GATTINEN DÜRFEN BEGEHRT WERDEN, ABER NICHT VON IHREN GATTEN
wir lebten in einem entlegenen mitgifthaus in cork
türen und fenster ließen wir stets unverschlossen
als das wild rudelweise durch die küche strömte
lachten wir zuerst, aber dann begannen wir zu
aaaaastreiten
die jahre strichen ins land, wir stritten mehr als wir
aaaaalachten
„du scheinst dich mehr für das wild zu interessieren als für mich“
„ich hab’s satt, mein leben in einem horst aus geweihen zu fristen“
„sei ein mann und errichte ein gatter“
„sei eine frau und bringe wildbrett in den kessel“
als ein goldiger hagestolz an ihrem sessel herumlungerte
und sie sein warmes fell mit lächelnden händen liebkoste
schloß ich mich im oberstübchen ein und schmollte wochenlang
hirsche, hindinnen und kitze machten die bekanntschaft ihres bettes
mitten in der der blüte ihres lebens entblödete sie sich, allein
Übersetzt von Bert Papenfuß-Gorek
Paul Durcan wurde 1944 in Dublin geboren. Obschon seine Eltern aus Mayo stammten, hat er mütterlicherseits Verbindungen nach Antrim. Major John Mac-Bride, der nach dem Osteraufstand hingerichtet wurde, war ein entfernter Verwandter. Seit 1975 alle ein bis zwei Jahre eine Gedichtband, diverse Preise, Lesereisen in alle Welt.
Er bezweifelt, ob Dichtung eine Art Therapie für ihn darstellt. „Keine Ahnung-jedenfalls nicht mehr Therapie als Sport, oder Zeitvertreib; Sachen, die mich immer sehr interessiert haben.“ Als ob das letzte Wort darüber nicht geschrieben werden könne, kehrt er immer wieder zu gewissen Themen zurück – die Unterdrückung der Frau, die Wichtigkeit und Wichtigtuerei der Liebe, die Verheerung der Einsamkeit; das politische Umfeld einbezogen und abgegrast. Gälisches taucht aus den Gedichten auf. „Eine größere Anzahl Örtlichkeiten sind in meinen Gedichten erwähnt, bestimmte Namen schicken mir immer noch Schauer über den Rücken.“
Bert Papenfuß-Gorek
− Der irische Lyriker Paul Durcan mit „The Berlin Wall Café“ −
Akademisch gesprochen: Paul Durcans Texte sind überwiegend Rollengedichte. Schlicht gesagt: nicht irgendein lyrisches Ich sprich sich hier aus, sondern fest umrissene, beim Namen genannte Figuren erzählen ihre Geschichte.
Erster Auftritt: „Des Schleppers Frau begegnet Jesus auf der Straße bei Moone.“ Und sachlicher kann man wohl kaum ein Gedicht beginnen. „Ich lebe in der Stadt Cahir“, so stellt sich die dreiunddreißigjährige Protagonistin vor, „im Aherlow-Tal / – nicht weit von Peekaun / im Stadtkreis Toureen / am Fuß des Galtee Mór / im Country Tipperary.“ Doch jäh schlägt der Ton um in Emphase. Dort die dürren Fakten, das Planquadrat einer Biographie, hier plötzlich die heftig dagegen aufbegehrende Natur. Eine gewaltige Körperlandschaft: „Der Bergstrom meines Geschlechts / in Flut und dunkel schäumend / die weißen Hügel meiner Brüste / üppig und atmend / die hohen Bäume meiner Augen / blaue Himmel beschirmend / auf jeder meiner Handflächen jedoch / eine Garbe gestürzter Grabsteine.“ Metaphorische Implosionen eines, wie wir erfahren, in einer unglücklichen Ehe niedergeschmetterten Ichs.
Und Jesus? Ein Mann aus Fleisch und Blut auf der Straße nach Dublin. Eine Epiphanie gleichwohl, einmalig, wunderbar: „Jesus war ein liebenswerter Mann / er war alles wovon eine Frau träumen konnte: / Sanft wild friedlich höflich traurig / eckig unbeholfen aufrichtig methodisch / humorvoll leidenschaftlich zornig gütig / vollkommen vertraut mit der Welt einer Frau.“ „The Berlin Wall Café“, 1985 in Belfast erschienen, stellt – erstmals in deutscher Übertragung – einen Autor vor, dessen Markenzeichen solche Lichtblicke im Gleichmaß der Desillusion sind. Jenes „seltene Ereignis Wahrer Liebe / ein authentischer Fall von amour“ taucht ebenso plötzlich auf wie es verlischt.
Das ist der Moment, an dem sich Durcans Texte entzünden, hier glühen sie auf, kurz zwar, doch hell genug, um den Absturz schmerzhaft klar zu beleuchten: „Starrend ins Weiße, schwarzblätternde Nichts, hörend ihr Flüstern – / ‚Mann, ich bin nicht mehr süchtig nach dir.’“
Paul Durcan, 1944 in Dublin geboren und 1990 in Irland mit dem angesehen Whitebreadpreis für Dichtung ausgezeichnet, ist ein Lyriker mit beeindruckender Bibliographie. Seit 1975, so liest man im Anhang, hat er beinahe jährlich einen Gedichtband veröffentlicht, mehr al ein Dutzend bis heute.
Um so erstaunlicher, daß erst jetzt, in Nachdichtungen von Mitch Cohen, Sascha Anderson, Stefan Döring, Gerhard Falkner, Durs Grünbein, Bert Papenfuß-Gorek etc., Durcan für hiesige Lyrikleser entdeckt wurde. Und, wie der Blick ins linksstehende Original zeigt, durchaus mit Sinn für Durcans lakonischen Grundton übersetzt. Ob freilich „Verglückung“ eine glückliche Wortfindung für felicity, „Geschaftlhuber“ das Nonplusultra für die quicken busybodies ist, sei einmal dahingestellt.
Refrain, wenn nicht gar eine der Grundformeln in Durcans Texten, ist die Beziehungsessenz: „mädchen spielen mit jungs“. Der Gefühlsschwund, wie auch die Ernüchterung der poetischen Tonlage, das – wie gesagt – vollzieht sich rasant. Ein Gefälle, aus dem der Autor, je nachdem, ironischen oder melancholischen Gewinn schöpft. Selbst in so übermütig-skurrilen Texten wie „Der Erzbischof von Dublin verfilmt ‚Romeo und Julia’“ oder dem darauffolgenden „Der Erzbischof von Kerry wird abtreiben“, schimmert hinter dem gleißenden Sarkasmus Melancholie. Der Coup des regieführenden Erzbischofs, Romeo und Julia, „angeregt durch das Beispiel des heiligen Samuel Beckett“, in Kühlschränke zu stecken, „von denen aus sie per Telefon / kommunizieren sollen“, ist gewiß eine schöne Pointe, doch gerät darum das Gedicht keineswegs zum bloßen Gag.
„Körper-Telefone“ stimmen sich aufeinander ein, es kommt zu Konflikten (zwangsläufig, denn: „Mein Körper-Telefon war Made in Dublin / Aber dein Körper-Telefon Made in Japan“), Verbindungen werden gekappt wie „Telefondrähte die meine Augen mit ihren Augen verbanden“. Die Rolle des Autors als Zentrale, die dieses „Apparate“ verkabelt und trennt, Einzelstimmen zu Wort kommen läßt und zum Verstummen, ist gewiß nur zu erfüllen mit einer Art absolutem Gehör. Darüber verfügt Paul Durcan, scheint es, mit ebensolcher Selbstverständlichkeit wie über das Existenzrepertoire von Ekstase und Verzweiflung. Und letztere ist ein leidenschaftliches Geschöpf. „Kein mann hätte seiner frau / untreuer sein können als ich“, heißt es nämlich in einem der abgehörten Monologstücke.
Keine andere Frau stiehlt sich in diese Ehe hinein, schlimmer, das Objekt der Begierde heißt „Sweet Despair“: „ich presste meine Verzweiflung an meine brust / und küßte sie mit gewalt, süße verzweiflung.“ Und durchdringend die Stimme seiner Frau, die ihn dort auf dem türkischen Teppich in flagranti ertappt: „o mein lieber mann, wirst du mir denn nie treu sein können / habe ich dir nicht hoffnung gegeben all die tage meines lebens?“
Sabine Küchler, Tagesspiegel, 22.3.1992
− Paul Durcans Lyrikband The Berlin Wall Café. −
„The Berlin Wall Café“ ist der erste Lyrikband Paul Durcans in deutscher Sprache; er enthält auch die Originaltexte. In Irland hat Durcan bislang 14 Bücher veröffentlicht, zuletzt wurde er mit dem Whitebread-Preis ausgezeichnet, durch Lesungen und Auftritte bei Poesiefestivals machte sich der 1944 geborene Autor international einen Namen. Mit dieser Publikation beginnt der Ostberliner Autorenverlag Druckhaus Galrev die Reihe „Edition Druckhaus“, die ausländische Literatur vorstellen wird.
Es sind schnörkellose Texte, die vom Alltäglichen ausgehen und oft ins Aberwitzige kippen, sie balancieren Realismus und Märchenhaftes und könnten viele Leser finden. Solche, die Gedichte nicht gerade suchen, aber auch Lyrikspezialisten, die schon fast alles kennen. Durcan ist ein einfacher Schriftsteller, aber das heisst nicht, dass er ein Vereinfacher wäre. Er gibt sich als liebevoller Mann mit Familiensinn und Sehnsucht nach Geborgenheit, insbesondere im zweiten Teil geht es immer wieder um eine (seine?) gescheiterte Ehe. Das lyrische Ich säubert die Aschenbecher seiner Frau, lebt in Cork City und ist mit dem katholischen Milieu vertraut. Vorm Dasein als Biedermann schützt ihn, dass er ein guter, ein kraftvoller Schriftsteller ist, der in der Welt herumkommt, und dass er alles dann doch etwas anders sieht als der Nachbar.
In der Kirche kann man ihn sich gut vorstellen, aber viele Texte richten sich gegen Frömmelei: „Der Erzbischof von Kerry wird abtreiben“, „Der Erzbischof von Dublin verfilmt Romeo und Julia“, „Katholischer Vater betet für die Abtreibung seiner Tochter“. Von Prüderie hält er gar nichts: „Ich war ein zwölfjähriger Homosexueller“, „Der Mann der sich für Miss Havisham hielt“, mädchen spielen mit jungs“, „Der Mann mit den fünf Penissen“, und in „HochgeschwindigkeitsAutoWäsche“ schildert er ein Paar, das sich im Auto liebt, „verschmolzen wie Christus und Kreuz“, während zwei Nonnen dabei zusehn. Durcan geht es nicht um Ketzerei und Provokation, eher um die Schönheit und Reinheit von Lust und Liebe:
und als wir von der tropischen insel unseres bettes
zum überlaufen voller geschrei und gestöhn
unsere trauerkleider auf den boden warfen
konnten wir von draussen gelächter hören
es gibt kein geräusch, das kinder lieber hören
als das geräusch ihrer eltern beim liebemachen
oh mein liebling, wer in aller welt bist du
In Durcans erzählfreudigen, ausführlichen Gedichten gibt es fast immer ein lyrisches Ich, oft scheint es dem des Autors zu entsprechen, aber immer wieder Rollentexte, bei denen der Dichter in fremde Häute geht, sich in anderen Menschen einfühlt.
Die schönsten Texte des Buches sind die, in denen das Skurrile die Oberhand bekommt, da entsteht ein Zauber, ein Glück, ein Staunen. In „Bewley’s Oriental Café, Westmoreland Street“ beginnt alles mit der Bitte einer jungen Frau, auf ihre Sachen aufzupassen, und am Schluss steht da ein nackter Wachmann. Bei „Zigaretterauchender Mann in der Metro von Barcelona“ ist dieser von vornherein nackt und kommt auch nicht der Aufforderung nach, die Entweihung des Körpers durch das Rauchen einer Zigarette dadurch zu beenden, dass er sich anzieht, sondern er wirft die Zigarette weg und dann:
„begannen eine, zwei, drei der weiblichen passagiere
hre qualmenden zigaretten zwischen die gleise zu werfen,
und, als sie das getan hatten
fielen die gewänder von ihnen ab
und sie traten aus sich heraus, zigarettenlos,
neugeboren mit einem gefühl für würde und schönheit.
zum schluss blieben nur noch männer übrig –
qualmende fremdlinge – kettenraucher in ihren klamotten.
Durcan schreibt nicht nur aus dem katholischen Milieu irischer Provinz, er betont auch, dass er sich in der Welt umgesehen hat. Manchmal allerdings reduziert er das Ausland auf Reizworte, und an einer Stelle ist das unerträglich. Wenn er im Schlusstext seine Love-Story mit der Verflossenen mit KZ-Vokabular würzen will:
gauleiter der rache brachten mein blut in wallung
aufgestachelt von den sturmtruppen der gier
(…)
und auf gings in die stadt
ich wusste, sie würde dort versteckt gehalten
von ihren freunden in einem jüdischen ghetto
heute nacht würde ich meine frau stellen
(…)
und werde ihr respekt einflössen vor gott dem führer.
Das endet dann mit dahingeschmolzenen „mörderisch trunkenen komplizen der nacht“, einer erleuchteten Skyline von Cork City, den schlafenden Kindern, die Frosch und Eidechse an sich drücken, und einem besänftigten, betenden, ganz süssen Pappi. „Gauleiters“ und „the Führer“ heisst es auch im Original. In Cork City mag so was drollig und womöglich recht weltmännisch wirken, aber wenn man das dort liest, wo Millionen von Menschen nicht nur durch Gauleiter und nicht nur bei Nacht ermordet wurden, dann ist dieses unbedarfte Herumalbern widerlich.
Dennoch – ein gelungenes Buch. Was für die Übersetzer spricht: Galrev hat nicht auf Branchenprofis gesetzt, sondern vorwiegend auf die mit dem Haus verbundnen Lyriker der jüngeren Generation. Bei allen Vorzügen – gelegentlich ist deren Übersetzungskunst befremdlich. So scheint Durcan die Kleinschreibung nicht sehr zu liegen; Bert Papenfusss-Gorek lässt sich da nicht irritieren und bringt den Text auf Linie. Immerhin darf sich Durcan bei ihm auch mal wiederholen, der Amerikaner, der in der Erinnerung an seine große Liebe in Berlin schwelgt, sagt im Original: „Once we were Berlin, you and I“, und sein Übersetzer kriegt das grosse Gefühl wie folgt klein: „einst waren wir in berlin, du und ich“. Mehr Phantasie hat Durs Grünbein. „Porsche“ übersetzt er zwar noch mit „Porsche“, aber bei „caravan“ wagt er sich zur Reifenspur“ vor (für solche die Autobahnen verstopfenden Vehikel sollte man wirklich keine Werbung machen, zwingen einen doch auf die Bremse, und was bleibt dann zurück: ja eben, eine Reifenspur, sagt er doch, der Grünbein). Im Verlauf nimmt die Kühnheit wieder ab: „Tinker children play ‚donkey’“ heisst auf gut deutsch „Spielen die Kinder des Kesselflickers ihr ‚Eselspiel’“, und dann wird’s ganz besonders deutsch, wenn aus „he’s dead keen on the birdwatching“ ein „er ist totscharf auf Vogelwart“ herauskommt.
Dieter M. Gräf, Basler Zeitung, 13.3.1992
Der Olymp der jüngeren irischen Literaturgeschichte ist äußerst reich an phänomenalen, phänomenal einzigarten Schriftstellern – wahren Dieux de lettre. Neben den nicht wegzudenkenden Joyce und Yeats – beide Aspiranten auf die Zeusposition – und Beckett, dem bitter-satirischen Nihilismusmagier, sind für das letzte halbe Jahrhundert unbedingt Patrick Kavanagh, Flann O’Brian, Seamus Heaney, Eavan Boland, Michael Longley, Eiléan Ní Chuilleanáin, Nuala Ní Dhomhnaill, Paul Muldoon und Matthew Sweeney als Olympier der Literatur anzuführen.
Auch der 1944 in Dublin geborene Paul Durcan ist Teil dieses lettristischen Höhenzugs, ist One of modern Ireland’s most distinctive poets (Eve Patten). Durcan gilt als Dichter des Augenblicks, dem er (wie) beiläufig begegnet und sanft oder aber aggressiv Ironie einhaucht, nicht selten bis hin zur Kolportage seiner selbst. Wiederholt treffen wir in den Geschichtengedichten, Rollenspielen und Kurzfilmpoemen auf die normalsten Anormalitäten, auf Situationen abgrundtiefer Heiterkeit. Situationen, in denen der Sprecher immer auch als Bestandteil der Szenerie präsent ist.
Seine novellenartigen, an-surrealisierten, grotesken und gleichwohl immer lebensechten Texte spiegeln eine Welt, in der Finlan O’Toole Irland als Republic of Elsewhere wiedererkennt, als Republik des irgendwo anders, in der die Mehrzahl der Iren lebt. Es ist ein Ort voller beckettscher Unterströmungen, Daniil-Charms-Begebenheiten und Francis-Bacon-Landschaften.
Durcan, der Schöpfer und Reflektor dieses realistischen Sonder-Irlands, hat komödiantisches Talent, die Qualitäten eines kritischen Analysten und die Fähigkeit, profane Momente geschmeidig in Poesie zu verwandeln. Nicht nur ironische Intelligenz zeichnet ihn aus, sein pikaresker Zungenschlag, sondern auch die gefaßte, oft trügerische Ernsthaftigkeit, ätherisch leicht vorgetragen wie die Gischt, die der Atlantik auf die Küsten Irlands zuträgt.
Ron Winkler, Akzente. Zeitschrift für Literatur, Heft 2, April 2009
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