalt

Der fünfbändigen Ausgabe der Gesammelten Werke Paul Celans und der Ausgabe Das Frühwerk folgen nun Die Gedichte aus dem Nachlaß. Paul Celan hat kaum 500 Gedichte zur Veröffentlichung bestimmt – fast noch einmal so viele haben sich nach seinem Tod im Nachlaß gefunden. Ein solches Verhältnis zwischen dem vom Autor anerkannten Werk und der tatsächlichen literarischen Produktion zeigt den hohen Anspruch, den er an die Gedichte gestellt hat, einen Anspruch, den zu ermessen erst durch den Nachlaß möglich wird: was wurde für die Veröffentlichung ausgewählt, was nicht, und warum? Die Entscheidung darüber, welche Gedichte er, und in welchem Kontext, zur Veröffentlichung freigeben wollte, hat Paul Celan in den verschiedenen Phasen seines Schaffens in unterschiedlicher Weise getroffen. Unpublizierte Gedichte sind zwar aus allen Werkepochen erhalten. Während aber in manche Gedichtbände, etwa Von Schwelle zu Schwelle, Sprachgitter, Atemwende oder Lichtzwang, von wenigen Ausnahmen abgesehen, jeweils alle Gedichte der Zeit, so scheint es, Aufnahme gefunden haben, gibt es in anderen Perioden große Komplexe von Unveröffentlichtem, die im Umfang fast an den der gleichzeitig entstandenen Veröffentlichungen heranreichen. Neben dem Frühwerk und der ersten Pariser Zeit, in der die Entscheidungen für die endgültige Gestalt von Mohn und Gedächtnis getroffen wurden, ist hier vor allem an die Jahre 1959–1963 zu denken, in denen Die Niemandsrose entstand: an die Gedichte aus dem Frühjahr und dem Sommer 1966, die, obwohl zeitlich den Fadensonnen zuzuordnen, unabhängige Zyklen bilden; an die im überaus fruchtbaren Sommer 1968 zeitgleich mit den beiden letzten Zyklen von Schneepart geschriebenen Gedichte; und schließlich an das nach dem Spätsommer 1968 Entstandene, das Paul Celan selbst nicht mehr zu Zyklen geordnet und für eine Veröffentlichung vorbereitet hat. Für eine kleine Gruppe von Gedichten aus dem Nachlaß hatte Paul Celan eine Publikation erwogen, wenn auch nicht realisiert. Ein Band schwebte ihm vor, in dem zu bereits veröffentlichten „Versen“ – so seine Gattungsbezeichnung für Gedichte wie etwa die „Abzählreime“ – und eventuell Aphorismen auch unveröffentlichte Gelegenheitsgedichte (zu recht unterschiedlichen Gelegenheiten) treten sollten. Gerade den umfangreichen Nachlaß der beiden letzten Lebensjahre jedoch hat er mit apodiktischen Etiketten belegt wie „Nicht veröffentlichen!“, „Niemals veröffentlichen!“, „Unveröffentlichbar“. Vernichtet, wie er es mit anderen Arbeiten ganz offensichtlich getan hat – das zeigen Spuren, von den Resten herausgerissener Notizbuch-Manuskripte bis zu verwaisten Titeln –, hat Paul Celan diese Gedichte jedoch nicht. Vielmehr hat er sie aufbewahrt. z.T. sogar wohlgeordnet und mit allen ihren Vorstufen. Beides, das Publikationsverbot wie der Akt des Bewahrens, muß als Teil des einen letzten Willens gesehen werden. So wird die vorliegende Publikation von 218 Nachlaßgedichten, die sich in Teilbereichen über einen ausdrücklich geäußerten Willen hinwegsetzt, gerade auch durch jene Ambivalenz im Umgang mit dem eigenen Werk legitimiert.

Suhrkamp Verlag, Ankündigung

 

 

Heimgeführt Silbe um Silbe

Paul Celan (geb. 23.11.1920 – gest. 20.4.1970)

UNTEN

Heimgeführt ins Vergessen
das Gast-Gespräch unsrer
langsamen Augen.

Heimgeführt Silbe um Silbe, verteilt
auf die tagblinden Würfel, nach denen
die spielende Hand greift, groß,
im Erwachen.

Und das Zuviel meiner Rede:
angelagert dem kleinen
Kristall in der Tracht deines Schweigens.

Wie spricht man angesichts der Erfahrung des Holocaust? Wie sieht diese Sprache aus? Kann diese Sprache einen Menschen, der diese Erfahrung überlebt hat, wieder heimführen, Silbe um Silbe, wie es in dem Gedicht „Unten“ aus Paul Celans Gedichtband Sprachgitter heißt? Kann diese Sprache Haus, Heimat sein? Für den 1920 in Czernowitz im damaligen Rumänien, der heutigen Ukraine geborenen Celan ist sie dreierlei: sie ist ein Schweigen, ein Sprechen und der Atem zwischen dem Schweigen und Sprechen. Daher ist das Wort neben Auge, Herz und Nacht eines der meistgenannten Wörter in Celans Werken. Peter Horst Neumann zeigt wie Sprachverlust bzw. Sprachzerfall und enorme Sprachschöpfung in Celans Gedichten Hand in Hand gehen. Das Wort Herz taucht im ersten Gedichtband Mohn und Gedächtnis 29 mal auf. In den letzten zwei zu Lebzeiten veröffentlichten Bänden Die Niemandsrose und Atemwende taucht es 22 bzw. zehnmal auf – jedoch hauptsächlich als Kompositum: Herzbahn, Herzbuckelweg, Herzstrahl, Herzgewordenes, Herzvorrat etc.18 Diese und weitere unzähligen Wortneuschöpfungen werden jedoch jeweils nur einmal verwendet, was zum einen Zeugnis von Celans schöpferischer Sprachkraft ist, zum anderen Ausdruck der Notwendigkeit angesichts des Unsagbaren der Erfahrung. Die Komposita zeigen: erst in der Verbindung mit einem weiteren Wort wird die jeweilige situative Bedeutung des Herzens deutlich. Zu jedem abstrakten Konzept muss die menschliche Einbettung in einen Sinnzusammenhang hinzukommen, ein ethisch-moralischer Zusammenhang. So ist der Atem nicht allein Atem – er erscheint als Atemseil, als mögliche zwischenmenschliche Verbindung, oder als Steinatem, dem die Verbindung unmöglich scheint. Atem, Worte, Steine und Kristall stehen bei Celan als Ausdruck der Sprachlosigkeit, des Schweigens, einer ,versteinerten‘ Sprache, aber auch der Gewalt, wenn einem das Wort beschnitten, wenn das lyrische Ich weggebeizt wird, vom Strahlenwind deiner Sprache.19 „[Mein] Mund / spie seinen Schotter“ heißt es in „Matière de Bretagne“.20 Das lyrische Ich hält „[den] verkieselten Spruch in der Faust“21 Sprache taucht auf als „Wortaufschüttung, vulkanisch, / meerüberrauscht“,22 als Ausbruch von Leidenschaft, also vor allem als Ausdruck gelebter Erfahrung, körperlicher Existenz. In Celans Lyrik sehen wir ein zur Sprache gebrachtes Trauma, das Trauma des Holocausts.
Sprache ist eine „kommunikative Funktion, der die Vermittlung der außersprachlichen Realität zufällt“ (oder die Aneignung derselben), wobei die Dichtersprache als eine speziell dem Dichter eigene Ausdrucksform verstanden wird. Neumann sieht in den verschiedenen Celanschen Komposita einen „Abstand zur Mitteilungssprache bzw. zur Normalsprache“,23 und gewiss, Celans Gedichte bedürfen einer Meditation über die einzelnen Wörter und einer sukzessiven persönlichen Erschließung des Gedichts. Celan selbst äußerte in einem Gespräch, dass es nicht darum gehen kann, aus den Gedichten lediglich einen Bezug zu seiner Person herzustellen. „[Der Leser] kann mich nicht in den Griff bekommen, immer greift er nur die Gitterstäbe zwischen uns.24 Celans Gedichte verlangen vielmehr eine tiefgehende Auseinandersetzung und Konfrontation mit dem eigenen Verständnis der sogenannten Normal- oder Alltagssprache und ihrer angeblichen Unschuld. Wenn man sich auf Celans Lyrik einlässt, muss man sein Verständnis von Sprache umstrukturieren, vor allem von der vermeintlichen Normalität, die die Sprache reflektieren soll. Celans Lyrik ist nicht hermetisch abgeriegelt, unzugänglich und verschlüsselt, wie es ihm oft vorgeworfen wurde. Celan sagte dazu:

Glauben Sie mir – jedes Wort ist mit direktem Wirklichkeitsbezug geschrieben. Aber nein, das wollen und wollen sie [die Kritiker, N. W.] nicht verstehen.25

Was nicht verstanden wird, ist, dass der Wirklichkeitsbezug dieser Lyrik das Trauma des Holocausts ist. Neben dem Abstand zwischen Normalsprache und Dichtersprache, erfuhr Celan einen gesellschaftlichen Abstand zwischen seiner und der im Nachkriegsdeutschland vertretenen Literatursprache und einen Abstand zwischen sich und verschiedenen Hörern. Die dominante Sprachkultur erlaubte keinen Platz für Celan, da es bedeutet hätte, die eigene als Norm verstandene Sprache selbst als kranke und gewaltsam ausgrenzende zu erkennen. Das wird besonders deutlich im Unverständnis, das die Mitglieder der Gruppe 47 der Sprache und dem sprachlichen Vortrag Celans gegenüber zum höhnischen Ausdruck brachten. Dies kommentiert die Autorin Elfriede Jelinek folgendermaßen:

Es werden Menschen krank, man kann sie nicht heilen, was man auch macht, sie bleiben krank. (…) Celans Krankheit war nicht zu überstehen. Sie war nicht zu übersehen, von keinem, der ihn gekannt hat, nicht von Grass, auch ein Genie der Normalität (…), nicht von Andersch und Böll, den (von mir bewunderten) Normalitätsterroristen, es waren ja fast alle im Nachkriegsdeutschland Normalitätsterroristen. Das ist verständlich, die Sehnsucht nach Normalität muß ja auch eine Art Krankheit gewesen sein. (…) Die größte Ungerechtigkeit ist, wie gesagt, daß die einen krank sind und die andren nicht, daß die einen leben können und die andren nicht, auch wenn alle sterben müssen, das ist nun wieder gerecht. Aber warum muß das sein, daß einer um seine Begnadigung bettelt und weiß, daß er immer nur um die Verlängerung seiner Folter betteln kann? Der Verurteilte, Celan, auf seinem gigantischen Leichenberg, dieser auf eine ewig lang bellende Abendglocke horchende Dichter.26

Es begegnen sich also hier zwei Formen der Krankheit. Es bedurfte des bloßen Auftretens eines jüdischen Autoren, der den Gesunden die Bedingung für ihre angebliche Gesundheit vor Augen führte, nämlich die Kranken unsichtbar zu machen. Celans Auftritt in der Gruppe 47 im Mai 1952 war umso bedeutender, als es seine erste Deutschlandreise seit 1938 war. Und dort traf er auf eine Gruppe Autoren, die fast alle Soldaten der deutschen Wehrmacht waren, auch wenn in der Gruppe selbst keine Nazis zugelassen wurden. Dennoch herrschte dort eine „[ungehobelte] Kameraderie, der Hemdsärmeligkeit, der geschlossenen Duzbrüderschaft, dieses tatsächlich etwas ,Obergefreitenhafte-nach-Entfernung-der-Vorgesetzten‘.“27 Celan selbst bezeichnete diesen Männerbund als „diese Fußballer“. Normal war für die Zuhörenden, als sie Celan die „Todesfuge“ vortragen hörten, der Neorealismus, dessen Anspruch die Annäherung an das wirkliche Leben ist – doch wer Wirklichkeit sagt, meint auch Norm und somit auch Hegemonie. „Das kann doch kaum jemand hören!“, „der liest ja wie Goebbels!“ hieß es in der Lesung.28 Wer sich normal glaubte, war lediglich „wundgeheilt, wahr- und wahrergeschunden“, sah die eigene Zurichtung nicht mehr:

AUS FÄUSTEN

AUS FÄUSTEN, weiß
von der aus der Wortwand
freigehämmerten Wahrheit,
erblüht dir ein neues Gehirn.

Schön, durch nichts zu verschleiern,
wirft es sie, die
Gedankenschatten.
Darin, unverrückbar,
falten sich, heut noch,
zwölf Berge, zwölf Stirnen.

Die auch von dir her stern-
äugige Streunerin Schwermut
erfährts
.
29

Freilich ist hier niemals die Sprache selbst, die Sprache schlechthin am Werk, sondern immer nur ein unter dem besonderen Neigungswinkel seiner Existenz sprechendes Ich, dem es um Kontur und Orientierung geht. Wirklichkeit ist nicht, Wirklichkeit will gesucht und gewonnen sein.30

Die als Wahrheit verstandene Normalität, die unser Hirn formt, erwächst aus Fäusten – sie muss sich ihre Struktur erst gewaltsam aus dem Rohstoff Sprache zurechtstutzen, die selbst ein Ausdruck einer bestimmten körperlichen Daseinsform ist. Das Gedicht birgt eine Religionskritik: die Wahrheit ist hier personifiziert von den Jüngern Jesu, den zwölf Aposteln, also Gesandten, die die Normalität verkünden, die Weltdeutung vorgeben. Ihre Sprache ist wirkmächtig, kolossal, versinnbildlicht in der Bergkette namens Zwölf Apostel in Kapstadt, Südafrika, auf die die „zwölf Berge“ anspielen – zu groß, um verschleiert werden zu können. So sinniert Elfriede Jelinek:

Mich interessiert

die Selbstgewißheit, mit der [jemand] spricht, und die nicht zu erreichen ist für die Unsicheren, aber wer ist schon sicher, und wer ist unsicher?

Ich frage nicht, wie der Denker: Wer sind wir? Ich frage: Wer ist wer? Warum schreibt sich einer ein und ein andrer kann es nicht, nicht einmal in Sand?

Woher kommt diese unerschütterliche Gewißheit?31

Wer steigt also zu Abermillionen als Rauch in die Lüfte, während zwölf Jünger gleich eine ganze Bergkette werden? In den Schatten, die diese Wahrheitsberge werfen, müssen sich die Ausgegrenzten, die Streunenden in Schwermut bewegen. Mit der Opfertheorie des Kulturphilosophen Rene Girard und dem darin beschriebenen Sündenbockmechanismus gesprochen: die Tötung des Sündenbocks, stellt die Ordnung der Gemeinschaft her und spricht den Getöteten zugleich heilig, als symbolischen Wächter der Ordnung. Die weißen Knöchel der Faust finden ihre Parallele in den Stirnfalten der Apostel: Wahrheit bzw. Normalität ist die Erhärtung der Sprache und blickt stirnrunzelnd auf die Streunerin Schwermut. Celan interessiert sich für beide Sprachen, die der Mächtigen, also der Sich-als-gesund-Gerierenden, und der Unterdrückten, also der als krank Bezeichneten und deren Selbstverständnis. Die Unterdrückten erleben sich als Niemand, als lebende Tote: „Du – ganz, ganz wirklich. Ich – ganz Wahn.“ Ich – ganz im Schatten, in der Nacht. Wenn Celan in „Aus Herzen und Hirnen“32 von einem „Wort, von Sensen gesprochen“ schreibt, oder in „Halbzerfressener“33 davon, wie jemand sein Bild von der Welt „ins Schädelinnre, (…) in Furche und Windung [pflanzt]“, zeigt sich, wie Normen sich in die Körper der Menschen via Sprache hineindrucken.
Dennoch findet sich Hoffnung in den Augen des Anderen. Wie es im Gedicht „La Contrescarpe“34 heißt, sind es nicht wir, sondern ist es die Hoffnung selbst, die uns „herauf- und herabkarrt / den Herzbuckelweg“. Uns herauf- und herabkarrt als Last? „So / viel / wird gefordert von dem“, der nicht nur in sich das leidende, suchende Herz trägt. Ihm erscheint die Welt selbst als anthropomorph, wie er gebeugt, als Herzbuckelweg. Die Hoffnung selbst scheint unermüdlich, lässt ihn nicht ruhen bis zum Ende des Weges. In vereinzelten Gedichten taucht die Berührung zwischen Menschen als mögliche Aussicht auf Hoffnung auf. So im folgenden Gedicht:

UNTER DIE HAUT

UNTER DIE HAUT meiner Hände genäht:
dein mit Händen
getrösteter Name.

Wenn ich den Klumpen Luft
knete, unsere Nahrung,
säuert ihn der
Buchstabenschimmer aus
der wahnwitzig-offenen
Pore
.
35

Keine Begegnung lässt uns als Menschen unbeeindruckt, sei diese belebend oder abtötend. Emmerich zitiert hierzu Friedrich Nietzsche: „Alles verletzt. Mensch und Ding kommen zudringlich nahe, die Erlebnisse treffen zu tief, die Erinnerung ist eine eiternde Wunde.“36

WIE DU

WIE DU dich ausstirbst in mir:
noch im letzten
zerschlissenen
Knoten Atems
steckst du mit einem
Splitter
Leben.37

Hier zeigt sich wie Celan grundsätzlich die Unterscheidung zwischen Individuum und Gesellschaft verwirft. Worte heilen, wenn sie trösten und sie verletzen, wenn sie Sensen sprechen – beides hinterlässt uns als veränderte Menschen. Die Menschen sind uns unter die Haut genäht und haben selbst Macht darüber, wie sie sich in unsere Körper einschreiben und sich entfernen (wollen):

du stirbst dich aus in mir.

Aktiv und passiv sind hier aufgehoben, das lyrische Ich ist mit den Handlungen des anderen verwoben und dessen Körper erfährt eine Transformation. Wir sind „wahnwitzig-offene Poren“. Selbst in diesem herbeigeführten Aussterben wird dem Körper ein Splitter Leben hinzugefügt, selbst dem Atem.
Im Kontext des Todes seiner Eltern, deportiert und im KZ erschossen, schreibt Celan vor allem Gedichte an die Mutter. Im Folgenden taucht hier möglicherweise die Bürokratie als geschriebene Sense, als Form des Mordes auf.

MUTTER, MUTTER

Mutter, Mutter.
Der Luft entrissne,
der Erde entrissne.

Herunter-,
Herauf
gezerrte.

Vor die Messer
schreiben sie dich,
kulturflott, linksnibelungisch,
mit dem Filz-
schreiber, auf Teakholztischen, anti-
restaurativ, proto-
kolarisch, prä-
zise, in der neu und gerecht
zu verteilenden Un-
menschlichkeit Namen,
meisterlich, deutsch,
mannschmannsch, nicht
ab-, nein wiesen-
gründig,
schreiben sie, die
Aber-Maligen, dich
vor die
Messer.

Etwas tun,
etwas
tun
in der Höhe, der
Tiefe.
Etwas, auf Erden.38

Celan sieht im Ende des Herzbuckelwegs Leben, versinnbildlicht im Tod, wiederkehrend die Erlösung. Besonders für die Opfer des Holocaust, die als lebende Tote auf dieser Erde waren, bedeutet der Tod erst ein Zu-sich-kommen, wie in den folgenden drei Gedichten deutlich wird:

ZÄHLE DIE MANDELN

Zähle die Mandeln,
zähle, was bitter war und dich wachhielt,
zähl mich dazu:

Ich suchte dein Aug, als du’s aufschlugst und niemand dich ansah,
ich spann jenen heimlichen Faden,
an dem der Tau, den du dachtest,
hinunterglitt zu den Krügen,
die ein Spruch, der zu niemandes Herz fand, behütet.

Dort erst tratest du ganz in den Namen, der dein ist,
schrittest du sicheren Fußes zu dir,
schwangen die Hämmer frei im Glockenstuhl deines Schweigens,
stieß das Erlauschte zu dir,
legte das Tote den Arm auch um dich,
und ihr ginget selbdritt durch den Abend.
Mache mich bitter.
Zähle mich zu den Mandeln.39

Hans-Jürgen Heise behauptet, dass dieses Gedicht „nicht mehr der Ton zwischenmenschlicher, um Verständigung bemühter Sprache“ sei, „[das] klingt wie später Hölderlin, hart und abweisend. Die Flagge des Pathos ist gehißt, und sie weht höher, als das Auge der Geliebten blickt. (…) Hier ist das Gegenüber nicht länger Ziel, sondern nur noch Ausgangspunkt des lyrischen Wortes, das transzendieren will – fort von den Menschen und hin, hinab zu dunklen todvollen Krügen“.40 Spricht aus diesem noch im Jahre 1985 verfassten Vorwurf nicht jene Leugnung des direkten Wirklichkeitsbezugs, die die Gedichte für Celan waren, ganz bestimmt um Verständigung bemüht, vor allem noch im Frühwerk, aus dem das Gedicht stammt? Bemüht, zwischenmenschlich zu vermitteln, was es heißt, den Holocaust erlitten zu haben? Ja, zwar hinab zu den Krügen, aber eben weil diese Welt keinen anderen Ort hatte für dieses Sprechen, dieses der Normalsprache nicht genügende Sprechen, als den Tod.

SOVIELE GESTIRNE

SOVIEL GESTIRNE, die
man uns hinhält. Ich war,
als ich dich ansah – wann? –,
draußen bei
den andern Welten.

O diese Wege, galaktisch,
o diese Stunde, die uns
die Nächte herüberwog in
die Last unsrer Namen. Es ist,
ich weiß es, nicht wahr,
daß wir lebten, es ging
blind nur ein Atem zwischen
Dort und Nicht-da und Zuweilen,
kometenhaft schwirrte ein Aug
auf Erloschenes zu, in den Schluchten,
da, wo’s verglühte, stand
zitzenprächtig die Zeit,
an der schon empor- und hinab-
und hinwegwuchs, was
ist oder war oder sein wird –,

ich weiß,
ich weiß und du weißt, wir wußten,
wir wußten nicht, wir
waren ja da und nicht dort,
und zuweilen, wenn
nur das Nichts zwischen uns stand, fanden
wir ganz zueinander.
41

 

PSALM

Niemand knetet uns wieder aus Erde und Lehm,
niemand bespricht unsern Staub.
Niemand.

Gelobt seist du, Niemand.
Dir zulieb wollen
wir blühn.
Dir
entgegen.

Ein Nichts
waren wir, sind wir, werden
wir bleiben, blühend:
die Nichts-, die
Niemandsrose.

Mit
dem Griffel seelenhell,
dem Staubfaden himmelswüst,
der Krone rot
vom Purpurwort, das wir sangen
über, o über
dem Dorn
.
42

Der Tod erscheint in „Zähle die Mandeln“ als die Vereinigung zu einer Dreieinigkeit: zu Lebzeiten ungesehen (als niemand dich ansah) und ungehört (zu niemandes Herz durchgedrungen), verschmilzt die adressierte Person zu einer vollkommeneren Existenz, symbolisiert im Namen, der nun kraftvoll läuten kann und gehört wird, erst im Tod, der sie umarmend begrüßt. Zwar ist der Tod bitter, aber nicht so bitter wie die gelebte Erfahrung, denn es ist nicht wahr, daß wir lebten. Aus der Negierung der eigenen Existenz zu Lebzeiten entsteht ein Selbstverständnis, das das Wort niemand zu einem Nomen werden lässt:

Gelobt seist du. Niemand.

In diesem Nichts blüht das unerwünschte Leben, die „Niemandsrose“, der „Klumpen Luft“, der nicht das Privileg hat, aus Lehm geformt zu sein.
Dieses Niemandsein bezieht sich auch auf die Plagiatsvorwürfe, denen sich Celan ab 1953 durch eine ehemalige Freundin, Claire Goll, viele Jahre ausgesetzt sah, die er als versuchte Auslöschung seiner Person verstand. Goll behauptete, Celan habe große Teile der Lyrik ihres verstorbenen Mannes Yvan Goll, mit dem Celan ebenfalls jahrelang befreundet war, plagiiert, was jedoch nicht nachgewiesen werden konnte. Auch weil Celan die Gedichte des Bandes Mohn und Gedächtnis, dem das Plagiat unterstellt wird, mehrere Jahre vor der gemeinsamen Freundschaft schrieb. Dass mehrere Journalisten und Akademiker diesen Vorwurf ohne eigene Überprüfung verbreiteten, verschlimmerte die Situation:

dem überlebenden Opfer sprach man die Authentizität seines Sprechens ab – die anderen, die einst auf der Täterseite standen, feierte man für ihre ,Bewältigungsliteratur‘ und ließ sie die Stellvertretung der Opfer übernehmen.43

Luft zu sein bezieht sich in Celans Gedichten regelmäßig auf die Verbrennung der Juden in den Konzentrationslagern: „Wer, / wer wars, jenes / Geschlecht, jenes gemordete, jenes / schwarz in den Himmel stehende“ heißt es in „Radix, Matrix“.44 Celan bemerkt zu seinem bekanntesten Gedicht, der „Todesfuge“, dass die „schwarze Milch“ nicht notwendigerweise eine Metapher sei. Sie ist schwarz vom Rauch der verbrannten Juden. Somit ist auch das „Grab in den Lüften“ keine Metapher.

TODESFUGE

Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends
wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts
wir trinken und trinken
wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete
er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne er pfeift seine Rüden herbei
er pfeift seine Juden hervor läßt schaufeln ein Grab in der Erde
er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich morgens und mittags wir trinken dich abends wir trinken und trinken
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete
Dein aschenes Haar Sulamith wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng

Er ruft stecht tiefer ins Erdreich ihr einen ihr andern singet und spielt
er greift nach dem Eisen im Gurt er schwingts seine Augen sind blau
stecht tiefer die Spaten ihr einen ihr andern spielt weiter zum Tanz auf

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags und morgens wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith er spielt mit den Schlangen

Er ruft spielt süßer den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland
er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft
dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland
wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken
der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau
er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft
er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus Deutschland

dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith
45

Die „schwarze Milch“ sollte dennoch auch gelesen werden als jene gewaltsame Form der Wahrheit, wie sie aus Fäusten erblüht: denn die Nazis haben die Vernichtung der Juden selbst als Geburt empfunden. Diese Vernichtung war ihnen selbst die lebensspendende Milch. Als schwarze Milch ist sie zugleich deren Leben und der Tod der Juden. Und auch hier wird das in Salomos Hohelied als purpur beschriebene Haar Sulamiths – ein hebräischer Name, der auch das Wort „Friede“ (Schalom) in sich trägt – bereits als verbrannt, als Asche bezeichnet, neben dem Reichtum, den das Gold der Haare Margaretes bedeutet. Besonders der letzte Zweizeiler stellt diese Existenzbedingungen einander erneut gegenüber. Die Einordnung des Gedichtes in die sogenannte Bewältigungsliteratur empfand Celan als fatal, sodass er in den folgenden Jahren das Gedicht nicht mehr las. Die frappierende Ähnlichkeit zwischen der „Todesfuge“ und einem 1944 verfassten Gedicht eines Immanuel Weißglas, „Er“, das erst 1970 veröffentlicht wurde, sollte nicht dem Plagiatsvorwurf anheimfallen.
Wolfgang Emmerich erläutert, dass sich Weißglas und Celan vom Gymnasium in Czernowitz her kannten und Celan das Gedicht bekannt war.46 Die „Todesfuge“ versteht Emmerich als Parodie, als literarisch-ästhetischen Kommentar zu dem durch und durch traditionellen und konventionellen Weißglas-Gedicht. Die „Todesfuge“ sprengt diese Architektur. Es ist nicht nur Weißglas’ Gedicht, das hier kommentiert wird. Der im Titel angebrachte ästhetische Verweis auf ein Kompositionsprinzip der europäischen Musikgeschichte, der Fuge (lat. fuga, Flucht), die mit Imitation und thematischer Wiederholung arbeitet, ist in gewisser Weise Leseanleitung. So finden wir Verweise auf Goethes Faust in der Nennung von Margarete. In Heinrich Heines „Das Sklavenschiff“ heißt es:

Musik! Musik! Die Schwarzen soll’n
Hier auf dem Verdecke tanzen
(…)
Die Fiedel streicht der Steuermann.

Die Normalen, die sich als Teil der Hochkultur und Zivilisation verstehen, ergehen sich hier in Mordlust. In Mörikes Novelle Maler Holten wird der Geist der verstorbenen Hauptfigur als „Rauchsäule“ beschrieben. Verweise in der „Todesfuge“ auf mittelalterliche Totentanzliteratur, auf Andreas Gryphius, Georg Heym und Georg Trakl lassen zwar die historisch-kulturelle Situiertheit des Gedichts erkennen, sie münden aber in einer Todes-Fuge, die den Holocaust als Endpunkt und Trauma europäischer Aufklärung und Ausdruck bürgerlicher Faschismusgenese markiert und sich statt einer geschwisterlichen Einreihung in die literarische Tradition, eher als verschluckendes Loch versteht.
Gedichte sind durchaus möglich nach Auschwitz, was Theodor W. Adorno diskutierte. Celan kommentierte ihn kritisch:

Kein Gedicht nach Auschwitz (Adorno): was wird hier als Vorstellung von ,Gedicht‘ unterstellt? Der Dünkel dessen, der sich untersteht, hypothetisch-spekulativerweise Auschwitz aus der Nachtigallen- oder Singdrossel-Perspektive zu betrachten oder zu berichten?47 (zit. bei Emrich, S. 131)

Adorno und Celan stimmen hier sogar überein. Es ging Adorno nicht darum, alle Dichtung zu verbieten, sondern die bisherige Ästhetik als den Erfahrungen der Shoah unangemessen zu verstehen. Die „Todesfuge“ ist genau eine Umsetzung dieser Idee.
Es sind nicht allein Claire Golls Plagiatsvorwürfe und das Celan im Nachkriegsdeutschland entgegengebrachte Unverständnis seiner Lyrik, die ihn zunehmend verstörten. Es ist auch die Un-Kultur des Vergessens und Verschweigens, die keinen Ort für sein Sprechen zulassen wollte. Als Weißglas’ Gedicht im Februar 1970 veröffentlicht wurde, so vermutet man u.a., befürchtete Celan weitere – unberechtigte – Plagiatsvorwürfe, die er nicht mehr hätte verkraften können. Am 20. April 1970 nahm er sich in der Seine das Leben. In seiner Wohnung fand man aufgeschlagen eine Hölderlin-Biographie mit einem angestrichenen Kommentar Clemens Brentanos:

Manchmal wird dieser Genius dunkel und versinkt in den bitteren Brunnen seines Herzens.48

Erreichbar, nah und unverloren blieb inmitten der Verluste dies eine: die Sprache. Sie, die Sprache, blieb unverloren, ja, trotz allem. Aber sie mußte nun hindurchgehen durch ihre eigenen Antwortlosigkeiten, hindurchgehen durch furchtbares Verstummen, hindurchgehen durch die tausend Finsternisse todbringender Rede. Sie ging hindurch und gab keine Worte her für das, was geschah; aber sie ging durch dieses Geschehen. Ging hindurch und durfte wieder zutage treten, „angereichert“ von all dem. In dieser Sprache habe ich, in jenen Jahren und in den Jahren nachher, Gedichte zu schreiben versucht: um zu sprechen, um mich zu orientieren, um zu erkunden, wo ich mich befand und wohin es mit mir wollte, um mir Wirklichkeit zu entwerfen.49

Nils Wilkinson, aus Bernhard Nolz, Wolfgang Popp (Hrsg.): Leben im Zeichen von Verfolgung und Hoffnung, LIT Verlag, 2013

Paul Celans Bukarester Aufenthalt

Le souvenir est l’espérance renversée,
On regarde le fand du puits comme an a
regardé le sommet de la tour.

Flaubert

Erinnerung ist umgekehrte Hoffnung.
Man betrachtet den Grund des Brunnens
so wie man die Spitze des Turmes betrachtet hat.

Flaubert

Aus einem Abstand von fast 35 Jahren bestand die Gefahr, dass meine ersten Erinnerungen an Paul Celan sich mit späteren im gleichen Strom des Gedächtnisses vermengten, hätte ich nicht aus jener so weit zurückliegenden Zeit ein paar Aufzeichnungen aufgehoben, die es mir ermöglichen, das authentische Bild des Menschen und Dichters, dessen Freund zu sein ich das Glück gehabt habe, wenn auch nur bruchstückhaft zusammenzusetzen. Dieses Bild mag in dem Maße überraschen, als es nicht in Einklang steht mit der Idee vom tragischen Dichter, der Celans Name allgemein zugeordnet wird – und das war Paul Celan zweifellos: eine der tragischsten Figuren der zeitgenössischen Lyrik, sowohl durch sein Schicksal als auch durch sein Werk. Sehen wir aber genauer hin, so gliedern sich Überschwang und Humor, mit denen der Dichter jener weit zurückliegenden Jahre nach so vielen Jahrzehnten zu mir spricht, natürlich in das oben erwähnte Bild ein, es dadurch nuancierend und mit bisher unbekannten Schatten und Lichtern bereichernd.
Vorerst aber einige Daten. Ich lernte Paul Celan im Herbst 1946 in der Redaktion des Verlags Cartea Rusă („Das russische Buch“) kennen, wo wir eine Zeitlang zusammenarbeiteten. Paul hieß damals noch Antschel und schrieb seinen Familiennamen phonetisch, „Ancel“, obgleich etwa zu dieser Zeit sein Pseudonym entstand, unter dem er berühmt werden sollte: Celan. Gebildet hatte es die Frau des Dichters Alfred Margul-Sperber aus dem Anagramm seines Familiennamens Ancel.
Als gründlicher Kenner der russischen Sprache und Literatur befasste sich der Redakteur Paul Ancel mit „Textkonfrontationen“ und übersetzte auch selber (einige seiner Übertragungen erschienen im oben erwähnten Verlag unter dem Pseudonym A. Pavel). Es war eine dramatische Zeit voll widersprüchlicher Aspekte. Die Geschichte, die gerade erst aus dem langen Tunnel des Zweiten Weltkriegs ans Licht getreten war, stotterte und stolperte noch. Es hat wenig Sinn, auf Einzelheiten des geschichtlichen Rahmens einzugehen, in dem meine Freundschaft mit Paul Celan sich entwickelte. Ich möchte bloß erwähnen, dass die Jahre 1946–1947 Jahre grausamer Dürren und galoppierender Inflation waren und dass in dem vom Krieg verwüsteten Land Hungersnot herrschte. Ich habe sie gut gekannt: In der Kantine für die Angestellten des Verlags, wo Paul und ich monatelang aßen, gab es ein entsetzlich eintöniges „ Menü“ (als ersten Gang eine Wassersuppe und als zweiten und letzten je einen gekochten Maiskolben…). Auch die sogenannten „Ökonomaten“ habe ich gut gekannt, jene Läden, wo die Angestellten auf Karten zusätzliche Kalorien – Zucker, Öl oder Mehl – oder ein Stück Stoff für einen Anzug kaufen konnten. Auf einem Schnappschuss aus jener Zeit sehe ich mich neben Paul auf dem Boulevard, der damals „Brătianu“ hieß, etwa dort, wo heute das Nationaltheater steht. Wir sind beide mager (vor allem ich sehe aus wie ein Hungerkünstler), und Paul hält ein offenes Buch in der Hand – was mag das wohl für ein Buch gewesen sein? Jedenfalls schien uns das Buch und nicht die Lebensmittelkarte zu beschäftigen. Wir waren jung und konnten materielle Mängel ertragen, auch wussten wir, dass es anderen noch viel schlechter ging. Wir waren jung und geduldig, wie die Haupthelden in Joseph Conrads Novelle „Jugend“ („Youth“), Matrosen, die auf einem Schiff in den Fernen Osten unterwegs sind und von allerlei Katastrophen heimgesucht werden, bis schließlich ihr Schiff in Flammen aufgeht und sinkt. Paul hatte beide Eltern verloren, sie waren deportiert und in einem Hitler-Lager in der Ukraine umgebracht worden, er selber hatte in den Jahren des Krieges Furchtbares durchgemacht. Zwangsarbeit, Getto, Exil. Und dennoch war seine Seele nicht nur von Verzweiflung, sondern auch von Hoffnung erfüllt. Seine Berufung half dem jungen Dichter, die Unbilden der Geschichte und persönliche Schwierigkeiten zu überwinden. Um seiner Berufung folgen zu können, hatte Paul beschlossen, nach Wien, in „die Metropole der deutschsprachigen Literatur“, zu gehen. Bis dahin aber genoss er das Bukarester Leben in vollen Zügen, als hätte er beschlossen, die verlorene Zeit nachzuholen, und zwar durch einen beschleunigten Lebensrhythmus auf allen Gebieten, vom affektiven bis zum künstlerischen. Er war, was man einen „schönen jungen Mann“ nennt, mit außerordentlichem, persönlichem Charme, die Mädchen flogen auf ihn, und auch er selber war ständig verliebt. Ciuci, Viorica, Lia – ich hoffe, nicht indiskret zu sein, wenn ich die Vornamen einiger seiner Geliebten nenne, mit denen er in der kurzen Periode, von der hier die Rede ist, zeitweilig glücklich war. Auch erwähne ich sie, weil sie in dem einen oder anderen der Texte später vorkommen. Ebenfalls erwähnt werden sollen hier die Namen einiger seiner Redaktionskollegen – Paul Ancel hing sehr an Marcel Aderca (dem Sohn des Schriftstellers Felix Aderca) und an Armand Popper, dem Chefredakteur des Verlags, einem Mann von erlesener Bildung und Menschenfreundlichkeit, dem wir es verdankten, dass die Atmosphäre in den Stübchen beim Sitz des Verlags auf der Calea Victoriei 120 trotz eines Direktors, der sozusagen nichts mit Literatur gemein hatte, und einer programmatisch einseitigen Ausrichtung nicht nur erträglich, sondern sogar angenehm war. Das Hauptverdienst in der Schaffung einer Atmosphäre, in der selbst unter diesen Voraussetzungen reale Werte kultiviert werden konnten, hatte aber der Dichter Alexandru Philippide, ein außergewöhnlicher Schriftsteller, der als literarischer Berater des Verlags jeden Mittwoch (oder Donnerstag?), wenn die Redaktionskonferenz abgehalten wurde, Licht und intellektuelle gute Laune verbreitete. Paul Ancel hegte für Philippide affektive Achtung, und ich weiß, dass dies auf Gegenseitigkeit beruhte.
Wahrscheinlich müsste ich auch die Mitarbeiter des Verlags erwähnen, aber ihre Liste wäre zu lang – viele rumänische Schriftsteller von Eusebiu Camilar bis zum großen Mihail Sadoveanu sind die Holztreppe zum Verlag hinaufgestiegen, und fast jeder hat auch mit Paul Ancel ein paar Worte gewechselt. Er hatte viele Freunde, sowohl in der Redaktion als auch außerhalb ihrer, manche Freundschaften waren dauerhaft, und es liegt mir fern, zu behaupten, sein einziger oder treuester Freund gewesen zu sein. Wie er mir selber in einem Brief gestehen sollte, den er mir viel später, mit dem Datum vom 12. September 1962, aus Paris schickte, war die Zeitspanne 1945–47 für ihn so etwas wie ein goldenes Zeitalter der menschlichen Kontakte gewesen:

Ich habe eine Reihe großer französischer Dichter kennengelernt – und übersetzt. (Wie ich auch ,die Blüte‘ der deutschen Dichtung kennengelernt habe.) Manche von ihnen haben mir durch Zueignungen und Widmungen ihre Freundschaft kundgetan, von der ich nur folgendes sagen kann: sie erwies sich als ausschließlich ,literarisch‘. Aber ich hatte, es ist lange her, Dichter-Freunde: das war zwischen 45 und 47 in Bukarest. Ich werde es nie vergessen. (Hervorhebung des Verfassers)

Zu diesen „Dichter-Freunden“ gehörten Alexandru Philippide, Nina Cassian, Ion Caraion, Vladimir Colin, Maria Banus, Veronica Porumbacu und Alfred Margul-Sperber – um nur unsere gemeinsamen Freunde zu nennen, denn Paul frequentierte auch andere Kreise, vor allem den Kreis deutscher Dichter, enge Beziehungen verbanden ihn zum Beispiel mit dem Dichter Alfred Kittner. Ein anderer literarischer Kreis, den er besuchte, war der der zu jener Zeit sehr aktiven Surrealisten (ich erinnere mich an eine ihrer Ausstellungen in einer großen Bukarester Galerie in der Innenstadt, auf der Calea Victoriei, mit einem Mannequin in schwarzem Samt in der Auslage). Es wäre jedoch falsch zu glauben, Paul hätte sich ausschließlich für die literarische Welt interessiert: Er fühlte sich auch unter „gewöhnlichen Menschen“ sehr wohl; vom Pförtner des Verlags (wenn ich mich recht erinnere, hieß er Gheorghe Faghiura) bis zu den Schreibmaschinendamen der Redaktion sympathisierten alle Angestellten mit ihm, weil er nie „angab“ und im Umgang mit ihnen immer den richtigen Ton traf. Ein zugänglicher, aufgeschlossener Celan – dieses Bild scheint überhaupt nicht zu dem später gängigen Bild des „Meisters der Dunkelheit“ zu passen, der in Paris in den Jahren 1966–67, als ich ihn wiedertraf, in fast vollkommener Einsamkeit lebte. Ebenso ungewöhnlich mag das Bild von Pauls überschäumender Jovialität scheinen, an die sowohl ich mich als auch alle anderen sich erinnern, die ihn in Bukarest gekannt haben. Die Jugend kann nicht die einzige Erklärung für diese Jovialität sein, obwohl sie ganz sicher auch darin ihren Ursprung hatte; der Humor war organischer Bestandteil der intellektuellen Struktur des Dichters, und er sollte ihm auch in der tragischsten Phase seiner Lyrik (wenn auch in gequälten Formen) nicht abhanden kommen. (Ich nenne nur ein Beispiel: „Eine Gauner- und Ganovenweise gesungen zu Paris emprès Pontoise von Paul Celan aus Czernowitz bei Sadagora“ aus dem Band Die Niemandsrose.) Sein Humor, der die verschiedensten Formen annahm, vom herzhaften Lachen, das seine Gespräche mit Freunden begleitete, bis zu den „Trinkliedern“, die er in verschiedenen Sprachen sang (er hatte ein äußerst abwechslungsreiches Repertoire und eine entsprechende Stimme), machte aus jeder Begegnung mit Paul ein wahres Fest des Geistes. Ich kann aus eigener Erfahrung bezeugen, dass seine Heiterkeit ansteckend war und ermutigend wirkte in jenen schweren Zeiten, wo auf allen Gebieten große Umwälzungen stattfanden – ich beziehe mich nicht nur auf die Geschichte, sondern auch auf unser Privatleben. Meines zum Beispiel war in jener Zeit von einem Leid zerrissen, über das ich heute nur lächeln kann, das für mich damals aber eine Katastrophe darstellte: Zu Neujahr – auch Paul war dabei und sang seine Lieder – verließ mich das Mädchen, das ich liebte. Der erste Tag des Jahres 1947 war ein schwarzer Tag für mich, und hätte ich nicht den brüderlichen Arm Pauls um meine Schulter gespürt, hätten mir seine Worte nicht Mut gemacht, ich wäre in einen tiefen Abgrund gestürzt. […]50
Er war für fremdes Leid empfänglich, weil er es selber in allen seinen proteischen Formen kannte; Paul half mir also über dieses „Problem“ hinweg, und so gingen wir bald darauf wieder gemeinsam auf „Partys“, die er mit seiner Heiterkeit belebte. Unsere Freundschaft wurde nach dem oben erwähnten „Ereignis“ noch enger, Solidarität festigte unsere Beziehung, die auf intellektueller Verwandtschaft, ähnlichem literarischen Geschmack und gleichen literarischen Vorlieben gründete (beide waren wir in Shakespeare und Rimbaud, in Arghezi und Blaga, Rilke und Kafka verliebt – letzteren machte mir Paul zugänglich). Da wir ständig zusammen waren, sowohl in der Redaktion als auch außerhalb, spürte ich eines Tages das Verlangen, die geistreichen Bemerkungen meines Freundes aufzuschreiben. Leider habe ich dies nicht kontinuierlich getan, sondern nur im Frühjahr 1947. Ein Notizbüchlein aus dem Jahr 1947, in dessen Kalender es von orthodoxen Heiligen wimmelt, hat auf seinen Seiten diese lakonischen Aufzeichnungen bewahrt, denen ich den Titel „Paul Celans Abendbüchlein“ gab. […]
Ich besitze aus der gleichen Zeit eine Seite mit von Paul formulierten „Fragen und Antworten“; wir spielten dieses surrealistische Spiel, sooft sich uns Gelegenheit dazu bot, zusammen mit Nina Cassian und einigen anderen Freunden, und Paul fand besonders großen Spaß daran:

Ce este singurătatea poetului?
– Un număr de cire neanunţat in program.
Ce este o lacrimă?
– Un cîntar în aşteptarea greutăţii.
Ce este beţia?
– O filă albă între altele colorate.
Ce este uitarea?
– Un măr necopt în care s-a înfipt o suliţă.
Ce este întoarcerea?
– Aproape nimic, dar ar putea să fie un fulg de zăpadă.
Ce este ultima seară înainte de plecare?
– Plecarea de la o expozitje eu portelanuri vechi…

(Was ist die Einsamkeit des Dichters?
– Eine Zirkusnummer, die nicht im Programm steht.
Was ist eine Träne?
– Eine Waage in Erwartung der Gewichte.
Was ist Trunkenheit?
– Ein weißes Blatt zwischen anderen bunten.
Was ist Vergessen?
– Ein unreifer Apfel, in dem ein Speer steckt.
Was ist Wiederkehr?
– Fast nichts, könnte aber eine Schneeflocke sein.
Was ist der letzte Abend vor dem Abschied?
– Aus einer Ausstellung alten Porzellans weggehn…)

Ich habe dieses Spiel hier wiedergegeben, weil ich finde, es ist sowohl für meine Beziehungen zu Paul Celan als auch – und das ist wichtiger – für die Struktur der dichterischen Phantasie meines Freundes aufschlussreich. Die spielerische Seite dieser Phantasie, der Persönlichkeit Celans sollte nicht übersehen werden. Ohne im wahren Sinne des Wortes ein surrealistischer, dem „dictée automate“ und den Impulsen des Unterbewusstseins mit Haut und Haar ausgelieferter Dichter zu sein, trieb Celan leidenschaftlich gerne solche Spiele, die die überraschendsten Bilder hervorbrachten. Sein dichterisches Denken verachtete die Früchte des Zufalls ganz und gar nicht, die schon Lautréamont und Rimbaud zu schätzen und zu verwerten gewusst hatten. Die spielerische Seite von Celans Dichtung ist offensichtlich nur eine Komponente eines komplexen Systems, das sich aus zahlreichen Ingredienzien zusammensetzt; und sie annulliert nicht, im Gegenteil, sie bereichert dessen dominant tragische Gesamtheit.
Celans Vorliebe für Wortspiele und Paradoxales bleibt auch in späteren Phasen lebendig, natürlich in anderer Gestalt, als Bestandteil seiner Meditation über die Sprache, und trägt in nicht geringem Maße zum immer kryptischeren und enigmatischeren Charakter seiner Dichtung bei.
Aber kehren wir zur Zeit seines Aufenthalts in Bukarest zurück. „Paul Celans Abendbüchlein“ bewahrt einige Daten und Namen im Zusammenhang mit einem Ausflug auf, den mein Freund und ich im Frühjahr 1947 in die Berge machten. Wir gingen am 12. April 1947 von Sinaia los, jeder von uns in Begleitung eines Mädchens: Paul mit Lia (der Tochter eines berühmten Bukarester Arztes) und ich mit meiner zukünftigen Frau. Es war die Zeit der Frühjahrsferien (Ostern fiel in jenem Jahr auf den 13., 14. und 15. April). Mit Rucksäcken auf dem Rücken und Enthusiasmus in der Seele stiegen wir bis zur Voevozi-Hütte, von dort zur Peştera, zur Tataren- und Zănoaga-Klamm und kehrten nach ein paar glücklichen, also geschichtslosen Tagen vom Bahnhof Titu aus nach Bukarest zurück. Diese paar Tage, deren Nächte wir in Schutzhütten verbrachten, die von uns gleichaltrigen Jugendlichen überfüllt waren („Auf den Bergen schläft Paul auf Tischen“, ist die einzige Eintragung im „Abendbüchlein“), wirkten sich sehr günstig auf uns aus. Paul war in Lia verliebt, führte Zwiegespräche mit ihr und den Bergen, sprühte von geistreichen Bemerkungen, und die paar Fotos, die ein anderer Teilnehmer an diesem Ausflug machte (sein Name ist mir entfallen), sprechen auch heute noch von der Atmosphäre jener Ferien und dem Übermut meines Freundes. Bald nach unserer Rückkehr nach Bukarest fand jenes Ereignis statt, das ich die „Weltpremiere“ von Celans Dichtung nennen würde: Am 2. Mai 1947 erschien in der Zeitschrift Contemporanul das inzwischen anthologische Gedicht „Todesfuge“ in meiner Übersetzung unter dem Titel „Tangoul morţii“ („Todestango“). Wir haben an dieser ersten Fassung zusammengearbeitet, und Paul war auch mit dem Titel einverstanden. Dass es gedruckt werden konnte, ist Ovid S. Crohmălniceanu (damals Chefredakteur der Zeitschrift) zu verdanken, und es dürfte ihm nicht leichtgefallen sein, denn in derselben Nummer erschien ein ellenlanges Gedicht, „ Der Traktor“, dessen Haltung sehr bald tonangebend werden sollte für die Zeit, die nachträglich „das Jahrzehnt der Obsessionen“ genannt werden wird. Um das Gedicht überhaupt drucken zu können, musste Ovid S. Crohmălniceanu es in einer kurzen nicht signierten Einleitung „erklären“:

Das Gedicht, dessen Übersetzung wir veröffentlichen, geht auf Tatsachen zurück. In Lublin und anderen Todeslagern der Nazis wurde ein Teil der Verurteilten gezwungen aufzuspielen, während ein anderer Gräber schaufelte.

Und noch eine aufschlussreiche Einzelheit für die Umstände, unter denen Celans Gedicht erschien: Eine Nummer der Zeitschrift Contemporanul wurde zum Preis von 10.000 Lei verkauft! Ebenfalls im Mai 1947, kurz nachdem die rumänische Fassung der „Todesfuge“ erschienen war, wurden drei weitere Gedichte Paul Celans gedruckt, diesmal deutsch, in der einzigen Nummer der vom Dichter Ion Caraion herausgegebenen Zeitschrift Agora. Es waren dies: „Das Gastmahl“, „Das Geheimnis der Farne“ und „Ein wasserfarbenes Wild“ aus dem Zyklus Der Sand in den Urnen. Obwohl diese Gedichte – wie auch andere aus demselben Zyklus – in spätere Ausgaben nicht mehr aufgenommen wurden (es ist bekannt, dass Celan seinen 1948 in Wien unter dem Titel Der Sand aus den Urnen gedruckten Debütband aus dem Verkehr gezogen hat, weil er zu viele Druckfehler enthielt), fanden sie starken Widerhall in der Bukarester literarischen Welt, auch weil die Seiten der Zeitschrift Agora Namen von europäischem Rang vereinigten.
Der Name Paul Celan stand so zum ersten Mal neben Namen wie Arghezi und Ion Barbu, Geo Bogza und Lucian Blaga, André Breton und Robert Desnos, Sergej Jessenin und Salvatore Quasimodo, Rilke und Morgenstern, um nur die bekanntesten zu nennen, da die Zeitschrift tatsächlich eine „internationale Sammlung von Kunst und Literatur“ war. In der Zeit nach diesem rumänischen und europäischen Debüt widmete Paul Celan sich der Ausfeilung seines bestehenden Werkes, er bereitete sich auf seine schon lange geplante Abreise vor, deren Triebfeder einzig und allein seine dichterische Berufung war, die er, begründet oder nicht, in Rumänien nicht zu erfüllen können glaubte. Sein Ziel war Wien, wo er (fälschlicherweise, wie aus den Bezeugungen von Milo Dor hervorgeht und wie er selbst bald feststellen sollte) meinte, im großen Strom der deutschen Dichtung seine volle Entfaltung zu finden. Die Begegnung mit dieser Strömung und Celans Vollendung fanden paradoxerweise in Paris statt: „französisch sprechend, denkend und übersetzend in den Sprachen des Ostens, deutsch dichtend“, wie Walter Jens den Dichter definiert hat. Wir trafen einander seltener in der Zeit vor seiner Abreise, aber oft genug, um zu vermeiden, dass unsere bald auseinanderstrebenden Wege einen Bruch unserer Freundschaft herbeiführten. Celan arbeitete weiterhin in der Redaktion, so dass wir uns auf jeden Fall täglich sahen, aber er wurde immer abwesender, und ich selbst arbeitete auch ohne große Begeisterung, die Vorbereitungen für meine Hochzeit, die dann im September 1947 stattfand, nahmen mich voll und ganz in Anspruch.
[…]
Gegen Ende Dezember 1947 verließ Paul Celan das Land; in seinem Koffer hatte er außer den Typoskripten seiner Gedichte, die den Band Der Sand ans den Urnen bilden sollten, auch einen Brief Sperbers an Otto Basil, den Direktor der österreichischen Zeitschrift Plan. Der Inhalt dieses Briefes ist bekannt, ich möchte aber zumindest sein Ende hier zitieren, denn er ist ein Beispiel für selten anzutreffenden Scharfsinn und vor allem Großzügigkeit und erinnert an jene Worte, mit denen auf einem anderen Meridian und in einer anderen Zeit Emerson in Whitman endlich den großen Dichter Amerikas begrüßte:

Ohne Ihrem gewiß zuständigeren Urteil vorzugreifen, möchte ich Ihnen doch gerne sagen, daß Paul Celan der Dichter unserer westöstlichen Landschaft ist, den ich ein halbes Menschenalter von ihr erwartet habe und der diese Gläubigkeit reichlich lohnt. Celan hat ausschließlich hier in Rumänien, also in einer nichtdeutschen Sprachumgebung, gelebt. Aber seine Gedichte scheinen zu beweisen, daß es einen erlauchten Geist der Sprache gibt, der nicht auf den lebendigen Umgang von Mund zu Mund angewiesen ist… Ich für mein bescheidenes Teil glaube, daß Der Sand aus den Urnen das wichtigste deutsche Gedichtbuch dieser letzten Dezennien ist, das einzige lyrische Pendant des Kafkaschen Werkes.

Etwa um die Zeit, als die von Sperber so warm empfohlenen Gedichte meines Freundes in Wien erschienen, erhielt ich Nachricht von ihm in der Form einer wertvollen Ausgabe von James Joyce’ Ulysses mit folgender Widmung auf der ersten Seite:

Lui Petrică, cu gindul la ce va fi mline. Paul. Viena. Martie 1948 („Für Petrică in Gedanken daran, was morgen sein wird. Paul. Wien. März 1948“).

Und kurz darauf kam ein Brief mit dem Datum vom 12. März 1948, dessen drei Seiten und Umschlag mit dem Stempel der „Österreichischen Zensurstelle 459“ versehen waren.
[…]
Bald erfuhr ich, dass mein Freund Wien verlassen hatte und nach Paris weitergezogen war (im Sommer 1948); er ließ mir seine neue Anschrift zukommen, aber ich muss gestehen, ich hatte den Mut nicht, in brieflichem Kontakt mit ihm zu bleiben: Ich war in das „Jahrzehnt der Obsessionen“ eingetreten und er selber in einen irgendwie ähnlichen Zeittunnel, den Tunnel des „Kalten Krieges“. Wir sollten den abgerissenen Faden unseres Briefwechsels erst 1957 wieder knüpfen, und die Gelegenheit, einander wiederzusehen, bot sich uns noch viel später, im Herbst 1966, als mir die Ausreise nach Paris genehmigt wurde. Dies aber ist eine andere und viel längere Geschichte.

Petre Solomon, in Zeitschrift für Kulturaustausch 3, 32. Jg., 1982
Aus dem Rumänischen übersetzt von Anemone Latzina

Celan, die Wasser des Bug

Paul Celan hat nur einmal in seinem Leben den Bug überquert oder, wenn man es genau nimmt, zweimal: auf der Hin- und Rückreise von Czernowitz nach Kiew im Juli 1944. Zu diesem Zeitpunkt war er Krankenpfleger in der psychiatrischen Klinik von Doktor Pinkas Mayer im von sowjetischen Truppen besetzten Czernowitz, und man hatte ihn entsandt, um in Kiew Verwundete der Roten Armee zu versorgen. Bei der Hinfahrt nahm Celan – zumindest auf der ersten Hälfte der Strecke, bis zum Südlichen Bug – in etwa denselben Weg, den seine Mutter zwei Jahre zuvor, Ende Juni oder Anfang Juli 1942, mit einem Deportationskonvoi zurückgelegt hatte. Seine Eltern waren in Czernowitz verhaftet und nach Transnistrien verschleppt worden, eine von den Rumänen besetzte Region der Ukraine zwischen Dnjestr und Bug.
Man ahnt die Bedeutung und emotionale Last dieser Reise für den jungen Celan – damals noch Paul Antschel –, der ganz unter dem Eindruck des Todes seiner Eltern und insbesondere seiner Mutter stand: Unter vergleichsweise alltäglichen Umständen und im Frieden (auch wenn der Krieg in Berlin noch nicht vorbei war) vollzog er einen Teil des Weges nach, den seine Eltern bei der Deportation hatten auf sich nehmen müssen: zunächst von Czernowitz nach Mogiljow-Podolski am Ufer des Dnjestr, wo sich während des Kriegs ein großes Ghetto befand – Edgar Hilsenrath hat es in seinem Roman Nacht unter dem Namen Prokow beschrieben –, dann von Mogiljow nach Schmerinka, eine für die ukrainische Provinz typische Kreisstadt, deren große jüdische Bevölkerung im Krieg fast vollständig vernichtet wurde.
In Schmerinka setzte der Zug seine Fahrt nach Norden fort, in Richtung Winniza und Kiew, während derjenige, mit dem seine Eltern deportiert wurden, nach Osten abgebogen war, in Richtung weiterer transnistrischer Städte wie Wapnjarka, Tultschin und schließlich Ladyschin am Ufer des Bug. Die Deportierten blieben dort bis zum 18. August 1942, als sie auf die andere Seite des Flusses nach Michailowka gebracht wurden.
Kurz vor Winniza, bei Gniwan, überquerte Celans Zug den Südlichen Bug, jenen langen ukrainischen Fluß, der ganz Podolien von Nordwesten nach Südosten durchzieht, um dann ins Schwarze Meer zu münden. Während des Krieges bildete er die Grenze zwischen Transnistrien und dem von den Deutschen besetzten Teil der Ukraine, dem sogenannten Reichskommissariat. Sowohl am rumänischen wie am deutschen Ufer hatte man Arbeits- und Vernichtungslager errichtet: in Petschora, Ladyschin, Trostjanez, Obodowka und Bogdanowka am rechten Flußufer; am linken in Gaissin, Michailowka, Tarassowka und Krasnopolka. Die Insassen mußten unter Aufsicht der SS und der Organisation Todt Reparatur- und Ausbauarbeiten an der strategisch bedeutsamen Durchgangsstraße IV leisten, die zur Front führte. Im nahegelegenen Winniza befand sich das Führerhauptquartier Werwolf, von wo aus militärische Operationen überwacht und die Deportations- und Vernichtungspolitik geleitet wurden.
Celan überquerte den Bug also unweit jener Orte, wo seine Eltern interniert waren, auf einer mächtigen eisernen Brücke, die den Fluß überspannte – es sei denn, sie wäre beim Rückzug der deutschen Armee bombardiert und beschädigt und der Zug deswegen umgeleitet worden. Man kann sich seine Empfindungen ausmalen. Einige Tage später, nach seiner Rückkehr nach Czernowitz, schrieb er das Gedicht „Nähe der Gräber“, denn tatsächlich war er den Gräbern seiner Eltern näher denn je gekommen:

Kennt noch das Wasser des südlichen Bug,
Mutter, die Welle, die Wunden dir schlug?

Weiß noch das Feld mit den Mühlen inmitten,
wie leise dein Herz deine Engel gelitten?

Kann keine der Espen mehr, keine der Weiden,
den Kummer dir nehmen, den Trost dir bereiten?

Und steigt nicht der Gott mit dem knospenden Stab
den Hügel hinan und den Hügel hinab?

Und duldest du, Mutter, wie einst, ach, daheim,
den leisen, den deutschen, den schmerzlichen Reim?

Dieses Gedicht aus Celans erstem Band Der Sand aus den Urnen, der 1947 in Wien veröffentlicht wurde, läßt sich als Blaupause für sein späteres Werk lesen. Man begegnet hier der Mutter, die in seiner Dichtung allgegenwärtig ist, auch wenn sie ungenannt bleibt, man begegnet der Natur, man spürt das Leid, die Frage nach dem Schweigen Gottes angesichts der Schoah und die nach dem eigenen Verhältnis zur deutschen Sprache, der Sprache seiner Mutter und zugleich derjenigen ihrer Mörder, einer Sprache, die er liebte, deren Gebrauch für ihn jedoch mit Schuldgefühlen verbunden war. Es ist das einzige Gedicht, in dem Celan den Bug beim Namen nennt.
Mehrere Jugendgedichte sind seiner Mutter gewidmet. Vor dem Krieg bediente er sich meist der klassischen Formensprache, so etwa in einem Sonett zum Muttertag vom Mai 1939:

Die Mutter, lautlos heilend, aus der Nähe,
die uns mit abendschwachem Finger streift,
macht uns die Lichtung trauter, wie dem Rehe,
das atemberaubend Morgenwind begreift.

Ein anderes an seine Mutter gerichtetes Gedicht, das Celan ein Jahr zuvor verfaßt hatte, endet mit dem Vers „Denn du bist Ruhe, Mutter, Schimmer aus dem Grund“. Am 28. Juni 1942 verlosch dieser Schimmer, als seine Eltern in ihrer Wohnung in der Masarykgasse in Czernowitz verhaftet wurden, während er sich in den Geschäftsräumen der Firma von Valentin Alexandrescu verstecken konnte, einem Bekannten seiner Freundin Ruth Kraft. Die Deportationen wurden am Samstag und Sonntag durchgeführt. Als Celan am Montag nach Hause zurückkehren wollte, fand er die Tür versiegelt.
Im Juli 1942, während seine Eltern den Leidensweg der Deportation gingen, wurde Celan zum Arbeitsdienst eingezogen, den rumänische Juden zwischen achtzehn und fünfzig Jahren statt des Militärdienstes leisten mußten. Er wurde in das Lager Tabaresti in der Nähe von Buzau im Süden Moldawiens verschickt, wo er im Straßenbau arbeitete. Der Dichter hat also selbst eineinhalb Jahre lang die Erfahrung des Arbeitslagers gemacht. Obwohl die Lebens- und Arbeitsbedingungen in Tabaresti nicht einfach waren, war er dort doch relativ „geschützt“, wenn man sein Los mit dem der nach Transnistrien deportierten Juden vergleicht, für die die Lager Hunger, Typhus und in den allermeisten Fällen den Tod bedeuteten. Celan schickte aus Tabaresti Postkarten an Ruth Kraft, die in Czernowitz geblieben war. Auf die Rückseiten schrieb er Gedichte, die auf diese Weise erhalten blieben. Alle Postkarten an Ruth Kraft befinden sich heute im Literaturarchiv in Marbach, ebenso wie Celans „Notizbuch aus Tabaresti“, in dem er seine Gedichte ins reine schrieb. Oft sind es Blumengedichte, so als wolle er Schmerz und Leid mit Hilfe der Natur bannen, doch spürt man, daß es in ihnen eher um den Ausdruck von Seelenzuständen als um botanische Impressionen geht.
In einem der ersten Briefe an Ruth Kraft spricht er im Juli 1942 von seiner Sorge um die Gesundheit seiner Mutter:

Meine Mutter tut mir leid, sie war so krank in der letzten Zeit. Sie denkt sicherlich fortwährend wie es mir geht, und so ganz ohne Abschied bin ich weg, wahrscheinlich für immer.

Im September schreibt er, daß er Nachrichten von seiner Mutter habe, „von jemand, dessen Eltern im selben Lager sind. Sie ist in Ladyschin.“
Heute ist Ladyschin eine verschlafene kleine Stadt am Ufer des Südlichen Bug. In den siebziger Jahren hat der Bau eines großen Kraftwerks, dessen Schornsteine die Landschaft beherrschen, Stadt und Fluß verändert. Man errichtete einen Staudamm, ein Teil der Ufer wurde überflutet und ein Stausee entstand. Es ist daher schwierig, den genauen Ort auszumachen, den die aus Czernowitz Deportierten nach stundenlangem Fußmarsch erreichten. Dank der präzisen Erinnerungen von Isak Weißglas, dem Vater von Celans Schulfreund Immanuel Weißglas, die 1995 unter dem Titel Steinbruch am Bug posthum veröffentlicht wurden, läßt sich zumindest der Weg nachvollziehen, den sie nahmen. Man geht vom Bahnhof bis zum Bug und dann außerhalb der Stadt durch ein Waldstück, vorbei an einer von Wachtürmen und Stacheldraht umgebenen Strafanstalt. Dort stößt man auf einen teilweise überfluteten Steinbruch. Lastwagen fahren Steine heran, die auf kleine Loren geladen werden. Hier verbrachten die Deportierten den gesamten Sommer:

Der Ort, der uns aufzunehmen bestimmt war, liege diesseits des Bugs in nächster Nähe von uns, belehrte uns ein Wachsoldat, es sei die Cariera de Piatra. (…) [D]ie Cariera war das Granitbergwerk, dessen eine Seite wir, vom Bahnhof kommend, umgangen hatten. Am Fuße des Bugs gelegen, ragte steil ein kahles Plateau empor, das auf seinem Rücken eine Anzahl größerer Gebäude trug. Die Straße vor uns führte direkt hinauf. Das war unser zukünftiger Aufenthaltsort.

Der Dichter Alfred Kittner, der mit demselben Konvoi angekommen war, beschreibt den Ort ähnlich:

Der Zug blieb noch bei Tageslicht stehen, es dürfte später Nachmittag gewesen sein. Durch die Ritzen oben in den Waggons sahen wir Menschen, in den verschiedensten Farben gekleidet auf den Zug zulaufen. Es war das Lager „Cariera de piatra“, rumänisch Steinbruch, am Bug. (…) So verbrachten wir die ganze Nacht am Ufer eines Flusses, von dem wir später erfuhren, daß es der Bug war. In der Nacht lagerten wir also wieder im Freien. (…) Der Steinbruch befand sich neben einem See, der vermutlich künstlich angelegt worden war. Auf der anderen Seite des Geländes zog sich das breite Band des Bug dahin. Dieses Barackenlager sollte nun in der Folge fast ein halbes Jahr lang unsere Heimstatt sein.

Mehrere Dichter aus Czernowitz fanden sich im Steinbruch von Ladyschin wieder. Kittner, der um einiges älter war als Celan (er wurde 1906 geboren, Celan 1920) überlebte das Lager und veröffentlichte nach dem Krieg eine Sammlung von Gedichten über die Deportation mit dem Titel Hungermarsch und Stacheldraht. Viele davon hatte er in Ladyschin verfaßt:

Wir waren Tausende, und unser Zug
Hielt eher nicht als vor dem Lauf des Bug:
An seinen Ufern schlummern viele Leichen,
wir aber durften unser Ziel erreichen.

Der Steinbruch, den man uns zur Wohnstatt gab,
Wird bald ein schneebedecktes Wintergrab,
Und alle Rufe, die wir heimwärts sandten,
Verhallten unerhört im Unbekannten.

Immanuel Weißglas, der Schulkamerad und Freund Celans, war mit seinen Eltern im selben Lager interniert. Auch er überlebte und veröffentlichte nach seiner Rückkehr nach Bukarest den Gedichtband Kariera am Bug:

Und wenn vor ihm am Flusse die toten Seelen wimmern,
so sammelt er die Hölzer, um sich ein Boot zu zimmern.
Denn Charon ist ein Fährmann, mit dem seit vielen Jahren
die Seelen sich befreunden und übers Wasser fahren.

Außer diesen beiden Dichtern, die überlebten, kam auch die junge Dichterin Selma Meerbaum-Eisinger mit ihren Eltern nach Ladyschin (ihre Mutter, eine geborene Schrager, war eine Cousine von Celans Mutter Friederike Schrager). Sie waren am 18. August 1942 mit Tausenden anderen bei einer Razzia von der SS verhaftet und in das Lager Michailowka am gegenüberliegenden Ufer des Bug gebracht worden. Alfred Kittner berichtet:

Wir, die wir im Lager im Steinbruch bleiben durften, wurden in einer besonderen Baracke untergebracht und konnten hinter Fenstern versteckt beobachten, wie die anderen von Letten mit Gewehrkolben auf die Autos hinaufgestoßen wurden. Unter Gejohle und Geschrei hörten wir das Räderrollen der sich entfernenden Lastkraftwagen.

An jenem 18. August 1942 trennten sich also die Wege der wenigen „Privilegierten“, die in Ladyschin blieben, von jenen, die der SS und damit dem Tod ausgeliefert wurden. Celan erfuhr erst viel später von der weiteren Verschleppung seiner Eltern: Als er im September die Nachricht erhielt, daß seine Mutter in Ladyschin sei, befand sie sich in Wahrheit wohl bereits in Michailowka.
Bis zu diesem Tag läßt sich der Weg der Deportierten anhand der Erinnerungen von Kittner und Weißglas nachverfolgen. Später gibt uns das Tagebuch von Arnold Daghani wertvolle Informationen über die Lebensbedingungen im Lager und das Schicksal einiger Insassen wie der Eltern von Celan und Meerbaum. Daghani zählte mit Philippe Kellmer, der bis zu seinem Tod 2016 in Paris lebte und Daghanis Erinnerungen ins Französische übersetzte, zu den ganz wenigen, denen die Flucht aus Michailowka gelang.
Sein Tagebuch, dessen rumänischer Originaltitel übersetzt „Das Grab liegt im Kirschgarten“ lautet und das 1960 in Tel Aviv unter dem Titel Laßt mich leben! auf deutsch erschien, schildert den Transport von Ladyschin nach Gaissin am anderen Ufer des Bug, zunächst mit Fähren, dann in Lastwagen, die Ankunft in Michailowka, die Unterbringung in Ställen, neben einem weiteren Stall, in dem ukrainische Juden unter menschenunwürdigen Bedingungen hausen mußten, und schließlich die Arbeit auf der Baustelle der Durchgangsstraße IV im Wald. Er beschreibt den Alltag der willkürlichen Exekutionen durch die litauischen Wachmänner Zelinskas und Vysotskas, die den Insassen drohten, wenn sie einem Befehl nicht sofort gehorchten oder nicht schnell genug arbeiteten oder krank wurden. Im Oktober war Typhus ausgebrochen, den man als „Lagerfieber“ verharmloste. Die Deportierten waren zum Eigentum der Firma August Dohrmann aus Remscheid geworden, die von der Organisation Todt beauftragt worden war, den Abschnitt der strategisch bedeutsamen Straßenverbindung an die Ostfront zwischen Winniza und Uman zu sanieren.
Am 17. September, so berichtet Daghani, wurde Celans Vater verlegt:

Vollkommen ausgebildete Handwerker sollen nach Gaissin gebracht werden. Unter ihnen Hammerling, er ist Architekt, und der Baumeister Antschel. Ihre Frauen sollen in der Zwischenzeit in Michailowka bleiben.

Am 20. September kamen die beiden Männer ins Lager zurück, um ihre Sachen zu holen. Was das Leben in Gaissin betraf, waren sie sehr schweigsam. Eine Woche später, am Sonntag, dem 27. September, heißt es wieder, „Hammerling und Antschel [seien] zu ihren Frauen gekommen“. Anscheinend erhielt Celans Vater nach der Trennung von seiner Frau also mindestens einmal die Erlaubnis, sie wiederzusehen. Wenig später wurde er ermordet, möglicherweise zusammen mit Hammerling. Am 8. Dezember notiert Daghani:

Über das Schicksal des Ehepaars Hammerling in Gaissin gehen widersprüchliche Gerüchte um. Einige sonst gut informierte Leute wollen wissen, daß der Mann freiwillig seinem Weibe gefolgt wäre, als dieses von den „vernichtenden Engeln“ weggenommen worden ist. Andere behaupten, daß beide an Typhus gestorben wären.

Leo Antschels Frau Friederike, genannt Fritzi, überlebte noch eine gewisse Zeit in Michailowka. Philippe Kellmer erinnerte sich, ihr dort begegnet zu sein:

Paul Celans Mutter war etwa im selben Alter wie meine Mutter. Sie gehörte zu jenen Leuten aus Czernowitz, deren Muttersprache Deutsch war, wie auch mein Vater, der mir mit Goethe und Schiller das Lesen beigebracht hat. Sie war sehr gebildet, wie die meisten Leute aus Czernowitz. Ich hörte, wie sie sich mit meiner Mutter unterhielt, sie sprach über Paul und beklagte sich über die Trennung von ihm, denn als sie von der Polizei mitgenommen wurden, war er nicht da, er hatte entwischen können. So lernte ich sie kennen, über meine Mutter. Ich sagte, daß ich Paul kannte, daß wir auf dasselbe Gymnasium gegangen waren. Sie sagte zu mir (wegen meines Alters duzte sie mich): „Du bist ein Bekannter von Paul? Hast du Neuigkeiten von ihm? Es tut mir gut, dich zu sehen, du bist ein bißchen wie Paul.“

Auch die junge Dichterin wird in Daghanis Tagebuch erwähnt. Am 19. Oktober 1942 schreibt er:

Mir wurde von Selma Eisinger, achtzehn Jahre alt, das Buch Das Heim und die Welt [von Rabindranath Tagore], das ihr gehörte, versprochen. Gegenwärtig ist es bei Edy Weiss.

Einige Tage später, am 25., berichtet er, daß er das Buch nicht erhalten habe, weil die Seiten als Zigarettenpapier oder zum Feuermachen verwendet worden seien.
Am 8. November hatte es zu schneien begonnen. Der Stall war nicht beheizbar, daher wurden die Insassen evakuiert und in die Klassenzimmer einer Schule gebracht, die zu Schlafsälen umfunktioniert und in „Kaninchenställe“ aufgeteilt wurden. In drei Räumen waren 330 Menschen zusammengepfercht. Da es nicht genug Platz gab, um alle unterzubringen, wählte der SS-Mann Minte 107 körperlich geschwächte Personen aus und ließ sie erschießen. Während das Leben in den Ställen „unter dem Gesichtspunkt der Hygiene schon alles andere als ideal war, war das Leben in der Schule die Hölle“, so Daghani. Dann brach auch noch Typhus aus, und am 16. Dezember schreibt er:

Gegen Abend hauchte Selma Meerbaum-Eisinger ihr Leben aus.

Man begrub sie mit einem anderen Lagerhäftling, dem Professor Gottlieb, mit dem sie sich, wie Daghani mit bitterer Ironie notiert, „zu Lebzeiten ständig in den Haaren lag“. Daghani hat die Abholung ihrer Leiche in einer Zeichnung festgehalten. Diese letzte Spur der jungen Dichterin wird heute in Yad Vashem aufbewahrt.
Währenddessen befand sich Paul Celan in Tabaresti, wo er zu Erdarbeiten abkommandiert wurde. In den Postkartengedichten, die er Ruth Kraft abends schrieb, läßt er seiner Traurigkeit freien Lauf. In „Aus der Tiefe“ beschwört er „das Irrlicht meiner Sümpfe“. Damals, im April 1943, wußte er offenkundig noch nichts vom Tod seiner Mutter, denn jener „Mund, der mir den Gram gesteht“, ist zweifellos der ihre.
In Celans Gedichten aus Tabaresti ist die Mutter immer präsent, sei es, daß man sie bloß erahnt, sei es, daß sie direkt angesprochen wird, wie in „Schwarze Flocken“, wo er einen Brief imaginiert, in dem sie ihm den Tod des Vaters mitteilt. Dieser, so wird angedeutet, sei von einem Hetman, also einem Kosakenhauptmann, getötet worden.
In „Schwarze Flocken“ spricht Celan vom „Land, wo der breiteste Strom fließt“. In einem jiddischen Gesang wird der Jordan so bezeichnet, doch er hatte sicher auch den Bug vor Augen. Indem er den „Hetman mit allem Troß“ beschwört, spielt er auf die Kosakenkriege an, in denen die Juden zunächst von den Polen beschützt, dann jedoch in Tultschin und zahlreichen anderen Orten der Auslöschung durch die Kosaken Chmelnyzkyjs ausgeliefert wurden. Celan kann zu diesem Zeitpunkt durchaus Kenntnis davon gehabt haben, daß die mit den Deutschen verbündeten ukrainischen Milizen aktiv an der Endlösung teilnahmen.
Ein weiteres Gedicht aus dieser Zeit ist direkt an seine Mutter gerichtet, die stets mit der Ukraine in Verbindung gebracht wird und mit den Schneestürmen, die für den Dichter das Land charakterisieren:

Es fällt nun, Mutter, Schnee in der Ukraine:
Des Heilands Kranz aus tausend Körnchen Kummer.
Von meinen Tränen hier erreicht dich keine.
Von frühern Winken nur ein stolzer stummer …
(…)
Was wär es, Mutter: Wachstum oder Wunde –
Versänk auch ich im Schneewehn der Ukraine?

Als Celan dieses Gedicht 1943 in Tabaresti verfaßte, hatte er noch keine Gewißheit über ihren Tod, auch wenn sich eine Vorahnung andeutet. Über die Lebensbedingungen in den Lagern in Transnistrien sickerten spärliche, aber beunruhigende Informationen durch, insbesondere während des außergewöhnlich strengen Winters 1942/43. Seit dieser Zeit scheint die Erfahrung der Lager durch seine gesamte Dichtung hindurch. Hinter den Metaphern der Texte aus Tabaresti lauert die Verzweiflung, es sind verborgene Botschaften an die Mutter, von der er hofft, daß sie noch am Leben ist. Celan überstand das Lager und kehrte im Februar 1944 nach Czernowitz zurück. Im April rückte die Rote Armee in die Stadt ein. Er blieb noch bis Juli 1945 und ging dann nach Bukarest, wo er bis 1947 lebte.
Wir kennen weder das genaue Datum noch die Umstände des Todes von Celans Mutter Friederike Schrager. Daghani vermerkt, sie sei mit ihrem Ehemann in Gaissin umgekommen, ohne jedoch auf Einzelheiten einzugehen. Dem widerspricht Kellmers Erinnerung daran, ihr im Lager Michailowka begegnet zu sein. In einem Gespräch, das ich im Oktober 2013 mit ihm führte, berichtete er, sie sei zum Zeitpunkt seiner Flucht im August 1943 noch dort gewesen. Höchstwahrscheinlich habe man sie, ebenso wie seine Mutter, kurz darauf ermordet. Allerdings hatte er 2005 in anderem Zusammenhang erklärt, Celans Mutter sei während des Winters 1942/43 in stark geschwächtem Zustand „von dem litauischen SS-Mann Zelinskas auf dem Weg zur Arbeit mit dem Gewehrkolben erschlagen“ worden, während er in der Kolonne unmittelbar hinter ihr ging.
Das Michailowka, wo sich das Lager befand, ist nicht leicht zu finden, denn es gibt in der Ukraine unzählige Dörfer dieses Namens. Das nächst der Stadt Ladyschin gelegene ist nicht das richtige: Ein alter Herr, den ich dort treffe, erinnert sich genau, daß es während des Krieges kein Lager gab, keine Juden und auch keine Deutschen, nur Rumänen. Doch wenn man sich genau an den von Daghani beschriebenen Weg hält, den Bug überquert und von Gaissin der Straße nach Teplik und Uman folgt, stößt man linker Hand im Wald auf einen Wegweiser, der tatsächlich ein Michailowka anzeigt. Hier kamen die Deportierten auf dem Weg zur Baustelle vorbei:

Auf dem Weg durchqueren wir einen Wald, ein unvergeßlicher Anblick. Für einen Moment versuchen wir die Realität zu vergessen, die Erinnerung an Stacheldraht und Wachposten aus unseren Gedanken zu verdrängen. Doch das wird uns nicht gestattet; mit Gewehrkolben und Flüchen werden wir zurück in die Wirklichkeit gestoßen…

Am Eingang des Dorfes sieht man eine große landwirtschaftliche Anlage, eine ehemalige Kolchose. Hier befanden sich die Ställe, wo man die Juden einpferchte. Eine alte Dame, Lidia Piven, die vor der Tür ihres Hauses sitzt, ist bereit, meine Fragen zu beantworten:

Ja, es war hier, hier gab es ein Lager mit Juden, ich habe sie gesehen, man hat sie geschlagen, sie haben geschrien. Sie hatten nichts getan, und man hat sie geschlagen.

Ich stelle mir vor, daß sie möglicherweise Zeugin war, wie Celans Mutter und die junge Selma Meerbaum von den deutschen und litauischen Wachmannschaften geschlagen wurden. Ich frage, ob sie weiß, wo man die Juden getötet hat, und sie bejaht. Sie und ihre Freundinnen haben gesehen, wie man sie in einer Kolonne in den Wald trieb, umbrachte und dann in ein Massengrab warf.

Wir haben alles gesehen. Wir waren auf dem Hügel. Dort gab es damals noch Kirschbäume und andere Bäume. Sie schossen. Und die Juden schrien. Es waren auch Kinder darunter. Nach der Schießerei gingen Kinder in meinem Alter zu den Toten und holten sich Schuhe und andere Dinge. Aber ich bin nicht hingegangen.

Frau Piven beschreibt mir den Ort präzise: auf einer Waldlichtung, nicht weit vom See entfernt, unter Kiefern. Ich frage mich, woher sie damals so genau von Ort und Zeit der Erschießungen wußte, und vermute, daß sie die Einzelheiten wohl von Verwandten oder Nachbarn erfahren hat, die zu den an diesen Aktionen beteiligten Schutzmannschaften gehörten. Sie nennt mir ihr Alter: Sie wurde 1928 geboren, war also damals vierzehn oder fünfzehn Jahre alt.
Im Wald von Michailowka stoße ich in Richtung See tatsächlich auf eine überwucherte, kiefernumstandene Lichtung, in deren Mitte sich ein Gedenkstein für die „Juden aus der Gegend von Winniza, aus der Bukowina, Bessarabien und Polen“ erhebt, die hier 1942 und 1943 von den Nazis ermordet wurden. Wahrscheinlich ist dies der Ort, wo Celans Mutter, Friederike Schrager, begraben liegt.
In dem Gedicht „Wolfsbohne“ von 1959 beschwört Celan den Ort ihres Todes:

Weit, in Michailowka, in
der Ukraine, wo
sie mir Vater und Mutter erschlugen: was
blühte dort, was
blüht dort? Welche Blume, Mutter,
tat dir dort weh mit ihrem Namen?

Mutter, dir,
die du
Wolfsbohne sagtest, nicht:
Lupine.

Am Ort des Massengrabs in Michailowka blüht keine Blume. Nur Unkraut, Brennesseln und niedriges Buschwerk bedecken den Boden. Die Lichtung und der Gedenkstein sind ungepflegt, beinahe hat der Wald sie schon zurückerobert. In einem Gedicht von 1968 imaginiert Celan den Ort erneut:

In meinem zerschossenen Knie
Stand mein Vater.

Über-
sterbensgroß stand er
da,

Michailowka und
der Kirschgarten standen um ihn,

ich wußte, es würde
so kommen, sprach er.

Barbara Wiedemann, die Herausgeberin der Gedichte aus dem Nachlaß, vermutet in ihren Anmerkungen zu „In meinem zerschossenen Knie“, der „Kirschgarten“ sei eine Anspielung auf Tschechows gleichnamiges Theaterstück. Wahrscheinlicher ist jedoch, daß Celan ein Zeugnis seiner Lektüre von Daghanis Tagebuch ablegt, dessen Originaltitel, wie schon erwähnt, „Das Grab liegt im Kirschgarten“ lautet und in dem auch von der „Liquidierung“ des Lagers berichtet wird.
Daghani konnte im Juli 1943 entkommen und fand im Ghetto von Berschad Zuflucht, wo es keine Massenexekutionen gab. Wenig später gelang auch Philippe Kellmer nach einem Partisanenüberfall auf das Lager Michailowka die Flucht, und er konnte sich ebenfalls nach Berschad absetzen. Kurz danach wurde das Lager Michailowka in das einige Kilometer entfernte Dorf Tarassowka verlegt. Am 16. Dezember 1943 erfuhr Daghani, daß „das Lager Tarassowka am 10. Dezember zur Gänze liquidiert wurde“, und im Oktober 1944, nach der Befreiung durch sowjetische Truppen, notiert er:

Die Bauern berichten, daß die Hinrichtung sechs Stunden gedauert habe. Sie begann um fünf Uhr morgens. Die Gräber befinden sich im Haine der Weichselbäume.

Daghani war zwar nicht Zeuge der Morde, kannte jedoch die Opfer. In seinem Tagebuch stellt er sich ihre letzten Momente vor:

Die lange schwarze Schlange nähert sich dem Kirschgarten. Dort also soll alles enden. Besser als hinter den Latrinen, denkt Gideon. Ein Lächeln erhellt seine Züge, als ihm Frau Landmann einfällt, die einst tönte, ihr sei es egal, wo man sie begrabe, und sei es in der Latrine selbst. Dennoch hofft er, daß Frau Landmann diese Gleichgültigkeit verloren hat, daß sie froh darüber ist, in einem Kirschgarten begraben zu werden.

Tarassowka, August 2016: Während einer Reise durch die Ukraine halte ich in der Nähe von Gaissin in dem Dorf Tarassowka an und mache mich auf die Suche nach dem Kirschgarten. Ein Bauer, mit Vornamen Viktor, sagt mir, daß es ihn nicht mehr gebe, er könne mir aber das Grab zeigen, wo die Lagerinsassen exekutiert wurden. Er selbst wurde nach dem Krieg geboren, doch seine Mutter habe ihm erzählt, daß die Lagerhäftlinge unter entsetzlichen Bedingungen in zwei Ställen hausen mußten. Er zeigt mir den Ort, das Massengrab ist deutlich gekennzeichnet, von Bäumen umstanden. Eine Trauerweide verdeckt fast den Gedenkstein, dessen Inschrift daran erinnert, daß hier im Dezember 1943 „644 Staatsangehörige der UdSSR, Rumäniens und Polens“ umgebracht wurden. Daß alle oder fast alle Juden waren, wird mit keinem Wort erwähnt.
Möglicherweise habe es damals Kirschbäume gegeben, sagt Viktor, das Land werde jedoch schon seit langem nicht mehr bewirtschaftet.

Mit der Ermordung der Juden von Michailowka und Tarassowka wiederholte sich etwas, das 1649 nicht weit entfernt schon einmal passiert war, als Juden von den Kosaken Chmelnyzkyjs ermordet wurden. Schalom Asch berichtet davon in seinem Roman Kiddush ha-Shem (Die Heiligung des Namens):

Der Obstgarten hing voller reifer Früchte. Es war bereits September. Die Sonne schien hell, eine festliche Stimmung lag über der Erde, sie waren vereint. Die Vorsänger sangen. (…) Eintausendvierhundert Menschen, Männer, Frauen und Kinder, wurden an jenem Tag von den Kosaken hingemordet, in einem Obstgarten bei Tultschin.

Celan kannte also Daghanis Bericht und möglicherweise auch diese Stelle bei Schalom Asch, als er „In meinem zerschossenen Knie“ verfaßte. Die jüdische Tradition und die jiddische Literatur waren ihm vertraut, er war ein aufmerksamer Leser der Legende des Baalschem und der Erzählungen der Chassidim von Martin Buber, einem der ersten Schriftsteller, der die chassidischen Legenden für die „Hochliteratur“ erschloß. Die Landschaft der Lager am Bug, in der Celans Eltern den Tod gefunden hatten, war einst das Entstehungs- und Kernland des Chassidismus gewesen: Der Baal Schem Tov, der „Meister des guten Namens“ oder Bescht – den man auch den Wundertäter von Podolien nannte –, hatte sich mit seinen Schülern in Miedzyborz am Ufer des Bug oberhalb von Winniza niedergelassen, an einem malerischen Ort, wo der Fluß Buzhok (kleiner Bug) in den größeren Strom mündete. Miedzyborz war ein altes Schtetl im Schutz einer eindrucksvollen polnischen Festung. Das Grab des Baal Schem Tov ist eine Pilgerstätte, die wohl auch Celan gern besucht hätte. Sein Enkel und Nachfolger, Rabbi Nachman, wurde in Miedzyborz geboren und ließ sich später ebenfalls am Bug nieder, im bei Ladyschin gelegenen Brazlaw, bevor er in Uman starb.
Für Celan waren Flüsse mehr als topographische Gegebenheiten. Er hatte ein Gespür für ihre beinahe metaphysische Bedeutung, und daher konnte ihn die unheilvolle Wandlung des Südlichen Bug von einer utopischen Landschaft religiöser und literarischer Schöpfung, einer Zufluchts- und Pilgerstätte, in einen Ort der Vernichtung nicht unberührt lassen. Besser als irgend jemand sonst vermochte er dieses Paradoxon und den Schmerz über die Vernichtung des jüdischen Volkes in Regionen, die es mit seinem geistigen Reichtum und seiner Kreativität geprägt hatte, in Worte zu fassen. Flüsse prägten Celans Leben und Werk, die Seine, der Rhein, der Bug oder die Oka. Und auch sein Tod steht im Zeichen eines Flusses, da er seinem Leben in der Seine ein Ende setzte.

Michailowka, August 2019. Bei einer erneuten Reise durch die Ukraine mache ich in dem Dorf halt, das ich 2013 als Standort des Lagers identifiziert hatte. Ich treffe die Bürgermeisterin, Valentina Topotschkanowa, und den Lehrer Iwan Gontscharuk, die Nachforschungen über das Lager angestellt haben. Die Namen Arnold Daghanis, Selma Meerbaums und Philippe Kellmers sind ihnen geläufig. Sie zeigen mir eine Originalzeichnung Daghanis, die er 1942 einem Bauern gab, sicherlich im Tausch gegen Lebensmittel oder andere Güter des täglichen Bedarfs. Sie ist auf dem schlechten Papier jener Zeit angefertigt, das nicht einfach zu besorgen war, und zeigt die Kirche, die man vom Fenster der Schule sieht, wo die Deportierten interniert waren. Ältere Menschen aus dem Dorf, so berichten mir die beiden, konnten sich erinnern, daß ein junges Mädchen zusammen mit einem älteren Herrn, einem „Gelehrten“, in der Nähe der Schule begraben wurde. Gontscharuk zeigt mir die Stelle: In der Zwischenzeit ist dort ein Teich angelegt worden. Unter diesem Teich also befinden sich die sterblichen Überreste von Selma Meerbaum.

Marc Sagnol, Sinn und Form, Heft 6, 2020
Aus dem Französischen von Andreas Fliedner

 

Hans Mayer: Erinnerung an Paul Celan, Merkur, Heft 272, Dezember 1970

Helmut Böttiger: „Alle Dichter sind Juden“. Der Auftritt Paul Celans bei der Gruppe 47 im Mai 1952

 

CELAN

asche
verbrannter wörter
in der urne
deines gedichts

Hermann Wallmann

 

CELAN IN MEMORIAM

Dich mundtot
gibt sie her:
die Seine

Daß sie dich
brechen mußten
Aus dem Wasser
brechen

An deinem Schweigen
reden sie sich
taub

Dein Mund:
noch halb im Wasser

Ihn wenden sie
Nicht deinen
Atem

Edwin Wolfram Dahl

 

 

 

Paul Celan: Dichter ist, wer menschlich spricht. Ein Film von Ulrich H. Kasten und Hans-Dieter Schütt mit Eric Celan und Bertrand Badiou.

 

Gerhart Baumann hielt seinen Vortrag Paul Celan: Um-Wege zu sich und die offene Frage des Gedichts auf der Tagung Vom Sinn moderner Lyrik am 23. Januar 1971 im Haus der Katholischen Akademie in Freiburg.

 

 

Niemand zeugt für den Zeugen. 100 Jahre Paul Celan. Literarische Soirée am 30.9.2020 im Haus am Dom Limburg.

 

„wir wissen ja nicht, was gilt“ – Paul Celan zum 100. Geburtstag

 

Ein Abend zu Paul Celan am 18.5.2020 im Literaturhaus Berlin mit Hans-Peter Kunisch und Thomas Sparr. Es moderiert Eveline Goodman-Thau.

 

Paul Celan, Czernowitz & die „Todesfuge“. Helmut Böttiger berichtet.

 

Erreichbar, nah und unverloren. Reisen zu Paul Celan. Teil 1. Gespräch mit Helmut Böttiger.

 

Todesfuge – Biographie eines Gedichts. Alexander Suckel im Gespräch mit Thomas Sparr am 17.4.2020 im Literaturhaus Halle.

 

„Ästhetik und politische Dimension der Dichtung Paul Celans“. Mit Helmut Böttiger, Thomas Sparr und Monika Rinck; Moderation: Dieter Stolz am 23.11.2020 im Literaturforum im Brecht Haus.

 

Paul Celan in Europa – Videogespräch am 22.9.2020 im Rahmen der trilateralen Forschungskonferenzen 2020–2023 in der Villa Vigoni.

 

Paul Celan übersetzen – Gabriel Horatiu Decuble im Gespräch mit Ton Naaijkens und Alexandru Bulucz, Moderation Ernest Wichner am 6.11.2021 im Literaturhaus Halle im Rahmen der Tagung „Was setzt über, wenn Gedichte übersetzt werden“.

 

Clément Fradin, Julia Maas und Michael Woll stellen Paul Celans Bibliothek im Deutschen Literaturarchiv Marbach vor.

 

„Die Todesfuge. Zur Biographie eines Gedichts im Archiv“ – Thomas Sparr im Gespräch mit Jan Bürger, Kai Uwe Peter und Michael Woll

 

Michael Woll stellt Paul Celans Nachlass im Deutschen Literaturarchiv Marbach vor. Im Mittelpunkt stehen dabei die Hölderlin-Bezüge in Celans Texten.

Felix Philipp Ingolds Skorpioversa – Kehraus mit Celan

Zwischen „Grabschändern“ und „Linksnibelungen“. Wolfgang Emmerich im Gespräch mit Michael Braun über Paul Celans Verhältnis zu Deutschland und seinen deutschen Kritikern.

Carolin Callies, Ann Cotten, Daniela Danz, Aris Fioretos, Norbert Hummelt und Rainer René Mueller kommentieren Paul Celans Gedicht „Was es an Sternen bedarf“.

 

 

Paul Celan liest Gedichte in Jerusalem am 9.10.1969

Zum 50. Todestag des Autors:

Daniel Jurjew / Klaus Reichert: Paul Celan: Ich sehe seine Hellsichtigkeit, bei anderem denke ich einfach: er übertreibt
Frankfurter Rundschau, 19.4.2020

Gregor Dotzauer: Das Eigene und das Andere
Der Tagesspiegel, 19.4.2020

Susanne Ayoub: Es ist Zeit, dass es Zeit ist
Der Standart, 19.4.2020

Sandro Zanetti: Akute Dichtung: Celans Zumutungen
Geschichte der Gegenwart, 19.4.2020

Friederike Invernizzi: Sprechen zwischen Wunde und Narbe
Forschung & Lehre, 19.4.2020

Frank Trende: Die bewegende Geschichte der Todesfuge
shz.de, 19.4.2020

Dunja Welke: Paul Celan – Ein zerrissener Dichter
RBB, 18.4.2020

Stefan Lüddemann: Paul Celan, Dichter des Holocaust, starb vor 50 Jahren
Neue Osnabrücker Zeitung, 19.4.2020

Shmuel Thomas Huppert: Erinnerungen an Paul Celan
SR 2, 26.2.2020

Christoph Bartmann: Ein Riss, der nicht zu heilen war
Süddeutsche Zeitung, 20.4.2020

Christine Richard: Ein Leben, immer nahe am Untergang
Tages-Anzeiger, 20.4.2020

Anton Thuswaldner: „Die Welt ist gegen mich losgezogen“
Salzburger Nachrichten, 19.4.2020

Klaus Reichert im Gespräch mit Niels Beintker: Erinnerungen an Begegnungen und Gespräche mit Paul Celan
BR24, 20.4.2020

Rüdiger Görner: Asche atmen: Zu Paul Celan
Die Presse, 23.4.2020

Marko Martin: Paul Celan und die „Linksnibelungen“
Welt, 27.4.2020

Evelyne Polt-Heinzl: Paul Celan Ein Migrant in Wien
Die Furche, 8.4.2020

 

 

Zum 100. Geburtstag des Autors:

Andreas Wirthensohn: Todesklage für die Überlebenden
Wiener Zeitung, 21.11.2020

Klaus Demus: „Eine sehr große Freundschaft“
literaturoutdoors.com, 22.11.2020

Claus Löser: Fünf Filme für Paul Celan
Berliner Zeitung, 21.11.2020

Krisha Kops: Paul Celan: Dichter, Überlebender, Heimatloser
Deutsche Welle, 22.11.2020

Ulf Heise: Lyrik als Flaschenpost
Freie Presse, 22.11.2020

Susanne Ayoub: Paul Celan: Verlust der Heimat, Trauer um die Eltern
Der Standart, 22.11.2020

Wolf Scheller: Was nicht gesagt, nur angedeutet werden kann
Der Standart, 23.11.2020

Andreas Montag: Dichter Paul Celan – Der Schleier des Herbstes
Mitteldeutsche Zeitung, 23.11.2020

Andreas Müller: Paul Celan – zum 100. Geburtstag
Wiesbadener Kurier, 23.11.2020

Stefan Kister: Unter die Deutschen gefallen
Stuttgarter Zeitung, 22.11.2020

Paul Jandl: Vielleicht war Paul Celan einmal ganz er selbst. Da spielte er die Dürrenmatts beim Tischtennis in Grund und Boden
Neue Zürcher Zeitung, 23.11.2020

Sabine Glaubitz: Er schrieb das Unsagbare auf: Nachkriegsdichter Paul Celan wäre heute 100 Jahre alt geworden
stern, 23.11.2020

Volker Weidermann: Ein Grab in den Lüften
Der Spiegel, 20.11.2020

Jochen Hieber: Im Höhenrausch mit Ingeborg Bachmann
Der Spiegel, 23.11.2020

Stefan Brams: Interview mit Thomas Sparr – Paul Celan stiftet zur Erinnerung an
Neue Westfälische, 23.11.2020

Helmut Böttiger: Die graue Sprache
Süddeutsche Zeitung, 22.11.2020

Helmut Böttiger: Auf der Suche nach einer graueren Sprache
Jüdische Allgemeine, 21.11.2020

Albrecht Dümling: Die Todesfuge in Tönen
Deutschlandfunk Kultur, 20.11.2020

Nikolaus Halmer im Gespräch mit Barbara Wiedemann: Paul Celan: „Es sind noch Lieder zu singen jenseits der Menschen“
Die Furche, 11.11.2020

Harald Seubert: Lieder jenseits der Menschen und kodierte Zeit: Paul Celan (1920–1970). Zum Gedenken
youtube.com, 15.6.2020

Celebrating Paul Celan: An Evening with Pierre Joris and Paul Auster
youtube.com, 21.11.2020

Stadtführung „Auf den Spuren von Paul Celan“
youtube.com, 10.9.2020

Paul-Celan-Literaturtage 2020. Videopräsentation vom Paul Celan Literaturzentrum Czernowitz

Ausstellung Paul Celan 100 – Unter den Wörtern

Online-Begleitprogramm zur Ausstellung Paul Celan – Meine Gedichte sind meine Vita

 

 

West-östliche Konstellationen. Internationale Tagung als hybride Veranstaltung im Lyrik Kabinett, München, sowie online.
Tagungskonzeption und -organisation: Prof. Markus May und PD Dr. Erik Schilling (Institut für deutsche Philologie der LMU München)
8.–9.10.2020

Eröffnung

 

Ambivalente Topographien. Rilkes Dritte Duineser Elegie und Celans „Walliser Elegie“

 

„West-östliche“ Lesarten im Jahrhundert nach Celan

 

Das Schweigen über Brücken. Orte Celans bei Robert Schindel

 

Abendvortrag: Todesfuge. Biographie eines Gedichts

 

„Wortaufschüttung“. Materialität als Indexikalität bei Paul Celan

 

Betreten. Zum Anfang von Engführung

 

Celans Draußen. Über reale und sprachliche Räume in seiner Dichtung

 

„Stimmen vom Galgenbaum“. Celans west-östliches Rotwelsch

 

Fakten und Vermutungen zum Autor + Instagram + ÖMIMDb +
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Porträtgalerie: Keystone-SDA
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Nachrufe auf Paul Celan: Neue Literatur ✝︎ NZN



Paul Celans Todesfuge interpretiert von Diamanda Galas im Teatro Albeniz, Madrid, 15.10.2008.

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