„Der Dichter weiß und kündet jene Wahrheit, die wesentlicher, genauer und konzentrierter ist als das, was eine zugleich skeptische und leichtgläubige Menge meist als Wahrheit bezeichnet. Der Dichter kann gar nicht anders als die Wahrheit sprechen. Er ist ihr Gefäß.“ (Aus dem Nachwort zu Jean Cocteaus Das Blut der Liebe – Gedichte, in deutsch geschrieben, das leider vergriffen ist). Nicht vergriffen – aber begehrt – ist die Audiolyrik aus dem Bielefelder Pendragon Verlag. Während ich dies schreibe, höre ich das großartige Poem In der Traumstadt (1998) von Peter Paul Althaus (1892–1965) mit der kongenialen Stimme Jan Burdenskis und der jazzigen Klavierbegleitung Herbert Wiedemanns. Auch als Bücherfreak, der Gedichte lesen will, kann ich mich dem Reiz dieser lebendigen Lyrikinterpretation nicht entziehen. Eine Entdeckung sind für mich die in sauerländischer Mundart verfaßten Gedichte Siegfried Kessemeiers, zu hören auf der Audio-CD ropper dedal (deren hochdeutsche Übersetzungen im Begleitheft mitgeliefert sind). Hier zeigt sich – wie so oft – daß Regionalismus nicht gleich Provinzialismus ist. Kraftvolle Lyrikbände von Alexander Gruber (zuletzt 2004 Auf Gras und auf Asphalt mit einer Reihe sehr bedrückender Gedichte), Thomas Krüger, Hellmuth Opitz sowie Günther Butkus runden ein überschaubares Programm ab, dessen Profil den persönlichen Geschmack des engagierten Verlegers Butkus spiegeln, der sich seit einiger Zeit auch um Lyrik aus Korea bemüht: KIM Kwangs-Kyus Die Tiefe der Muschel (1999) und KIM Hyesoons Die Frau im Wolkenschloß (2001) zeugen von der imaginativen Dynamik von Dichtern, die es hierzulande unbedingt zu entdecken gilt.
Erschienen in: Theo Breuer – Aus dem Hinterland, Edition YE, 2005
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