Paul Celan: Fadensonnen

Mashup von Juliane Duda zum Buch von Paul Celan: Fadensonnen

Celan-Fadensonnen

DIE STRICKE, salzwasserklamm:
der weiße
Großknoten – diesmal
geht er nicht auf.

Auf der Schütte Seegras daneben,
im Ankerschatten,
neckt ein Name das
entzwillingte
Rätsel.

 

 

 

Das Misstrauen an der Sprache

Ein Zug, der den meisten zeitgenössischen Schriftstellern eignet, ist die Reflexion auf sich selbst und auf die Ausdrucksmöglichkeiten, die ihnen zur Verfügung stehen, sofern sie dies überhaupt noch tun. Eine Aussage ist aber nicht möglich ohne Sprache, sei es die gesprochene oder die geschriebene. Dabei erweist es sich, dass ein Wort als Funktionsträger immer schon Bedeutungen mit sich führt, die einen eindeutigen Gebrauch ausschliessen. Das Wort wird zum Verräter dessen, der es verwendet. Der heutige Schriftsteller empfindet tiefes Unbehagen, ja Misstrauen gegenüber der Sprache. So setzt er sie selbst zum Gegenstand der Reflexion, im Wissen darum, dass Aussagen über die Sprache auch nur in der Sprache möglich sind und sich damit selbst wieder relativieren.

Die Dinge sind Sprache
Ein Gedicht in Atemwende, dem letzten Sammelband Paul Celans, beginnt:

Fadensonnen
über der grauschwarzen Oednis

Damit fährt der österreichische Lyriker in seinen neuesten Gedichten weiter. Durch die dunkle, öde Welt dringt die Sonne nur noch in einzelnen Fäden, der Zusammenhang des Lichts ist verloren. Celan steigt hinab in die Tiefe („Die Tiefe / gibt ihr Gewächs her, unhörbar, / widerstandlos“), in die Tiefe des Lebens und in die Tiefe des Ichs. Je weiter er hinabsteigt, desto dunkler wird es, desto schwieriger lässt sich kaum noch Sagbares in den Mantel der Sprache hüllen. Die Sprache erweist sich als ein zu grobes Sieb, durch dessen Maschen die Erfahrungen des Ichs sich ins Unsagbare verflüchtigen.
Celan bewegt sich an der Grenze des noch Sagbaren. Seine Metaphern sind schon rational nicht mehr nachvollziehbar („Die schwarzdiaphane / Gauklergösch / in unterer / Kulmination“). Dadurch aber gewinnen sie an magischer Wirkung, die einer Erklärung nicht bedarf. Man ist immer versucht, Dichter in eine Klasse zu stellen, sie in der Linie einer Tradition zu sehen – meist eine unheilträchtige Versuchung. Celan steht ausserhalb jedes -ismus. In der Dunkelheit seiner Verse ist er vielleicht Hölderlin vergleichbar, ein Aussenseiter ebenfalls; die Bezogenheit auf das Innere evoziert den Weltinnenraum Rilkes. Mit einer gewissen Resignation muss Celan feststellen, dass jenes, was erinnert, wieder nach aussen zu tragen, kaum möglich ist. Die Wörter sind im Alltag der verwalteten Welt verschlissen worden.

Mach den Ort aus, machs Wort aus.
Lösch. Miss.
Vermessen, entmessen, verortet, ent-
wortet.

Den wirklichen Ort zu finden, zu ermessen, durch Worte zu umreissen, heisst gleichzeitig, beide auszulöschen.
Mit Vorliebe gebraucht Celan Komposita, zusammengesetzte Wörter, er verknappt die Sprache, erweitert sie dabei dadurch zugleich, indem er aus den Grenzen der überkommenen Sprache ausbricht, um ihre endgültigen aufzuzeigen. Die Komposita ziehen das Mark des Satzes an sich, die Handlung verflüchtigt sich, der Zustand lässt alle Bewegung erlahmen („Die herzschriftgekrümelte Sichtinsel / mittnachts, bei kleinem Zündschlüsselschimmer“). Die Wörter, sonst eingespannt in ein System von Bedeutungen, nennen nicht mehr. Die Sprache steht nicht mehr zwischen den Dingen, dem Ich und seiner Erinnerung, sondern ist alles zugleich. Celans Bewusstsein erweitert sich mit dem Sein der Dinge, die Sprache wird zu diesen selbst, koste es, was es wolle.

Kleide die Worthöhlen aus
mit Pantherhäuten,
erweitere sie, fellhin und fellher,
sinnhin und sinnher.

hvg., Freiburger Nachrichten, 23.8.1969

Lyrik

Paul Celan hat seinem Gedichtband Atemwende schon nach einem Jahr eine weitere Lyriksammlung folgen lassen. Sie ist unter dem Titel Fadensonnen im Suhrkamp Verlag (Frankfurt am Main) erschienen. Der Titel des Buches knüpft an ein Gedicht aus dem Band Atemwende an, das mit den Worten beginnt:

Fadensonnen
über der grauschwarzen Oednis

Der neue Band ist aufgeteilt in fünf Abschnitte, von denen jeder rund zwanzig Einzelgedichte enthält.
Paul Celans Gedichte ziehen sich immer mehr auf sich selber zurück. So sind die Gedichte seit dem Band Sprachgitter über die Niemandsrose und die Atemwende bis jetzt zu den Fadensonnen immer verschwiegener, zurückhaltender, unsinnlicher geworden. Mehr und mehr zeigt sich Paul Celans Dichtung als eine hermetische, durchaus esoterische Lyrik, in der die Bilder subjektive Verschlüsselungen sind. Diese Verse sind Zeugnisse einer weit ins Niemandsland vorangetriebenen Vereinzelung und Isolierung, äusserste Reduktionen am Rande der Sprache, Positionsmeldungen eines Dichters, der sich als Stellvertreter versteht, der an der Welt leidet.

Seelenblind, hinter den Aschen,
im heilig-sinnlosen Wort,
kommt der Entreimte geschritten,
den Hirnmantel leicht um die Schultern,

den Gehörgang beschallt
mit vernetzten Vokalen,
baut er den Sehpurpur ab,
baut ihn auf.

Das Gedicht „Fadensonnen“ aus dem vorletzten Band Atemwende schloss mit den Zeilen:

es sind
noch Lieder zu singen jenseits
der Menschen.

Nun aber, in den jüngsten Versen Celans, bleibt kaum noch ein „singbarer Rest“ – die Stimme droht zu ersticken.
Viele Gedichte des neuen Buches entziehen sich ihrer subjektiven Verschlüsselung wegen der Interpretation, bleiben weithin schwer oder kaum verständlich. Denn diese Gedichte sind ganz in der Sprache verwurzelt, nicht mehr in einer greifbaren Realität, ihr Sinn ist nicht von der Aussenwirklichkeit her zu erschliessen. Paul Celan erbaut in seinem Werk eine reine Wortwelt:

Celans Sprachzeugungen haben keine Aussenbeziehungen mehr, in ihnen rollt sich die Sprache selber ein und wieder aus. (Joachim Günther)

Aus sich selbst heraus – und das heisst aus dem Verständnis des von aussen kommenden Lesers – ist manches dieser Gedichte nicht zu begreifen. Jedes Wort bei Celan steht in einem Bedeutungs- und Bezugsystem, ist im Kontext einer eigenen, individuellen Metaphorik zu sehen. Die genaue Kenntnis der Celanschen Schlüsselwörter und -bilder ist zu einem wirklichen Verständnis dieser Dichtung unerlässlich (– und so ist es auch keineswegs eine überflüssige Philologenmühe, wenn Horst Peter Neumann eine „Wortkonkordanz zur Lyrik Paul Celans 1952–1967“ erarbeitet hat, die in Kürze erscheinen wird).
Freilich: die subjektive Verschlüsselung ist nicht nur ein Problem für den Interpreten, sie bedeutet auch zugleich eine Gefahr für die Dichtung selbst: die Gefahr nämlich, dass sie so in sich verschlossen ist, dass ein Eindringen des ja immer von aussen kommenden Lesers unmöglich wird; dass die Gedichte also jenseits der Grenze liegen, die ein Du nicht überschreiten kann, dass also Kommunikation ausgeschlossen bleibt. Vor Jahren hat Paul Celan in einer Rede einmal gesagt:

Das Gedicht ist einsam. Es ist einsam und unterwegs.

Es besteht die Gefahr, dass das Gedicht sich ganz in seiner Einsamkeit abkapselt.

Wa., Die Tat, 18.10.1969

Poetischer Sarkasmus

Fadensonnen und die Wende zum Spätwerk. –

Ce n’est pas le massacre de milliers d’innocents qui nous invite à désespérer de l’avenir, mais que de telles abominations ne posent déjà même plus de cas de conscience individuels.
Georges Bernanos

1. Vorstellungen von Wortspiel, Wortwitz oder Sprachironie verbinden sich auf Anhieb schwerlich mit Celanscher Lyrik. Daß Celan selbst gelegentlich Nonsens-Strophen gedichtet hat – mit Titeln wie „Abzählreime“ oder „Großes Geburtstagsblaublau mit Reimzeug und Assonanz“1 –, ist für den Leser, der den Autor von Mohn und Gedächtnis oder Atemwende her kennt, wohl eher überraschend, auch wenn er sich an einzelnen Stellen, vor allem des Spätwerks, die Frage vorgelegt haben sollte, ob hier – überpointiert ausgedrückt – zwischen Tiefsinn und Unsinn immer genau unterschieden werden kann.
Daß sich indessen, rein formal betrachtet, spezielle Verfahrensweisen der Nonsens-Gedichte und allgemeine Verfahren Celanscher Sprachgestaltung recht nahe kommen, ist leicht zu zeigen: „Hihihimmel und Ho,ho- / sianna“ (Sg 63) entsprechen sich unmittelbar, hättenhätten und Nacktnackte  oder Nichtnicht in der Wort-Reduplikation ebenfalls; „weil-weil-Jaweil wozu“ läßt etwa an „Wann, wannwann, / Wahnwann, ja Wahn- /“ (Nr 73) denken, außerdem und innerdem an entsprechende adverbielle Doppelformeln von polarem Charakter; eine Zeile „wie Russruss, Landam, Erika“ erinnert auf Grund der Segmentierungsweise an mit den ‑ „Men, mit den Schen, mit den Menschen“ (Nr 35). Kaum bedarf es weiterer Hinweise auf die konstruktiv-sprachspielerische Verwendung sprachlichen ,Materials‘, des Flexionsparadigmas des Verbs „Ich grabe, du gräbst…“ (Nr 9), der Gegenüberstellung von Simplex, Praefix und Compositum, – „ich flocht, / ich zerflocht,  / ich flechte, zerflechte. / Ich flechte.“ (Nr 69), der progressiven Auflösung der Worte in den reinen Klang ihrer Vokale, wie sie sich in den berühmt gewordenen, stufenmäßig abgesetzten Zeilen „Tiefimschnee, / Iefimnee, / I-i-e“ (Aw 35) vollzieht: die Frage nach der sinnkonstituierenden Bedeutung des Sprachspielerischen in den Gedichten ist offensichtlich nicht peripher, sondern führt ins Zentrum Celanscher Sprachgestaltung.

2. Es gehört zur Dialektik sprachspielerischer Verfahrensweisen, daß das formale Prinzip der Entstehung und Verknüpfung neben der inhaltlichen Aussage erhalten bleibt oder diese in den Schatten stellt. Das Artistische des Jonglierens mit Wortmaterial konkurriert mit der Bedeutungsdimension des Gesagten, ein Streit, der freilich dann von vornherein geschlichtet ist, wenn – wie im Nonsens-Gedicht – auf eine übergeordnete Sinnebene von vornherein verzichtet wird zu Gunsten der geistreichen und überraschenden Handhabung der spielerischen Möglichkeiten. In den anderen Fällen, in denen das sprachspielerische Moment nur eines unter anderen ist, ergibt sich das Problem der Integration, da das Artifizielle und Formelle sich nicht ohne weiteres einordnen und unterordnen läßt. Nun ist es sicherlich keine Frage, daß in den genannten Gedichten, wie in zahllosen anderen, die Elemente des Spielerischen, auf welcher Ebene sie auch immer angesiedelt sein mögen, vollkommen in die Bedeutungsdimension des Ganzen integriert sind. Das Formale der Bildung und der Ableitung wird selbst auf mittelbare Weise zum Sinnträger, d.h. es erreicht jene Dimension des ,Tief-Sinns‘, die dem ganzen Gedicht eignet, und nimmt damit keinen anderen Status ein, als das auf anderer – poetologischer – Ebene nicht weniger auffallend artifizielle Moment des Wort Enjambements. Welcher Subtilität es bedarf, um diese Vermittlung zu leisten, zeigt ein Gedicht, das gattungsmäßig eine Randstellung in Celans Œuvre einnimmt: das an sich fast aufdringliche Klangspiel von Mandelbaum über Bandelmaum und Trandelmaum zu Machandelbaum wirkt formal und bedeutungsmäßig völlig ungezwungen innerhalb eines Gedichts, das als „Gauner- und Ganovenweise“ (Nr. 27f.) sowohl das Ironische wie auch das Grelle besonderer Sprachgebung von vornherein rechtfertigt. Immerhin scheint ein Envoi erforderlich zu sein, der die Bedeutungsdimension der vorangegangenen Weise eindeutig festlegt und außerdem den gattungsgeschichtlichen Sonderfall dem Ganzen des Zyklus Die Niemandsrose seinerseits ein- und unterordnet.
Neben den vielen Gedichten, in denen das Wort- und Klangspiel dem Sinn vollkommen dienstbar gemacht wird, gibt es in Celans Werk aber auch andere Möglichkeiten, das Artifizielle und sein Spannungsverhältnis zur Bedeutungsebene zu funktionalisieren. Dabei unterliegt es keinem Zweifel, daß Celan selbst sich gegen die Verselbständigung formaler Techniken gewandt und ein solches Prinzip dichterischen Sprachspiels schon früh abgelehnt hat. Zu dem Verdacht, das formalisierte Spiel mit den Elementen entziehe sich, gerade auf Grund seines inhaltlichen Nicht-Festgelegt-Seins, dem individuell verantworteten, menschlichen Sinn, kommt offensichtlich der zweite, diese Autonomie des Spielerischen sei nichts anderes als die Wiederbelebung eines ästhetizistischen Verständnisses vom Gedicht.2 Es ist außerdem deutlich, daß das Prinzip der formalen Konstruktion – im Hintergrund steht die Programmatik der sogenannten konkreten Poesie – bei Celan die Erinnerung an jene ,Machbarkeit‘ von Texten weckt, die vom ,Machbaren‘ zur ,Mache‘ und zur „Machenschaft“ wird, eine Erinnerung, die für Celan mittelbar zur nationalsozialistischen Lyrik als der Erfüllungsgehilfin einer unmenschlichen Zeit führt.3
Trotz dieses generellen Einwandes hat sich Celan der sichtbaren und sichtbar bleibenden Formalität artifizieller Sprachspiele bedient, freilich in einem sehr speziellen Sinne, der mit den genannten Äußerungen durchaus in Einklang steht.4 Das verselbständigte Formelle, das sich dem ,tiefen Sinn‘ nicht mehr unterordnet, wird zur Darstellung des ,Wider-Sinns‘ benutzt, wenn dieser Begriff im Sinne von Celans eigener Prägung der Gegengeschöpfe (Aw 25) verstanden wird. Man erreicht damit den Umkreis dessen, was im weitesten Sinne uneigentliche und ironische Aussage zu nennen ist. In diesem Umkreis kann das sprachspielerische Moment zum Signal der Uneigentlichkeit werden, das zudem aggressiv wirkt; es nähert sich gleichsam dem dadaistischen Jonglieren mit Lauten, welches die Sprache, ihre geläufige Funktion als Kommunikationsinstrument ,subversiv‘ unterläuft. Wofür steht es als Signal? In welcher Weise wird es aggressiv? Wichtige Aufschlüsse gibt das Gedicht „Huhediblu“ (Nr 73). Das sinnlose Klangwort des Titels entsteht aus einer zweifachen Umstellung und Entstellung der Wortfolge „Wann blühen die“, einer Wortfolge, die ihrerseits die Übersetzung eines Verlaine-Zitats darstellte, auf dessen originalen Wortlaut das Gedicht an seinem Ende ausdrücklich zurückkommt:

Oh quand refleuriront, oh roses, vos septembres?

Das Verfahren der spielerisch erzeugten Klang-Entstellung bestimmt außerdem in weiteren Varianten das ganze Gedicht, nicht ohne daß diesem Spiel zugleich die alles andere als unbeschwert spielerische Dimension geschichtlicher Wirklichkeit zugeordnet würde:

Hüh – on tue… Ja wann?

Im Sinne dieser Koordination entsteht lautspielerisch aus einem Beikraut ein Beiwort, aus diesem ein Beilwort und daraus schließlich das Fallbeil; offensichtlich wird kein Unterschied gemacht zwischen einem todbringenden Wort und todbringendem Handeln, zwischen Feme-Poeten, die das verantwortungslose, lügenhafte Wort ausgeben, das falsche Urteil sprechen, und der verantwortungslosen, unmenschlichen Tat. Äußeres Signal für diese im Gedicht vollzogene Identifikation ist das sozusagen semantisch verantwortungslose, artifizielle Klangspiel, das sich seiner äußeren Wirkung überläßt, während es in der Bedeutung – gleichsam ohne es zu bemerken –, den Übergang vom Beiläufigen zum Todbringenden vollzieht.
Im Geltungsbereich dieser Signalwirkung des Wortspiels zeichnet sich ab, wo und wie das Gedicht wahres und falsches Sprechen auseinander hält, außerdem, wo es dem Gesetz seines eigenen Sprechens folgt, wo es das Gesetz des falschen Sprechens auf ironische – und mehr als ironische – Weise bloßstellt.
Die echten Töne haben die Qualität eines Achsentons, aus der Mitte des Lebens und des Herzens heraus gesprochen. Diese einmal gültig gesprochenen Worte können im Gedicht auch in Zitatform weitergesagt werden, wie in diesem Falle die Frage Verlaines, mit der Sinn und Verantwortlichkeit dichterischen Sprechens als Fragwürdiges zur Debatte steht. Im Gegensatz dazu werden die falschen Töne eigentlich gar nicht ,gesprochen‘; es handelt sich um ein unter- oder vorsprachliches Verhalten. Wenn Schinderhannes und Julchen, die nach einem von Celan übertragenen Gedicht Apollinaires für die spezifisch deutsche Art, Verbrechen zu begehen, genannt sind – „Puis [toute la bande / s’attendrit à l’allemande] Avant d’aller assassiner“,5 – wenn dieses Verbrecherpaar also zu Werke geht, so tut es dies, wie das Gedicht mit scharfer, durch ein klangspielerisches Signal indizierter Ironie sich ausdrückt, frugal, sozial und alibi-elbisch. Das Wort, das im Munde von Julchen zum Fallbeil wird, wird gar nicht gesprochen; vielmehr „daseinsfeist rülpst, / rülpst es das Fallbeil los“. Das Gedicht gelangt zu der Sprachform des Sarkasmus, zu der sich hier Ironie verhärtet.

3. Das Gedicht „Huhediblu“ ist in dieser Hinsicht kein Einzelfall. Wann immer von dem unheilvollen, latent verbrecherischen Wort und Gedicht die Rede ist, verfällt Celan in die Diktion der Verbitterung, vornehmlich in der Form des Zynismus und des Sarkasmus. Der Begriff Sarkasmus bezeichnet in solchen Zusammenhängen nicht nur einen bestimmten ,Energiegrad‘ der Ironie, der allgemein als „ins Fleisch schneidende Ironie“ (δαρκάζω) bezeichnet wird,6 sondern weist eine bei Celan sicherlich nicht zufällige inhaltliche Komponente auf, die mit dem ursprünglichen Wortsinn von sarx ebenfalls zu tun hat: sprachlich-geistige Vorgänge werden auf das Nackt-Organische, auf das geistlose Funktionieren des Physischen zurückgeführt.
Sarkastische Ausfälle in diesem Sinne finden sich bereits in Celans Frühwerk, etwa in dem Gedicht „Argumentum e silentio“ (VS 62f.). Das aus dem Schweigen hervorgehende ,Argument‘ legt Zeugnis ab „wider die andern [Worte], die bald, / die umhurt von den Schinderohren, / auch Zeit und Zeiten erklimmen“. Das den Opfern des Nazismus, ihrem Untergang und ihrem Tod abgelauschte Wort des Schweigens bezeugt als einziges das Menschliche und das in der Erinnerung zu Bewahrende. Es steht gegen eine beredte Sprache der unechten oder geheuchelten Gedenkfeiern, der beschönigenden oder verharmlosenden Erklärung, eine Sprache, die gerade deshalb Erfolg hat, Epoche machen kann, weil sie sich auf ,unzüchtigen Umgang‘ mit den ,Schindern‘ einläßt. Der brüsk ausgedrückte sexuelle Vorgang, auf den in diesem Zusammenhang sprachliches Geschehen zurückgeführt wird, bezeichnet mit der Vorstellung von der Hure Sprache die Wurzel des Celanschen Sarkasmus. Auch in „Huhediblu“ wird das ,Rülpsen‘ Julchens noch zynisch kommentiert:

call it (hott!)
love.

In Celans späteren Werken verschärft sich die sarkastische Tonlage in der Weise, daß sie die Diktion ganzer Gedichte bestimmt. In zunehmendem Maße entfallen außerdem die klang- und wortspielerisch gesetzten Signale, der blanke Sarkasmus behauptet das Feld. Die damit eintretende poetologische Wende ist besonders deutlich in Gedichten aus Fadensonnen zu erkennen. Zur Demonstration eignen sich zumal Texte, die sprachlich und thematisch auf ältere Formulierungen ausdrücklich zurückweisen.

4. Der Eingang des Gedichts Fs 48 schließt sehr betont, fast in der Art des Selbstzitats, an Früheres an. Wie in dem Nelly Sachs gewidmeten Gedicht „Zürich. Zum Storchen“ (Nr 12) ist von dem emphatisch genannten Du wieder die Rede, jener durch das Pronomen  p e r s o n a l  angesprochenen, ebenso bezweifelten wie erhofften Instanz, die dem Gedicht sein Sinnzentrum und damit auch seinen Wert als besonderer Form sprachlicher Kommunikation verbürgen soll. Die abschließenden Verse des früheren Textes bringen, in einer von Zeile zu Zeile sich forttastenden Bewegung, eine Gratwanderung zwischen Wissen und Nichtwissen zum Ausdruck, die aber jenseits von Zweifel und Verzweiflung im Gemeinsamen von Ich und Du, im wechselseitigen Zuspruch Halt gewinnt. Im Sinne dieser Gemeinsamkeit realisiert sich das Gedicht als Zeugnis für den Sinn des rückhaltlos Personalen, wenngleich die Frage nach „Du und Aber-Du“ (Nr 12), nach dem absoluten Grund von Personalität, einem hellsichtigen Nichtwissen überantwortet bleibt.
In den Anfangszeilen von Fs 48 ist von solchem Halt nichts mehr zu spüren. Im Konditional wird eine Situation benannt, in der das Ich ohne ein direktes Gegenüber, ohne Du ist. Die in Niemandsrose und Atemwende immer wieder erkennbare Basis für das dichterische Reden scheint sich aufgelöst zu haben, zumindest zeitweise, wenn man das Konditional auch temporal auffaßt. Im Fall dieses Verlustes von Sinn treten statt eines Du anonyme sie auf, Gestalten von lückenhafter Identität: zwar wird ihnen eine gewisse Fähigkeit zu Rede oder gar zu Gesang bescheinigt, zugleich aber volle menschliche Statur abgesprochen. Der Sarkasmus des pars pro toto bestimmt die weiteren Aussagen. Hirnlose Sprecher haben einen Stamm besungen, dem offenbar die Substanz des Humanen, Erfahrung und Verständnis von Personalität, stets abgegangen ist. Um wen es sich jeweils handelt, ist nicht gesagt, auch nicht, wenn man in den ,Hirnlosen‘ Opfer sieht, die selbst um den Kopf gebracht worden sind, und wenn man in dem Kompositum die Freigeköpften einen besonders schlagenden Zynismus erkennen will.
Wohl aber werden Art oder Inhalt des genannten Singens weiter geschildert: Aschrej, das ausschlaggebende Rätselwort des Gedichts, dessen Sinn sich entschlüsseln läßt, obwohl er denen, die das Wort im Munde führen, unbekannt bleibt, transtibetanisch ist.
Das Wort bezeichnet im Althebräischen eine Anreden einleitende Interjektion mit der Bedeutung ,heil‘ oder ,wohl‘ der alttestamentliche locus classicus Aschrej Israel lautet in der Übersetzung Luthers:

Wohl dir, Israel! Wer ist dir gleich?…7

Das kopflose Nachsprechen des gewalttätigen Kernworts des Nationalsozialismus, ,Heil‘, ist in doppeltem Sinne verblendet: es ist sich weder der historischen Dimension und Bedeutung eines solchen Wortes, das die Leidensgeschichte eines Volkes durch Jahrtausende umschließt, bewußt, noch seiner realen Folgen gewärtig. Die Erbitterung, mit der hier der ,Hitler-Gruß‘ in die Sprache und Sprachgeschichte derer übersetzt wird, für die er das Todesurteil bedeutete, pflanzt sich in der scheinbar paradoxen Formel „der Jüdin / Pallas / Athene“ fort. Eingebettet in die sarkastische Versfolge, welche die Metapher von der geistigen Zeugung beim Wort nimmt und als sexuellen Vorgang ausdrückt, vermittelt sie eine Vielzahl von Bedeutungsebenen, deren erschreckendste, die konkreteste, die Erinnerung an die in den Konzentrationslagern vorgenommenen Sterilisationsexperimente, ist. In dem zeugungskräftigen Wort sind Ungeist und Untat latent vorhanden; darin liegt der unerkannte Sinn, Tod und Schändung der Jüdin wie der Tod des griechisch-abendländischen Geistes, den auch seine Wehrhaftigkeit in Gestalt der Athene nicht bewahrt. Zwischen Wort und Tat, Ungeist und Untat – dies ist der Sinn der sarkastischen Engführung – kann und darf nicht unterschieden werden, vor beidem hat man auf der Hut zu sein, auch wenn sich das Wort als Dichtung ausgeben sollte.
Diese ausdrückliche Erweiterung wird in dem zweiten Konditionalsatz des Gedichtes vorgenommen. Am Anfang findet sich wieder ein Rätselwort, analog zum Eingang ein Personalpronomen er, ohne daß eine dahinterstehende Identität auszumachen wäre. Weitere Analogien folgen: die sarkastische Feststellung des Unter- oder Vormenschlichen durch foetal, das dem transtibetanischen Aschrej vergleichbare karpatische Nichtnicht, das noch einmal ein Klangsignal in oben beschriebener Funktion darstellt. Sein Sinn liegt vielleicht in der Kennzeichnung einer scheinbar heroischen Haltung der Negation oder eines Nihilismus ohne soziale und ethische Normen, dürfte sich aber wohl erst präziser bestimmen lassen, wenn Celans geistige und dichterische Welt weiter erschlossen sein wird. Das Resultat solchen Sprechens jedenfalls ist eine spitzenfeine Dichtung von gewollt hoher ästhetischer Form und von durchdachter Machart, deren Anspruch, unsterblich zu sein, und deren Gattungscharakter als ,Lied‘ einmal mehr dem Inbegriff „à l’allemande“ entspricht. Ihre Hohlheit und Gefährlichkeit kennzeichnet der sarkastische Doppelsinn von „sich übergeben“. Der angemaßten Unsterblichkeit wird das un- genommen.

5. Wie das Gedicht „Huhediblu“ und die darin feststellbare Funktion des Klangspiels für eine ganze Gestaltungsschicht in Niemandsrose und Atemwende bezeichnet ist, so „Wenn ich nicht weiß, nicht weiß“ für Wege der Gestaltung, die sich in Fadensonnen zum ersten Male deutlich abzeichnen und in den folgenden Werken verbreitern und verzweigen. Der engere Bereich, innerhalb dessen sich dem Gedicht Fs 48 analoge Themen zuordnen lassen, sei zunächst an weiteren Beispielen aus Fadensonnen dargestellt.
Wie immer man „karpatisches Nichtnicht“ verstehen mag, ein entsprechendes, wenngleich inhaltlich anders akzentuiertes Phänomen dürfte die positive, ihrer selbst gewisse metaphysische oder religiöse Welterklärung sein, die, ebenfalls „à l’allemande“, im Gewand des Gedichts ihre Ansprüche erhebt, ohne der alles in Frage stellenden Erfahrung der jüngsten deutschen Vergangenheit eingedenk zu bleiben. Auch eine solche Botschaft steht unter dem Verdikt von „Fad und Falsch“ (Fs 10), sie wird – mit zynischem Rückgriff auf den Jargon – als „üppige Durchsage“ angeprangert (Fs 86) die, gänzlich deplaziert, in einer ,Toten-Gruft‘ durchgegeben wird. Der Charakter dieser Durchsage ist durch die Umdeutung des in der Gruft noch wahrnehmbaren ,Gasgeruchs‘ – erneut der Hinweis auf die NS-Zeit – in einen „Geruch / der Heiligkeit“ bezeichnet. Auch hier trägt die sarkastische Reduktion des Geistig-Sprachlichen auf das Physisch-Organische die sprachliche Emphase, die Bitterkeit der Entgegnung, wenn es heißt: „Brenzlige / Jenseitsschwaden / treten uns dick aus den Poren“, und wenn der Ursprung der so entstehenden Dichtung hohen metaphysischen oder sakralen Anspruchs im körperlichen Krankheitsherd lokalisiert wird:

in jeder zweiten
Zahn-
karies erwacht
eine unverwüstliche Hymne.

Das epitheton ornans, welches das Gedicht für derartige Poesie findet, negiert auf zynische Weise den Anspruch auf Überzeitlichkeit, indem es seine Herkunft aus der Werbesprache des Supermarkts, seine eigene, ,unverwüstliche‘ Trivialität zu erkennen gibt.
Thematisch nahe verwandt ist das Gedicht „Gewieherte Tumbagebete“ (Fs 51). Es ist darin wohl von Veranstaltungen die Rede, die ausdrücklich dem Gedenken, dem Vergangenen gewidmet sind, deren offiziöser Charakter es aber erlaubt oder begünstigt, daß mehr oder minder kaschierte Heuchelei den Ton angibt. Die Hinwendung zum Geschehenen wird zum Alibi. Rituelle Totengebete an der traditionellen Scheinbahre (Tumbagebete) stellen auf diesem Hintergrund Schein-Reden dar von untermenschlichem Niveau, sie sind gewiehert, die Blumen des Gedenkens von Bluthufen zusammengescharrt, womit wohl zusätzlich angedeutet werden soll, daß die Gedenkenden am Blut der anderen, derer gedacht werden soll, schuldig sind. – Mit näherem Verweis auf Dichtung, und betont lässig formuliert, wird es später heißen:

DIE ENTSPRUNGENEN
Graupapageien
lesen die Messe
in deinem Mund
(Lz 43).

Eine weitere grundsätzliche Fehleinstellung zu Geschichte und Gegenwart kommt in der trivialen Devise, die ausdrücklich dem Jargon entnommen wird, zur Sprache:

es geht […] immer noch aufwärts [Fs 87).

Der vieltausendjährige Teig eines unbeirrt vereinfachten und vereinfachenden Fortschrittsoptimismus hat mit der Vorstellung von Wachstumsraten als Garanten der Zukunft den höchsten Grad der Simplifizierung erreicht.8 Auch hier ist Geschichte übergangen, nur scheinbar berücksichtigt: mit deformierendem Sarkasmus wird ein prähistorischer „Kiefer“ genannt, der „aller Frühzeit“ gedenkt. „Huf- / schläge des Vorgetiers“ begleiten als Rhythmus die entsprechenden dichterischen Äußerungen: Dichtung als „Hefen-Arioso“, Gesang vom ,Bodensatz‘, der sich als ,Ferment‘ für „fladenschön-singbares Wachstum“ ausgibt. Nur dem jeweiligen Autor verschaffen solcherlei Arien das trügerische Selbstgefühl von Geistigkeit und Überzeitlichkeit. Das Gedicht zieht alle Register der zynischen und sarkastischen Töne, um darüber seinen Hohn auszugießen:

ein schatten-
loser Geist, ent-
einsamt, ein
unsterblicher,
bibbert
selig.

Die genannten Texte aus Fadensonnen machen deutlich, welche gehaltliche Basis den verschiedenen Spielarten des Sarkasmus zugrunde liegt. Es ist kein Zufall, daß die Redeweise des pars pro toto seine am häufigsten vorkommende stilistische Version bildet. Die spezifische Aggressivität entsteht daraus, daß den Angegriffenen das volle Person- und Subjektsein abgesprochen, daß die die Humanität bestimmenden Größen von Logos und Psyche in Abrede gestellt werden. In Erscheinung treten deformierte Wesen, die mit Organismen oder einzelnen Organen gleichgesetzt, mit Tierischem auf eine Stufe gestellt werden.9 Ihr Kennzeichen ist der Defekt. Daß solchen Rumpfgestalten Verhaltensweisen zugeordnet werden, die an sich auf Sprache und Geist zu beziehen wären, macht die verletzende Schärfe des Sarkasmus aus.10 Wenn es darum geht, die von den Defekt-Wesen gebrauchte Sprache, in der Unzahl ihrer Zungenschläge, als defekte Sprache hörbar werden zu lassen, übernehmen Sarkasmus und Zynismus nach und nach – in Fadensonnen jedoch deutlich erkennbar – diejenige Funktion, die im früheren Werk vorwiegend dem forcierten Klang- und Wortspiel zukam.
Damit tritt der Sarkasmus dem erschwiegenen Wort als Negativum an die Seite, oder um den Sachverhalt direkt in Anlehnung an „Argumentum e silentio“ zu formulieren: als ,Gegenzeugnis‘ dem Zeugnis.11 Daraus folgt ein weiteres. Worte des Zeugnisses haben eine besondere Sprach-Geschichte, in der sie, Sprachen und kulturgeschichtliche Räume wechselnd, in prophetischer oder in dichterischer Überlieferungskette tradiert werden;12 sie bezeugen in dieser Tradition so etwas wie die kontinuierliche Anwesenheit des Wahren und des Menschlichen, wie sehr es auch im Laufe der Geschichte unter dem Gegenteil verborgen und unsichtbar sein mag. Wie es diese Sprach-Geschichte gibt – und Celans Dichtung tut alles, sie ins Bewußtsein zu heben –,13 so auch eine Geschichte der Gegenworte. Wo sie auftreten, gerät das Gedicht ins Eifern, wie nur eh und je ein Prophet gegen Ninive oder Babel geeifert hat (Nr 70). Schelt- und Gerichtsworte, Anathema-Formeln, begleiten die Geschichte der Zeugnisworte, und auch diese sind zitierbar, tradierbar, wieder zu Gehör zu bringen, wenn es not tut. Das Gedicht „Wenn ich nicht weiß, nicht weiß“ ist in doppeltem Sinne an dieser Sprach-Geschichte beteiligt. Es stellt mit äußerster Erbitterung jenes einmal in aller Munde gewesene Grußwort, das so viel Unheil unter seinem gegensätzlichen äußeren Wortsinn verborgen hat, an den Pranger, und es bringt zugleich –, durch die Übersetzung in die historische Sprache des Alten Testaments die geschichtliche Dimension ins Spiel, in der ein solches Wort einmal, vor aller Auslaugung und Verkehrung, Zukunft eröffnendes und Halt verleihendes Wort für die in alle Weltteile verstreuten jüdischen Minoritäten gewesen ist. Auf diese Weise gewinnt der Sarkasmus jenen ,Tiefsinn‘, der ihn dem gesamten Sprach- und Sinn-Niveau der Spätlyrik Celans einordnet. Auch Sarkasmus und Zynismus stemmen sich – jenseits des scheinbar im Oberflächlichen sich erschöpfenden Effekts – gegen die Übermacht der Antimagneten, der Herrscher (Fs 99), der Mächte, Gewalten (Fs 103), wie es in Anlehnung an eine paulinische Formulierung heißt, „läutend, wider die Zeit“ (Aw 59).

6. Die sprachliche Gestalt des Sarkasmus zeigt die Tendenz zu einer extremen Verknappung und Verdichtung. Sie trägt in prägnanter Weise zu den allgemeinen Tendenzen des Celanschen Spätwerks bei. Das Apodiktische des Sarkasmus verbietet ausgebreitete Darlegung, seine Aggressivität – und wenn es darum geht, daß sich im Gedicht „das Eine Geheimnis […] für immer ins Wort“ mischt (Fs 40), kann der Widerspruch gegen die Verderbnis von Sprache und Dichtung nur vehement sein – gewinnt um so mehr, je lakonischer sie ist. Trotz dieser Tendenz kann sich der Sarkasmus aber weder auf die plakative Eindeutigkeit noch auf propagandistische Eingängigkeit einlassen, da er sich damit dem Ruin der Sprache wieder ausliefern würde. Die Folge ist – auch an diesem Punkt hat der Sarkasmus entscheidenden Anteil am stilistischen Profil des Spätwerkes – eine zunehmende Verrätselung der Aussage, gemessen an jeder wie auch immer ausgewiesenen unmittelbaren Sinnerschließung.14
Keineswegs ist damit die sprachliche und poetologische Neuorientierung des Spätwerkes, deren Ausmaß und Bedeutung noch nicht abzusehen ist, einer kohärenten Deutung zugänglich gemacht; was poetisch ist an einem Gedicht, welches von einem eben noch Erkennbaren (Halberkennbares) spricht und mit den Zeilen beginnt:

KOMM, wir löffeln
Nervenzellen
– die Entengrütze, multipolar
(Fs 75)

was daran poetisch ist und wie dieses Poetische zu beschreiben wäre, bleibt weiterhin unausgemacht. Dennoch ergeben sich wenigstens einige Anhaltspunkte. Daß der poetische Sarkasmus sich weitgehend von den sprachspielerischen Formen, die sich bis zu Niemandsrose und Atemwende finden, ablöst – das ist sicherlich mit ein Grund für das verstörend Provokative, das von zahlreichen späten Gedichten ausgeht. Die sprachlichen Reduktionserscheinungen, die Vereinzelung von Wort und Wendung, die sich verschärfende Demontage des Satzes, die Sektion des Wortes in seine Bestandteile, setzen das auch beim Sarkasmus erkennbare Prinzip der lakonischen Verknappung auf anderer Ebene fort. Auch das zweite Prinzip des Sarkasmus, der von Zeile zu Zeile, oft von Wort zu Wort gesetzte Stilbruch läßt sich in weiteren Phänomenbereichen verfolgen. Die auffallende Spezialisierung des Wortschatzes, bis hin zum Fachidiom15 oder bis zu den nur aus dem Gebrauch von Wörterbüchern erklärbaren Spitzfindigkeiten,16 hat mit der auch im Sarkasmus erkennbaren Brechung und Diskreditierung beglaubigter poetischer Ausdrucksmöglichkeiten, darunter der eigenen, in den früheren Werken entwickelten, zu tun.17 Vor allem aber, und hier bietet das zu den Einzeltexten Gesagte die direkte Möglichkeit der Weiterführung, betrifft das im Sarkasmus sichtbare Moment des stilistischen Widerspruchs die extensive Verwendung des Jargons, die bis zum Ordinären reicht: die Liste der Wörter und Wendungen, aus Fadensonnen an beliebigen Stellen aufgelesen: jaulen, schlacksig, Revue passieren lassen, kutschieren, in die falsche Kehle geraten, klamm, matschig, brabbeln, grabschen, grölen18 – diese Blütenlese zeigt, in welchem Ausmaß hier gegen traditionelle ,lyrische‘ Diktion Sturm gelaufen wird. Allerdings ist damit wie auch mit der Deklaration als ,Stilbruch‘ noch nicht viel gewonnen, denn die mit dem Jargon paktierende Anti-Lyrik gehört – wie etwa das oben zitierte Gedicht Apollinaires eindrucksvoll belegt – Mitte der 70er Jahre bereits seit langem zum festen Bestand moderner Dichtung und das Prinzip des Stilbruchs ebenfalls. Wie im Falle des Sarkasmus im engeren Sinne, dürfen die allgemeinen Feststellungen daher nicht von den konkreten Zusammenhängen und das heißt auch von den konkreten Inhalten gelöst werden, sollen sie nicht an Gehalt einbüßen. Konkreter Anhaltspunkt kann nach wie vor die ,sarkastische Reduktion‘ des Geistig-Sprachlichen auf die ,sarx‘ bleiben. Der Stilbruch in Celans Spätwerk ist – wenn man diese Metapher einführend gelten lassen will – nichts anderes als Stil-Sarkasmus, der Versuch, die sprachlich originäre Dichte des Gedichts; in der die Sprache bei sich selbst ist, an die Realität der alltäglichen Kommunikation und ihres Sprachverschleißes zurückzubinden.
Wie immer man diese sprachlichen Konfrontationsvorgänge begrifflich schärfer zu fassen versucht, ob als Zynismus, ob als Kalauer – man kommt der Diktion des Spätwerks nur näher, wenn man nicht an einzelnen sprachlichen Fügungen (nach Art einer Figuren-Lehre) hängen bleibt, sondern ein Prinzip der Sprachgestaltung grundsätzlich erkennt. Wahrscheinlich handelt es sich nicht nur um das Prinzip einer permanent signalisierten Unangemessenheit, sondern um ein Prinzip des ständigen, absichtlichen Verletzens, das in alle sprachlichen Verbindungen eingreift und jene provokative Grellheit hervorruft, der das poetische Wahrnehmungsvermögen des heutigen Lesers und Interpreten noch kaum gewachsen ist.
Auch das Folgende kann in dieser Hinsicht nur den Charakter eines Vorschlags zu weiteren Überlegungen haben.

7. Wenn es in dem Gedicht „DIE BRABBELNDEN Waffenpässe“ (Fs 94) – mit bezeichnender Zeilenstufung – heißt:

Auf der übersprungenen // Stufe /
räkeln sich die // Sterbereien /.

So steckt in der Wortbildung ein unüberhörbares Signal der Unangemessenheit, aber damit hat es noch nicht sein Bewenden: einem zutiefst erregenden Thema wird die kalauernde Analogie zwischen Sterbereien und Innereien zugemutet. Das sarkastische Moment hält sich in der Bildungsweise des Neologismus durch, der zudem, im direkten Zusammenhang mit dem kokettierenden sich räkeln, die Kennzeichnung zynisch verdiente; nicht weniger als die Wendung von den „niedlichen Streckfoltern“ (Fs 74). Sarkasmus und Zynismus – das verdeutlicht die Textgestalt dieses Gedichts – ziehen sich unter Umständen vom semantisch Ausdrücklichen zurück und suchen ihre Basis im Stilistischen, und das heißt im Hinblick auf die Verwendung von Jargon, im Pragmatischen. Es ist ihre häufigste Erscheinungsweise in Celans Werk ab Fadensonnen. Auf dieser Ebene bedeutet das eine Wort, nicht im unmittelbaren Bedeutungsfeld, sondern auf dem Wege der Konnotation, die Diskreditierung des folgenden Wortes, die Installierung der unauflösbaren Unverträglichkeit zwischen den Worten, auch wo sich semantische Brücken scheinbar zwanglos herstellen lassen. Nicht um Ironiesignale handelt es sich, welche in subtilster Weise die Relativität alles Ausdrückbaren im Verhältnis zum Unausdrückbaren anzeigen, oder, auf anderer Basis, das Scheitern, das Ungenügen des Idealen am Realen. Nicht um die Andeutung eines Friedlich-Vereinbarlichen jenseits des Sagbaren und nicht um den Schiedsspruch zugunsten des Real-Materiellen geht es, sondern um die kompromißlose Fixierung von etwas unaufhebbar Widersprüchlichem, einer schmerzhaften und schmerzhaft bleibenden Diskrepanz, wie sehr auch stellenweise das Lachen des Hohns darüber hinwegzutäuschen scheint. Der „tuckernde Schädel“ (Fs 43), die „ausgebeulten Gedanken, der Schmerz, der fuhrwerkt, die koppheistergegangene Trauer, die Schwermut, die sich einpendelt“ (Fs 69), der „Gedanke, der „hinzugetropft kommt“ (Fs 78) – grelle Kombinationen dieser Art illustrieren das Prinzip. Das Jargonhafte von Attribut oder Verb versetzt den im Nomen hinterlegten Sinnanspruch in ein schiefes Licht, verleiht ihm den Geruch der ,Unheiligkeit‘ (Fs 86), des Unangemessenen, Überzogenen, Unproportionalen, bisweilen Lachhaften, ohne daß die Berechtigung des Anspruchs als solchen ausdrücklich bestritten oder expressis verbis widerlegt würde. Daß bei aller mit und zwischen den Wörtern sich andeutenden Emotionalität, von Trauer und Schwermut bis zu Verbitterung, dennoch Lachen herausgefordert wird, gehört zur formalen Wirkung des Zynismus, dessen äußere Erscheinung einer Ästhetik des Grotesken einzuordnen wäre. Die gehaltliche Wurzel von Zynismus und Sarkasmus ist in Celans Spätwerk darin zu sehen, daß die Attacke gegen bestimmte Worte, poetische Sprachformen und deren Inhalte, gegen die Dignität lyrischen Sprechens überhaupt, nicht ,offen‘, nicht direkt mittels des inhaltlichen Widerspruchs, sondern ,hinterrücks‘ auf dem Wege des Stilistischen und Pragmatischen, der andeutenden Unter- und Nebentöne geführt wird, genauer gesagt, mittels des im Jargon liegenden Banalen, das sich dem genuin Tiefsinnigen der poetischen Wendungen anheftet und sie, der Tendenz nach, ins Lächerliche zieht.
Macht man sich klar, welche Worte und Wort-Bereiche von der zynischen Deformation und der sarkastischen Entstellung betroffen sind, so ergibt sich eine Liste Celanscher Kernworte, die in früheren Werken ein hohes Maß an sprachlich-lyrischer Intensität und gehaltlicher Schwere in sich zu kristallisieren vermochten. Abgesehen von den bereits zitierten Begriffen Schmerz, Schwermut oder Trauer,19 reicht die Skala von den – jetzt „fetten – Sternen“ (Fs 66) und dem „lebendigen Himmel“, der „weggesackt“ ist (Fs 43), bis zu jener Wendung vom „Aschen- / Schluckauf“ (Fs 17), deren verzweifelter Sarkasmus um so mehr erschüttert, je mehr man die poetischen Metamorphosen des Wortes Asche in den früheren Werken im Ohr hat.20 Schließlich wären in gleicher Perspektive die Asphodelen von Cerveteri (Fs 71) zu sehen, die einige Jahrtausende abendländischen Totengedenkens symbolisieren und die Themen eines Gutteils von Celans früherer Dichtung vergegenwärtigen könnten, und von denen nun gesagt wird:

Mit mummelnder Kelle,
aus den Totenkesseln,
[…]
löffeln sie Suppen

[…].

Man mag geneigt sein, in Versen von solcher Krassheit und von bisweilen verstörender Saloppheit den endgültigen Widerruf all jener sinnverbürgenden Momente zu sehen, die, analog zu den Eingangsversen „Wenn ich nicht weiß […] ohne dich, ohne Du“, in Celans früheren Gedichten „dennoch [Denn / sie bewegt sich, dennoch, im Herzsinn“ (Nr 74)) oder „trotz allem [Soviel / Geheimnis / bot ich noch auf, trotz allem“ (Aw 44)] den Charakter der Aussage und ihre Emphase bestimmt haben. Aber ein solch glattes Verständnis würde der Sachlage nicht gerecht; es würde kaum die bis zur Selbstverletzung gehende Schärfe erklären, mit der die Formen des ,Widerrufs‘ ausgestattet sein können, noch weniger die fast diabolische Lust, mit der hier im Bereich der eigensten Celanschen Sprachmöglichkeiten dem Banalen Tür und Tor geöffnet werden.
Den angemessenen Verständnishorizont bildet der weitere Rahmen der übergeordneten Einheit des lyrischen Werkes. Die oben genannten Texte, an denen die Sprachformen des Sarkasmus und des Zynismus zu erkennen waren, finden sich alle in  e i n e m  Band, dessen Komposition, wie die aller Celanschen Bände, im Hinblick auf den Akkord der Dissonanzen zwischen Tönen und Tonlagen höchste Sorgfalt verrät. In Fadensonnen finden sich aber immer noch Wörter von hohem poetischem Anspruch, ohne erkennbare Beeinträchtigung oder letzte Infragestellung: Hellwort (Fs 96) und Leuchtsaat (Fs 91) vertreten nach wie vor ein ganzes, analog erweitertes Feld, die Wurzel- und Kronen-Chiffren aus Niemandsrose kehren wieder,21 die divinatorische Großschreibung (das Eine Geheimnis) ebenfalls,22 das Urlicht (Fs 91) findet im Rahmen der Gedichte, die, eher noch stärker als früher, den unmittelbaren Zusammenhang mit jüdisch-religiöser Tradition erkennen lassen und direkte Anspielungen auf die kabbalistischen Schriften enthalten,23 sein kabbalistisches Seitenstück: „Ziw, jenes Licht“ (Fs 96). Nicht zu vergessen wäre unter diesem Aspekt schließlich das in seiner Art fast beispiellose Schlußgedicht vom „Moorsoldat[en] von Massada“ (Fs 121), das nicht weniger als die entsprechenden Texte aus Niemandsrose oder Atemwende24 die Leben ermöglichende, Zukunft eröffnende, Tod und Vergangenheit ,verwindende‘ Leistung des Gedichts – und zwar des eigenen, geglückten Gedichts – feiert.
Im ,Gegenlicht‘ solcher Texte und auf dem Hintergrund von Fadensonnen als kompositioneller Einheit nehmen aber Sarkasmus und Zynismus eine ganz bestimmte Tonlage an, gerade wenn man das Prinzipielle, Allgemeine gegenüber dem einzelnen Effekt wahrnimmt. Sie gewinnen einen unüberhörbaren Anflug von Blasphemie, der bei aller prinzipiellen Profanität der Dichtung noch einen Widerschein seiner ursprünglichen, geistes- und religionsgeschichtlich ausgewiesenen theologischen Qualität bewahrt. In diesem Blasphemischen ist letztlich das Absichtlich-Verletzende zu vermuten, das die späten Gedichte so provozierend werden läßt. Gerade daß sich Sarkasmus und Zynismus auf den logischen Widerspruch oder den sachlichen Einspruch gegen die höchste poetische Sinnaussage nicht einlassen, gerade die angebliche Beiläufigkeit, mit der von der Stilebene her ,argumentiert‘ wird, setzt den blasphemischen Akzent. Wenn der Anspruch lyrischer Dichtung nicht widerlegt, auch nicht eigentlich in Abrede gestellt, dagegen mit einer Geste, die Belanglosigkeit und Mißachtung suggeriert, als quantité négligeable abgetan wird, so steckt darin, bezogen auf die ganz anders sich darstellenden Gedichte des Umkreises von Urlicht und Ziw, eine Selbstverletzung lyrischen Sprechens und eine Blasphemie der Dichtung, wie sie im modernen Gedicht bislang nicht zur Sprache gekommen ist. Die Negation, die diese Geste darstellt, erreicht daher auch nicht die reine Aufhebung, den Wert ,null und nichtig‘, sondern bewahrt einen Rest von schmerzlicher Erwartung, daß sie selbst in ihrer Negativität widerlegt werden möge, das Quentchen Hoffnung, das in jeder ernsthaften Blasphemie verborgen ist.
Es bestätigt sich auf dieser Ebene, was schon bei jeder einzelnen Wendung zynischen oder sarkastischen Charakters zu vermuten stand: daß sich Celans Gedichte keineswegs der Banalität des Jargons ausliefern, sich als Dichtung preisgeben, indem sie das Lachen des Hohnes herausfordern und den Zweifel am Sinnanspruch lyrischer Rede auf radikale Weise wachrufen. Umgekehrt wäre zu sagen, daß sich der Anspruch des Gedichts eher erhöht hat. Es traut sich zu, jenseits der ,subversiven‘ Spiele, wie sie Dadaismus und Surrealismus mit der Sprache betreiben, aber auch jenseits der trivial gewordenen Montagen und aleatorischer Kombinatorik, der Sprache dort, wo sie am stärksten der Abnutzung ausgesetzt und der lähmenden Banalität ausgeliefert ist, neue Sinndimensionen zu erschließen. Die Integration des Jargons ist weder ein Zeichen des Verzichts auf lyrische Dichtung, noch der Resignation bezüglich der Sprache. Noch aus dem ausgelaugten Modewort, aus dem Klischee, das vor lauter unechter Beseelung und falscher Emphase geradezu abstoßend geworden ist, kann anderes herausgehört und neu verlautbart werden:

Das unbedingte Geläut
hinter all der gemanschten Tristesse
(Fs 70).

Hans-Peter Bayerdörfer, in TEXT+KRITIK, Paul Celan – Heft 53/54, Zweite, erweiterte Auflage, edition text + kritik, 1984

Das Werk und seine Rezeption

Fadensonnen

Die Bedeutung derartiger Verfahren nimmt in den folgenden Gedichtbänden zu. Im Fall der 1968 erschienenen und zwischen September 1965 und Juni 1967 entstandenen Fadensonnen liegt dies u.a. an den langen Zwangsaufenthalten in psychiatrischen Kliniken, die ganz oder partiell in den Zeitraum fielen. Celans Kontakt zur ,Welt‘ musste sich in diesen Phasen überwiegend als lesender gestalten. Der Band ist mit seinen 105 Gedichten Celans umfangreichster; bedenkt man, dass innerhalb dieses Zeitraums auch das separat publizierte Zyklusfragment Eingedunkelt aus elf Gedichten entstand, das wiederum eine Auswahl aus einem größeren Ensemble darstellt, so wird deutlich, um welch produktive Werkphase es sich hier handelt.
Die Gliederung der Fadensonnen-Gedichte in fünf Zyklen hat – das Ordnungsverfahren ist schon seit Sprachgitter zu beobachten – autobiographische Aspekte. So enthält der erste Zyklus die vor der ersten Zwangseinweisung geschriebenen Gedichte; die aus dem Klinikaufenthalt selbst stammenden wurden nicht in den Band aufgenommen, z.T. aber in Eingedunkelt publiziert. So beginnt der zweite Zyklus mit „Schlafbrocken“ (Paul Celan: Kommentierte Gesamtausgabe in einem Band, hrsg. und kommentiert von Barbara Wiedemann, Frankfurt a.M., S. 231), dem ersten nach der Klinikentlassung entstandenen Gedicht, das mit einer Radierung von Gisèle Celan-Lestrange als gemeinsames Zeichen eines Neubeginns zur Jahreswende 1966/67 verschickt worden war; so setzt der dritte Zyklus mit dem ersten nach dem Selbstmordversuch vom Januar 1967 entstandenen Gedicht „Entteufelter Nu“ ein, das diesen thematisiert. Auch andere Gedichte dieses und der folgenden Zyklen verschweigen den Ort Psychiatrie nicht, sondern reflektieren ihn offensiv. Mit „Denk dir“ setzt Celan für den ganzen Band aber eine historisch-politische, wenn auch nicht weniger persönliche Schlusszäsur: den Sieg Israels über die arabischen Angreifer im Sechs-Tage-Krieg. Wie seinerzeit die „Todesfuge“ wurde auch dieses Gedicht von einigen Rezensenten aus der allgemeinen Charakterisierung des Bandes – dunkel, d.h. ärgerlich unverständlich und ohne Bezug zur äußeren Welt – ausgenommen (Holthusen 1969). Mit „Moorsoldaten“ und „Massada“ weist es tatsächlich offener als andere Gedichte auf seine Wirklichkeitsbezüge hin; und manchem Kritiker war vielleicht auch der Zeitungserstdruck im direkten zeitlichen Kontext des Krieges (Neue Zürcher Zeitung, 24.6.1967) in Erinnerung.
Da fast gleichzeitig die Taschenbuchausgabe Ausgewählte Gedichte – Zwei Reden erschien, die Gedichte aus den Bänden Mohn und Gedächtnis bis Atemwende dem Lesepublikum wieder zugänglich machte, lag es für die Rezensenten nahe, Fadensonnen am bisherigen Werk zu messen: Die „Todesfuge“ konnte auf diese Weise gegen die neuen Gedichte ausgespielt und damit Celans gesamte Entwicklung als Weg in eine Sackgasse beschrieben werden. Das im neuen Band vermehrt auftretende ,moderne‘ Vokabular, der Reichtum an Fremdwörtern blieben nicht unbemerkt (Wolf 1968). Diese Beobachtungen wurden aber nicht zur Revision der eigenen Vorstellungen von der angeblichen Weltlosigkeit dieser Gedichte genutzt, sondern vielmehr als – das gilt auch für Verse wie „der barock ummantelte / spracheschluckende Duschraum“ („Die fleißigen“, Paul Celan: Kommentierte Gesamtausgabe in einem Band, hrsg. und kommentiert von Barbara Wiedemann, Frankfurt a.M., S. 236) – unbeholfenes Zugeständnis an den modernen Geschmack beschrieben (Hartung 1968).

Aus Paul Celan: Todesfuge und andere Gedichte. Text und Kommentar, hrsg. von Barbara Wiedemann, Suhrkamp Verlag, 2004

Weitere Beiträge zu diesem Buch:

Bernhard Benz: (Zu: Fadensonnen)
Supplementum literarum, November 1968

cb: Paul Celan, Ausgewählte Gedichte, Fadensonnen
Der Bund, 17.1.1969

German verses for eye and ear
The Times Literary Supplement, 27.2.1969

Jerry Glenn: (Zu: Fadensonnen)
Books Abroad, Juli 1969

Joachim Günther: Siedlung in Nadaland: Fadensonnen, Paul Celans neuester Gedichtband
Der Tagesspiegel, 27.10.1968

Joachim Günther: (Zu: Fadensonnen)
Neue Deutsche Hefte, 15, 1968

Rudolf Hartung: An der Grenze zum Schweigen: Die gefährdete Lyrik Paul Celans
Die Zeit, 22.11.1968
Auch in: Über Paul Celan. Hrsg. v. D. Meinecke, 1973

Rudolf Hartung: (Zu: Fadensonnen)
Sendung im Deutschlandfunk, 20.10.1968

Hans-Jürgen Heise: Baumhohe Gedanken: Lieder jenseits der Menschen
Christ und Welt, 22.11.1968

Hans Egon Holthusen: Dauermieter im Unsagbaren: Schwierigkeiten mit Fadensonnen, der neuesten Lyrik-Sammlung Paul Celans.
Die Welt der Literatur, 16.6.1969

Gottfried Just: Vom Niemandsland nach St.-Pauli: Paul Celans jüngster Gedichtband Fadensonnen
Stuttgarter Zeitung, 7.6.1969
Auch in: G. J.: Reflexionen. Hrsg. v. Klaus Günther Just, 1972

Brian Keith-Smith: (Zu: Fadensonnen)
Germania, Frühjahr 1969

Karl Krolow: Zwischen abgewrackten Tabus: Fadensonnen und Ausgewählte Gedichte. Neues von und über Paul Celan
Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 6.10.1968

Gregor Laschen: (Zu: Fadensonnen)
Besprechung im Süddeutschen Rundfunk, 21.3.1969

Erich Lotz: (Zu: Fadensonnen)
Universitas. 24. 1969. S. 92

Helmut Mader: „Lieder zu singen jenseits der Menschen?“
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 4.1.1969

Ernst Nei: Neigung zum Verstummen
Die Weltwoche, 14.2.1969

Anneliese Odry: „Celans ,letzte Dinge“: „Einfachheit und Kompliziertheit im Werk eines Lyrikers“
Rheinischer Merkur, 22.11.1968

Franz Seidl: Rose im Brachjahr
Wort und Wahrheit, Februar 1969

Horst Dieter Sihler: „Es sind noch Lieder zu singen, jenseits der Menschen“: Sieg und Ende der Metaphern-Lyrik
Kärntner Tageszeitung, 17.8.1968

Ursula Wolf: „An der Letztwand“ (Über Fadensonnen)
Publik, 27.9.1968

 

Erinnerung an Paul Celan

Um drei Uhr nachmittags am 4. August 1969 erwartete mich Paul Celan, laut brieflicher Vereinbarung, vor der Ecole Normaie Supérieure, ein Exemplar von Fadensonnen in der Hand als Erkennungszeichen. Nach kurzem Zögern schüttelten wir uns die Hände, dann führte er mich in sein Büro, setzte sich hinter seinen Schreibtisch, ich nahm davor Platz. Gemütlich war es von Anfang an nicht: Er fragte mich bald, ob ich nicht die Kandidatin sei, von der Prof. Heinz Politzer ihm im vorigen Sommer gesagt hätte, daß sie über ihn arbeite. Ich hatte mich bei ihm als Übersetzerin gemeldet und die Dissertation verschwiegen, weil Prof. Politzer mir berichtet hatte, daß die Ankündigung nicht günstig aufgenommen würde. Ich gestand es. Er schien über meine unbeholfene List eher amüsiert zu sein. Meine Übersetzungen hatte er nach Amerika geschickt, zu einem Freunde, der besser Englisch verstand als er. Meine Erwartung, wir würden die Übersetzungen besprechen, wurde also enttäuscht. Er lud mich ein, Fragen an ihn zu richten. Ich hatte daran nicht gedacht, aus purer Unfähigkeit, irgendwelche Gedanken über sein Werk zu formulieren; ich übersetzte ja, um das Unmögliche, die Dissertation, aufzuschieben. Schnell suchte ich ein paar Fragen zusammen. Einige Mutmaßungen über die Bedeutung gewisser Gedichte. Er wies meine Annahmen lächelnd zurück. Sprach auch von einer falschen Interpretation von Walter Jens, der die Hände in „Matière de Bretagne“ als Hände Christi gedeutet hatte. „Matière de Bretagne“ hinge mit einem früheren Gedicht, „Bretonischer Strand“, zusammen. Ich hatte den Zusammenhang schon vorher geahnt. Aber hatte er mir nicht, mit diesem Hinweis, soeben etwas Intimes erzählt? Natürlich, die Gedichte sagten es schon selber, aber bei einer persönlichen Begegnung haben beide, Dichter und Leser, so zu tun, als sei nichts gewesen. Oder? Ein kurzes, peinliches Schweigen.
Er fragte mich, ob ich selber dichte. „Ja, aber nicht genug.“ Dann sprachen wir über die Gedichte von Sprachgitter. Er sagte, ihn interessierten die sprachlichen „Verwerfungen“ – er identifizierte dies als geologischen Terminus. Das Wort „limpet“, mit dem ich „Napfschnecke“ übersetzt hatte, gefiel ihm. Das Englische, meinte er, habe mehr Namen als das Deutsche. Ich erwähnte, daß ich kürzlich in einem Buch über Mineralogie auf das Wort „Tracht“ („angelagert dem kleinen / Kristall in der Tracht deines Schweigens“) gestoßen sei. „Das haben Sie gemerkt“, sagte er, und es schien, als ob ich ihm zum erstenmal gefiele. „Mein Vater ist Geologe“, sagte ich, und wieder trat das Schweigen ein.
So ging es, stolpernd, etwa eine halbe Stunde lang, zu verschiedenen Themen. Den Strukturalismus lehnte er kopfschüttelnd ab, empfahl mir die Schriften von Blanchot. Zweimal wiederholte er einen Satz, als ob er ihn mir diktiere:

Jedes Gedicht ist der Anti-Computer, auch das vom Computer geschriebene.

Und:

In der Dichtung wird nicht gemogelt.

Das Gespräch drohte vollends zu stocken, ich fürchtete, er würde mich verabschieden, er schlug mir einen Spaziergang vor. In einer der nächsten Gassen wies er auf ein Haus: dort habe Rilke den Malte Laurids Brigge geschrieben; hauptsächlich wegen dieses Buches sei er nach Paris gekommen.
Wir sprachen über Schriftsteller: Michaux müsse ich lesen, Mandelstamm – ich hatte ihn zuerst als Übersetzer Mandelstamms kennengelernt – Tswetajewa. Akhmatovas Gedichte schätze er nicht besonders, Pasternak ganz besonders nicht, auch wegen seiner Bemerkung, die Juden sollten doch endlich zum Christentum übergehen. Wir sprachen über seine Interpreten; fast alles tat er ab mit einem „nicht gut“. Kürzlich hätte ein Wohlmeinender ihn als „Klassiker der Moderne“ bezeichnet. Andererseits hätte man seiner neuesten Veröffentlichung, Fadensonnen, den Mangel an ästhetischer Konstruktion vorgeworfen. „Aber ich schere mich zum Teufel um die ästhetische Konstruktion!“ „Zum Teufel“ sagte er, nicht „den Teufel“. Mit Fadensonnen hätte er etwas Kontrabandes, „einen Widerstand, ein ,du‘“ schaffen wollen. Die Ansicht, ein anderer habe ebensoviel Recht wie der Dichter, ein Gedicht zu interpretieren, erwähnte er mit Unwillen:

Das ist doch Besserwisserei!

Wie sollte ich nun wagen, etwas zu schreiben? „Ich werde wohl nie verstehen!“ rief ich aus.
Darauf sagte er mit plötzlich sanfter Stimme, so sei es nicht gemeint:

Sie sind aufmerksam, ich will Ihnen nur einige Lichter aufstecken.

Nicht da, nein, später war es, daß eine junge Frau mit einem weißen Stab die Straße überquerte. Er wies auf sie:

Sehen Sie dieses blinde Mädchen? Ich sehe sie oft. Sie ist aufmerksam.

Der Cafétisch war plötzlich mit einem kalten Licht umgeben, in meinem Gehirn formten sich die Sätze: Dies ist nicht Wirklichkeit. Dies ist eine Szene aus Malte Laurids Brigge.
Ausgerechnet der Kritiker, der die unglückliche Bezeichnung „Klassiker der Moderne“ gefunden hatte, hatte mich gebeten, ihm nachher über den Zustand des Dichters zu schreiben:

Wir sind hier manchmal in Sorge.

Ich tat es nicht; wie hätte ich diesen Zustand auch beschreiben können? Celan hatte mir gleich zu Anfang gezeigt, daß er genau wußte, wen er vor sich hatte; ihm konnte man nichts vormachen. („Er hatte Röntgenaugen“, sollte mir David Rokeah zehn Jahre später sagen.) Andererseits gab es einen Augenblick, wo eine Spannung sich bei ihm bemerkbar machte, deren Grund nicht im Gesprächsthema zu liegen schien. Die großen, leicht hervorstehenden Augen mit den noch weiter hervorstehenden Irissen von einem eigentümlichen, fast möchte ich sagen grellen Braun, sahen an mir vorbei, ich mußte sie anschauen, während die Hand eine seltsame nervöse Geste wiederholte, und ich hörte in mir ein entsetztes Flüstern: er ist wahnsinnig. Aber es war nur ein Augenblick, und später, als er sagte, „Aber ich schere mich zum Teufel um die ästhetische Konstruktion“, fielen mir die Worte ein: eine troglodytische Kraft. Und wieder war es ganz anders als er von der neuen Kultur in London sagte, eine Weile schiene es eine Erneuerung zu sein, „aber es war eine Nivellierung“. Ich hörte den Tonfall des traurigen Feststellenmüssens, den Tonfall meiner eigenen bösen Ahnungen. Hatte ich den weiten Weg von Berkeley hierher gemacht, nur, um denen wieder zu begegnen? Wie banal.
Im beiläufigen Ton teilte er mir mit, ein russischer Emigrant namens Boris Zaitsev habe in Paris eine gute Übersetzung von Dante gemacht; er wollte mir den Titel aufschreiben. Er schrieb in russischer Schrift: Božestvennaja Tragedia. Die Göttliche Tragödie.
Wie versteinert saß ich da. Gedanken formten sich, sehr klar. Erstens, wenn die Göttliche Komödie das Gedicht der universellen Erlösung sei, so sei die Göttliche Tragödie das Gedicht der universellen Verdammung. Zweitens, wenn er das als Anspielung auf meinen Vornamen meine (d.i. Beatrice, Esther heiße ich erst seit meinem Eintritt ins Judentum im Jahre 1978), so sei er an die falsche geraten, denn ich hätte noch keinen glücklich gemacht. Drittens, das sei doch für einen großen Dichter ein recht banaler Einfall. Viertens, er sei sicherlich wahnsinnig. Vielleicht wisse er gar nicht, was er geschrieben habe. Am besten mache ich ihn darauf nicht aufmerksam; es sei gefährlich, einen Schlafwandler zu wecken. Und bei alledem das Gefühl: etwas muß ich sagen, tun, es ist die große Prüfung meines Lebens, ich versage, dies Versagen wird nie wieder gutzumachen sein. Wie lang es gedauert hat, weiß ich nicht. Endlich sagte er „Gehen wir“ und winkte dem Garçon.
Wieder gingen wir durch die Straßen. Nach einigen Minuten: „Ich habe da ,Tragödie‘ statt ,Komödie‘ geschrieben, haben Sie es gesehen?“ „Ja, ich hab’s gesehen.“ Die Scham darüber, daß ich ihn nicht für voll hatte halten wollen. Jetzt mußte ich etwas sagen. Aber nichts mehr kam mir über die Lippen. Er ließ es auf sich beruhen. Das Gespräch ging weiter. Einmal deutete ich ihm an, daß mir seltsame Dinge auf der Herreise begegnet wären, fast wie Zeichen. Er merkte sofort auf. Aber ich konnte mich irgendwie nicht dazu bringen, ihm zu erzählen, wie mir am Morgen das Symbol des Davidssterns sich aufgedrungen hatte. Ich fing an zu stammeln, er merkte, daß ich nicht aufrichtig sprach, und lenkte das Gespräch auf ein anderes Thema. Viele Jahre später sollte ich hören, daß ihm solche „meridianhaften“ Dinge durchaus bekannt waren.
Spät am Nachmittag gingen wir über eine Brücke, und er wies in die Ferne:

Das ist die hl. Genoveva. Sie hat die Stadt vor den Hunnen gerettet.

„Wann war das?“ „Damals“ – mit einem unbeschreiblichen Lächeln, das an Mozart erinnerte.
Es dämmerte. Celan ging mir ein wenig voran. Pötzlich kam ein junger Mann vorbeigeschritten und stieß ihn an; dann legte er ihm die Hand auf den Arm, als wollte er sich entschuldigen. Doch der Angerempelte (angerempelt im Wahngang / von einem, der las:) nahm die Hand von seinem Arm weg, ohne sich aufzuhalten oder den Anderen anzuschauen, so als sei es ein Zweig gewesen, der ihn im Wald gestreift hätte. Mich schauderte; an dieser Geste, mehr als an allem, tat sich mir die Weite seiner Entrückung auf.
Wir standen vor der Métro. Er sagte mir, ich sollte mich nicht zu viel mit Fadensonnen beschäftigen, „das ist etwas Randgängerisches“. Er lud mich ein, ihm wieder zu schreiben, den Fortschritt meiner Arbeit wollte er gerne verfolgen. Wieder gaben wir uns nach kurzem Zögern die Hand. Ich sagte mir: ich kann ja nächstes Jahr zurückkommen, er wird ja immer noch da sein.
Nachher fand ich Worte zu Gedichten, aber zu keinem Brief. Fluchtversuche, Nichtdarandenkenwollen, unterschwelliges Warten auf den Schlag, der dann kam. Und traf. Wird der Leser, der Mit-Leser verstehen? Hätte es anders sein können, hatte er eine Absicht mit mir, war sie verfehlt?
Ich glaube, daß jedem Leser sein „4. August“ eingeschrieben bleibt.
Könnte man es sich nur eingestehen, statt sich hinter intellektuellen Konstruktionen zu verbergen. Dann wüßte ich nämlich eine Verwendung für das Bild der hl. Genoveva. „Damals“, als Attila die Gegend bedrohte, träumte sie, daß den Parisern nichts geschehen würde, wenn sie die Ile de la Cité nicht verließen. Ihr Rat wurde nach heftigen Debatten angenommen und erwies sich als richtig. Dies könnte man vielleicht mit dem letzten Gedicht von Lichtzwang in Verbindung setzen:

Wirk nicht voraus,
sende nicht aus,
steh
herein.

Könnten wir aus der Erinnerung an solche Begegnungen einen inneren Raum der Kommunikation schaffen, so könnte von dort aus die Frage nach dem Wohin der Menschheit etwas hoffnungsvoller gestellt werden als bisher.

Esther Cameron, Park, Heft 27/28, Juli 1986

Erinnerungen an Paul Celan

Als wir uns zum ersten Mal begegneten, war der Krieg schon ausgebrochen und bedrückte immer unerbittlicher das Gewissen der Welt. Wir besuchten in derselben Studiengruppe die Vorlesungen über französische Sprache und Literatur an der Universität Czernowitz. Ich hatte mein Studium in Iaşi, Paul das seine in Frankreich begonnen. Die Tage verbrachten wir jetzt gemeinsam mit Arbeit in der Fakultät; aber auch die Nächte waren wir oft zusammen in Gespräche vertieft. Häufiger und intensiver noch als französische Literatur und Sprache diskutierten wir die brennenden allgemeinen Probleme. Der irrationale Eingriff der Kriegsgreuel in das Leben der Menschen führte dazu, dass wir im rationalen System eine bessere Zukunft zu entdecken glaubten und von daher auch die Vergangenheit luzider und gründlicher zu verstehen vermeinten.
In diesen Tagen und Nächten lernte ich ihn näher kennen. Ich erkannte in ihm einen bewundernswerten paradoxen Wesenszug: Er konnte höchst intensiv leben und war doch zugleich unfähig, authentisch zu leben. Er konnte einem beipflichten, andere Meinungen akzeptieren, ohne doch selbst Kompromisse zu machen, denn Kompromisslosigkeit war in seinem ganzen Leben sein vornehmstes menschlich-intellektuelles Charaktermerkmal.
Schon damals schrieb er Gedichte – wann hat er wohl keine geschrieben? Diese Haltung, die es nicht zulässt, dass die Poesie vom Grauen vertilgt wird, beeindruckte mich. Ich sagte es ihm auch, und er lächelte mir zu wie einem Komplizen. Seine stumme Replik an jenem Maiabend bedeutete mehr, denn das Grauen, das damals in der Welt war und von dem auch Celan sich zuweilen beherrschen ließ, verwandelte er bald in faszinierende poetische Bilder, die den Wert seines Werkes subtil potenzierten. Ich bewunderte auch seine feine Sensibilität. Oft standen ihm Tränen in den Augen, doch hatte das nichts mit Sentimentalität zu tun, sondern war Ausdruck starker Gefühlsintensität. Es kam die erste Zeit der Trennung. Seine Eltern waren krank. So blieb er selbstverständlich bei ihnen in Czernowitz. Ich fuhr weg und gab ihm für alle Fälle die Adresse meiner Eltern in Iaşi, Paul erwies sich als guter Freund. Nach fast vier Jahren erfuhr ich – nicht von ihm –, dass er sofort meinen Eltern, die er nicht kannte, geschrieben hatte: Ich, sein Freund, sei außer Gefahr, an einen entfernten Ort evakuiert, wo ich vor dem Risiko des Krieges geschützt sei. Da er infolge der Umstände nichts von mir wissen konnte, hatte er alles von Anfang bis Ende erfunden. Meine Mutter – der Vater war inzwischen getötet worden – überlebte die Jahre vor allem dank der warmherzigen Lüge von Celan. Sie fragte mich, als wir uns wiedersahen, wer dieser Kamerad sei, der sie beruhigt hatte. Ich antwortete mit aller Überzeugung:

Ein lieber Freund, ein ungewöhnlich guter Mensch.

Ich kehrte nach ziemlich langer Zeit zurück, und wir trafen uns wieder. Wir arbeiteten zusammen, vorwiegend nachts, in der Redaktion einer Zeitung. Aber auch außerhalb unserer Arbeit blieben wir einander verbunden. Unser Gedankenaustausch über Vergangenheit und Zukunft basierte nun auf neuen Erfahrungen. Jetzt waren wir besser gerüstet, die Dinge zu beurteilen. Jeder hatte, wenn auch auf andere Weise, den Krieg erlebt, und durch unsere Opfer fanden wir nur auf eine tiefere Weise unser Recht auf Poesie bestätigt. Rilke, Baudelaire, Verlaine, Lucian Blaga, Ion Barbu, Tudor Arghezi lebten noch für uns. Ich kam dann vor ihm nach Bukarest. Uns allen lächelte die Morgenröte des Friedens. Ich wurde Chefredakteur bei der Zeitschrift Veac Nou. Paul ließ noch einige Monate auf sich warten. Als er in die Hauptstadt kam, empfahl ich ihn dem Verlag Cartea Rusă, wo er sofort angestellt wurde. Er überprüfte dort die Übersetzungen verschiedener Werke aus dem Russischen ins Rumänische und betreute manche Arbeiten, die unserer Literatur Ehre machen. Für Gespräche waren wieder vorwiegend die Nächte da. Paul war ein Nachtmensch. Sein eigentliches Leben begann in den Abendstunden.
Wir hatten beide, wenn auch unter verschiedenen Bedingungen, die Sprache Puschkins und Gogols erlernt. Wir lasen im Original Dostojewski, Tschechow, Jessenin, deren Sprache uns faszinierte und deren Werke wir für uns immer wieder neu entdeckten. Paul gefiel es besonders, die Kurzprosa von Tschechow zu zergliedern.
Nebenher machte ich mein Diplom an der Universität Bukarest. Für meine schriftliche Arbeit hatte ich das Thema „Die psychologische Studie bei Molière in Tartuffe, Don Juan und Der Misanthrop“ gewählt. Nach der Niederschrift gab ich sie Paul. Wir hatten uns angewöhnt, gegenseitig unsere Manuskripte zu lesen. Dank dieser Korrespondenz besitze ich heute noch einige handschriftliche Zeugnisse von ihm. Auch auf meiner handgeschriebenen Diplomarbeit finden sich einige Bemerkungen von ihm, die sich meist auf früher geführte Gespräche beziehen. Ich musste die Arbeit dringend zum Tippen geben, und er sollte sie mir zurückbringen. Da ich nicht zu Hause war, als er kam, ließ er mir einen Brief unter der Tür, den ich noch heute habe. Der Inhalt lautete:

Bin heute vormittag nicht gekommen, denn auf dem Weg zu Dir merkte ich, dass das erste Blatt fehlt. Habe auch im Verlag gesucht, es aber nicht gefunden. Trotzdem ist das Unglück, für das ich vielmals um Entschuldigung bitte, nicht so groß: Die beiden Seiten wurden von mir schon rekonstruiert und können komplettiert werden. Bitte, entschuldige, morgen früh bin ich bei Dir.

Pauls Gedächtnis war außerordentlich. Die beiden von ihm aus dem Gedächtnis niedergeschriebenen Seiten weisen nur kleine Lücken auf. Im großen und ganzen entsprechen sie haargenau den von mir geschriebenen Seiten. Er hatte fast alles fehlerlos behalten. Die von ihm handgeschriebenen Seiten zieren noch immer meine Sammlung.
Noch etwas sollte erwähnt werden: Da er in meinen Aufzeichnungen Bemerkungen über Dostojewski fand, die ihn interessierten, schrieb er sie – auch in französischer Sprache – für den Eigengebrauch ab. Ich bewahre auch dieses Manuskript, in dem er notierte:

Dostojewski wurde vorgeworfen, dass er nur zwei Wesenszüge kommentiert, die den russischen Charakter infolge der schmerzlichen Geschichte dieses Volkes prägten: den Masochismus und den Sadismus…

Schließlich besitze ich noch eine Notiz von ihm in französischer Sprache, die sich auf unsere Gespräche bezieht: „Jessenin“, heißt es da, „war eher ein Instrument als ein Mensch, das die Natur speziell für die Poesie geschaffen hat, damit so die endlose Melancholie der Steppe spreche, die Liebe zu allem, was existiert, und die große Teilnahme an allem, was menschenwürdig ist.“
Ist es Pietätlosigkeit, über einen Menschen zu sprechen, der so viel bedeutet? Wäre es nicht eine größere Pietätlosigkeit, Gelegenheiten, über ihn zu sprechen, nicht zu nutzen?
Mit dem hier nur Angedeuteten konnte ich meine Seele kaum retten. Über Paul Celan hätte ich noch viel zu sagen, was die besondere Sensibilität dieses großen Dichters verdeutlichen könnte. Er war und ist mir noch so lieb – mir und der Welt –, dass wir niemals genug über ihn gesagt haben werden.

Horia Deleanu, in Zeitschrift für Kulturaustausch 3, 32. Jg., 1982
Aus dem Rumänischen übersetzt von Kurt Andrae

Die Facetten der Scham

– Ein Gespräch über Celan, Benn und Mandelstam. –

Michael Eskin: Celan – Künstlername, Anagramm, onomastisches Vexierbild. Ein Name, der für mich bis heute rätselhaft klingt, auch nach fast dreißig Jahren Beschäftigung mit seinem Werk. Wann und wo hast du diesen geheimnisvollen, dem Deutschen so fremden Namen zum ersten Mal gehört?

Durs Grünbein: Auf den Namen Celan stieß ich zum ersten Mal bei Adorno. Der sprach immer von einem Dichter, der die deutsche Sprache nach Auschwitz zu retten versuchte und gewissermaßen als einziger die Last der Geschichte trug. Ich hatte noch nichts von ihm gelesen, aber vor dem Namen hatte ich von da an größten Respekt. Dabei war es eigentlich gar kein Name, eher ein Code unter Eingeweihten, eine Parole, es klang wie ein unbekanntes chemisches Element. Als ich dann die „Todesfuge“ las, war ich überrascht, wie einfach er sich ausdrückte. Ich hatte weiß Gott was erwartet, dunkle hermetische Texte von enormem Schwierigkeitsgrad – und dann das. Man muß dazusagen, daß Celan in Ostdeutschland keine Schullektüre war. Kein Lehrer hat mir diesen Singsang durch Didaktik vergällt. Ich traf unvorbereitet, geradezu unschuldig auf diese magischen, schamanistischen Zeilen. Schamanistisch kommt mir jetzt unfreiwillig in den Sinn, als sinnloses Wortspiel – denn ich erfaßte damals, daß es um Scham ging, um eine große Scham. Die Scham dessen, der sich dafür schämte, daß kaum einer der Menschen seiner Zeit sich schämte. Im selben Augenblick, da ich die „Todesfuge“ las, erfuhr ich auch alles über sein Leben. Vom Tod der Eltern, von der Zeit im Arbeitslager, der Übersiedlung nach Paris, vom Auftritt bei der Gruppe 47, von der Goll-Affäre und vom Freitod in der Seine. Das Thema der Scham ist mir seither nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Und das quälte mich. Wieso schämte sich dieser feine Mensch so sehr für seine Mitmenschen, daß er immer dünnhäutiger wurde, immer mißtrauischer, ja geradezu paranoid, bis er es schließlich nicht mehr aushielt und nur noch verschwinden wollte? Man konnte sein Werk aus mehreren Perspektiven lesen. Als eine Anklage gegen die deutschen Judenmorde und die Verdrängung dieses Verbrechens nach dem Krieg. Als einen Versuch, vor dem schrecklichen Realitätsprinzip Geschichte in die Dichtung abzutauchen, indem man die Sprache für sich behauptete wie das Kind – das Kind, das vor sich hinmurmelt und Selbstgespräche führt. Oder als einen ununterbrochenen Kampf mit der Scham, einer Scham, die viele Facetten hatte: die Scham des Überlebenden, der seine Eltern nicht hatte beschützen können. Die Scham des Sprechers, der sich in der Sprache der Mörder zu Hause fühlte, weil es die Sprache seiner Mutter war. Die Scham des Dichters, der instinktiv weiß, daß die moderne Dichtung immer nur von sich selbst spricht und Ähnlichkeit mit einer narzißtischen Erkrankung hat. Der deshalb spürt, daß er niemals ganz erwachsen werden kann, weil ihn die tiefere Spracherfahrung vom Leben abschneidet. Die Scham wegen der falschen Töne in den Gedichten der andern, Scham wegen der Nachahmer. Die Scham eines Menschen, der sich selber so wenig trauen kann wie allen anderen. Eines Menschen, der immer am Rande der Depression lebt und sich dafür schämt. Schließlich die Scham eines Idiosynkratikers der Sprache, den sein Sprachgefühl in eine immer tiefere Isolation treibt, den das gemeinsame Sprechen buchstäblich anekelt und der sich dabei schlecht vorkommt. „Das ausgeschachtete Herz, / darin sie Gefühl installieren. / Großheimat Fertig- / teile.“ Deutlicher kann man nicht reden, mehr Klartext geht nicht.

Eskin: Was mich an deiner Replik aufhorchen läßt, ist die Verbindung, die ich zwischen deinen Überlegungen zu Celans Scham und der Behandlung des Themas in deinem eigenen Werk sehe: Das Wort, das du wiederholt in diesem Zusammenhang verwendest, ist Peinlichkeit. So schreibst du 1991 im Gedichtband Schädelbasislektion über deine Jahre in der DDR: „Wird dir nun klar, wie groß der Schaden ist / So vieler Jahre Peinlichkeit und Komik…“ Und im Elegienzyklus Porzellan. Poem vom Untergang meiner Stadt sprichst du von tausend Jahren Scham, die auf den Alptraum des sogenannten Dritten Reiches folgen. Siehst du hier eine Verbindung zwischen dir und Celan?

Grünbein: In Berlin muß ich nur den Fuß vor die Tür setzen, dann stoße ich vor jedem zwölften Haus auf einen dieser Stolpersteine. Oft nehme ich mir die Zeit, lese die Namen der früheren Nachbarn, die man alle abtransportiert hat, viele waren im Rentenalter, aber es gab auch ganz kleine Kinder oder frisch verheiratete Paare darunter. Dann denke ich: Was für eine Schweinerei. Die Wohnungen wurden konfisziert, die Menschen kamen in Viehwaggons und kehrten nie wieder. Es heißt dann beispielsweise „Ermordet in Minsk“, da denkt man an die heutige weißrussische Hauptstadt. Der Ort des Todes hieß aber Malij Trostinez (bei Minsk), dort wurden sie meistens sofort erschossen. Den Ort kennen nicht so viele, er spielt keine Rolle in der Nomenklatur der Vernichtungslager. Viele Deutsche würden sich wundern, wenn man ihnen genau erklärte, was da mit diesen Berlinern nach ihrer Ankunft geschah. Das waren die killing fields im Osten, irgendwelche Erschießungsgruben hinter der Front. Dieser Teil der Shoah liegt vielfach noch im dunkeln. Und jetzt werden die Stimmen immer lauter, die sagen: Schwamm drüber, das war doch nur ein „Vogelschiß“ in der großen deutschen Geschichte. Hier, an genau dieser Stelle, setzt jedes einzelne Wort von Celan an. Es fällt ihm schwer, ein Gedicht zu komponieren, weil die Sprache, in der er schreibt, vergiftet ist. Das Deutsch der Ämter, der Verwaltungen, der Rassejuristen, das Deutsch der Techniker und selbst das der Philosophen, der „Kulturmenschen“, alles ist toxisch. Vorsicht, Hochspannung, Stacheldraht. Das Alphabet ist vermint, von Blausäure durchzogen. Mich beschämt die Gleichgültigkeit, die Herzenskälte, oft auch die ungeschickte, verkrampfte Sprache der Politiker, die sich offiziell mit dem Faktum befassen. Dabei ist es ganz einfach, menschenrechtlich, auch zivilrechtlich betrachtet: ein Mord ist ein Mord ist ein Mord. Und niemand muß Jude sein, um sich zu sagen: Das bist du, der andere. Schau in den Spiegel: Auch du willst nicht ermordet werden.

Eskin: Liegt Celans ethische Bedeutung vielleicht darin, daß er, trotz seiner Scham, seiner Anklage, seiner Wut, den absoluten Wert des einzelnen – und damit auch des einzelnen Deutschen – höher schätzt als alles andere? Anders gesagt: Weiß der Dichter Celan eventuell mehr als der Mensch? Nämlich, daß wir alle leiden und daß das perennierende Leiden ein Recht auf Ausdruck hat? Denn wenn es anders wäre, würden wir dann seine Dichtung überhaupt noch lesen? Wäre sie dann nicht nur Ideologie (wenn auch die moralisch richtige) in Versen? Liegt nicht gerade in seiner allumfassenden dichterischen Liebe zum menschlichen Individuum seine Stärke als Dichter, der alle anspricht und für alle spricht?

Grünbein: Entfernt man diesen Zünder, ist seine Dichtung entschärft. Dann bleibt immer noch viel, es bleiben die linguistischen Rätsel und die bewußt schizoiden Elemente im Spätwerk. Dann könnte man Celan lesen, wie man heute Andrea Zanzotto liest, den italienischen Meister und anderen großen Depressionsfall der Lyrik, der gelegentlich mit ihm verglichen wird und der in seinen poetologischen Arbeiten manchmal auf ihn verweist. Dann sind wir bei Lacan und beim Stichwort des „gleitenden Signifikanten“. Die Sammlungen Fadensonnen und Schneepart, der letzte, postum veröffentlichte Gedichtband, bieten ein reichhaltiges Material für diese Lesart einer im Psychotischen irrlichternden Sprache. Hier ist die Psyche aus der Spur geraten, die Signifikanten driften in unwegsames Gelände. Es kommt zu immer bestürzenderen Wortverbindungen. Celan reizt ja, wie kaum einer sonst, die Möglichkeiten zur Kombinatorik der Nomina aus. Das Deutsche erlaubt einem immer neue Kombinationen und Bandwurmkonstruktionen. Man kann in dieser Sprache die tiefsten Widersprüche in Wortverbindungen gleichsam verklammern. Du fragst nach der Humanität seiner Dichtung. Natürlich ist auch sein Menschenbild bis in den tiefsten Kern erschüttert. Das Von-Angesicht-zu-Angesicht findet mit Freunden statt, engsten Vertrauten wie Jean Bollack, und mit den Geliebten, einzelnen Frauen. Aber sonst? Der Mensch als solcher ist diesem Dichter suspekt geworden. Schließlich kann man keinem trauen, weil die Geschichte sich je nach Geburtsort in ihn eingeschrieben hat und jeder die historische Erblast seines Stammes in sich trägt. „Es sind noch Lieder zu singen / jenseits der Menschen“, heißt es in Fadensonnen, einem Schlüsselgedicht. Das klingt wie eine Absage, aber es steckt auch eine letzte, dystopische Hoffnung darin. „Fadensonnen über der grauschwarzen Ödnis. / Ein baumhoher Gedanke greift sich den Lichtton:“ Also die Bäume, also das Licht. Die letzten, die ein Gespräch über Bäume führen werden, sind die robusten Insekten und vielleicht die paar überlebenden Vögel. Auch Tiere singen schließlich „Lieder“. An diese fixe Idee hielt sich die Dichtung seit den frühesten Griechen. Allen Kriegen, allen Genoziden zum Trotz.

Eskin: In diesem Zusammenhang muß ich an den Germanisten Claude David denken, der Celan einmal den „größten französischen Dichter deutscher Sprache“ genannt hat. Bist du mit dieser Charakterisierung einverstanden oder siehst du ihn als einen deutschen Dichter, der unter anderem in Frankreich gelebt hat?

Grünbein: Das eigentlich Aufregende an seiner Dichtung ist ihre Ortlosigkeit. Ortlosigkeit aber nicht als Manko verstanden, sondern als moralische Position oder gar Superposition (wie bei den elektromagnetischen Wellen). Es ist der Zustand des universellen Migranten, dem kein Zuhause vergönnt war. Man hat ihn als deutschsprachigen Juden aus der Herkunftskultur vertrieben – aus Rumänien oder der Ukraine, wie man will. Wo die Eltern ermordet wurden, konnte er nicht bleiben. Nach Deutschland wollte er nicht, dort konnte er höchstens in Form seiner Bücher anwesend sein, aber nicht physisch leben. Dort liefen die Mörder frei herum oder traten vor Gericht mit unerhörter Frechheit auf. Die Luft war immer noch vom Nazitum vergiftet, er wäre daran erstickt. Warum ist Celan nicht in die DDR gegangen? Weil sie ihn dort als Formalisten und bürgerlichen L’art-pour-l’art-Dichter fertiggemacht hätten, niemand hätte seine Bücher verlegt. Auch sein Liebäugeln mit der russischen Revolution hätte ihm nichts genutzt. Im Herzen, scheint mir, war er doch eher Trotzkist. In Frankreich bleibt er der Fremde, auch wenn er sich sprachlich hundertprozentig assimiliert. Denn als Dichter ist er auf einen Funkverkehr auf deutschen Wellen aus. Auf diesen empfängt er die Signale der geliebten Toten und sendet selbst von geheimer Station. Für die Franzosen bleibt er der deutsch dichtende Exot. Sie entdecken ihn später über die Philosophie, ironischerweise im Zusammenhang mit dem Werk eines höchst umstrittenen, geistig tief in die Hitler-Tyrannei verstrickten Denkers: Martin Heidegger. Für Celan ist die Sprache selbst das Exil. Er ist der durch und durch Vertriebene, der niemals ankommen kann – als solcher identifiziert er sich mit all den anderen Verbannten der Dichtung. Die Nähe zu ihnen ist unmittelbar. Und so begegnen ihm dann Ovid, Dante, Mandelstam, die Zwetajewa, und das Zwiegespräch im Transitraum beginnt.

ESKIN: In deinem Essay „Artistik und Existenz“ heißt es: „Nicht viel wird bleiben von der Dichtung jenes Wahnsinnsjahrhunderts, aber gewiß doch einiges von Benn und Celan.“

Grünbein: Die Annäherung der Namen, für viele als solche schon fragwürdig, sollte nur sagen: Diese beiden – Zeitgenossen der deutsch-jüdischen Katastrophe – gehören, wenn auch versetzt nach dem Lebensalter, fortan dazu. Es sind ja die Dichter, an die eine Sprachgemeinschaft sich langfristig hält. Das kann man nicht willkürlich steuern durch Erinnerungspolitik, es ist einfach so. Solange die Datenträger erhalten bleiben – gestern das Buch, heute das Internet –, werden die Gedichte dieser beiden durch die Zeiten reisen. Man spürt ja, was im kollektiven Gedächtnis brennt oder in den Sehnsuchtsmomenten zuverlässig aufglimmt. Und der eine ist eben Celan und der andere Benn. Einer wie Benn wird eher in den Lektürelisten der Rechtskonservativen auftauchen, jemand wie Celan eher bei den Deutschlandkritikern. Wahre Dichtung aber überlebt den Bürgerkrieg und überhaupt jede Spaltung, weil in ihr etwas fortwirkt, das die „opponierenden Größen“ überwindet. Das Gut-und-Böse-Schema, linke und rechte Gesinnung, Guthaben und Schulden, Freude und Trauer, selbst soziale Zuschreibungen. Letzteres mußte Brecht erfahren, der sich wunderte, daß auch Leser aus der Arbeiterschaft den „todessüchtigen Benn“ genießen konnten. Es mag für unbeteiligte Deutsche leicht sein, Celans Trauer beiseite zu wischen. Solange es aber ein Sprachempfinden und einen Sinn für die eigene Geschichte mit all ihren Irrwegen gibt, kommt an ihm keiner vorbei. Benn dagegen taugt als Poet für gewisse blaue Stunden. Bei beiden gibt es explosive Wortverbindungen, kühne chemische Sprachformeln, die als freie Radikale des Ausdrucks erhalten bleiben, sogar unabhängig von ihren Gedichten.

Eskin: In seinem Vortrag Probleme der Lyrik legte Benn die moderne Dichtung als monologische Sprachform fest – ohne Glauben, ohne Hoffnung, „an niemanden gerichtet“. Das Gedicht sei nichts als der Niederschlag der Begegnung des Dichters mit sich selbst. In seinen Preisreden in Bremen und Darmstadt widersprach Celan dem vehement, vor allem im Namen einer von der Monologizität des Totalitarismus geschundenen Menschheit. Für Celan ist das Gedicht „seinem Wesen nach dialogisch“, wie eine Flaschenpost aufgegeben in dem Glauben, es könnte „irgendwo und irgendwann an Land gespült werden, an Herzland vielleicht“. Gedichte sind für ihn stets unterwegs, wer sie schreibt und ihnen mitgegeben bleibt, sehnt sich nach der Begegnung mit einem anderen. Deine Poetik scheint sich zwischen diesen beiden Polen zu bewegen: Einerseits schreibst du in Galilei vermißt Dantes Hölle, daß sich das Gedicht aus dem „Stimmengewirr vieler Zeiten“, aus „Zitaten und Sprachfetzen“ konstituiere – also durch und durch dialogisch sei. Andererseits heißt es in „Warum schriftlos leben“, daß das Gedicht in der Regel, „seiner monologischen Natur folgend, einstimmig“ sei. Dichtung, sagst du anderswo ganz im Sinne Benns, ist „zuallererst Selbstbegegnung“. Wie geht das zusammen? Ich frage auch, weil Celan und du meines Wissens als einzige Lyriker deutscher Sprache das poetisch-existentielle Erbe des russisch-jüdischen Dichters Ossip Mandelstam ins Zentrum eurer Poetiken gestellt habt. Zentral für Mandelstam, von dem Celan das berühmte Bild der „Flaschenpost“ hat, ist das Verständnis von Mensch und Gedicht, die sich im Dialog auf einen Sobesednik, einen Mitredenden ausrichten. Wie bringst du Benn, Celan und Mandelstam zusammen?

Grünbein: Man müßte zeigen, wie noch das monologischste Gedicht im Sinne Benns untergründig von Frage und Antwort lebt und sich nach dem unbekannten Leser sehnt, der es dereinst in sich aufnimmt. Der Monologist scheint einer zu sein, der sich nicht mehr hineinreden lassen will, er dichtet die Rede ab, berauscht sich am eigenen Seelenflug. Das gelingt ihm aber nie ganz, und er weiß es. Man müßte zeigen, daß auch in der Wechselrede mit einem Du, mit dem anderen, immer ein Vorbehalt mitschwingt, eine Furcht mißverstanden, der Täuschung und des geistigen Diebstahls bezichtigt zu werden. Seit der Niemandsrose verdichtet sich für Celan das Gefühl, von einer literarischen Hetzmeute umgeben zu sein, von lauter Lyrikpolizisten, die ihn des Plagiats verdächtigen. Der Dialog mit den verfolgten, von ihren Zeitgenossen geplagten Dichtern, mit Büchner und Heine, mit Hölderlin, Zwetajewa und Mandelstam, wird ihm zum Schutzraum, in dem er sich aussprechen kann, so offen wie kaum einem Briefpartner gegenüber. Das Gespräch mit den Toten gibt ihm Halt in der politischen Eiszeit dieser fünfziger, sechziger Jahre, wo die Ermordeten im Vergessensrausch der fleißigen Überlebenden des Mördervolks ein zweites Mal umgebracht werden. In solcher Lage werden Gedichte als Flaschenpost aufgegeben, in der Hoffnung, sie mögen eines Tages an „Herzland “ angespült werden, wo immer das ist. Denn es gibt keine von Mensch und Geschichte unberührten Gestade oder Inseln mehr, das weiß auch der Dichter. Er gibt also etwas auf, und der Doppelsinn schwingt gleich mit. Man kann eine Postsendung aufgeben, aber auch die Hoffnung und schließlich sich selbst. Und genau das geschieht, Schritt für Schritt, in dieser unfaßbar großen Dichtung. Wie Andrea Zanzotto halte ich Paul Celan für den größten Dichter der Nachkriegszeit. Wenn man aber fragt, an wen diese Gedichte adressiert sind, auf wen oder was sie zuhalten, wird es ganz schwierig. Wer ist dieser große „andere“ denn? Der Mensch in der Ferne oder der Nächstbeste, der Nachbar, der skeptische Zeitgenosse, gar der Feind nebenan? Oder ist es einer der unerreichbaren Toten, stellvertretend für alle, der ewige Jude in der Mandorla oder in einer Wolke von Rauch – ein abwesender Gott? Dazu ein Beispiel aus der Niemandsrose: „Es ist nicht mehr / diese / zuweilen mit dir / in die Stunde gesenkte / Schwere. Es ist / eine andre. // Es ist das Gewicht, das die Leere zurückholt, / die mit- / ginge mit dir. / Es hat, wie du, keinen Namen. Vielleicht / seid ihr dasselbe. Vielleicht nennst auch du mich einst / so.“ In der Erstfassung gab es einen Schlußvers: „Ich kann dich noch sehn.“ Der wurde später gestrichen. Es gibt übrigens, dies nur am Rand, zarte Berührungen zwischen Benn und Celan. Sie finden in einzelnen Worten, Reizworten statt, wenn auch oft als Versteckspiel. So sollte das Gedicht „Flimmerbaum“ zunächst „Flimmerhaar“ heißen. Bekanntlich spielen die Flimmerhaare in Benns Mediziner-Poetik eine gewisse Rolle, jene Flimmerhaare, die sich schon am Beginn der Evolution als Zellfortsätze bestimmter Urtierchen, aber auch in den Atemwegen der Säugetiere finden. Die Flimmerhärchen fangen Schadstoffe ab, Partikel, die vom Organismus besser wieder ausgeschieden werden – zum Beispiel durch Niesen. In Benns Schrift Probleme der Lyrik haben sie noch eine andere Funktion: „Flimmerhaare, sie tasten etwas heran, nämlich Worte, und diese herangetasteten Worte rinnen sofort zu einer Chiffre, einer stilistischen Figur.“ Das ist im Kern der Arbeitsprozeß des Dichtens in der Definition Benns. Celan strich das Wort wieder aus, um der gefährlichen Nähe zu entgehen.

Eskin: „Da hilft kein Schlaftrunk, dir, kein Mohn“ heißt es im 25. Gesang Deines Versepos Vom Schnee oder Descartes in Deutschland mit Bezug auf Celans Gedichtband Mohn und Gedächtnis. Dein Werk ist durchzogen vom Motiv der „Schlaflosigkeit“, der „Berufskrankheit“ der Dichter, wie es in deinem Juvenal-Essay Schlaflos in Rom heißt. An ihr litt auch schon Mandelstam, traut man dem Dichter-Ich seines frühen Gedichts „Schlaflosigkeit, Homer…“ Was der schlaflose Dichter hört, schreibst du im selben Essay, „ist im Grunde das Rauschen der Zeit“. Schon Nietzsche sagte, daß ein „Mensch, der durch und durch nur historisch empfinden wollte“, jemand wäre, „der sich des Schlafens zu enthalten gezwungen würde“. Schlaflosigkeit als Gedächtnis. Dagegen hilft kein Schlaftrunk, kein Mohn. Der Dichter ist dazu verdammt, Zeugenschaft abzulegen vom „Getöse der Vergänglichkeit“, wie du es nennst. Worin unterscheidet sich die Zeugenschaft des Dichters von der anderer Menschen?

Grünbein: Der Dichter zeichnet sich in puncto Zeugenschaft durch nichts aus. Er ist auch nur einer von vielen Zeitgenossen. Vor Gericht wären gerade die Dichter mit ihren ungenauen Angaben wenig nützlich. Ihre Aussagen sind kaum belastbar, sie halten sich zu sehr bei den Worten auf. Bei Celan sind vor allem zwei Bestrebungen am Werk, die einander ergänzen. Es gibt den Willen zur Historisierung und einen starken Drang, alles mit eigenen Augen zu sehen. Überall, wo er hinkommt, sucht er nach Evidenzen – nach Hinweisen, Spuren, Indizien – gerade für das Verschwundene, Abwesende. So fällt ihm in Amsterdam die Hauslücke auf, wo einst Spinozas Geburtshaus stand. In Kopenhagen betrachtet er Objekte des Widerstandskampfes der Dänen im Frihed-Museum, in Prag fällt ihm sein lebendiger Schatten auf usw. Es ist eindeutig Augenzeugen-Dichtung. So verfolgt er den Frankfurter Auschwitz-Prozeß und liest gründlich die Zeugenberichte. Einzelne Stellen in den Aussagen brennen sich ihm regelrecht ein. Wichtig ist ihm, daß im Gedicht Indizien aufgehoben sind. Oft gibt es genaue Standortbestimmungen, Manuskripte werden datiert und sofort an Zeugen verschickt. Er will, was ihm überlieferungswürdig ist, „bergen“ – das ist das Schlüsselwort. Vor allem aber begreift er sich als ein Schicksal – im Sinne von Nietzsches „Warum ich ein Schicksal bin“ aus Ecce Homo. „Ich kenne mein Los. Es wird sich einmal an meinen Namen die Erinnerung an etwas Ungeheures anknüpfen.“ Wir wissen, was das Ungeheure im Falle Celans ist. Der Dichter muß es nicht einmal aussprechen, es ist in allen seinen Zeilen präsent. Dieses Ungeheure, das die zeitgenössischen Rezensenten nicht auszusprechen wagten, um das sie oft mutwillig herumredeten, das sie verdrängten oder in Lyriktheorie zu begraben versuchten – dieses Ungeheure verleiht seinem Werk eine einzigartige Kohärenz. Es bricht immer wieder durch als Trauer um das gewaltsame Ende der Mutter, des Vaters und erweitert sich von da aus zur universellen Klage über das Los der Juden in der Weltgeschichte. Und es verschärft sich noch einmal in der Zeit seiner psychischen Krisen, wo er unübersehbar Zeichen setzt und Hinweise streut. Im Moment der Psychose erkennt er seinesgleichen, die Leidensgefährten, quer durch die Zeiten – Hölderlin, Lenz, Mandelstam, van Gogh … Im Austausch mit ihnen entsteht eine Form höherer Zeitgenossenschaft, man könnte sogar sagen, ein Überbietungswettbewerb: „härter als ich / lag keiner am Wind, / keinem wie mir / schlug die Hagelbö durch / das seeklar gemesserte / Hirn“, heißt es in dem Gedicht „Heddergemüt, ich kenn“ ganz am Ende der Fadensonnen. Aber du hast wieder nach mir gefragt. Mehr unfreiwillig als freiwillig bin ich Zeuge großer historischer Umwälzungen geworden. Ich stand am Wegrand, als es geschah, und rieb mir die Augen. Manches habe ich protokolliert. Ich sah die kalte sozialistische Stadt nach dem Ergrauen der Morgenröte (Grauzone morgens), sah den Fall der Berliner Mauer und die Transformation Osteuropas. Ich sah Moskau im Umbruch, den Bauplatz der Oligarchen, und in Sankt Petersburg den Panzerkreuzer Aurora als Museumsschiff am Newa-Kai. Ich sah das Danzig der Nach-Solidarnoś-Ära, Athen in der Wirtschaftskrise und Rom unterm Ansturm des Billigflieger-Tourismus. Ich sah New York vor dem Fall der Türme und dann das Loch am Ground Zero. Ich sah den Ground Zero des entfesselten Neo-Kapitalismus und die verheerenden Einschläge der Globalisierung auf mehreren Kontinenten. Ich sah Paris kurz nach dem Terror-Schock, die Disco-Hölle des Bataclan, wie Jacques Offenbach sie sich nie hätte ausmalen können. Sah den Berliner Breitscheidplatz in der Nacht des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt (am selben Abend in einem Lokal um die Ecke feiernd). Und ich sah, wie der Zorn der sozial Deklassierten in den Ostbundesländern sich in Dresden und Chemnitz auf den Straßen entlud. Nachts ging ich durch „Dunkeldeutschland“, inkognito, und dachte mir meinen Teil. Das meiste im Schreiben war Selbstentzündung, Traumflug durch die Zeiten, Photographieren der Wegmarken in bengalischer Beleuchtung. Ich sehe mich eher als verdeckten Ermittler meiner Lebensumstände. Hin und wieder rede ich mit dem Zeitzeugen in mir. Aber ich achte darauf, daß er nicht das letzte Wort behält.

Sinn und Form, Heft 1, 2020

 

Hans Mayer: Erinnerung an Paul Celan, Merkur, Heft 272, Dezember 1970

 

PARIS, JANUAR, PAUL CELAN

Früh
mit verriegelten Augen
noch eh
ich mich zum erstenmal einließ
mit dieser Stadt
die für mich deinen Namen trägt

ging ich zum Fluß
nahm die Kälte entgegen
beugte mich
über das Fließen zwischen
steinernen
eisengrünen Brücken
sah wie leer es war
eilig
dein schwarzes
Wasser
dein Haar
nicht achtend
der eigenen
Kinder was sollte
diese Stadt mit dem Deutschen

keine Matratzengruft
aber der andere
Fluß fließt so am Turm vorüber
als wir uns
über die Brüstung beugten
TÜBINGEN, JÄNNER
schriebst du danach

mit meinen jetzt weitoffenen Augen
pflücke ich
quaientlang
Hyazinthen
bis alle Töpfe der Blumenfraun
kahl sind
bis deine schwarzen
Wasser
blühn

Margarete Hannsmann

 

 

Paul Celan: Dichter ist, wer menschlich spricht. Ein Film von Ulrich H. Kasten und Hans-Dieter Schütt mit Eric Celan und Bertrand Badiou.

 

Gerhart Baumann hielt seinen Vortrag Paul Celan: Um-Wege zu sich und die offene Frage des Gedichts auf der Tagung Vom Sinn moderner Lyrik am 23. Januar 1971 im Haus der Katholischen Akademie in Freiburg.

 

 

Niemand zeugt für den Zeugen. 100 Jahre Paul Celan. Literarische Soirée am 30.9.2020 im Haus am Dom Limburg.

 

„wir wissen ja nicht, was gilt“ – Paul Celan zum 100. Geburtstag

 

Ein Abend zu Paul Celan am 18.5.2020 im Literaturhaus Berlin mit Hans-Peter Kunisch und Thomas Sparr. Es moderiert Eveline Goodman-Thau.

 

Paul Celan, Czernowitz & die „Todesfuge“. Helmut Böttiger berichtet.

 

Erreichbar, nah und unverloren. Reisen zu Paul Celan. Teil 1. Gespräch mit Helmut Böttiger.

 

Todesfuge – Biographie eines Gedichts. Alexander Suckel im Gespräch mit Thomas Sparr am 17.4.2020 im Literaturhaus Halle.

 

„Ästhetik und politische Dimension der Dichtung Paul Celans“. Mit Helmut Böttiger, Thomas Sparr und Monika Rinck; Moderation: Dieter Stolz am 23.11.2020 im Literaturforum im Brecht Haus.

 

Paul Celan in Europa – Videogespräch am 22.9.2020 im Rahmen der trilateralen Forschungskonferenzen 2020–2023 in der Villa Vigoni.

 

Paul Celan übersetzen – Gabriel Horatiu Decuble im Gespräch mit Ton Naaijkens und Alexandru Bulucz, Moderation Ernest Wichner am 6.11.2021 im Literaturhaus Halle im Rahmen der Tagung „Was setzt über, wenn Gedichte übersetzt werden“.

 

Clément Fradin, Julia Maas und Michael Woll stellen Paul Celans Bibliothek im Deutschen Literaturarchiv Marbach vor.

 

„Die Todesfuge. Zur Biographie eines Gedichts im Archiv“ – Thomas Sparr im Gespräch mit Jan Bürger, Kai Uwe Peter und Michael Woll

 

Michael Woll stellt Paul Celans Nachlass im Deutschen Literaturarchiv Marbach vor. Im Mittelpunkt stehen dabei die Hölderlin-Bezüge in Celans Texten.

Felix Philipp Ingolds Skorpioversa – Kehraus mit Celan

Zwischen „Grabschändern“ und „Linksnibelungen“. Wolfgang Emmerich im Gespräch mit Michael Braun über Paul Celans Verhältnis zu Deutschland und seinen deutschen Kritikern.

Carolin Callies, Ann Cotten, Daniela Danz, Aris Fioretos, Norbert Hummelt und Rainer René Mueller kommentieren Paul Celans Gedicht „Was es an Sternen bedarf“.

 

 

Paul Celan liest Gedichte in Jerusalem am 9.10.1969

Zum 50. Todestag des Autors:

Daniel Jurjew / Klaus Reichert: Paul Celan: Ich sehe seine Hellsichtigkeit, bei anderem denke ich einfach: er übertreibt
Frankfurter Rundschau, 19.4.2020

Gregor Dotzauer: Das Eigene und das Andere
Der Tagesspiegel, 19.4.2020

Susanne Ayoub: Es ist Zeit, dass es Zeit ist
Der Standart, 19.4.2020

Sandro Zanetti: Akute Dichtung: Celans Zumutungen
Geschichte der Gegenwart, 19.4.2020

Friederike Invernizzi: Sprechen zwischen Wunde und Narbe
Forschung & Lehre, 19.4.2020

Frank Trende: Die bewegende Geschichte der Todesfuge
shz.de, 19.4.2020

Dunja Welke: Paul Celan – Ein zerrissener Dichter
RBB, 18.4.2020

Stefan Lüddemann: Paul Celan, Dichter des Holocaust, starb vor 50 Jahren
Neue Osnabrücker Zeitung, 19.4.2020

Shmuel Thomas Huppert: Erinnerungen an Paul Celan
SR 2, 26.2.2020

Christoph Bartmann: Ein Riss, der nicht zu heilen war
Süddeutsche Zeitung, 20.4.2020

Christine Richard: Ein Leben, immer nahe am Untergang
Tages-Anzeiger, 20.4.2020

Anton Thuswaldner: „Die Welt ist gegen mich losgezogen“
Salzburger Nachrichten, 19.4.2020

Klaus Reichert im Gespräch mit Niels Beintker: Erinnerungen an Begegnungen und Gespräche mit Paul Celan
BR24, 20.4.2020

Rüdiger Görner: Asche atmen: Zu Paul Celan
Die Presse, 23.4.2020

Marko Martin: Paul Celan und die „Linksnibelungen“
Welt, 27.4.2020

Evelyne Polt-Heinzl: Paul Celan Ein Migrant in Wien
Die Furche, 8.4.2020

 

 

Zum 100. Geburtstag des Autors:

Andreas Wirthensohn: Todesklage für die Überlebenden
Wiener Zeitung, 21.11.2020

Klaus Demus: „Eine sehr große Freundschaft“
literaturoutdoors.com, 22.11.2020

Claus Löser: Fünf Filme für Paul Celan
Berliner Zeitung, 21.11.2020

Krisha Kops: Paul Celan: Dichter, Überlebender, Heimatloser
Deutsche Welle, 22.11.2020

Ulf Heise: Lyrik als Flaschenpost
Freie Presse, 22.11.2020

Susanne Ayoub: Paul Celan: Verlust der Heimat, Trauer um die Eltern
Der Standart, 22.11.2020

Wolf Scheller: Was nicht gesagt, nur angedeutet werden kann
Der Standart, 23.11.2020

Andreas Montag: Dichter Paul Celan – Der Schleier des Herbstes
Mitteldeutsche Zeitung, 23.11.2020

Andreas Müller: Paul Celan – zum 100. Geburtstag
Wiesbadener Kurier, 23.11.2020

Stefan Kister: Unter die Deutschen gefallen
Stuttgarter Zeitung, 22.11.2020

Paul Jandl: Vielleicht war Paul Celan einmal ganz er selbst. Da spielte er die Dürrenmatts beim Tischtennis in Grund und Boden
Neue Zürcher Zeitung, 23.11.2020

Sabine Glaubitz: Er schrieb das Unsagbare auf: Nachkriegsdichter Paul Celan wäre heute 100 Jahre alt geworden
stern, 23.11.2020

Volker Weidermann: Ein Grab in den Lüften
Der Spiegel, 20.11.2020

Jochen Hieber: Im Höhenrausch mit Ingeborg Bachmann
Der Spiegel, 23.11.2020

Stefan Brams: Interview mit Thomas Sparr – Paul Celan stiftet zur Erinnerung an
Neue Westfälische, 23.11.2020

Helmut Böttiger: Die graue Sprache
Süddeutsche Zeitung, 22.11.2020

Helmut Böttiger: Auf der Suche nach einer graueren Sprache
Jüdische Allgemeine, 21.11.2020

Albrecht Dümling: Die Todesfuge in Tönen
Deutschlandfunk Kultur, 20.11.2020

Nikolaus Halmer im Gespräch mit Barbara Wiedemann: Paul Celan: „Es sind noch Lieder zu singen jenseits der Menschen“
Die Furche, 11.11.2020

Harald Seubert: Lieder jenseits der Menschen und kodierte Zeit: Paul Celan (1920–1970). Zum Gedenken
youtube.com, 15.6.2020

Celebrating Paul Celan: An Evening with Pierre Joris and Paul Auster
youtube.com, 21.11.2020

Stadtführung „Auf den Spuren von Paul Celan“
youtube.com, 10.9.2020

Paul-Celan-Literaturtage 2020. Videopräsentation vom Paul Celan Literaturzentrum Czernowitz

Ausstellung Paul Celan 100 – Unter den Wörtern

Online-Begleitprogramm zur Ausstellung Paul Celan – Meine Gedichte sind meine Vita

 

 

West-östliche Konstellationen. Internationale Tagung als hybride Veranstaltung im Lyrik Kabinett, München, sowie online.
Tagungskonzeption und -organisation: Prof. Markus May und PD Dr. Erik Schilling (Institut für deutsche Philologie der LMU München)
8.–9.10.2020

Eröffnung

 

Ambivalente Topographien. Rilkes Dritte Duineser Elegie und Celans „Walliser Elegie“

 

„West-östliche“ Lesarten im Jahrhundert nach Celan

 

Das Schweigen über Brücken. Orte Celans bei Robert Schindel

 

Abendvortrag: Todesfuge. Biographie eines Gedichts

 

„Wortaufschüttung“. Materialität als Indexikalität bei Paul Celan

 

Betreten. Zum Anfang von Engführung

 

Celans Draußen. Über reale und sprachliche Räume in seiner Dichtung

 

„Stimmen vom Galgenbaum“. Celans west-östliches Rotwelsch

 

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Porträtgalerie: Keystone-SDA
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Nachrufe auf Paul Celan: Neue Literatur ✝︎ NZN



Paul Celans Todesfuge interpretiert von Diamanda Galas im Teatro Albeniz, Madrid, 15.10.2008.

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