Wie sich die Zeit verzweigt,
das weiß die Welt nicht mehr.
Wo sie den Sommer geigt,
vereist ein Meer.
Woraus die Herzen sind,
weiß die Vergessenheit.
In Truhe, Schrein und Spind
wächst wahr die Zeit.
Sie wirkt ein schönes Wort
von großer Kümmernis.
An dem und jenem Ort
ists dir gewiß.
Der vorliegende Band versucht das lyrische Werk Paul Celans in zweifacher Hinsicht neu zu präsentieren: zum einen durch eine partiell veränderte Anordnung der kritisch durchgesehenen Texte, zum andern durch den jedem Gedicht beigegebenen Kommentar.
Celan hat selbst sehr bewußt entschieden, welche Gedichte er in welcher Form und welchem Kontext publizieren und welche er nicht der Öffentlichkeit übergeben wollte. Die Einsicht in den grundsätzlich unterschiedlichen Status der autorisierten und der nachgelassenen Gedichte gibt die Grundstruktur des Bandes in zwei Hauptabteilungen vor: eine erste für die zu Lebzeiten veröffentlichten Gedichte, eine zweite für die Publikationen aus dem Nachlaß. Das führt zu einer Umgruppierung der bisher in Band 2 und 3 der Gesammelten Werke abgedruckten Zyklen und Einzeltexte. Der Sand aus den Urnen, Eingedunkelt und alle in Zeitschriften oder Einzeldrucken von Celan selbst veröffentlichten Gedichte, bisher in Band 3, erscheinen in der ersten Abteilung. Sie werden dort chronologisch eingeordnet; die Einzelgedichte folgen den Gedichtbänden, zu denen sie zeitlich gehören. Schneepart, bisher in Band 2, bildet nun zusammen mit einem Einzelgedicht und Zeitgehöft aus Band 3 sowie den Editionen Das Frühwerk und Die Gedichte aus dem Nachlaß die zweite Abteilung. Auch für Schneepart nämlich gilt, daß wir nicht wissen, ob und wie Celan die Textgestalt vor einer Drucklegung noch verändert, ja, ob er alle diese Gedichte zum Druck überhaupt freigegeben hätte. Angeordnet sind die Teile auch hier in der Reihenfolge ihrer Erstpublikation.
Zum erstenmal werden Celans Gedichte zudem – auch dies ist neu – fortlaufend gedruckt. Mit der jedem ursprünglich zugeteilten eigenen Seite verlieren die Gedichte so an Autonomie, gewinnen aber auch im ,Gespräch‘ mit den nun enger rückenden ,Nachbarn‘. Titellose Gedichte sind durch eine etwas vergrößerte Initiale gekennzeichnet. Jedem Gedicht ist eine Verszählleiste beigegeben; ein Zusammenfallen von Strophen- und Seitenende erscheint dort als Doppelstrich.
Der Kommentator von Celans lyrischem Werk sieht sich mit grundlegenden Widersprüchen konfrontiert. Auf der einen Seite haben wir es in der Tat mit einem schwierigen Werk zu tun, das ohne Erläuterungen nicht auszukommen scheint. Auf der anderen hat der Autor dieses Werks selbst mehrfach darauf hingewiesen, daß er es nicht für unverständlich, sondern einem aufmerksamen Leser für zugänglich hält. Celan wollte mit einem politisch wachen, umfassend interessierten Leser rechnen, der bereit war und ist, sich mit der Gegenwart auseinanderzusetzen, in der die Gedichte entstanden sind, wie auch mit dem persönlichen Schicksal dessen, der sie geschrieben hat. In der Büchnerrede weist Celan seine Hörer sowohl auf die Daten hin, deren sein (und jedes) Gedicht eingedenk bleibt, als auch auf seine Position des Akut, des Hier und Jetzt. Trotzdem läßt er auch in bezug auf die Daten keine eindimensionale, ,glatte‘ Lektüre zu: Immerhin tilgt er häufig gerade direkt persönliche oder politische Bezüge vor der Endfassung, und er gibt seinen Gedichten die seit Sprachgitter sorgfältig dokumentierten Entstehungsdaten im Druck in aller Regel nicht mit. Von geglückten Gedichten sagt er: „Sie geben ihre Freiheit nicht frei, sie dingen sich weder diesseits noch jenseits noch ,inseits‘ ihrer selbst etwas ab“, aber auch:
Sie fangen bei sich selber an, reichen also weit vor sich zurück, weit über sich vor. Zum Verstehen? Zum Mitstehen.
So scheint Celan, wenn er dem um Erklärung bittenden Israel Chalfen rät, immerzu zu lesen, dann komme das Verständnis von selbst, der Antwort auch – gerade in Hinblick auf den Adressaten – eine gehörige Portion Schalk mitzugeben. Meinte er doch vielleicht auch einen lesenden Nachvollzug seiner eigenen Lektüren, die ihn zu diesem oder jenem Gedicht, oder – im Fall von Mandelstamm – auch zu bestimmten Positionen seiner Poetik geführt haben. Seitdem Celans nachgelassene Bibliothek im Deutschen Literaturarchiv Marbach zugänglich ist, wird allmählich deutlich, in welchem Ausmaß auch sie mit ihren Lesespuren Teil von Celans Werk ist. Manche Lektüre wird dem Leser im Gedicht durch als solche gekennzeichnete Zitate oder durch Eigennamen – Personen- und Ortsnamen – nahegelegt. Geradezu von einer „Poesie der Eigennamen“ spricht Celan innerhalb von Lesenotizen zu Roman Jakobson. Aber, dies muß betont werden, Celans ,Zitate‘ sind in der Mehrzahl nicht durch Namen oder andere Hinweise gekennzeichnet; warum das so ist und warum das gerade in der Zeit nach dem Höhepunkt der Plagiatvorwürfe durch Claire Goll stark zunimmt, wäre umfassenderer Überlegungen wert, als sie in diesem Rahmen angestellt werden können. Der Reflex von Celans Lektüren in seinen Gedichten geht in einem literarischen Gespräch im engeren Sinne im übrigen nicht auf. Die Gedichte zeigen, daß auch und gerade die sogenannte Fachliteratur – von der Anatomie bis zur Frühgeschichte, von der Geologie bis zur Flugtechnik – zu intensiven Begegnungen führte. Ergänzt werden diese Lese-Erfahrungen im wörtlichen Sinne durch die im Nachlaß nur wenig dokumentierte Tages- und Wochenpresse, deren Wirkung auf das Werk besonders der letzten Jahre eine beeindruckende Dimension hat. Dies betrifft politische Informationen, etwa während des Algerienkonflikts 1958 und 1962 oder im politisch so ereignisreichen Jahr 1968, beschränkt sich aber keineswegs darauf, wie Mona Zaraza-Troubat in ihrer ungedruckten Tübinger Magisterarbeit „Leseäste“. Zur Funktion der Wissenschaftssprache im Werk Paul Celans (1988) zeigen konnte.
Bei der Aufnahme von Elementen aus den Lektüren in Celans Werk geht es nicht primär und im Verlauf zunehmend weniger um die Wortschatzerweiterung eines nicht im deutschen Sprachgebiet Lebenden und Schreibenden. Celan interessiert sich nicht nur für Worthülsen, die er mit neuen, eigenen Bedeutungen füllen möchte. Vielmehr nimmt er den Begriff mit seiner im Herkunfts-Kontext deutlich werdenden Bedeutung, ja, oft mit dem Kontext selbst, wie ein Zitat in das Gedicht hinein. Indem er sie in den neuen, den Gedicht-Kontext stellt, zeigt Celan aber dem Leser diese Begriffe, seien es solche der älteren deutschen Literatur oder solche aus dem modernsten Fachjournalismus, gleichzeitig auch neu; er vollzieht an ihnen das, was er in einer Auseinandersetzung mit Roman Jakobson eine „Poetik des Ablauts“ oder „poetische Etymologie“ nennt.
Ein Kommentar zu Gedichten und besonders zu denen Celans kann dem Leser eine intensive Auseinandersetzung mit dem Gedichttext nicht abnehmen. Bedeutungsgleichungen im Sinne einer Übersetzung des poetischen Worts in die Alltagssprache kann es nicht geben, sie würden dem Gedicht als poetischer Form nicht gerecht. Auch sei ausdrücklich gewarnt: Mit der Kenntnis bestimmter Hintergründe, Wortbedeutungen oder Quellen ist ein Gedicht keineswegs ,verstanden‘. Interpretation, individuelles Verständnis kann und will dieser Kommentar nicht vorwegnehmen; er wählt daher eine bewußt nüchterne, auf Deutung im eigentlichen Sinne verzichtende Form. Mit der Bereitstellung von Materialien, die auch die erreichbaren Äußerungen Celans selbst zu den einzelnen Gedichten einschließt, möchte er eine Grundlage geben für ein immer neues und fruchtbares Lesen – nicht mehr, aber auch nicht weniger Vollständigkeit kann ein solches Unternehmen nicht beanspruchen; es versteht sich als ersten Versuch, der zu weiteren Arbeiten auf diesem Gebiet anregen möge.
In diesem Sinne gebe ich, nach einer kurzen Einführung zu jedem Gedichtband, zu den Einzelgedichten (die in der von Celan in den jeweiligen Inhaltsangaben verwendeten Form des Titels erscheinen) zunächst Ort und Datum ihrer Entstehung, soweit sie bekannt sind.
Diese Angaben stammen, wenn nicht anders gekennzeichnet, von Celan selbst; ihre Form ist vereinheitlicht und nicht Zitat, gegeben ist jeweils das erste sowie das letzte Datum, an dem eine Veränderung am Gedicht vorgenommen wurde. Zu den Daten ergänzt werden alle erreichbaren, die Entstehungsumstände betreffenden Informationen: Dazu gehören Hinweise auf gleichzeitig entstandene Gedichte und Übertragungen, auf aktuelle Lektüren und gegebenenfalls auf die persönliche und politische Situation, außerdem Selbstäußerungen Celans, soweit sie das Gedicht als Ganzes betreffen, sowie einzelne bisher nicht bekannte Fragmente und Vorstufen.
Es folgen Angaben zur öffentlichen Gestalt des Gedichts: im Fall von Das Frühwerk und Die Gedichte aus dem Nachlaß die Textgrundlage für den Druck, für alle Gedichte die Dokumentation und Begründung von etwaigen Eingriffen in den Text der Erstausgabe und Hinweise auf separate Erstdrucke und die Varianten aller Vorabdrucke. Abweichende Verse werden vollständig gegeben (in der Zählung der Endfassung), Interpunktionsvarianten (eingeschlossen die daraus folgende Groß- und Kleinschreibung) sind jedoch nur pauschal erwähnt.
Die Erläuterungen zum Text beschränken sich im wesentlichen auf einen Sach- und Wortkommentar; er betrifft in der Regel nur die Druckfassung, in begründeten Fällen werden auch Vorstufen einbezogen. Kommentiert werden gegebenenfalls Widmung und im Text die Namen und die als solche erkennbaren Zitate. Darüber hinaus gebe ich Hinweise auf relevante Lesespuren in Celans Bibliothek, Lesenotizen und die aktuelle Presselektüre. In den betreffenden Zitaten erscheinen alle im Ausgangstext gedruckten Hervorhebungen (fett, kursiv, gesperrt) als kursiv, Celans Unterstreichungen als solche. Auslassungen vor Anfang und nach Ende von Zitaten werden aus Platzgründen nicht gekennzeichnet. Namen erscheinen – dies betrifft vor allem russische Namen – in der von Celan verwendeten Form, Herausgeberergänzungen stehen in kursiven eckigen Klammern. Übersetzt (kursiv in kursiven eckigen Klammern) werden nur Zitate aus anderen Sprachen als dem Englischen und Französischen. Griechische Wörter und Texte erscheinen ohne diakritische Zeichen, hebräische unpunktiert. Für die bibliographischen Angaben von mehrfach zitierten Werken und solchen aus Celans Bibliothek sei auf die Bibliographie verwiesen; Titel von russischsprachigen Sammelwerken und Zeitschriften erscheinen dort unter dem deutschen Äquivalent. Celans einzige vollständige Bibel war eine Luther-Übersetzung von 1897; ich verwende hier, mit den üblichen Angaben direkt im Text, eine Revidierte Ausgabe von 1964.
Dem Leser wird zwar grundsätzlich die Benutzung eines Standardwörterbuchs der Deutschen Sprache (Duden, Wahrig) zugemutet, auf zusätzliche Worterklärungen ist jedoch nicht verzichtet, vor allem dann, wenn dafür auf Celan zur Verfügung stehende Sachliteratur und Wörterbücher zurückgegriffen werden kann. Die Herkunft von Namen und Fremdwörtern wird, wenn möglich, erläutert, Celans Konzept poetischer Etymologie also ernst und die Sprache ,beim Wort‘ genommen.
Die Erläuterungen sind ergänzt durch Hinweise auf persönliche Notizen und Briefe Celans und auf wichtige Bezüge innerhalb des Werks. Zur Kommentierung herangezogene Elemente aus dem Nachlaß werden, soweit bereits publiziert, in der Regel nach dem Erstdruck gegeben; von begründeten Fällen abgesehen wird jedoch auf die Dokumentation von Hinzufügungen und Streichungen auch dann verzichtet, wenn sie im Erstdruck gegeben werden, vielmehr wird die letzte Textstufe als Lesetext gegeben. Für die Genehmigung zum Abdruck der zahlreichen bisher unpublizierten Texte und Fragmente danke ich dem Deutschen Literaturarchiv Marbach, vor allem aber Eric Celan, der mir wie immer seine Unterstützung zukommen ließ.
Für den vorliegenden Kommentar sind die Ergebnisse der bis zu diesem Zeitpunkt erschienenen Celan-Forschung, soweit es in diesem Rahmen sinnvoll schien, eingearbeitet; aus Platzgründen kann ich nur die Namen derjenigen nennen, denen ich in diesem Sinne vor allem verpflichtet bin: Arno Barnert, Henrik Birus, Jean Bollack, Bernhard Böschenstein, David Brierley, Rolf Bücher, Israel Chalfen, Germinal Čivikov, Jacques Derrida, Uwe Eckardt, Wolfgang Emmerich, John Felstiner, Jean Firgès, Holger Gehle, Axel Gellhaus, Peter Goßens, Elke Günzel, Werner Hamacher, Wilhelm Hemecker, Elisabeth Hense, Christine Ivanović, Michael Jakob, Marlies Janz, Alfred Kelletat, Barbara Kloose, Lydia Koelle, Ulrich Konietzny, Peter König, Christine Koschel, Jean-Pierre Lefebvre, Jürgen Lehmann, Fred Lönker, Otto Lorenz, Jürgen Lütz, James K. Lyon, Klaus Manger, Winfried Menninghaus, Marita Meyer, Peter Horst Neumann, Ute Oelmann, Leonard Olschner, Christoph Perels, Otto Pöggeler, Hans Dieter Schäfer, Erika Schellenberger, Heino Schmull, Georg-Michael Schulz, Joachim Seng, Thomas Sparr, Hans-Michael Speier, Uta Werner, Jean-Marie Winkler, Werner Wögerbauer, Ralf Zschachlitz, Reinhard Zbikowski und viele andere. Ausgangspunkt meiner Arbeit an der Celan-Bibliothek war vor allem der von der Bonner Arbeitsstelle für die Celan-Ausgabe kurz nach Celans Tod erstellte ungedruckte Katalog. Für wertvolle Hinweise zu Celans Bibliothek danke ich Alexandra Richter und Patrik Alac, die zusammen mit Bertrand Badiou einen Katalog der philosophischen Bestände vorbereiten. Vielfältige Hilfe und Anregungen erhielt ich zudem von Marcel Beyer, Bernhard Böschenstein, Anne-Marie Brenner, Gisela Dischner, František Fabian (✝), Sonia Garelli, Holger Gehle, Peter Goßens, Michael Hamburger, Ute Harbusch, Christine Ivanović, Jürgen Köchel, Valérie Lawitschka, Hanne Lenz, Liselotte Locher, Klaus Locher, Andreas Lohr, Jaan Malin, Mathias Mayer, Otto Pöggeler, Klaus Reichert, Heino Schmull, Mechtild Spaett, Aino Tamjärv, Dirk Weissmann, Gregor Wittkop, Franz Wurm und Mona Zaraza-Troubat, Immer hilfsbereit waren Adelheid Iguchi und Volker Plass von der Universitätsbibliothek Tübingen. Dem Leiter der Handschriftenabteilung im Deutschen Literaturarchiv Marbach Jochen Meyer, dem dortigen Betreuer der Celan-Bibliothek Nicolai Riedel, den Mitarbeitern im Handschriftenlesesaal Heidrun Fink und Thomas Kemme und den geduldigen Magazinerinnen danke ich für ihre immer freundliche Unterstützung.
An erster Stelle in dieser Danksagung sollte aber Bertrand Badiou (Unité de Recherche Paul Celan, ENS, Paris) stehen. Er hat mich zu einem Kommentar in dieser Form ermutigt, mir unzählige Hinweise gegeben und vielfältiges Material zur Verfügung gestellt. Ohne ihn hätte diese Ausgabe nicht entstehen können.
Barbara Wiedemann, Oktober 2002
Immerzu nur lesen, das Verständnis kommt von selbst“: So soll Celan einem fragenden Leser geraten haben. Zum Lesen aller seiner Gedichte – der zu Lebzeiten gedruckten wie der nachgelassenen – in kritisch überprüften Fassungen laden Die Gedichte in einem Band ein. Die jedes einzelne Gedicht erschließenden Kommentare zeigen die Binnenbezüge des Werks, geben Sacherklärungen zu Zitaten, Namen und Widmungen. Darüber hinaus bieten sie alle erreichbaren Informationen zur Entstehung der Gedichte und zu biographischen Anspielungen; sie dokumentieren die Varianten der Drucke zu Celans Lebzeiten und ergänzen einzelne, bisher nicht bekannte Entwürfe.
I Von Paul Celan zu Lebzeiten publizierte Gedichte
II Aus dem Nachlaß publizierte Gedichte
Suhrkamp Verlag, Ankündigung
Zunächst begegnet uns auf der Umschlagabbildung ein Faksimile von Celans Gedicht „Abzählreime“, ich erwähne dies, weil es programmatisch für diese Ausgabe ist: Das Gedicht respektive die Dichtung steht im Vordergrund.
Auf den ersten 550 Seiten sind Celans Gedichte abgedruckt. Sie sind unterteilt in:
I Von Paul Celan zu Lebzeiten publizierte Gedichte
II Aus dem Nachlaß publizierte Gedichte.
Dort enthalten sind die Gedichtbände (Die Namen machen es vielleicht eindrücklicher): Der Sand aus den Urnen, Mohn und Gedächtnis, Von Schwelle zu Schwelle, Sprachgitter, Die Niemandsrose, Atemwende, Fadensonnen, Lichtzwang, Schneepart, Zeitgehöft.
Zusätzlich sind enthalten: Verstreute Publikationen, Celans Frühwerk, nicht aufgenommene Gedichte, Gedichte in Zeiträumen (z.B. Zeitraum „Lichtzwang“, Zeitraum „Schneepart“), Späte Gedichtsammlung, Späte verstreute Gedichte, Schwer zu datierende Gedichte
Kommentar ab Seite 561
Der Kommentarteil beginnt mit einem gelungenen und informativem Vorwort. Danach werden Abkürzungen, Siglen und Kurztitel erklärt. Anschließend kommt für mich ein Highlight dieser Edition:
Bibliographie – Celans Bibliothek ausgebreitet, Bücher teilweise mit Lesedaten und Hinweisen als Inspirationsquelle für Gedichte sind aufgelistet:
z.B.
Doderer, Heimito von: Die Strudlhofstiege oder Melzer und die Tiefe der Jahre. Roman, München 1953 (PBC: Widmung „Für Paul Celan in herzlichem Gedenken, / Heimito von Doderer / München, im Dezember 1954.“)
Duras, Marguerite: Le Vice-consul, [Paris] 1966 (BPC: ursprünglich eingelegter Entwurf zu „Zerr dir“ verschollen).
Nun bis Seite 987 „Der Einzelkommentar“:
z.B. (ausgewählt aufgrund der Kürze)
Seite 646 Sprachgitter
„Mit Brief und Uhr“
Entstehung: Anfang 1956 (Genf) – 3.11.1958; das letzte Datum bezieht sich auf den Titel. Celan hatte vom 1.1. bis zum 30.4.1956 einen Zeitvertrag als Übersetzer am Internationalen Arbeitsamt in Genf.
Separater Erstdruck: Akzente, München, Heft 4 (August) 1956, S. 300, unter dem Titel „Stilleben und Briefe und Wanduhr“, zusammen mit „Heimkehr“ (SG) und „Unter ein Bild“.
Varianten:
Akzente: V. 3 f. in einem Vers; V.10 „eiserne Ringe gezogen.“; V. 16 „Komm nun, schimmerndes Licht.“
Erläuterungen:
T Mit Brief und Uhr] „Brief und Uhr“ war zeitweise als Zyklustitel vorgesehen.
Auf den letzten Seiten des Buches findet sich ein Verzeichnis der Gedichte in alphabetischer Form und ein ausführliches Inhaltsverzeichnis.
Wer sich ein wenig für Lyrik interessiert, kommt an Paul Celan und seinen Gedichten nicht vorbei. Die „Kommentierte Gesamtausgabe“ empfehle ich mit größtem Vergnügen und abschließend mit Celans „Schlaflied“
SCHLAFLIED
Über die Ferne der finsteren Fluren
hebt mich mein Stern in dein schwärmendes Blut.
Nicht mehr am Weh, das wir beide erfuhren,
rätselt, der leicht in der Dämmerung ruht.
Wie soll er, Süße, dich betten und wiegen,
daß seine Seele das Schlummerlied krönt?
Nirgends, wo Traum ist und Liebende liegen,
hat je ein Schweigen so seltsam getönt.
Nun, wenn nur Wimpern die Stunden begrenzen,
tut sich das Leben der Dunkelheit kund.
Schließe, Geliebte, die Augen, die glänzen.
Nichts mehr sei Welt als dein schimmernder Mund.
(…)
Paul Celan, den man nicht ohne Pathos zur klassischen Moderne rechnet, hat sich gegen begriffliche Einvernahmen früh und vergeblich gewehrt. Für seine Büchner-Preis-Rede („Der Meridian“) hatte er notiert:
Ich spreche, dies zunächst, nicht von ,moderner Lyrik‘, ich spreche vom Gedicht heute.
Zuvor aber benutzte er, nicht ohne Hintersinn, die Wendung:
La poésie, elle aussi, brûle nos étapes
was etwa heißt, eine Etappe überspringen, kein Marschquartier aufschlagen. Das ist ein Begriff aus dem Militärischen wie – nicht zufällig – der Begriff Avantgarde.
Daß Celan seine Etappen überspringen wollte, hing auch damit zusammen, daß er – menschlich wie poetisch – auf der Flucht war; auf der Flucht nach vorn. Auf der Flucht vor Gut- oder Böswilligen, die ihm die „Todesfuge“ „lesebuchreif gedroschen“ hatten; aber auch vor jenen, die seiner Lyrik jeden Wirklichkeitsgehalt absprachen und anläßlich der „Todesfuge“ von „kontrapunktischen Exerzitien auf dem Notenpapier“ sprachen. Vergessen wir nicht die Megäre, die Celan mit einem unqualifizierten Plagiatsvorwurf verfolgte, der für kurze Zeit auch in deutschen Feuilletons Gehör fand.
Die Furie der Verfolgung erscheint, in anderer Gestalt, noch zuletzt, zwei Monate vor Celans Tod, als in der Bukarester Zeitschrift Immanuel Weißglas’ auf 1944 datiertes Gedicht „Er“ erschien. In ihm fanden sich Motive der „Todesfuge“, und Celan muß befürchtet haben, daß eine neue Plagiatskampagne auf ihn zukam. Mehr noch: Giuseppe Bevilacqua, der in seinen Celan-Studien den „Wegspuren zum Nichts“, d.h. in den Suizid nachgegangen ist, zeigt, wie sich „der Gedanke an eine endgültige, freiwillig bewirkte ,Endlösung‘ im Gemüt des Dichters einnistete.“ Celan habe schon sehr früh ein Gefühl seiner Aufgabe und seines Schicksals gehabt:
Zuletzt erlebte er das sicherlich als eine Parabel, eine Parabel, der es galt im richtigen Moment ein Ende zu setzen, anstatt dies den äußeren Umständen zu überlassen.
Ich erwähne diese biographischen Dinge, weil sie den Blick auf ein zentrales Motiv von Celans Arbeit lenken: auf das Gedicht, das seiner Daten eingedenk ist. Der Plagiatsvorwurf Claire Golls ließ es Celan geraten scheinen, die Entstehung seiner Gedichte zu dokumentieren, also Entwürfe, Fassungen, Reinschriften und Satzvorlagen zu datieren und aufzubewahren. Die beiden konkurrierenden kritischen Ausgaben, die Bonner und die Tübinger, dokumentieren das entsprechend. Doch solche Sicherung war für Celan mehr; sie gehörte zum Selbstverständnis seiner Poesie. Die Meridian-Rede setzt den Akut des Heutigen; setzt gegen Benns Monologismus das Dialogische, das Sprechen wider alle Hoffnung:
Aber das Gedicht spricht ja! Es bleibt seiner Daten eingedenk, aber – es spricht.
Welcher Daten eingedenk? Der „20. Jänner“ datiert nicht bloß Lenz’ Weg durchs Gebirg, er meint auch die Wannsee-Konferenz und die sogenannte „Endlösung der Judengfrage“. „Vielleicht darf man sagen, daß jedem Gedicht sein 20. Jänner eingeschrieben bleibt?“, heißt es in der Büchner-Rede. Celan gab diesen Wink 1960; die Forschung hat nach und nach verstanden.
Besonders genau vielleicht in der Kommentierung der einbändigen Gesamtausgabe von Celans Lyrik. Hier – in dem Band Die Gedichte – hat man nicht bloß sämtliche Gedichte beisammen, die der Dichter publiziert oder nachgelassen hat, sondern auch einen von Barbara Wiedemann erstellten hochinformativen Kommentar. Er bringt nicht bloß Entstehungs- und Publikationsdaten; er geht vor allem Celans Lesespuren nach – überraschenderweise vielen aus der Fachliteratur, aber auch aus Wochen- und Tagespresse, etwa der FAZ. Der Band ist selbst ein Datum, ein Datum der Celan-Rezeption, vielleicht Anfang einer heilsamen Ernüchterung. Er beendet, so hofft man, den frömmelnden Ton, den viele Auslassungen über den Dichter immer noch anschlagen. Er läßt zudem auch jene Parabel erkennen, die Celans Werk beschreibt, erlaubt damit auch die Frage, wie sich diese in die Enge geführte Kunst zu ihrer auch zahlenmäßig enormen Ausfaltung verhält.
(…)
Harald Hartung, Merkur, Heft 674, Juni 2005
Leopold Federmair: Die Waffen des Dichters
Neue Zürcher Zeitung, 7./8.6.2003
Helmut Böttiger: Es steht in „Brehms Tierleben“!
Tages-Anzeiger, 1.11.2003
Sigrid Weigel: Vom Werden eines Dichters
Literaturen, Heft 4, 2004
Nun ging er und trank einen seltsamen Tropfen:
das Meer.
Die Fische –
stießen die Fische zu ihm?
Paul Antschel, der sich als Dichter Paul Celan nannte, wurde 1920 in Czernowitz geboren – ein Jahr, nachdem seine Heimat, die Bukowina (das Buchenland), an Rumänien gefallen war. 1940 wurde der nördliche Teil des Gebiets, zusammen mit der Hauptstadt Czernowitz, von der Sowjetunion annektiert; und ein Jahr später gab es weitere Veränderungen: deutsche und rumänische Truppen besetzten das Land. Während die jüdischen Eltern nun in einem KZ den Tod fanden, gelang es dem Sohn, in einem rumänischen Arbeitslager zu überleben. Schließlich, Ende 1943, war die Rückkehr nach Czernowitz möglich, und jetzt konnte Paul Antschel das Romanistikstudium fortsetzen, das er im November 1939 angefangen hatte, im Anschluß an einen Aufenthalt in Frankreich. 1945 jedoch, die Bukowina war inzwischen endgültig der Sowjetunion angegliedert worden, fand ein neuer gewaltsamer Eingriff statt: die Ausweisung nach Rumänien. Nach einer zweijährigen Tätigkeit als Übersetzer und Verlagslektor in Bukarest gelangte der junge Dichter über Wien (in Wien erschien 1948 sein erster – bald für ungültig erklärter – Versband Der Sand aus den Urnen) nach Paris. Hier, wo er 1950 die Grafikerin Gisèle Lestrange heiratete, begann er, im Anschluß an ein kurzes Germanistik- und Sprachstudium an der Sorbonne, eine Tätigkeit als Übersetzer und Lehrer. Und er arrangierte alte und neue Gedichte zu dem Buch Mohn und Gedächtnis:
VOM Blau, das noch sein Auge sucht, trink ich als erster.
Aus deiner Fußspur trink ich und ich seh:
du rollst mir durch die Finger, Perle, und du wächst!
Du wächst wie alle, die vergessen sind.
Du rollst: das schwarze Hagelkorn der Schwermut
fällt in ein Tuch, ganz weiß vom Abschiedwinken.
Ein Gedicht wie dieses, das zu den gelungensten des Bandes gehört, führt uns einen Autor vor, der mit einem noch konventionellen Vokabular bereits modern zu sein versteht, und zwar dadurch, daß er seine Emotionalität musikalisch strukturiert und sie mittels einer eigenen surrealistischen Assoziationstechnik abbildet. Zwar wendet sich Celan mit manchen seiner Poeme – etwa mit der (doch allzu rhetorischen) „Todesfuge“ und mit dem subtilen „Espenbaum“ – der Vergangenheit zu, den Grausamkeiten des Krieges und der Ermordung der Eltern. Aber in den meisten Texten („Erinnerung an Frankreich“, „Chanson einer Dame im Schatten“, „Corona“, „In Ägypten“, um nur die bedeutendsten zu nennen) ist das Elegische thematisch durchaus abgelöst von dem, was es determiniert haben mag. Das Leben aber das Leben als Ganzes, das Leben in der Totalität seiner seinshaften Bezüge – ist es, woran gelitten wird. Die Geschichte, die Zivilisation, die Technik, die soziale Frage finden in der Lyrik Celans keine Berücksichtigung. Das Dasein wird nicht als Aufgabe, sondern als Last empfunden. Und da alles fremd wird und schmerzt, kann selbst die Liebe kein beschütztes und beschützendes Abseits sein:
ERINNERUNG AN FRANKREICH
Du denk mit mir: der Himmel von Paris, die große Herbstzeitlose…
Wir kauften Herzen bei den Blumenmädchen:
sie waren blau und blühten auf im Wasser.
Es fing zu regnen an in unserer Stube,
und unser Nachbar kam, Monsieur Le Songe, ein hager Männlein.
Wir spielten Karten, ich verlor die Augensterne;
du liehst dein Haar mir, ich verlors, er schlug uns nieder.
Er trat zur Tür hinaus, der Regen folgt’ ihm.
Wir waren tot und konnten atmen.
Celan, wenn er in Mohn und Gedächtnis auch noch als relativ „offen“ erscheint, als hingewandt zu den Menschen und den Dingen, legt doch bereits hier bisweilen jenen Kordon von Sprödheit und Feierlichkeit um sich, hinter dem er später seine hermetische Festung ausbauen sollte:
Ihr hohen Pappeln – Menschen dieser Erde!
Ihr schwarzen Teiche Glücks – ihr spiegelt sie zu Tode!
Ich sah dich, Schwester, stehn in diesem Glanze.
Das ist, trotz der intimen Anrede Schwester, nicht mehr der Ton zwischenmenschlicher, um Verständigung bemühter Sprache. Das klingt wie später Hölderlin, hart und abweisend. Die Flagge des Pathos ist gehißt, und sie weht höher, als das Auge der Geliebten blickt:
Ich suchte dein Aug, als du’s aufschlugst und niemand dich ansah,
ich spann jenen heimlichen Faden,
an dem der Tau, den du dachtest,
hinunterglitt zu den Krügen,
die ein Spruch, der zu niemandes Herz fand, behütet…
Hier ist das Gegenüber nicht länger Ziel, sondern nur noch Ausgangspunkt des lyrischen Wortes, das transzendieren will – fort von den Menschen und hin, hinab zu dunklen todvollen Krügen und zu jenem Spruch, der in seiner Strenge jenem Grabspruch ähnelt, den Rilke 1925 für sich selber verfaßt hat, um sich in ihm mit Nachdruck und für immer den Menschen und ihrer Nähe zu entziehen:
ROSE, oh reiner Widerspruch, Lust,
Niemandes Schlaf zu sein unter soviel
Lidern.
Diese Metapher Rilkes wird fortan verschiedentlich in Celans Werk aufleuchten. „Niemandes Stimme, wieder.“ So heißt es zum Beispiel in „Ein Auge, offen“, einem Poem, das in Sprachgitter steht. Und in Fadensonnen, dem vorletzten Versband, gibt es ein in schmerzlicher Isolation verkrampftes Gedicht:
DIE HOCHWELT – verloren, die Wahnfahrt, die Tagfahrt.
Erfragbar, von hier aus,
das mit der Rose im Brachjahr
heimgedeutete Nirgends.
Die markantesten Spuren, die auf Rilkes Epitaph hinweisen, finden sich jedoch in der Sammlung Die Niemandsrose, die sich nicht nur programmatisch im Titel, sondern auch in ihren Texten zu dem anregenden Vorbild bekennt: „… Niemandes / Wurzel – o / unser…“ oder: „Niemand knetet uns wieder aus Erde und Lehm, / niemand bespricht unsern Staub. / Niemand. // … Ein Nichts / waren wir, sind wir, werden / wir bleiben, blühend: / die Nichts-, die / Niemandsrose.“
Die Niemandsrose war Paul Celans heterogenstes Buch. Hierin griff der Dichter noch einmal auf das verbrauchte romantische Vokabular zurück. Und wenn er jetzt auch seine allzu beliebigen Genitivmetaphern vermied, aus denen er die meisten seiner frühen Gedichte bildete (Brünne der Nacht, Herzog der Stille, Halme der Schwermut, Blattwerk der Jahre, Sonnen des Todes, Äpfel der Stummen, Weißhaar der Zeit), nun unterliefen ihm Konstruktionen, die fast noch obsoleter waren: Griffel seelenhell, Staubfaden himmelswüst, graugeschlagenes Herzhammersilber. Sogar der Reim war plötzlich wieder da, und wenn er in einem Gedicht wie „Selbdritt, selbviert“, das sich bewußt Hans Arp näherte, auch seine gute parodistische Funktion hatte, in anderen Poemen sah der Reim doch sehr nach Regression aus, nach einem Versuch, mit den formalen Mitteln von gestern die heutigen Ungereimtheiten zusammenklammern zu wollen:
Es ist ein Land Verloren,
da wächst ein Mond im Ried,
und das mit uns erfroren,
es glüht umher und sieht…
Oder:
Du Tausendgüldenkraut-Sternchen,
du Erle, du Buche, du Farn:
mit euch Nahen geh ich ins Ferne, –
Wir gehen dir, Heimat, ins Garn…
Da hatten die gebundenen Gedichte aus Mohn und Gedächtnis, so verspätet sie zum Zeitpunkt ihres Erscheinens ebenfalls bereits waren, bedeutend frischer und stringenter geklungen:
… Du steigst in alle Brunnen,
du schwebst durch jeden Schein.
Du hast ein Spiel ersonnen,
das will vergessen sein.
Paul Celan, ohne Frage, war mit Die Niemandsrose in eine Krise geraten, die nach den konzisen Texten von Sprachgitter überhaupt nicht vorauszusehen gewesen war. Das Gefühl, die Angst, die Verzweiflung – all das, was in Arbeiten wie „Sommerbericht“ und „Engführung“ zwar auch vorhanden, aber artistisch perfektioniert und somit, gewissermaßen, neutralisiert gewesen war, jetzt tauchte es erneut auf: eruptiv und chaotisch, nach alten Formen greifend und neue suchend, aber nicht findend. Sprachgitter stellte das lyrische Protokoll eines Lebens dar, das zwar die Realität verfehlte, das jedoch im Bereich. des Verbalen von seinem Scheitern hinreichend Ausdruck zu geben verstand; so daß dieses Leben auf indirekte Weise doch gelang:
EIN HOLZSTERN, blau,
aus kleinen Rauten gebaut. Heute, von
der jüngsten unserer Hände.
Das Wort, während
du Salz aus der Nacht fällst, der Blick
wieder die Windgalle sucht:
– Ein Stern, tu ihn,
tu den Stern in die Nacht.
(– In meine, in
meine.)
In einem anderen Gedicht, in „Die Welt“ („Auch wir hier, im Leeren, / stehn bei den Fahnen.“), war der allem Humanen entrückte Geist des Hölderlins von „Hälfte des Lebens“ bereits auf grenzgängerische Art zugegen. Aber in „Jakobsstimme“, einem poetischen Splitter aus dem Stimmen genannten Einleitungszyklus, wurde die Frustration überwunden, denn wenn diese Verse auch dem Leid seine Würde gaben, so wiesen sie doch ins Leben zurück:
Die Tränen.
Die Tränen im Bruderaug.
Eine blieb hängen, wuchs.
Wir wohnen darin.
Atme, daß
sie sich löse.
Mensch und Menschlichkeit geraten wieder in Sicht, und in „Eine Hand“ entsteht sogar ein lebensgesättigtes Interieur. Doch die meisten Texte aus Sprachgitter handeln von einem Zustand der abgebrochenen Brücken. Die Welt ist etwas Trennendes, und es bleibt nur noch von dem, das sich bereits ereignet hat, zu künden: „(Wär ich wie du. Wärst du wie ich. / Standen wir nicht / unter einem Passat? / Wir sind Fremde.)“ So heißt es im Titelgedicht. Und an anderer Stelle: „… ich stürzte / alles in niemandes Hand.“ Die Vereinsamung scheint vollkommen, es ist kein Trost, keine Hoffnung, keine Zukunft mehr da:
Geh, deine Stunde
hat keine Schwestern, du bist –
bist zuhause…
… die Nacht
braucht keine Sterne, nirgends
fragt es nach dir.
Die Menschen, auch die Liebenden, sind sich entglitten. Und das Selbstverständliche, weil es nicht länger das Selbstverständliche ist, beginnt sich in Trennend-Ungewisses zu verwandeIn:
… Wie
faßten wir uns
an – an mit
diesen
Händen?
Raum und Zeit sind abstrus geworden:
Ihr Dome ungesehn,
ihr Ströme unbelauscht,
ihr Uhren tief in uns.
Die Realität hat ihre Grobkörnigkeit verloren, und wo noch Faßbares vorkommt, wo beispielsweise ein Fruchtblatt da ist, wirkt es seinsfremd und verwundet: „… es / harzt, will nicht / vernarben.“ Zwar tut sich manchmal ein Durchblick auf, doch dann, wenn Zuversicht aufkommt und wenn der den Menschen entrückte Dichter sich wenigstens eins mit den Dingen fühlt, „als gäb es, weil Stein ist, noch Brüder“: – ist dann die sichtbar werdende Transzendenz etwas, das es realiter gibt? Oder ist sie vielmehr nur ein Widerschein des Gefühls, der durch das Sprachgitter fällt, halluzinatorisch und wahnhaft, ähnlich wie die jenseitsträchtigen Gesichte van Goghs, der Celan zu folgenden Versen inspiriert:
Rabenüberschwärmte Weizenwoge.
Welchen Himmels Blau? Des untern? Obern?
Später Pfeil, der von der Seele schnellte.
Stärkres Schwirren. Näh’res Glühen. Beide Welten.
(Übrigens hat sich Celan ein zweites Mal van Gogh zugewandt, in Fadensonnen. Und nun war er ihm noch näher, er beschrieb nicht mehr von außen, was der Maler ihn sehen und empfinden lehrte; er bildete, verschmelzend mit van Goghs multiplen Visionen, das explodierende Welterlebnis von innen her ab:
MÄCHTE, GEWALTEN.
Dahinter, im Bambus:
bellende Lepra, symphonisch.
Vincents verschenktes
Ohr
ist am Ziel.)
Was in Sprachgitter gebändigt worden war, das verlor in Die Niemandsrose zumeist alle Kontur. Es floß auseinander, griff auf alte Ausdrucksmuster zurück, auf fremde und auf eigene Rhythmen, die, wenn sie sich auch zu ihrer Stunde bewährt hatten, nun nicht adäquat waren und die sich hersagten und abspulten, so, als spräche da nicht mehr ein Dichter, sondern als hätten sich Wortschatz und Grammatik zusammengetan und als versuchten sie es nun auf gehabte Weise, auf starre schablonenhafte Art:
… Es kam eine Stille, es kam auch ein Sturm,
es kamen die Meere alle.
Ich grabe, du gräbst, und es gräbt auch der Wurm,
und das Singende dort sagt: Sie graben.
Kunstbewußtsein und begreifende Intensität – hier ist plötzlich beides abhanden gekommen, weggerutscht, unter das Bewußtsein abgesackt. Und wie überall, wo, ohne daß noch ein Inhalt formuliert werden soll oder kann, der Versuch zu dichten gemacht wird, geraten die Worte ins Scheppern, sie tun nur noch „als ob“, in Wirklichkeit aber bilden sie keine Rede mehr, sie erdrücken nur, was an Sinn in ihnen steckt, oder sie kreieren in leerer (weil vom Unbewußten abgetrennter) Glossolalie taube Sprachneuschöpfungen.
Doch Die Niemandsrose ist nicht nur Celans schwächstes, sie ist auch – wegen mancher hineingeratener Passage – sein am wenigsten hermetisches und deshalb biographisch und intentional aufschlußreichstes Buch. Da wird nicht nur die Nähe zu Rilkes Grabspruch erkennbar gemacht. Da wird auch in einem Nelly Sachs dedizierten Gedicht verdeutlicht, was diese beiden Lyriker jüdischen Schicksals trennt. Für Nelly Sachs, die Mystikerin, ist die Welt etwas, dem man zwar auf leidvolle Weise absterben muß. Doch letztlich wird der Tod von ihr nicht gefürchtet. Er ist ihr vielmehr ein Lehrmeister, der ihr hilft, die „Fahrt ins Staublose“ anzutreten und dahin zu gelangen, wo („Kein reines Weiß auf Erden“) Not und Widersprüche aufgehoben sind und wo der Tod der Beginn eines – in der poetischen Sprache mitunter schon vorgeformten, zumindest aber erahnbar gemachten Lebens aus ewiger Fülle ist. Celan kennt keine derart gewisse Jenseitserwartung. Für ihn ist der Schmerz meist nichts als sinnloses Unglück, weil der Tod das (wahrscheinlich) definitive Ende ist. So stellt Celan sich gegen den Jahwe seiner greisen Freundin, er sagt: „Von deinem Gott war die Rede, ich sprach / gegen ihn…“ Dann allerdings, gegen Ende des Gedichts, kommt ein wenig die Hoffnung auf, daß die Gitter des Determinationskäfigs womöglich doch nicht für immer eng und undurchlässig sein müssen:
Wir
wissen ja nicht, weißt du,
wir
wissen ja nicht, was
gilt.
Celan, der dem Tod in den Vernichtungslagern der Nazis nicht nur in bedeutend jüngeren Jahren, sondern auch viel unmittelbarer konfrontiert gewesen ist als Nelly Sachs, kann, zumal er einer säkularisierteren Generation angehört, im Universum nicht eine unbedingt sinnvolle Schöpfung erkennen. Celan ist ein Gebrannter, Betroffener, Unbehauster. So ist für ihn der Sternenhimmel auch nicht das unbeschreibliche sichtbare Abbild einer unbeschreiblichen unsichtbaren Ordnung, sondern nur eine weite Öde, die ihn (das stellenweise faszinierende Gedicht „Hüttenfenster“ macht das klar) ähnlich trostlos anmutet wie das todbedrohte Leben auf Erden. Der Himmel als Projektion dessen, was – noch – in uns ist:
wohnen werden wir, wohnen, etwas
– ein Atem? ein Name? –
… geht, geht umher,
sucht,
sucht unten,
sucht droben, fern, sucht
mit dem Auge, holt
Alpha Centauri herunter, Arktur, holt
den Strahl hinzu, aus den Gräbern,
geht zu Ghetto und Eden, pflückt
das Sternbild zusammen, das er,
der Mensch, zum Wohnen braucht, hier,
unter Menschen…
Dieses Gedieht stellt unendlich mühsam einen Lebensraum zusammen, es kommt – in verschränkter Syntax und unentwegt von seinen eigenen Partikeln behindert – derart umständlich und verzögert zustande, daß man denken könnte: Der Dichter glaubt gar nicht, was er sagt; er würde nur gern glauben; er überredet sich; er versucht, sich zu überreden. Der Himmel, hier, ist lediglich eine Leistung der Sprache. Der Dichter hat ihn geschaffen, Gott hat ihn nicht verfügbar gemacht.
Die Niemandsrose ist Ossip Mandelstam gewidmet. Und diesem in seinem tragischen Dasein brüderlich zugetanen russischen Dichter jüdischer Herkunft hat Paul Celan in einem (als Ganzes ebenfalls nicht überzeugenden) Gedicht ein paar Verse nach- und hinübergerufen, die über die angesprochene Person hinausdeuten und ein persönliches Sehnsuchtsgefühl nach der verlorenen Heimat verraten:
… ein Weg
nach Rußland steigt dir ins Herz,
die karelische Birke
hat
gewartet,
der Name Ossip kommt auf dich zu…
Der Name Ossip; nicht der Mensch Mandelstam. Celan ist kein Dichter der Wesen und Tatsächlichkeiten. Er ist ein Dichter der Worte und Begriffe. Seine Poesie ist in einem hohen Maße abstrakt, dies aber nicht, weil er ein abstrakter oder – unsinniger Terminus! – ein konkreter Lyriker wäre. Sondern vielmehr, weil man ihm das Wirkliche fortgenommen hat: die Eltern, die Geburtsstadt, die Bukowina, die östliche Landschaft. „… Sprachwaage, Wortwaage, Heimatwaage Exil…“ Was ihm geblieben ist, was er sich zusätzlich erworben hat: die Dichtung – das kann ihm nur Ersatz sein; nicht aber Entschädigung. Kein neuartiger literarischer Stil, keine moderne Richtung wird von Celan vorgeführt. Ihm ist es darum zu tun, Existenz zu ermöglichen, und das unter Umständen, die alle Wortlaboranten längst zum Verstummen oder ansonsten zu einer Rückbesinnung auf den Wert vorrätiger Sprache gebracht hätten:
Von der Brücken-
quader, von der
er ins Leben hinüber-
prallte, flügge
von Wunden, – vom
Pont Mirabeau.
Wo die Oka nicht mitfließt. Et quels
amours! (Kyrillisches, Freunde, auch das
ritt ich über die Seine,
ritts übern Rhein.)
Mohn und Gedächtnis (1952) war Celans – noch romantisch artikuliertes – erstes gültiges Buch. In ihm hatte das Vokabular noch Aroma, die Metapher noch Fleisch, der Klang noch Trost. Sogar die „Todesfuge“ hörte sich, so grauenvoll das, was sie beschwor, war, ein wenig so an, als sei die Welt wieder in Ordnung zu bringen, als könne Poesie, wenn sie nur rhythmisch, magisch raunend und wohllautend sei, überwinden, retten, transzendieren.
Sprachgitter (1959) hingegen war – nach dem Ausklingen des Frühstils in dem schwächeren Band Von Schwelle zu Schwelle (1955) – ein Buch, das in Sujet und Tonart gleichermaßen Ausdruck davon gab, daß eine hochgradige Reflektiertheit in Verbindung mit einer geschockten Sensibilität kein Vertrauen zum Leben und keinen Kontakt zur Umwelt finden konnte.
Die Niemandsrose (1963) war dann ein Rückfall, ein Auseinanderbrechen, ein Infragestellen des schon Geleisteten. Kein Leser konnte wohl beim Erscheinen dieses Bandes erkennen, daß sich hier, wo das alte Repertoire noch einmal auf eine – streckenweise – geradezu dilettantische Art durchgespielt wurde, einige außerordentliche Themen und Bekenntnisse verbargen, die sich heute, vom Ende her gesehen, wie Stich- und Schlüsselworte lesen:
so
viel
wird gefordert von dem,
den die Hoffnung herauf- und herabkarrt
den Herzbuckelweg – so
viel
Damals, als man diese Verse las, fühlte man sich nur an weitere Stellen bei Rilke erinnert, man glaubte, etwas von dem Klima des Gedichts „Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens“ zu spüren; oder es kamen einem Sentenzen des Poems „Wendung“ in den Sinn, worin Rilke, Selbstgericht haltend, sich untersagte, die poetische Ernte künftig weiterhin aus dem Sichtbaren und Sinnlichen einzubringen:
Lange errang ers im Anschaun.
… Werk des Gesichts ist getan,
tue nun Herz-Werk…
Als Die Niemandsrose erschien, wirkte das, was in Wahrheit tiefe seelische Übereinstimmung war, nur wie eine Übernahme rilkeschen Fühlens, nur wie ein stimmungsmäßiges Zitat. Und sogar noch als Celan 1967 mit dem Band Atemwende (das Wort „Atemwende“ tauchte bereits in der Büchner-Preis-Rede auf) seinen neuen und endgültigen Ausdruck einer von Schuldgefühlen zerrissenen und moralisch geradezu hysterisierten Bruchstückdichtung gefunden hatte, war noch nicht auszumachen, daß hier etwas Irreversibles geschah; daß ein Gespräch versucht wurde, nun überhaupt nicht mehr mit den Menschen („Wir leben unter finsteren Himmeln, und – es gibt wenig Menschen…“, das hatte der Dichter schon 1960 in einem Brief an Hans Bender gesagt), sondern mit jenen transzendentalen Bereichen, an die zu glauben Celan so schwerfiel :
FADENSONNEN
über der grauschwarzen Ödnis.
Ein baum-
hoher Gedanke
greift sich den Lichtton : es sind
noch Lieder zu singen jenseits
der Menschen.
Celan, von nun an, findet nicht mehr zurück ins Kommunikative. Seine Schritte, in wie bewohnte Gegenden sie ihn auch führen; bringen ihn nicht an Orte, wo er wie andere empfinden und also – relativ – geborgen sein kann:
ABENDS, in
Hamburg, ein
unendlicher Schuhriemen – an
ihm
kauen die Geister –
bindet zwei blutige Zehen zusammen
zum Wegschwur.
Dieser Wegschwur wirkt wie ein Gelübde wider die Nachbarn, die in ihrer Vernünftigkeit uneinsichtig und in ihrer Zielstrebigkeit brutal oder doch unbedacht sind. Sogar die Geliebte, das gültigste aller Dus, kann weder gehalten noch als Stütze benutzt werden. In einem Gedicht, das sich selbst in eine Klammer zurücknimmt, wird über die Entfremdung, über das Einander-Entgleiten geklagt:
(ICH KENNE DICH, du bist die tief Gebeugte,
ich, der Durchbohrte, bin dir untertan.
Wo flammt ein Wort, das für uns beide zeugte?
Du – ganz, ganz wirklich. Ich – ganz Wahn.)
Das Abstürzen in eine solipsistische Welt ist nicht mehr aufhaltbar. Die Ich-Insel wird von Unbewußtem überflutet, und was noch an Konkretem da ist, was noch als gesichertes Wissen hereinsteht, verfärbt sich irreal, so etwa (dieses Beispiel stammt aus Fadensonnen von 1968) in dem Kryptogramm „Pau, nachts“:
Die Unsterblichkeitsziffer, von Heinrich
dem Vierten in
den Schildkrötenadel gewiegt,
höhnt eleatisch
hinter sich her.
Doch wenn der Dichter auch durch immer neue Wort- und Gefühlslabyrinthe flieht, es gelingt ihm nicht, seinen moralischen Zwangsvorstellungen zu entkommen. Vielmehr wird der Konflikt jetzt ins Gigantische vergrößert, und Celan (weil er zu glauben meint, bisher nicht genug Herz-Werk getan zu haben) will nun – gewissermaßen als Sühne – Verantwortung im universellen Maßstab tragen, ja, er fühlt sich noch zuständig für das, was es gar nicht gibt:
DIE SPUR EINES BISSES im Nirgends.
Auch sie
mußt du bekämpfen,
von hier aus.
Die psychischen Erdrutsche, die an der Persönlichkeit des Lyrikers arbeiten, finden bei vollem Bewußtsein statt. „Die Unze Wahrheit tief im Wahn…“ Celan erkennt beides: die Wahrheit und den Wahn. Wie einst Hölderlin, so bemerkt auch er die Vergletscherung seines Gefühls:
AUF ÜBERREGNETER FÄHRTE
die kleine Gauklerpredigt der Stille.
Es ist, als könntest du hören,
als liebt ich dich noch.
Die Liebe, jetzt, wird als zwangsjackenschön bezeichnet, und in dieser Stimmung, in dieser atomisierten Verfassung wird Kafkas berüchtigter Satz „Zum letzten Mal Psychologie“ zitiert, und es wird über das Vorhandensein und die Notwendigkeit normativer Bestimmungen, über die Mechanik von auswechselbaren, aber letztlich nicht abzuschaffenden Geboten und Verboten nachgesonnen:
DIE ABGEWRACKTEN TABUS,
und die Grenzgängerei zwischen ihnen,
weltennaß, auf
Bedeutungsjagd, auf
Bedeutungs-
flucht.
Lichtzwang schließlich, Celans letzter von eigener Hand vorbereiteter Gedichtband, setzt noch einmal mit einer kühlen Positionsdurchsage ein. Die persönliche Situation wird erkannt, der Weg zur Rettung gesehen, ironisch beschrieben:
HÖRRESTE, SEHRESTE, im
Schlafsaal eintausendundeins,
tagnächtlich
die Bären-Polka:
sie schulen dich um,
du wirst wieder
er.
Doch schon zwei Gedichte weiter ist die Düsternis wieder da, und das Leben wird zu einem uneinlösbaren Versprechen:
„Lemminge wühlten. // Kein Später.“ Celan kann sich nicht mehr entziehen. Das Andere, Stärkere lockt, zwingt:
VORGEWUSST blutet
zweimal hinter dem Vorhang,
Mitgewußt
perlt
Mitgewußt. Vermeintliche Mittäterschaft. Der Dichter wendet sich immer mehr gegen sich selbst, er bezichtigt sich nicht nur seines So-und-nicht-anders-Seins, er klagt sich auch der Rollen wegen an, die er spielt: „ALLMÄHLICH CLOWNGESICHTIG / … die Schminke Wahrheit blaugefrorn / im Winkelmund…“ Hier, möglicherweise, ist die Situation von Dichterlesungen gemeint. Das Zurschaustellen intimster Regungen auf einer öffentlich werdenden Zunge. Celan redet oftmals nur scheinbar dunkel. In Wahrheit deckt er seine Scham und seine Empörung ab. Ein Beweis für das außerordentliche moralische Verantwortungsgefühl zeigt sieh in dem Gedicht „Sink“, worin Celan zwar die Geliebte bittet, von ihm zu lassen, worin er aber gleichzeitig noch Fürsorglichkeit walten läßt, Schutz zu bieten versucht:
SINK mir weg
aus der Armbeuge,
nimm den Einen
Pulsschlag mit,
verbirg dich darin,
draußen.
Die Welt, im zerrissenen Gemüt, findet nicht wieder zusammen. Mitleid und Verzweiflung haben immer gepreßtere Stimmen. Und der Wunsch, ins Leblose einzukehren und selber tragender Grund zu werden, wächst ins Maßlose: „Wenn ich die Karrenspur fräße, / wär ich dabei.“ Nun ist es nicht mehr weit; der Horizont weicht zurück vor der denkenden Stirn, die ihn eindrückt. Neue Perspektiven, ungeheure Abgründe tun sich auf.
Jetzt, da die Betschemel brennen,
eß ich das Buch
mit allen
Insignien.
Solches Feuer, solchen Hunger nach dem Absoluten zu stillen, gibt es kein anderes Mittel als den Tod. Der aber ist noch nicht heran. Also muß vorgegriffen werden. Paul Celan ertränkt sich (Ende April 1970, sieben Monate vor seinem 50. Geburtstag) in der Seine:
Den Tod.
den du mir schuldig bliebst, ich
trag ihn
aus.
Die Gedichte der Folge Schneepart, die ein Jahr nach dem Selbstmord aus dem Nachlaß des Dichters erschienen, sind zwischen Dezember 1967 und Oktober 1968 entstanden, und zwar vor den Texten der Sammlung Lichtzwang.
Celan, auch in den Stücken dieses Bandes, setzt sich ausschließlich mit seiner inneren Situation auseinander, mit der Vereisung seiner Gefühle, seiner Vereinsamung. Da ist immer wieder von Schnee, Eis, Hagel und – Stein die Rede. Wohl leistet der Autor Widerstand. Er tritt der seelischen Vergletscherung entgegen („Schneepart, gebäumt, bis zuletzt, / im Aufwind…“), doch der Versuch, allein durch die metaphorischen Anstrengungen der Poesie siegreich zu bleiben, gelingt nicht mehr. Denn wenn der Dichter auch „die Wortschatten“ herauszuhauen trachtet, so werden mit solchem Bemühen nur noch Bezüge im zwischensprachlichen Bereich und keine auf kommunikativer Ebene hergestellt:
Zwei Finger, handfern,
errudern den moorigen
Schwur.
Moor, Moder sowie auch Verkohltes und Gefaultes sind Ausdrücke aus dem zweiten größeren Komplex Celanscher Nomenklatur. Und diese Begriffe, die in stets neuen Zusammenhängen auftauchen, verkörpern offensichtlich das Düstere, Unbewußte, von dem der Dichter sich so bedrängt sieht, daß er verlangend sagt: „Aus dem Moorboden ins / Ohnebild steigen“. Daß es das Moorige ist, vor dem Celan letztlich in das „Ohnebild“ des Todes flieht, wird auch von einem anderen Gedicht ablesbar:
Schwingmoor, wenn du vertorfst,
entzeigere ich
den Gerechten
Der Gerechte ist lebenslang im Unzureichenden interniert. Und erst mit dem Vertorfen des Moores, dem Beenden des Existenzjammers, wird die Befreiung (die Selbst-Entzeigerung) möglich: Der Gerechte kann gerecht nur sein als einer, der bereits aus dem Dasein getreten ist.
Vor Politik und Historie (vor diesen Dimensionen, die für ihn ein für allemal mit negativen Bedeutungen besetzt waren:
ein Saugarm holt sich
den Jutesack voller
Beschlußmurmeln aus
dem ZK…)
wich Celan in die Erinnerung aus: „in den Fundgruben / staut sich die Moldau“. Versuche, in der Gegenwart und ihrer sozialen Realität zu wurzeln, scheiterten, nicht zuletzt an der emotions- und geistlosen Glätte des automatisierten Lebens:
die bildersüchtige blanke
Rolltreppe
kann dich nicht spiegeln
Entfremdung und Enttäuschung wuchsen. Der Dichter sah sein Leben als eine ungewollte, aber unaufhaltsame Zeit-Raum-Verschiebung, die ihn „von der / Stehkneipe zur / Schneekneipe“ gelangen ließ.
Ähnlich wie Mallarmé, der aus verborgenen und vielfach überlagerten Motiven das innerlich nicht akzeptierte Sein zum absoluten Nichts zu degradieren trachtete, um sich selber als Hohepriester eines verbalen Sakralraums zu begreifen, grenzte sich auch Celan zunehmend von seiner Umwelt ab, indem er eine hermetische Kultsprache erschuf. Allerdings war es dem untergangssüchtigen Dichter aus dem europäischen Osten nicht gegeben, die Empfindungen abkühlen zu lassen und das Elend zu formalisieren. Celan, im Gegensatz zu Mallarmé, konnte keine Gelassenheit erlangen; seine Verzweiflung ließ sich nicht zu einem beredten Schweigen aufstilisieren, das den essentiellen Konfliktstoff kunstvoll aussparte. Celans ontologische Sichtweise war die eines Menschen, der Kälte und Leere nicht aus den Umständen eines – faktisch gesicherten – bürgerlichen Lebens imaginieren mußte. Das Vakuum stellte sich bei ihm von selbst ein, es entstand durch eine Auszehrung aller Dinge, Begriffe, Gefühle:
die Schütte
müßiger Andacht,
einen
Kolbenschlag von
den Gebetssilos weg…
Oder:
Die Ewigkeit hält sich in Grenzen…
Paul Celan, weil er aus dem Religiösen keinen Trost und aus der zwischenmenschlichen Sphäre keine Solidarität zu gewinnen vermochte, verlor sich in eine Isolation, die einzig von einigen Symbolen und Wortfetischen bevölkert war. Und als ihm schließlich auch noch die familiäre Basis abhanden kam und die Frau die „Geschneete“ wurde, schrumpfte ihm, dem auf uferlosem Wasser Ausgesetzten, die Welt zu einem bloßen „Beiboot“, das unerreichbar neben dem eigenen Scheitern trieb.
Hans-Jürgen Heise, aus: Hans-Jürgen Heise: Das Profil unter der Maske, Claassen Verlag, 1974
Das Gedicht ist einsam. Es ist einsam und unterwegs. Wer es schreibt, bleibt ihm mitgegeben.
In diesen lapidaren Sätzen hat Paul Celan seine Lebensgeschichte zusammengefasst. Er blieb dem Gedicht mitgegeben. Er blieb einsam und unterwegs.
Es wäre nur etwas Mutmaßliches, sich in stammelnder Prosa an Celans überwältigende dichterische Schöpfung heranzuwagen, um sie in hohlen Phrasen zu preisen oder an ihr unbefugte Literaturkritik zu üben.
Es wurde über das Phänomen Celan so viel Gelehrtes geschrieben und gesagt, gerätselt und enträtselt, dass dem Laien nur noch ehrfurchtsvolles Lauschen oder – in celanischer Sprache – Hineinlauschen und Erlauschen gestattet ist.
Ich möchte hier nur an den jungen Paul denken, an einen Paul, den ich das Glück hatte zu kennen und dessen Größe ich zwar nicht zu erkennen, jedoch zu erahnen vermochte.
Als ich unter dem erschütternden Eindruck der Todesnachricht einige Zeilen an die Stimme schrieb, habe ich den großen Dichter „unsern“ Paul genannt. Damit hatte ich einen Doppelkreis-Begriff benannt: 1) die weitere Sphäre unserer Landschaft, „eine Gegend in der Menschen und Bücher lebten“, die nun der Geschichtslosigkeit anheimgefallene ehemalige Provinz der Habsburgermonarchie…, aus der er mit uns kam und „unterwegs“ blieb; 2) die engere Sphäre der Generation, die – so paradox es in diesem Zusammenhang auch klingen mag – der Sprachlosigkeit anheimgefallen war.
Wir – seine Generation – sprachen ein nicht ganz fehlerfreies Deutsch, schrieben für den Schulbedarf ein nicht ganz fehlerfreies Rumänisch, hörten um uns einige slawische Dialekte, mussten dann auf der Hochschule Russisch und Ukrainisch lernen, und im Mittelpunkt blieb das ewig lebendige, ewig verbindende jüdische Idiom. Aus einem solch einzigartigen Sprachenknäuel hat sich ein Magier des Wortes die goldenen Fäden der Poesie herausgesponnen.
Erreichbar, nah und unverloren blieb mitten der Verluste dies eine: die Sprache. Sie, die Sprache, blieb unverloren, ja trotz allem. Aber sie musste nun hindurchgehen durch ihre eigenen Antwortlosigkeiten, hindurchgehen durch furchtbares Verstummen, hindurchgehen durch die tausend Finsternisse todbringender Rede.
Ich erinnere mich an einen Gymnasiasten, den ich fast täglich sah, als unsere Wege zur Schule sich irgendwo, in der Nähe der schönen Czernowitzer Kathedrale, kreuzten. Sein Schritt war für einen Sechzehn- bis Siebzehnjährigen seltsam bedächtig. Er schien nicht viel von dem, was um ihn vorging, aufzunehmen. Den schmalen Kopf hielt er leicht nach vorn geneigt, als kämpfe er gegen einen starken Windstoß. Er ging fast immer allein. Im Sommer, als man die Schuluniform glücklich ablegen durfte, trug er einen Tiroler Trachtenanzug mit grünen Aufschlägen. Das fiel nicht auf; wir Mädchen trugen ja auch mit Vorliebe unsere „Dirndl“. Die Fäden, die uns mit Österreich verbanden, wollten nicht gänzlich reißen.
Seine Stimme hörte ich zum ersten Mal, als er an einem vom französisch-rumänischen Freundschaftskreis veranstalteten Wettbewerb in einer Gruppe teilnahm, zu der auch ich gehörte. Es war eine Stimme wie keine andere, in einem seltsamen Register liegend, zwischen Mezzosopran und Alt. Es war eine Stimme, für die Gluck die Partie seines Orpheus geschrieben hatte. Worte reihten sich an Worte in makelloser Kadenz und in Gedanken, lauschend paraphrasierte ich den Ovidschen Hexameter:
… und was ich zu sagen versuchte, wurde ein Vers…
Man schrieb 1940 und war Student. Wir hatten ein neues „Vaterland“, in dem – dem Liede nach – „so frei das Herz im Menschen schlägt“. Wir sangen das Lied und glaubten eine Weile an seine schönen Worte. Wie es dann um diese Freiheit bestellt war, sollten wir etwas später erfahren, als die ersten Deportationen unschuldiger Menschen nach Sibirien anfingen.
Um uns erklangen die unbekannten Laute einer Sprache, die erlernt werden musste, wenn man ein Studium fortsetzen wollte. Czernowitz hatte sich vor unsern Augen in eine russische Provinz verwandelt.
An der Czernowitzer Universität, die in krasser Symbolik die Geschichte der Stadt widerspiegelte – von ehemaliger österreichischer Kulturstätte in eine zweitrangige, rumänische Hochschule verwandelt und, auf unerklärliche Weise, zu einer russischen Lehranstalt kläglichen Niveaus herabgesunken –, studierte Paul Celan romanische Philologie und englische Literatur.
Ich war eines Tages sehr erstaunt – auch sehr stolz –, als er mich bat, einige seiner Gedichte auf meiner Schreibmaschine abzuschreiben. Es musste ein Geheimnis bleiben, und so blieb es auch. Doch hatte ich das Glück, diese Jugendverse lesen zu dürfen. Sie schöpften ihren lauteren Trank aus dem Born Hölderlins und Rilkes und bezauberten durch ihre zwanglose Innigkeit.
Wenn ich an den jungen Paul denke – einen anderen habe ich nicht gekannt –, wird mir klar, dass keine einzige Facette seiner Persönlichkeit in irgendein Klischee hineinpasste. Er verabscheute die gewollte äußere Nachlässigkeit des Bohemiens, die junge Künstler oft als Stempel ihrer Identität und Eigenheit betrachten. Er war in konventionellem Sinne, doch auf natürliche Art, von tadelloser, lässiger Eleganz. Ich erinnere mich an eine ganze Reihe bunter Pullover und Westen, in die sorgende Mutterhände Schönheit und Liebe hineingestrickt hatten.
Die Universität, an der er mit uns studierte, konnte in keiner Weise den hohen Forderungen eines so begabten jungen Menschen entsprechen. Auch wir, seine Kollegen, boten ihm keine Kongenialität, wir konnten nur staunen und bewundern.
Paul war nicht nachsichtig. Sein Urteil – gleichviel, ob es sich um Lehrer oder Kollegen handelte – war scharf und von unbarmherziger Gerechtigkeit. Gerecht urteilen heißt oft verurteilen. Alles Dilettantische war ihm verhasst, und er übte keine Nachsicht, wenn es sich um Gelegenheitsdichter oder Musiker handelte.
Die höchsten Forderungen stellte er jedoch an seine eigene Person. Das Beste verlangte er von sich selbst. […]1
Paul war Vorzugsschüler und wollte es sein. Seine sprachliche Begabung war ungewöhnlich. Sein reines fließendes Französisch fiel bereits am Gymnasium auf. Später, als Student, begeisterte er uns durch ein akzentfreies Englisch, als er uns die von ihm so geliebten Sonette Shakespeares oder die dunkel verhangenen Verse Blakes vortrug. Als wir, seine Kollegen, noch im Stadium des Buchstabierens russischer Texte waren, las er bereits Tolstois Krieg und Frieden im Original.
Er liebte das Lob; die „Antwortlosigkeit“ war ihm unerträglich. Ein mit Vorzug bestandenes Examen konnte in ihm einen Sturm unbändiger Freude auslösen. Doch gerade er, der das „Du“ so tief ersehnte, war durch das eigene Genie so weit über die Mittellinie hinauf- und hinausgehoben worden, dass er zum Einzelgang vom Schicksal erkoren und verdammt war.
In Pauls kurzer Lebensgeschichte hat ein erbarmungsloses Fatum die Hauptrolle gespielt. Es haben ihm seine höchsten Gaben zum Segen und zum Fluch gereicht.
Mit einundzwanzig Jahren sah er sich plötzlich allein, in einer Welt, deren Rauheit dem wohlbeschützten Muttersöhnchen, das er so lange geblieben war, wie ein fremder Planet erschien.
Die Eltern fielen im Frühsommer des Jahres 1942 der Todesdeportation über den Bug zum Opfer.
Paul überlebte, da er zu jener Zeit in einer von Czernowitz weit entfernten Provinzstadt Rumäniens Zwangsarbeit leistete. Es waren die Jahre des „Schaufelns“, wie er sie mit Bitterkeit nannte. In jener Zeit der tiefsten Demütigung des Einzelwesens und des Volkes hatte Paul den Balsam seiner schöpferischen Gabe. Die wundgearbeiteten Hände schrieben deutsche Verse. Sie schrieben in der Sprache des Todes, des blauäugigen „Meisters aus Deutschland“.
Der junge Mann, der jene Zeit überlebte und dann wieder an der russischen Universität seiner Heimatstadt englische Literatur studierte und gleichzeitig als Übersetzer eines armseligen Lokalblattes sein karges Brot erwerben musste, wies nur noch eine äußere Ähnlichkeit mit dem Studenten der Vorkriegszeit auf. Das einst so schöne, warme Elternhaus war um das Teuerste beraubt worden, und es gab auch keinen Grabstein, den man mit heißen Tränen und zitternden Händen erwärmen konnte.
Die schönen Westen, die Mutter einst für den geliebten Sohn gestrickt hatte, waren dünn und fadenscheinig geworden, und in den ungeheizten Hörsälen der sogenannten Universität fror man an Leib und Seele.
Paul, der uns als junger Student so oft durch seinen Übermut mitgerissen hatte, Paul, der Beifallsstürme auslöste, als er „Kasperl“ oder „Ballerina“ spielte, als er Bukowiner-„Daitsch“ oder „Weanerisch“ sprach, als er Professoren oder Kollegen karikierte, Paul, der selbst noch laut lachen konnte, war nicht mehr mit uns. Er hatte sich irgendwo, in den Schutthaufen einer rumänischen Provinzstadt, „verschaufelt“.
In Bukarest – 1945 –, als ich ihn nur noch selten sah, schien um ihn bereits die Aura des Ruhmes.
Er zeigte mir den Geroy Naschewo Wremeni (Ein Held unserer Zeit), seine meisterhafte Übertragung des Werkes Lermontows ins Rumänische, strahlte über das Lob, das ihm im Vorwort zum Werk galt, und sagte leise:
Wenn es doch meine Mutter erlebt hätte! Ich glaube, dass sie manchmal an mir zweifelte.
Ich las auch den enthusiastischen Brief, den ein bekannter Schweizer Literat an den Bukowiner Dichter Alfred Margul-Sperber geschrieben hatte, in dem er „den großen Dichter“ Paul Celan begrüßte.
Im Vorausahnen einer ruhmreichen Zukunft ging Paul in die westliche Welt der Freiheit.
Wir sind eine kurze Strecke unseres Lebens nebeneinander dahergegangen. Dann gingen unsere Wege für immer auseinander.
Dorothea Müller-Altneu, in Die Stimme (Tel Aviv) 46, Nr. 281, April 1990
Hans Mayer: Erinnerung an Paul Celan, Merkur, Heft 272, Dezember 1970
WO FLEISCH IST
nach Paul Celan
Wo Fleisch ist,
ist Fressen für zwei.
Ein Knirschen von verträumten Eckzähnen
im Kotelett, dämmerndes Lächeln über der Jagdwurst.
Die weiße Mandelblüte der Gier
verweht im hetzenden Sprung.
Da erst gleitest du ganz hinab
in die Lust, die nur dein ist.
Frei schwingend im Blattwerk des schäumenden Sommers,
Rhododendronkelche.
Wo Fleisch ist,
ist Fressen für zwei.
Manfred Bieler
Paul Celan: Dichter ist, wer menschlich spricht. Ein Film von Ulrich H. Kasten und Hans-Dieter Schütt mit Eric Celan und Bertrand Badiou.
Gerhart Baumann hielt seinen Vortrag Paul Celan: Um-Wege zu sich und die offene Frage des Gedichts auf der Tagung Vom Sinn moderner Lyrik am 23. Januar 1971 im Haus der Katholischen Akademie in Freiburg.
Niemand zeugt für den Zeugen. 100 Jahre Paul Celan. Literarische Soirée am 30.9.2020 im Haus am Dom Limburg.
„wir wissen ja nicht, was gilt“ – Paul Celan zum 100. Geburtstag
Ein Abend zu Paul Celan am 18.5.2020 im Literaturhaus Berlin mit Hans-Peter Kunisch und Thomas Sparr. Es moderiert Eveline Goodman-Thau.
Paul Celan, Czernowitz & die „Todesfuge“. Helmut Böttiger berichtet.
Erreichbar, nah und unverloren. Reisen zu Paul Celan. Teil 1. Gespräch mit Helmut Böttiger.
Todesfuge – Biographie eines Gedichts. Alexander Suckel im Gespräch mit Thomas Sparr am 17.4.2020 im Literaturhaus Halle.
„Ästhetik und politische Dimension der Dichtung Paul Celans“. Mit Helmut Böttiger, Thomas Sparr und Monika Rinck; Moderation: Dieter Stolz am 23.11.2020 im Literaturforum im Brecht Haus.
Paul Celan in Europa – Videogespräch am 22.9.2020 im Rahmen der trilateralen Forschungskonferenzen 2020–2023 in der Villa Vigoni.
Paul Celan übersetzen – Gabriel Horatiu Decuble im Gespräch mit Ton Naaijkens und Alexandru Bulucz, Moderation Ernest Wichner am 6.11.2021 im Literaturhaus Halle im Rahmen der Tagung „Was setzt über, wenn Gedichte übersetzt werden“.
Clément Fradin, Julia Maas und Michael Woll stellen Paul Celans Bibliothek im Deutschen Literaturarchiv Marbach vor.
„Die Todesfuge. Zur Biographie eines Gedichts im Archiv“ – Thomas Sparr im Gespräch mit Jan Bürger, Kai Uwe Peter und Michael Woll
Michael Woll stellt Paul Celans Nachlass im Deutschen Literaturarchiv Marbach vor. Im Mittelpunkt stehen dabei die Hölderlin-Bezüge in Celans Texten.
Felix Philipp Ingolds Skorpioversa – Kehraus mit Celan
Zwischen „Grabschändern“ und „Linksnibelungen“. Wolfgang Emmerich im Gespräch mit Michael Braun über Paul Celans Verhältnis zu Deutschland und seinen deutschen Kritikern.
Carolin Callies, Ann Cotten, Daniela Danz, Aris Fioretos, Norbert Hummelt und Rainer René Mueller kommentieren Paul Celans Gedicht „Was es an Sternen bedarf“.
Paul Celan liest Gedichte in Jerusalem am 9.10.1969
Daniel Jurjew / Klaus Reichert: Paul Celan: Ich sehe seine Hellsichtigkeit, bei anderem denke ich einfach: er übertreibt
Frankfurter Rundschau, 19.4.2020
Gregor Dotzauer: Das Eigene und das Andere
Der Tagesspiegel, 19.4.2020
Susanne Ayoub: Es ist Zeit, dass es Zeit ist
Der Standart, 19.4.2020
Sandro Zanetti: Akute Dichtung: Celans Zumutungen
Geschichte der Gegenwart, 19.4.2020
Friederike Invernizzi: Sprechen zwischen Wunde und Narbe
Forschung & Lehre, 19.4.2020
Frank Trende: Die bewegende Geschichte der Todesfuge
shz.de, 19.4.2020
Dunja Welke: Paul Celan – Ein zerrissener Dichter
RBB, 18.4.2020
Stefan Lüddemann: Paul Celan, Dichter des Holocaust, starb vor 50 Jahren
Neue Osnabrücker Zeitung, 19.4.2020
Shmuel Thomas Huppert: Erinnerungen an Paul Celan
SR 2, 26.2.2020
Christoph Bartmann: Ein Riss, der nicht zu heilen war
Süddeutsche Zeitung, 20.4.2020
Christine Richard: Ein Leben, immer nahe am Untergang
Tages-Anzeiger, 20.4.2020
Anton Thuswaldner: „Die Welt ist gegen mich losgezogen“
Salzburger Nachrichten, 19.4.2020
Klaus Reichert im Gespräch mit Niels Beintker: Erinnerungen an Begegnungen und Gespräche mit Paul Celan
BR24, 20.4.2020
Rüdiger Görner: Asche atmen: Zu Paul Celan
Die Presse, 23.4.2020
Marko Martin: Paul Celan und die „Linksnibelungen“
Welt, 27.4.2020
Evelyne Polt-Heinzl: Paul Celan Ein Migrant in Wien
Die Furche, 8.4.2020
Andreas Wirthensohn: Todesklage für die Überlebenden
Wiener Zeitung, 21.11.2020
Klaus Demus: „Eine sehr große Freundschaft“
literaturoutdoors.com, 22.11.2020
Claus Löser: Fünf Filme für Paul Celan
Berliner Zeitung, 21.11.2020
Krisha Kops: Paul Celan: Dichter, Überlebender, Heimatloser
Deutsche Welle, 22.11.2020
Ulf Heise: Lyrik als Flaschenpost
Freie Presse, 22.11.2020
Susanne Ayoub: Paul Celan: Verlust der Heimat, Trauer um die Eltern
Der Standart, 22.11.2020
Wolf Scheller: Was nicht gesagt, nur angedeutet werden kann
Der Standart, 23.11.2020
Andreas Montag: Dichter Paul Celan – Der Schleier des Herbstes
Mitteldeutsche Zeitung, 23.11.2020
Andreas Müller: Paul Celan – zum 100. Geburtstag
Wiesbadener Kurier, 23.11.2020
Stefan Kister: Unter die Deutschen gefallen
Stuttgarter Zeitung, 22.11.2020
Paul Jandl: Vielleicht war Paul Celan einmal ganz er selbst. Da spielte er die Dürrenmatts beim Tischtennis in Grund und Boden
Neue Zürcher Zeitung, 23.11.2020
Sabine Glaubitz: Er schrieb das Unsagbare auf: Nachkriegsdichter Paul Celan wäre heute 100 Jahre alt geworden
stern, 23.11.2020
Volker Weidermann: Ein Grab in den Lüften
Der Spiegel, 20.11.2020
Jochen Hieber: Im Höhenrausch mit Ingeborg Bachmann
Der Spiegel, 23.11.2020
Stefan Brams: Interview mit Thomas Sparr – Paul Celan stiftet zur Erinnerung an
Neue Westfälische, 23.11.2020
Helmut Böttiger: Die graue Sprache
Süddeutsche Zeitung, 22.11.2020
Helmut Böttiger: Auf der Suche nach einer graueren Sprache
Jüdische Allgemeine, 21.11.2020
Albrecht Dümling: Die Todesfuge in Tönen
Deutschlandfunk Kultur, 20.11.2020
Nikolaus Halmer im Gespräch mit Barbara Wiedemann: Paul Celan: „Es sind noch Lieder zu singen jenseits der Menschen“
Die Furche, 11.11.2020
Harald Seubert: Lieder jenseits der Menschen und kodierte Zeit: Paul Celan (1920–1970). Zum Gedenken
youtube.com, 15.6.2020
Celebrating Paul Celan: An Evening with Pierre Joris and Paul Auster
youtube.com, 21.11.2020
Stadtführung „Auf den Spuren von Paul Celan“
youtube.com, 10.9.2020
Paul-Celan-Literaturtage 2020. Videopräsentation vom Paul Celan Literaturzentrum Czernowitz
Ausstellung Paul Celan 100 – Unter den Wörtern
Online-Begleitprogramm zur Ausstellung Paul Celan – Meine Gedichte sind meine Vita
West-östliche Konstellationen. Internationale Tagung als hybride Veranstaltung im Lyrik Kabinett, München, sowie online.
Tagungskonzeption und -organisation: Prof. Markus May und PD Dr. Erik Schilling (Institut für deutsche Philologie der LMU München)
8.–9.10.2020
Eröffnung
Ambivalente Topographien. Rilkes Dritte Duineser Elegie und Celans „Walliser Elegie“
„West-östliche“ Lesarten im Jahrhundert nach Celan
Das Schweigen über Brücken. Orte Celans bei Robert Schindel
Abendvortrag: Todesfuge. Biographie eines Gedichts
„Wortaufschüttung“. Materialität als Indexikalität bei Paul Celan
Betreten. Zum Anfang von Engführung
Celans Draußen. Über reale und sprachliche Räume in seiner Dichtung
„Stimmen vom Galgenbaum“. Celans west-östliches Rotwelsch
Paul Celans Todesfuge interpretiert von Diamanda Galas im Teatro Albeniz, Madrid, 15.10.2008.
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