BALLADE VON DEN GESCHENKTEN BLÄTTERN
Es war mal ein Paradiesvogelschiß,
der schien sich sogleich seiner Sendung gewiß,
weil er klackste bei mir in den Garten.
Bei so etwas liegt der Gedanke nicht fern,
vielleicht birgt er einen nützlichen Kern −
Mal warten.
Ein Jahr verflog – ein zweites verfloß
Erst im dritten hatte ein ärmlicher Sproß
sich entschieden, Flagge zu zeigen:
Ein Stengel schoß auf, ein Blättchen daran,
das sah mich statt grün eher bleiern an,
sehr eigen.
Ich ließ es so treiben und nahm es als Jux,
bis es Hecken und Sträucher weit überwuchs
und mein Haus in den Schatten setzte.
Da sprach ich, egal, ob du Deibel, ob Christ,
ja, die Weltenesche persönlich bist,
Herbstende ist für dich der Letzte.
Ich schränkte die Säge, ich wetzte das Beil,
weil mir ein besonntes Altenteil
doch erfreulicher schien als ein düstres.
Da fingen – „Halt ein, unseliger Mann“,
die blechernen Blätter zu rascheln an,
„gib Acht, es folgt was Illüstres!“
Und Geschepper, Geklepper, Geklimper, Geklirr,
aus den Händen glitt mir mein Mördergeschirr,
und ich fluchte nur, „ab mit Schaden!“
Weil aufs Stichwort hatte der seltsame Gast
Sich seiner gesammelten Blätterlast
Ent! – laden –
„Was Schaden?! – für dich? Ungläubiger Buch-
stabendruckser; doch ganz nach Belieben −
Weil auf jedem Blatt steht ein goldener Spruch
in privater Geheimschrift geschrieben.
Und wenn du sie einsäckelst Fitz für Fitz,
selbst die schrägen und scheinbar verrenkten,
und es mangelt dir eines Tages an Witz,
dann greif nur zurück auf deinen Besitz,
und es knattern wie eh die Poengten…
Und genieß dich getrost als Beschenkten!“
der „größte lebende deutsche Dichter“ (FAZ), präsentiert neue Lichtblicke und Gedankenblitze. Das Alter mag ihn milder gestimmt haben, doch seine Zweifel sind über die Jahre nicht geringer geworden: „Manches wird zierlicher, / manches brutaler, / allseits genierlicher: / Dein Feld wird schmaler. // Früher die ganze Flur / Dir zu Belieben, / fast eine Furche nur / ist dir geblieben.“ Als Aufklärer einerseits, berauschender Sensualist andererseits bemisst er die melancholischen Schwankungskurven seiner Existenz in virtuosen Versen, deren witzbewehrte Lebenslust die darin präsenten Sinnfragen erst erträglich macht.
„Also gut. Gebongt. Doch halt, da sind / zweifellos noch ein paar Fragen offen / und der Dichter uns die Antwort schuldig: / Sag, wie hältst du’s mit der Gegenwart?! / Was, zum Beispiel, kann ich wissen? / Soll ich tun? / Was darf ich hoffen? / Wo die Leserschaft schon ungeduldig / mit den SCARPA-Wanderstiefeln scharrt.“ Dichter, wir warten!
Rowohlt Verlag, Ankündigung
− Selten wird Dichtung so einladend präsentiert: Peter Rühmkorfs neuer Gedichtband Paradiesvogelschiß ist geschrieben für alle, verständlich für jeden. −
Sein neuer Gedichtband ist ein Buch des Zufalls. An sich hatte Peter Rühmkorf seine gesammelten Gedankensplitter und Splitterreime zu formal durchkomponierten Gedichten machen wollen.
Aber dann setzte ein Krebs sich in ihm fest, den er nicht besiegen kann und der ihn am Arbeiten hindert. Die ersten zwei Drittel des neuen Buchs bestehen also aus den Einfällen, die Rühmkorf im Lauf der vergangenen Jahre gesammelt hat.
Ein gutes Aperçu, gereimt oder nicht, ist etwas Vollkommenes. Der Dichter hatte mehr als Aperçus im Sinn gehabt, aber die Rezensentin vermisst nichts. Im Gegenteil, man kann stöbern in diesem Buch, viele Einzeiler, Zwei- und Vierzeiler animieren den Leser, sich das für ihn Passende auszusuchen.
Perfekte Aufmachung
Die Aufmachung der Seiten, die Rühmkorf bis ins Letzte überwacht hat, ist perfekt. Selten wird Dichtung so schön und einladend präsentiert.
Rühmkorf notiert, wie ihm mitunter zumut war:
Und wenn du morgens wieder mal dunkeltrunken
deinen Rattenbau erreichst,
gratuliere, ah, im Kühlschrank brennt noch Licht.
Das Licht, das noch brennt, ob bei der Mutter zu Haus oder bei Väterchen Stalin im Kreml – lyrischen Funzeln dieser Art sollte Rühmkorfs Kühlschranklampe ein für alle Mal heimgeleuchtet haben.
Rühmkorf, dieser große Verteidiger des Reims, hat zeit seines Lebens den Kitsch in der Poesie bekämpft, wie andere sich gegen Diktatoren auflehnen.
Gleich neben dem Kitsch steht in Rühmkorfs Schreckenskabinett die Angeberei, zumal die von Dichtern. Denen schreibt er auf:
poeta doctus
Er war ein Dichter vom Schuh bis zum Scheitel
mit Bildung gefüllt
wie ein Staubsaugerbeutel.
Rühmkorf ist selbst ein poeta doctus, aber er ist immer peinlich darauf bedacht gewesen, das herunterzuspielen.
Der Paradiesvogel, auf den Rühmkorf sich beruft, hat auch ein paar pointierte politische Kommentare ins Buch klacksen lassen. „Ab einer bestimmten Gehaltsstufe beginnt der Klassenkampf.“ Und: „Klassenkampf wird von oben geführt: ,Neiddiskussion‘.“
Nach dem Sinn des Lebens
Die meisten Verse kreisen allerdings um die Vergänglichkeit: Sie ist eine der Hauptaktricen in Paradiesvogelschiß. Die Frage nach dem Sinn des Lebens linst zwar um die Ecke; mit ihr legt Rühmkorf sich aber nicht an: „Der Wahrheit zuliebe immer weite Bögen / um die letzten Dinge gemacht.“
Die Vergänglichkeit hingegen respektiert er: „Es hat sich ausgepsaltert, / nicht nur das Herz, das Hirn, die Seele altert.“ Oder: „Eigentlich ist doch alles beklagt, / was noch nennenswert wäre“ – ein hinreißender bitterkomischer Satz.
Aus den Gedichten Peter Rühmkorfs spricht ein Mann, der zwar mitunter eigensüchtig sein kann und das dann auch genießt, der aber grundsätzlich das „wir“ hochhält, immer „für uns, für euch“ schreibt:
Nun sag doch mal jemand was
gegen die Welt,
die blüht uns doch richtig entgegen.
Seine gelegentlichen Eskapaden im Namen des „lyrischen Ich“ handeln manchmal von der Liebe, meistens aber vom Tod. In jedem Fall sind sie amüsant:
Gestorben wird doch unentwegt und allenthalben,
und diese Abschiedsfeiern sind mir ein Gealber.
Hingegen einmal noch den Zug von Schwalben
verfolgen, mit mir selbst als Oberschwalber
– in diesen Versen zeigt sich auch Rühmkorfs Vorliebe für Gottfried Benn.
Früher die ganze Flur
Dir zu Belieben,
fast eine Furche nur
ist dir geblieben.
Das ist lakonisch; die Ironie, mit der Rühmkorf die Welt betrachtet, wendet er auch auf sich selbst an. In seinem gesamten Werk findet sich keine selbstmitleidige Zeile.
36 Gedichte hat Rühmkorf zu Ende schreiben können, bevor die Krankheit ihn überrumpelte. Eines heißt „Rückblickend mein eigenes Leben…“. Da steht:
Von einer gewissen Gleichgültigkeitswarte aus
ließe sich vielleicht sogar noch
über diesen oder jenen Lichtblick verhandeln
(…) und du tust dich statt mit deinen Altersbeschwerden
ausnahmsweise mal
als großer Wohltäterätäter hervor.
Aufs Liebenswürdigste komisch
Der Dichter als Täterätäter: Rühmkorf ist aufs Liebenswürdigste komisch. In „Rückblickend mein eigenes Leben“ stehen auch diese Verse:
Wo die Erde bereits wie ein durchgedrehter Brainburger
durch die große kapitalistische Imbißbude saust,
rasend,
rotierend,
dem Selbstverzehr entgegen…
Anlässlich des 100.Geburtstags des Rowohlt-Verlags wollte Rühmkorf viele neue, lange Gedichte geschrieben haben, aber er arbeitet langsam:
Man fragte mich, was kam denn so zusamm’
im letzten Jahr?
Ach, sprach ich, nur ein Lied,
so einfach wie die Hand mit einem Kamm
durchs Haar
paar hübsche Zeilen zieht.
Das ist die erste Strophe aus dem Gedicht „Widmungsblatt für E.“, E wie Eva Rühmkorf.
Rühmkorf war unglücklich, weil er nicht dazu kam, alle seine Gedichte zu schreiben. Da fiel ihm eine Ballade in die Hände, an die er einige Zeit lang gar nicht mehr gedacht hatte, „Die Ballade von den geschenkten Blättern“.
Sie las sich auf einmal wie das Programm des Buchs, das Rühmkorf dann doch pünktlich publizieren konnte. Da scheißt ihm ein Paradiesvogel in den Garten, und der Dichter rupft das daraus keimende Gewächs ncht aus, sondern wartet ab:
Ein Stengel schoß auf, ein Blättchen daran,
das sah mich statt grün eher bleiern an.
Da wachsen die „Einfälle“, mit denen er umgeht und auf die er immer gesetzt hat. Dichtung, sagt Rühmkorf, sei nicht nur Arbeit mit Wörtern, man sei auch angewiesen auf das, was einem einfällt, zufällt oder vom Paradiesvogel in den Garten geschissen wird.
Wer sich bislang scheute, Gedichte zu lesen: Vor diesem Buch braucht er nicht zurückzuschrecken. Rühmkorfs gesammelte Blätter vom Paradiesvogelbaum beweisen, dass Dichtung ein Genre ist, das alle angeht.
Der Baum in der Ballade empfiehlt sich dem Dichter und den Lesern:
… weil auf jedem Blatt steht ein goldener Spruch
in privater Geheimschrift geschrieben.
Und wenn du sie einsäckelst Fitz für Fitz,
selbst die schrägen und scheinbar verrenkten,
und es mangelt dir eines Tages an Witz,
dann greif nur zurück auf deinen Besitz,
und es knattern wie eh die Poengten…
Und genieß dich getrost als Beschenkten!
− Für seinen neuen Lyrikband hat Peter Rühmkorf halbvollendete Gedichte, liegengebliebene und aufgegebe Verse noch einmal zu „Best of the rest“ verdichtet. Die Gebärde der Zerrissenheit ist einer merkwürdigen Altersleichtigkeit gewichen. Es ist ein Lesevergnügen für alle, die Spaß an augenzwinkernden Gedichten haben. −
Am Anfang des Werkes steht der Paradiesvogelschiß. In dem verbirgt sich ein guter Kern, aus dem was werden kann, ein Samen, der aufgeht im Garten. Erst ist es nur ein ärmlicher Spross, die Blättchen eher „bleiern“ als grün. Aber das wächst und wächst, über alle Hecken und Sträucher hinaus und setzt „mein Haus in den Schatten“, wie der Dichter bemerkt.
Mit der „Ballade von den geschenkten Blättern“ beginnt Peter Rühmkorfs neuer Lyrikband. Die Parabel vom Paradiesvogelschiß setzt ein ganzes Dichterleben ins Bild, das zu vielen, vielen „bleiernen Blättchen“ geführt hat. Um am Ende vielleicht noch einmal die Sonne zu sehen, wird beschlossen, dem „seltsamen Gast“ mit der Axt zu Leibe zu rücken.
Anders gesagt: man könnte diese ganzen zeitlebens aufgehäuften Papiere mit halbvollendeten Gedichten, mit liegengebliebenen und aufgegeben Versen unbesehen ins Archiv geben. Aber steht nicht „auf jedem Blatt ein goldener Spruch“, der es wert wäre, ins offizielle Werk aufgenommen zu werden? Sicher doch, und deshalb gibt es in diesem Buch zunächst einmal eine große Blütenlese, ein Best of the rest, wenn man der Auskunft der einleitenden Ballade glauben darf.
Bevor er 36 neue Gedichte präsentiert, versammelt Rühmkorf auf 80 Seiten verstreute Gedankensplitter, lyrische Aphorismen, Gelegenheitspoesie, Gedichtfragmente, manchmal auch nur denkwürdige Formulierungen, Pointen oder Reime, die zu gut sind, um preisgegeben zu werden („Dies Gedicht für Nicole Kidman / könnt ich praktisch jeder widmen“). All das Gute und sehr Gute eben, das von den weniger geglückten Seiten übrig blieb und für diesen Band wohl noch einmal geschliffen und überarbeitet wurde.
Man mag es als eine Art Nachlass zu Lebzeiten mit Werkstattgeruch lesen; spätere Rühmkorf-Philologen werden womöglich viel damit zu tun haben, die Kontexte der einzelnen Verse zu rekonstruieren, die hier ganz für sich stehen und dabei gute Figur machen.
Es ist ein Lesevergnügen für alle, die Spaß an guten und augenzwinkernden Versen haben. Nie war Rühmkorf so dicht an Robert Gernhardts komischer Sinnspruchlyrik, die oft aus der Selbstverpflichtung zum originellen Reim geboren wurde:
Wären diese Silben Salben
würden sie euch etwas sagen,
überzeugen,
überlisten,
und ihr würdet wie die Schwalben
unter meinem Giebel nisten.
Die Gebärde der Zerrissenheit, das Gefühl von Tragik ist einer merkwürdigen Altersleichtigkeit gewichen. Je mehr das organische Fundament zu wünschen übrig lässt, desto weniger ist der dichtende Mensch offenbar überhaupt noch zum Ernst aufgelegt. Es darf und soll gelacht werden – wenn einem schon nichts anderes übrigbleibt. Und Rühmkorf fühlt sich dabei durchaus zeitgemäß: „Im Augenblick wird KOMIK großgeschrieben / No Problem, weil: wir liefen nach Belieben…“ Nur gelegentlich verspürt der Pointenproduzent Unbehagen und „sinnt dem Salzgehalt verflossener Jugendtränen nach“.
Zwischen Brecht und Benn wurde Rühmkorfs Position immer wieder verortet. Jetzt ist er noch näher zu Benn gerückt, der sich als Vorbild für ironisch knisternde Altherrenpoesie einfach mehr empfiehlt. Der Benn-Sound klingt immer wieder leise durch, sowohl bei den gereimten Stücken wie in den in freien Versen gehaltenen längeren Gedichten wie „Rückblickend auf mein eigenes Leben…“ – dem vielleicht besten Text des Bandes.
Vergänglichkeitsanwehungen, Herbstgedanken und Verelendungsmotive gab es seit je in Rühmkorfs Werken. Nun wird dergleichen zur führenden Stimme:
Keine Herzattacke ohne den Beistand von deinem
Lieblingskardiologen
Und der BARMER ERSATZKASSE,
und wenn du morgens wieder mal dunkeltrunken deinen
Rattenbau erreichst,
Gratuliere, ah, im Kühlschrank brennt noch Licht.
Rühmkorf verbindet das hartnäckige Insistieren auf den irdischen Freuden mit Vanitas-Klagen, deren komisch gebrochenes Pathos von sehr weit herkommt. So wie im Barock die scheinbar individuelle Emphase oft eine Sache von gutem Handwerk und lyrischen Mustern war, so ist auch in Rühmkorfs Todes-Gedichten etwas von einer routinierten Beziehungsanbahnung zu spüren, etwa in „Grabspruch“, vier Versen von sarkastischem Übermut:
Schaut nicht so bedeppert in diese Grube.
Nur immer rein in die gute Stube.
Paar Schaufeln Erde und wir haben
ein Jammertal hinter uns zugegraben.
Und was ist aus Rühmkorf, dem erotischen Kraftlackel geworden? Aus dem Sänger der geschlechtlichen Freuden, der „Damen“ und „Weiber“ gleichermaßen gern zu Bett lud? Am Ende des Buches stehen noch einige Liebesgedichte – hier findet man in komprimierter Form jene Szenarien des unerwünschten Verlangens alter Männer, wie sie bei Philip Roth und Martin Walser zu Romanen werden:
Das sind so Schmerzen, die sich nicht mal
zu erkennen geben dürfen.
Leiden, für die es hierzuland kein Mitleid gibt.
Aber was denn auch, hat der Dichter-Erotomane doch einst reichlich Ernte eingefahren, wie er in „Dichterliebe“ bekennerstolz verrät. Auch wenn ihm heute das Nachsehen bleibt:
Es wehen so kleine Fräulchen
wegauf und wegab und dahin
und spitzen verworfene Mäulchen
nach wem? wenn schon ich es nicht bin.
Immer wieder dankbar ist man für Rühmkorfs Verbindung von Klugheit und Poesie, für seine treffend formulierte Nachdenklichkeit, für all die „Verbindungsfäden zwischen Satz und Seele“.
− Unermüdlich im Versstollen: Peter Rühmkorf gewährt in seinem neuen Gedichtband Einblicke in die Werkstatt des Poeten und die Betriebsgeheimnisse seiner Inspiration. Noch einmal werden auf meisterliche Weise die großen Themen seines Lebens variiert. −
Eine Handschrift wie auf der Flucht, geduckt voraneilend, als müsste sich Buchstabe für Buchstabe gegen den Wind stemmen, verfolgte Verfolger allesamt, vom Dichter vorwärtsgepeitscht, ausgeschickt, den flüchtigen Einfällen hinterherzujagen: So sehen die Manuskriptblätter von Peter Rühmkorf aus. Zuerst wird getippt, mit der alten Olympia, der ab und an ein Buchstabe verrutscht, dann wird handschriftlich ergänzt, korrigiert, umgeschrieben. Wie kaum ein anderer Poet ist Rühmkorf in den Arbeitsprozess verliebt: Er will der Kundschaft, wie er seine Leser gerne nennt, immer wieder zeigen, wie viel Arbeit, welche Mühe in jedem seiner Gedichte steckt.
Deshalb sind auch in dem neuen Gedichtband Paradiesvogelschiß einige Manuskriptblätter faksimiliert, die den status nascendi vorführen, etwa auf Seite dreizehn, wo ein Gedicht, das noch keinen Titel trägt, mit den folgenden Zeilen beginnt:
Nun gut, okay,
du willst den Dichter geben –
Heißt praktisch von den eignen Seufzern leben.
Neunzig Seiten später kommt es zu einem Déjà-vu. Aus drei Zeilen sind jetzt zwei geworden:
Also – gut, du willst den Dichter geben.
Praktisch von den eigenen Seufzern leben.
Sie stehen am Anfang eines Gedichts, das nun den Titel „Geschlossene Anstalt“ trägt. Damit ist das Kunstwerk gemeint, dessen Autonomie gegenüber Banalitäten wie den „nächsten Wahlen“ am Ende mit markigem Wort beschworen wird: „Feierabend! / Das Gedicht ist dicht.“
Kinder einer verstreuten Empfängnis
Was geschehen muss, damit ein Gedicht dicht ist, randvoll und gut verfugt, hat Rühmkorf immer wieder zu beschreiben versucht. Es sind poetologische Umkreisungen eines höchst komplexen Vorgangs, in dessen Zentrum ein schwer bestimmbares Gebilde namens „Einfall“ steht. Einfälle sind Musenküsse und Zeitungsschnipsel, Halbsätze, Eindrücke, Wahrnehmungspartikel, schlichtweg alles, was herangeweht wird und haften bleibt, was in Spannung zu treten vermag, Assoziationen auslöst und einen Reibekontakt verspricht, kurzum: entzündliches Material jeglicher Art, das früher oder später für einen poetischen Funken gut sein könnte. Rühmkorf hortet solche potentiellen Funkenträger. In der vor vielen Jahren verfassten „Einfallskunde“ hat er den Umgang mit ihnen so beschrieben:
Unzählige Einzelkinder einer verstreuten Empfängnis werden herankommandiert und auf ihre Verwertbarkeit begutachtet und vorläufig eingewiesen oder auf die Reservebank zurückbeordert.
Jetzt sind etliche Einzelkinder in die geschlossene Anstalt eines neuen Gedichtbandes überwiesen worden. Einige von ihnen wurden zu den blechernen, bleiernen Blättern, von denen das erste Gedicht erzählt.
„Die Ballade von den geschenkten Blättern“, im vorigen Jahr in dieser Zeitung vorabgedruckt, ist das große poetologische Eröffnungsgedicht, das beschreibt, wie aus einem in den Garten geklacksten „Paradiesvogelschiß“ ein Baum erwächst, dessen Blattfülle nach wenigen Jahren das Haus des Dichters überschattet, so dass der Hausherr zu Axt und Säge greift. Aber wie im Märchen beginnt nun der Baum zu sprechen – „gib Acht, es folgt was Illüstres“ −, wirft all seine Blätter mit einem Schlag ab und verkündet dem „ungläubigen Buchstabendruckser“, dass auf jedem Blatt ein goldener Spruch stehe, in „privater Geheimschrift“ geschrieben, ein Vorrat also an Einfällen, Funkenträgern und „Poengten“, darunter allerdings auch „die schrägen und scheinbar verrenkten“.
Was Rühmkorf hier beschreibt, ist nichts anderes als die eigene Arbeitsmethode, die eigene Vorratshaltung, das Archiv der Einfälle, dessen Ausmaß allerdings das ganze Leben zu überwuchern droht. Aber der Befreiungsschlag ist mit Axt und Säge nicht zu führen. Befreiung vom poetischen Rohmaterial ist nur möglich in der Transformation zum Gedicht, also durch Arbeit im Versbergwerk.
Vielleicht ist dieses Gedicht entstanden, als seine schwere Krankheit Peter Rühmkorf daran zweifeln ließ, ob er noch genügend Kraft für sein Handwerk habe. Jetzt aber eröffnet es den neuen Band mit einer Geste des Triumphs: „Die Ballade von den geschenkten Blättern“ ist der Fanfarenstoß, mit dem Rühmkorf den Vorhang öffnet. Denn nun folgen auf achtzig Seiten die „goldenen Sprüche“, das mal mehr, mal weniger sorgfältig bearbeitete Rohmaterial aus Rühmkorfs Sudelblättern also. Gerahmt werden die kurzen Gedichte, aphoristisch anmutenden Zweizeiler und Vierzeiler von den faksimilierten Seiten, die den Arbeitsprozess illustrieren, bevor im dritten Teil des Buches etwa drei Dutzend Gedichte den Band abschließen.
Die Themen sind überwiegend die alten: die Liebe, der Nachruhm und die „Unsterblichkeitsgrenze“, Blütenblatt und Rückenakt, die „Kikerikikritik“ und die lieben Kollegen wie „Big Benn, der große Stabreimmediziner“. Besonders schön und anrührend ist die Erinnerung an die Nachkriegslektüre, 1947, als die Frage Thomas Mann oder Alfred Döblin, Buddenbrooks oder Biberkopf aufkam, als die ganze Welt zerhaun und verbeult war, der lesende Rühmkorf die Berliner Straßenbahnen durch sein Zimmer kreischen hörte und einen Riss zwischen sich und dem Zauberer aus Lübeck spürte, „der sich bis heut nicht schließen wollte“.
Anders als in Robert Gernhardts großen „K-Gedichten“, die den Krebs ins Metrum zwangen, wird hier die Krankheit nur selten direkt angesprochen. Wie ein lästiges Zwischenstadium wird sie übersprungen, als wäre nur der Tod ein Thema für die Ewigkeit, nicht aber die Malaise auf dem Weg dorthin: „Morgens auch nicht gerade auferstanden“, das ist schon fast das ganze Krankendossier. Mehr will der Dichter sich und seiner Kundschaft nicht zumuten:
Es hat sich ausgepsaltert,
nicht nur das Herz, das Hirn, die Seele altert.
Melancholie macht sich breit. Dass die Jugend heute so hübsch wie nie und so doof wie selten ist, der Zweifel, ob es sich lohne, „unter Stoffeln, unter Töffeln, / noch irgendwie einen Ruf zu erlöffeln“, die Überzeugung, dass heute Gedichte gebraucht würden für jene, die „nichts lesen und nichts wissen“, das sind Bitterstoffe im Spätwerk, die in dunklen Stunden zu schlechten Vorsätzen führen können:
Einfach werden – radikal.
Kompliziert, das war einmal.
Weil,… Subtilität
kaum ein Leser noch versteht.
Aber dann geht es doch wieder weiter, wird dem Verhältnis zwischen Lyrik und bildender Kunst nachgespürt, absolut meisterhaft in „Bilderrätsel wortwörtlich“, oder noch einmal, einmal noch und immer wieder, einer Liebsten gedacht und die Liebe beschworen:
Weile Wunder weile,
nur noch eine Zeile.
Wir sind
wenn ich nicht irre,
bißchen angestoßne Geschirre,
das kommt vom Zusammensein.
Das ist von allen Blättern, die uns dieser Band schenkt, vielleicht das schönste – der liebende Dichter als irdenes Gefäß. Rühmkorf hat dieses Buch der Krankheit abgetrotzt und Freund Hein eine lange Feder gezeigt. Denn im Taubenschlag der deutschen Lyrik ist er nach wie vor der Paradiesvogel.
− Rühmkorfs aktueller Lyrikband Paradiesvogelschiß mit neuesten Texten des Sprachartisten. −
Vorab eine Rüge. Einem Dichter mit einer derart munteren Produktion wie Peter Rühmkorf hinterherzurufen, er sei der „größte lebende deutsche Dichter“, wie es der Rowohlt Verlag zu Werbezwecken und die „FAZ“ zitierend auf dem Umschlagrücken machen zu müssen glaubt, ist schlicht pervers. Greifen Sie zu, solange der Satz noch stimmt, heißt das wohl. Lange kann es schließlich nicht mehr dauern. Rühmkorf gibt einer so plump mit dem Tod kokettierenden Berechnung im Buch selbst den ironischen Bescheid: „Was wollte ich denn noch gerade? / Ah, den Strick!“ Nicht der Tod ist denn auch entgegen dem Anschein Rühmkorfs lyrisches Thema, sondern dessen Negation in Gedicht, Spruch, Vers.
− begraben –
wir wollen diesen Tod, nicht wahr,
wir wollen ihn gar nicht haben.
Wer sich jemals von Gedichten Peter Rühmkorfs einnehmen ließ, war womöglich ihrer schnoddrigen Eleganz verfallen oder er bestaunte, bereits ästhetisch geschult, die moderne Anknüpfung an klassisch-romantische Traditionen. Solche Kunstfertigkeit wäre jedoch nie viel wert gewesen ohne Empfindlichkeit, ohne individuelles Wahrnehmungsvermögen, das den Gedichten zugrunde lag und sich scheinbar mühelos über die Jahrzehnte hinweg mitteilte: „Komm an die Theke, Besiegter, heut abend, / verbirg / dich nicht hinter Mumienbinden“ – (so die Eingangsverse von „Meine Stelle am Himmel“ von 1974/75).
Das Erstaunliche ist nun, dass Rühmkorfs Poesie im aktuellen Band mit dem schönen Titel Paradiesvogelschiß nur noch zum kleineren Teil in gewohnter Gestalt auftritt. Bisher war seine lyrische Stimme, bei aller Artistik und Neigung zum Bruch, die pathetisch gefärbte eines Sängers, der sich hymnischer, elegischer, balladen-, oden-: also liedhafter Formen bediente. Diese Vorliebe, die für den Wiederererkennungswert dessen verantwortlich ist, was man als Rühmkorf-Sound bezeichnen könnte, rührt schon von den finistischen Anfängen der fünfziger Jahre her. Und wo Rühmkorf nicht gerade seine gekleckste Malerei mit gereimten Bildunterschriften versah, blieb er ihr treu. Wie der zweite Teil des Buches bezeugt, ist der Barde auch nicht verschwunden. Hinzugetreten aber ist: der Sprüchemacher.
Und was sind das für Sprüche! Sie legen alles offen und das mit Absicht. Vollendet erscheinen manche, unfertig viele, auf die Fantasie des neugierig gemachten Lesers angewiesen sind alle. Manches begegnet später im Zusammenhang eines Langgedichts wieder; hier muss es zunächst für sich bestehen. In ihrem Bau folgen die Sprüche keiner festen Regel. Gerne haben sie vier oder zwei Zeilen, auch Einzeiler kommen vor. Gesetzt sind sie in Blöcken von vier, fünf oder sechs Stück auf einer Seite mit dem sichtbaren Bemühen, optisch Bewegung zu schaffen: linksbündig, eingerückt, zentriert, rechtbündig, in stetem Wechsel, ein fließendes Bild.
Keck stellen die Sprüche ihr Produziertsein aus. Gedankenstriche und Punkte markieren Orte, an denen der Dichter es (bisher?) nicht für gut befand, Worte einzusetzen. Zahlen zeigen an, wo wie viele Silben mit Bedeutung fehlen. Klammern weisen darauf hin, dass hier eine Alternative sich anböte. Und immer wieder: die Suche nach den richtigen Reimwörtern. Es ist ein Steinbruch, der sich auf den ersten 80 Seiten dem Leser darbietet, keineswegs ein unbehauener.
Besieht man die Sprüche insgesamt, ergibt sich kein transparenter Aufbau. Zunächst herrscht eher Lehrhaftes in gereimter Form vor. Es folgt eine Strecke, die dominiert wird von reimlosen, urteilskräftigen Sentenzen.
Also, ein gewisses Mindestaussehen muss man natürlich mitbringen.
Oder:
Sie halten für individuelle Freiheit
was eigentlich nur asoziales Verhalten ist.
Bald setzt spürbar eine Wendung zum Ich ein, die deutlich macht, aus welcher Quelle die Sprüche ihre Schönheit und Wahrheit schöpfen. Es ist die zum poetischen Ausdruck gesteigerte Selbstbeobachtung, deren Kraft der Dichter auch in überraschend naiven Worten nicht müde wird zu beschwören:
Ich möchte etwas Neues von mir lesen,
was richtig schön ist und mir Freude macht.
Und das froh machende Neue gelingt tatsächlich immer wieder. Den ergänzungsbedürftigen Einzeiler „Obwohl bis in den Eingeweidenerv entzückt“ mag man gar nicht loben, so klug und schön ist er. Das Entzücken erscheint hier als reine Physis, zuckender Nerv. Nur ein Wort, das hinzutritt, verrät, dass die Erfüllung versagt blieb: obwohl.
Der Sprüchemacher, der zwischendurch gerne mal auf sein Publikum schimpft, mutet dem Leser viel zu. Während das strophenförmige Gedicht diesem die Möglichkeit bot, in eine bestimmte Stimmung einzutauchen, oftmals durch refrainartige Wiederholungen wenn schon keine Aussage, so doch eine lyrische Moral etablierte, präsentiert sich der Spruch ohne Aura, fast nackt. Er ist prosaischer als das Langgedicht, deswegen aber noch lange nicht logisch. Sätze, Verse wie die zitierten docken beim Leser entweder unmittelbar an oder sie verpuffen, weil sie keinen Nerv getroffen haben. Ihr Kunstcharakter besteht in ihrem „So ist es“ – womit nicht die bestätigende Reaktion des Rezipienten, sondern ihr eigenes Auftreten gemeint ist.
Ich blas die Brötchentüte auf
und hau sie
peng!
zusammen.
Womöglich war ja auch Rühmkorfs liedhafte Lyrik immer schon um solche denkwürdigen Verse herumgebaut.
Die auf Empfindlichkeit basierende Poesie kann, wenn sie so nackt auftritt wie in den vorliegenden Sprüchen, schnell umkippen. Die kleine Form ist gefährlich. Rühmkorf scheint seinen schwächsten Punkt ganz gut zu kennen. Unter dem Titel „Ideologie“ heißt es: „Das arme Gedicht entgelten lassen, / was man an den politischen Ansichten des Verfassers / auszusetzen hat.“ So hätte er es gern. Die misslungenen Sprüche sind in ihrem Gehalt tatsächlich überwiegend politisch – misslungen nicht in dem Sinn, dass sie Ausdruck unbotmäßiger Gesinnung wären, sondern dass sie zugunsten einer Aussage auf ihren Kunstanspruch verzichten.
Den amerikanischen Präsidenten (wahlweise: Josef Ackermann) in Spruch oder Gedicht zu schmähen, bedient, entgegen Rühmkorfs Intention, einfach nur den deutschen Common Sense: Hass auf den bösen, vermeintlich mächtigsten Mann der Welt, ohne den alles human wäre. Die Wahrheit seines Ideologiegedichts wäre vielmehr so zu fassen: Die dezidiert politischen Gedichte und Sprüche sind da bloße Meinung, wo sie keine Form haben. Wo sich ein autonomer Formanspruch kristallisiert, mag auch ein „politisches“ Thema reüssieren:
(…)
im Grunde zielt der gesamte Koran
am Leben vorbei und zum Jenseits hinan.
Der Reim enthält hier in sich den Anachronismus, der das Urteil über die Religion ausmacht. Wo hingegen die Form versagt, bleibt vom Spruch wenig mehr übrig als das Ressentiment, das ihn hervorrief:
Charlton Heston (ehem. Schauspieler, Western) –
Präsident der Waffenlobby der USA:
Man spürt allmählich, wie die Weltmacht
verwahrlost.
Wertegemeinschaft? – Nein danke.
Wo Rühmkorfs Gedichte und Sprüche der ästhetische Ausdruck individueller Regungen sind, halten sie Erfahrungen bereit, die direkt aus dem Glücksversprechen der Kunst erwachsen. Rühmkorf selbst weiß um die Angewiesenheit auf die Form, auch wenn er sie selbst hin und wieder vergessen mag:
Der Jambus hätt sich ausgequatscht?
Mitnichten, wiederhol ihn!
Und ist der Stiefel durchgelatscht,
besohl ihn!
Schreiben ist Rettung, solange es anhält. Jeder Einfall, groß oder klein, eine Atempause vor den letzten Dingen. In Peter Rühmkorfs Dichtergarten rankt, anders kann es nicht sein, ein poetischer Lebensbaum. Seine rauschenden Blätter vertreiben das tatenlose Denken unter den Lasten von Alter und Krankheit. Das sich ängstigende Sein und die verbleibende Zeit werden einer einschüchternden Gewissheit enthoben. Wie das gelingen kann, zeigt „Die Ballade von den geschenkten Blättern“, die den neuen Band des Peter Rühmkorf im 79. Jahre eröffnet.
Eine geborene Poetenfama: „Ein Paradiesesvogel bin ich dir, / der eine Feder auf dich streut, ein Lied“, dichtete einst August Graf von Platen. Rühmkorf verblüfft da mit ganz anderem Dichterschwung. Bei ihm fällt ein Paradiesvogelschiß, der den Samenkern birgt, aus denen die Dichterbäume in den Himmel wachsen. Das muss man nur erkennen. Als unser Fahrensmann aus Oevelgönne / Altona ahnungslos Beil und Säge setzt, „Da fingen – Halt ein, unseliger Mann’, / die blechernen Blätter zu rascheln an, / gib Acht, es folgt was Illüstres!“ Und siehe, auf der „gesammelten Blätterlast“ findet sich „Fitz für Fitz“ ein unerschöpflicher Vorrat an Dichterwitz und Einfallsblitz „und es knattern wie eh die Poengten…“, dazugehörig „selbst die schrägen und scheinbar verrenkten.“
Wohl kaum wurde in eine Poetologie betörender eingeführt. Es folgen achtzig Seiten Wort- und Schallwerkstatt, umrahmt von einigen Typoskripten: zügig getippt auf der Olympia Monica mit verrutschten Versalien, temperamentvoll korrigiert mit charakterstarker Handschrift. Kein Zweifel, ein Gedicht ist kein Handstreich, sondern Arbeit. Eben noch Hochseilartist, dann wieder Sisyphos. Alles lebt von den Vorzügen der Absichtslosigkeit. Erst aus dem beweglichen Wortlaut kommt die werkumspannende Freiheit, zu der ein Dichter verurteilt ist. Aber das tagebuchähnliche Schreiben bedarf mit seiner Flut an Einzelheiten eines Gefühls für Maß, Variation und Proportion. Hier wird der Unterschied zwischen Wahrnehmung und Gedicht deutlich. Auch für Rühmkorf gilt „Haydns Altersübermut: / Vollkommene Beherrschung der Mittel –“.
Und welcher Wort- und Versspeicher, welches poetische Portefeuille tut sich da auf. Welcher Tumult, wenn Einfall und Sprache aufeinander treffen! „Kleine blitzende Momente“, vagabundierende Wörter oder Verse auf der langen Bank, die nur sich selbst bedeuten: „Liebesgelächter“ oder „Bauernrosen wie Waschfrauenhände, / zart geknüllt.“ Vieles ist noch ohne Vorsatz, die Worte haben noch einiges vor sich, bis sie eine Absicht zu erkennen geben. Früher oder später werden sie zur Pointe geführt. „Ausschreiten wieder mal mit dem Whitmanschritt / dem weitausholenden, / praktisch gar nicht zu bremsenden, / auch mit Augen, die überall hängenbleiben und sich erfreuen: ‚Blaugrünes Wellensittichweibchen, / (beringt) am Pfingstmontag zugeflogen’.“
Im Fundus kann sich alles noch in der Schwebe zeigen:
Nun gut,
du willst den Dichter geben −
heißt praktisch, von deinen Tränen leben.
Von deinen Seufzern dich kleiden und nähren:
Ich denke, die Zeit wird nicht ewig währen.
Gut fünfzig Seiten später gibt sich das Gedicht „Geschlossene Anstalt“ entschiedener:
Also – gut, du willst den Dichter geben.
Praktisch von den eigenen Seufzern leben,
dem Gefühl, dass du nicht hergehörst:
Sitzenbleiber oder Eckensteher:
Mitempfindende, ich bitte euch, rückt näher,
ladies first –
Ungesegnet in die Zeit hinein zu handeln,
Wörter die sich noch im Mund verwandeln,
bis sich alles widerspricht −
Soweit lässt es der Dichter nicht kommen:
Feierabend!
Das Gedicht ist dicht.
„Rückblickend mein eigenes Leben…“ nennt Rühmkorf den Teil mit drei Dutzend „dichten“ Gedichten. Sie werden zu keinen Monologen voll Untergang, nirgends ein Nachzittern des Gemüts beim Erinnern. Die Zeit vergeht, der Ursprung nicht.
Gelernt bei den Verbannten und Verdammten,
verbrannten Büchern,
die uns nach dem Krieg entflammten,
in deren Geist und dass man nie vergisst −
Frage an das gelehrige Gedicht:
Wie lange sangst du schon nicht mehr,
bedrückte Seele?
Mich dürstet nach der, der ich nicht fehle,
heißt einer Welt,
die bereits unsre Herkunft nicht vermisst.
Der Dichter lebt in der Gegenwart, steht Freunden bei, wie Günter Grass mit einem „Geburtstagsmedaillon“. Eine Krankheit wirft zwar Schatten, aber kann die Themen nicht besetzen. Der Tod schon eher, das gehört zur Dichtung. Immer schon. Aber Peter Rühmkorf begegnet Freund Hein nach wie vor sarkastisch, mehr gefasst als panisch im Wechsel mit selbstgewisser Daseinslust.
Heute morgen mich plötzlich wieder mal
auf der Straße pfeifen gehört,
einfach so Johnny Griffin
‚Wading in the Water‘,
doch kein schlechtes Zeichen.
(…)
Wenn Sie bittemal meinem ausgetrockneten Zeigefinger
folgen wollen, objektiv, was sehen Sie?
Na, ich will es nicht schwieriger machen,
als es ist:
DIE GRUBE –
Den Schleier der Verklärung braucht dieser Dichter nicht, jeder „Metaphernfummel“ ist längst abgelegt. Erst wenn die letzten Dinge nicht nur „unserer lieben Lust“, sondern auch dem Vers Fallen stellen, hält der Dichter kurz inne.
Und so entgeht dir vieles,
weil aus verzagten Friedhofsaugen angeschaut,
ist die Partie meist schon im vorhinein verschmissen.
Selbst das Gedicht, das sich zu skrupelvoll bedenkt,
führt auf die Stufe zu,
wo sich dem Vers der Fuß verrenkt.
Dieses Buch ist ein Meisterstück für sich. Auch wenn es Peter Rühmkorf seiner Krankheit abgerungen hat, zeigt sich alles in vollkommener Beherrschung der Mittel, ein Altersübermut bleibt des Dichters Façon. Mehr noch, ein Paradiesvogel in vollem Federkleid hat uns in ungestillter Daseinslust seltene Blätter geschenkt.
− Paradiesvogelschiß heißt der letzte Gedichtband Peter Rühmkorfs. Kurz nach der Publikation ist der Achtundsiebzigjährige im Juni gestorben. Als seine lyrische Abschiedsvorstellung war das Buch wohl auch gedacht. Neben letzten Gedichten enthält es vornehmlich gereimte und ungereimte Selbstgespräche und Merkverse, Sentenzen und Aphorismen aus dem Nachlass zu Lebzeiten des Dichters von ihm selbst seiner Werkstatt entnommen. −
Möglicherweise ist es der lebensspendende Trost, als Schmerzensmann öffentlich wahrgenommen und vielleicht sogar bewundert zu werden, was in den letzten zwei Jahren drei unserer Autoren dazu gebracht hat, beim Umgang mit „dem eigenen Tod“ (Rilke) den Schutz der Selbstdiskretion zu verlassen und sich demonstrativ zu öffentlich Sterbenden zu machen und auf dem Marktplatz des Literaturbetriebs die Chronik ihres angekündigten Todes zu Ende zu führen. Früher, als sie noch mehr an die Nach- als an die Mitwelt glaubten, starben unsere Dichter diskreter (& für sich). Heute vor unseren Augen & für uns?
Robert Gernhardt hat seine Krebserkrankung sogar noch bedichtet und bis zum Gehtnichtmehr an einem opus posthumum gearbeitet, Walter Kempowski hat Interviewer empfangen und letzte Hand an letzte Werke gelegt. Und Peter Rühmkorf? Er hat aus seinem ungeordneten Nachlass von zahllosen Notizblättern noch zu seinen Lebzeiten eine erste Auswahl von Fragmenten nach eigenem Gusto zusammengestellt – zu einem Abschiedspotpourri seiner unerledigten poetischen Möglichkeiten. Und dann die Interviewer empfangen, mit denen er seine öffentliche Biografie ein letztes Mal durchnahm.
Peter Rühmkorfs Paradiesvogelschiß enthält neben der den Titel interpretierenden Ballade eine Reihe von Gedichten, die alles in allem poetisch nicht auf der Höhe oder besser nicht von der brillanten Dichte sind, zu der er einmal fähig war. Ob er da nicht sogar das eine oder andere Gedicht, das der dialektische Virtuose unter unseren lyrischen „Wortmetzen“ seinen früheren Sammlungen zurecht vorenthalten und unter Verschluss gehalten hatte, nun beim Auf- und Zusammenkehren zum Ultimo zwecks Ausfütterung des schmalen Bestands doch noch aufgenommen hat?
Fragen darf man sich das – ohne dem zurecht allseits verehrten, bewunderten und gar geliebten Autor einen Tort anzutun; aber besser ist’s wohl, sich solche Fragen zu stellen, wenn er sie nicht mehr hört. Es ist ja sowohl ein Elend wie nicht ganz unüblich bei Künstlern und anderen Menschen, dass einem im Alter (aus vielerlei Gründen) das einst so leicht und herrlich Gelungene nicht mehr so leicht von der Hand geht oder sich einstellt.
Wenn ich mich nicht täusche, war Rühmkorfs literarische Haupt- & Goldader, die lyrische Poesie-Produktion, der er bis zur Jahrtausendwende rund drei Jahrzehnte lang die schönsten, filigranhaft-robust-gewitztesten Gedichtgeschmeide abgewonnen hatte, zwar nicht versiegt, aber doch dünner geworden. „Dein Feld wird schmaler. // Früher die ganze Flur / Dir zu Belieben / fast eine Furche nur / ist dir geblieben“, lautete der selbstkritische Befund nun im Paradiesvogelschiß. Aber der Wunsch bleibt:
Nach vielen – und Girlanden
noch einen richtigen Treffer landen.
Doch täusch dich nicht, die einfachen Sachen
werden auch nicht gerade besser verstanden.
Auch die einleitende Ballade von dem Gewächs, das einem Paradiesvogelschiß in des Dichters Garten entwuchs, bis es „mein Haus in den Schatten stellte“, wirkt arg konstruiert, wenn vom Rascheln der „blechernen Blätter“ die Rede ist, die zuvor eher „bleiern“ aussahen, und dann unter „Geschepper, Geklepper, Geklimper, Geklirr“ sich der Baum, eher wie ein umgestürzter Geschirrschrank, seiner „gesammelten Blätterlast“ entledigt und den „ungläubigen Buchstabendruckser“ über das unverhoffte Geschenk belehrt:
Weil auf jedem Blatt steht ein goldener Spruch
in privater Geheimschrift geschrieben.
Und wenn du sie einsäckelst Fitz für Fitz,
selbst die schrägen und scheinbar verrenkten,
und es mangelt dir eines Tages an Witz,
dann greif nur zurück auf deinen Besitz,
und es knattern wie eh die Poengten…
Und genieß dich getrost als Beschenkten!
Derart poetisch selbst ermächtigt („Weil auf jedem Blatt steht ein goldener Spruch“), öffnet der Todkranke das Arsenal seiner poetischen Fundstücke, Einfälle, Selbstgespräche und Improvisationen, die er sich (ein Messie der Wort- & Gedankenklauber- samt Reimerei) über die Jahre hin angelegt hatte – wie der früh verehrte, ihm in vielerlei literarischer Haushälterei verwandte Prosaexperimentator Arno Schmidt seine Metaphern & „Wortkonzentrate“. Allerdings nicht systematisiert in „Zettelkästen“ wie dieser, sondern eher wie beider übergroßer Vorläufer Jean Paul, je nach momentanem Einfall „Fitz für Fitz“ bloß aufs Papier geworfen: zur möglichen späteren Verwendung.
Dieser Mittelteil von Paradiesvogelschiß ist das Schönste und Bewegendste dieser Ausgabe poetischer Werke letzter lebender Hand Peter Rühmkorfs. Zum einen zeigt sie uns, anhand zweier, die Notizen umrahmender (oder umarmender?) Faksimiles den Dichter bei der Arbeit an getippten und handschriftlich durchkreuzten Gedichtentwürfen. Dass und wie sehr, weitläufig, zäh, umständlich, ausgefeilt Poesie „gemacht“ und „ein genuines geistiges Verfassungsorgan des Dichter-Ichs“ ist und nicht priesterlich empfangen wurde, demonstriert ad oculos Peter Rühmkorf noch einmal seinen Lesern. (Er hatte ja schon die langwierige Genese von „Selbst III/ 88“, also einen ausführlichen Arbeitsnachweis seiner lyrischen Produktion, in dem über 700 DIN-A4-seitigen gleichnamigen Faksimile-Band 1989 dokumentiert.)
Zum anderen folgt dann aber auf 75 Seiten so etwas wie der Skizzen-Nachlass von Peter Rühmkorf zu Lebzeiten in Form von gereimten oder rhythmisierten Merk- & Denksprüchen, Gedichtfragmenten und -gerüsten, Aphorismen und Metaphern. Ein weites Feld voller oft nur kieselgroßer Einfallsfindlinge. Ernst und Jokus, Vanitas und Sexus, Todestraurigkeit und Lebensfreude, Betrachtungen und Sottisen zu Jugend und Alter, schillernde Reflexionen über Intimstes und Öffentliches, Sentenzen zur Poesie, Politik und Gesellschaft. Und fast immer knallen die Pointen, denn der spitze Witz war Rühmkorfs Domäne, nicht der witzelnde Humor Gernhardts – wenngleich zum Beispiel „Um das zu tun, / was jeder tut, / braucht es nicht gerade Heldenmut“ oder „Bei dem kleinen Botengang / Ward mir vor den Goten bang –“ auch auf Gernhardts Mist hätte gewachsen sein können.
Öfter kräht aber Rühmkorfs poetischer Hahn „heinesch“: „Mancher hält es für tief, / wenn irgendein Mumpitz gedacht wird – / Mir scheint ein Kuß schon als Superlativ, wenn er mir entgegengebracht wird“ oder „Sie sprach: Ich hab dich zum Heiraten gern, / (hochoben die Vöglein piepten) / doch halte ich mich lieber fern / von unpraktischen Geliebten.“ Und: „Was später kommt, wird dich womöglich erschrecken, / ein Jenseits gar in Muselmanenecken, / deshalb beschwör ich dich, statt dich dort oben / heut vorsichtshalber noch auf Erden auszutoben“ – was er ja weidlich getan hat.
Vor allem wird der Leser, den vieles hier entzückt und manches auch verwundert, falls er nicht hier und da den Kopf schüttelt, jedoch ernstlich in Betracht ziehen müssen, dass der „Späte Rühmkorf“ und nicht ein fremder Editor diese „Blütenlese“ vorgenommen hat und uns mit seinem ausgewählten Florilegium eine letzte Einsicht in seine eigenste (& letzte) Befindlichkeit übermitteln will. Das heißt: nicht nur lichtenbergianische „Sudelbuch“-Trefflichkeiten wie „Jungfrauen sparen ihre Unschuld für Unholde auf“, „Der Geschlechtstrieb ist ja nicht unbedingt liebenswürdig“, „Ein blutunterlaufener Landstrich“, „Er geht zu Leichenfeiern nur für Honorar“, „Ein verblaßter Lichtblick“, „Vollkommen durchgelegene Symbole“, „Liebesgelächter“ oder „Ich bin in keine Schule gegangen / außer durch meine Irrtümer“. Sondern auch explizit politische Statements wie: „Von einer gewissen Gehaltsstufe an / beginnt der Klassenkampf“, „Sie halten für individuelle Freiheit, / was eigentlich nur asoziales Verhalten ist“, „Der Kapitalismus frißt seine Kundschaft“ oder „Klassenkampf wird von oben geführt. ,Neiddiskussion‘“.
Beim letzthändigen Bilanzieren seiner unerledigten Hinterlassenschaften erinnert Peter Rühmkorf sein Publikum daran, dass dem Poeten, der nach der selbst gesetzten Losung „Bleib erschütterbar und widersteh“ gelebt hat, die politischen und gesellschaftlichen Weltläufe bis zuletzt (wie am Anfang seiner poetisch-kritischen Wortmeldungen in „Leslie Meiers Lyrikschlachthof“ des „Studentenkuriers“, nachmals „Konkret“) nicht gleichgültig geworden sind.
„Rückblickend mein eigenes Leben“ (mit diesem späten Gedicht eröffnet er den dritten Teil von Paradiesvogelschiß, in dem er letzte ausgeführte Gedichte sammelt) steuert auf eine illusionslose Bilanz zu:
Manches hält man natürlich nur aus, wenn man weiß,
dass man sich bereits auf der Rückfahrt befindet.
(…)
Sage beim Abschiednehmen gern einfach
,Halten Sie die Stellung‘,
was im allgemeinen begrüßt wird −
O b w o h l S i e ?
D i e S t e l l u n g ?
H a l t e n ?
Wo die Erde bereits wie ein durchgedrehter Brainburger
durch die große kapitalistische Imbißbude saust,
rasend,
rotierend,
dem Selbstverzehr entgegen,
bis der letzte Biß und der letzte Schiß in einem Reim
zusammenfallen
und die Führung endgültig an die Kakerlaken übergeht…
Oft ist jetzt in den Nachrufen auf Peter Rühmkorf sein selbst gefertigter „Grabspruch“ zitiert worden: „Schaut nicht so bedeppert in diese Grube. / Nur immer rein in die gute Stube. / Paar Schaufeln Erde und wir haben / ein Jammertal hinter uns zugegraben.“ Nun: ein „Jammertal“ war Peter Rühmkorf das „Irdische Vergnügen in g“ nicht immer und schon gar nicht ganz & gar; zur Hälfte gewiss auch ein Freudental für den Dichter und Peniden.
Immer gut, etwas Neues anzupacken,
Dann packt dich das Neue von selbst beim Nacken.
Grad heute mich wieder mal aufgerafft
und gleich ein Totentänzchen geschafft!
Ein Totentänzchen namens Paradiesvogelschiß. Geschafft. Sela Psalmenende.
noch einmal etwas vollenden, ehe es nicht mehr gelingen kann: Seit je kreisen angstbesetzte Künstlerträume um ihr ominöses Alterswerk.
Zeigen, daß Du bist.
Aber nicht bloß so, im seligen Erinnern,
sondern mit der Frechheit von Beginnern,
ab nach vorne, neues zeigen,
dir und mir und uns zu eigen
daß man diesen Lichtblick nicht sofort vergißt.
Los, ein Liebesbrief!
So hört sich der Traum vom Alterswerk bei Peter Rühmkorf an – trotz aller Fatalismen ein dreistes Dennoch. Wer in seinem neuen Gedichtband, Paradiesvogelschiß, liest, wird überall auf Frechheit und Erinnern, zahlreiche Lichtblicke und Liebesbriefe stoßen.
Rühmkorf zeigt, dass er ist – ein halbes Jahrhundert nach Veröffentlichung seines ersten Gedichtbands, Irdisches Vergnügen in g, im selben Verlag.
Dabei sind diese Gedichte alles andere als die Normalproduktion eines alternden Poeten: Rühmkorf, Jahrgang 1929, hat Krebs. Lange Zeit war unsicher, ob er einen Gedichtband würde fertigstellen können. Dass er es unter großen Anstrengungen vollbracht hat, ist ein Triumph, mit dem Rühmkorf dem Schnitter ein Schnippchen geschlagen hat:
Immer gut, etwas neues anzupacken.
Dann packt dich das Neue von selbst beim Nacken.
Grad heute mich wieder mal aufgerafft
und gleich ein Totentänzchen geschafft!
– Einige Anmerkungen zu Peter Rühmkorfs neuem Gedichtband. –
I.
Mit Peter Rühmkorf geht es mir, wie mit einigen ganz wenigen anderen Dichtern, die auch noch merkwürdigerweise alle seiner Generation angehören: Kein Gedicht, keine Strophe, ja nicht einmal eine Zeile, die seinem Füllfederhalter entschlüpft ist, die er mit der Schreibmaschine aufs Papier gehämmert oder mit dem Bleistift aufs Blatt gehaucht hat, kann ich lesen, ohne dabei das Gefühl zu haben, seine Stimme zu hören, seinen selbstironiegewürzten Balladengesang, das waterkantische Sprachtimbre, diesen unverwechselbaren Doppelton aus grubentiefer Melancholie und dreistester Komik. Wenn meine Augen seine Schrift berühren, dann tönen im Kopfe die Glocken!
II.
Unlängst, auf dem Weg nach Rotterdam, im ICE erging mir’s so: Die F.A.Z. hatte ich aufgeschlagen, war sogleich in ein Rühmkorf’sches Gedicht hineingeraten und stante pede glaubte ich, vom Blatt her seine Stimme zu vernehmen. Ein Vorabdruck aus seinem neuen Gedichtband, den ich jetzt in der Hand halte: Paradiesvogelschiß. Ein wundervoller Titel, dem weltumflatternden Paradiesvogel Peter Rühmkorf aufs altbunte Federkleid geschneidert. Was der Titel-Vogel da einst abgeworfen hat als Klacks in den Garten des Dichters, das enthielt den Samenkern für den Stoff aus dem die Gedichte sind, den Stoff, aus dem das Buch geworden ist, die geschenkten Blätter am Baum: Einigen der Texte in diesem Band bin ich schon im Originalton begegnet Anno 2006, auf einer CD, für die Rühmkorf sie gemeinsam mit einigen Musikern inszeniert hatte. Jetzt nachzulesen Schwarz auf Weiß: Das große Gedicht mit dem Titel Rückblickend mein eigenes Leben. Das auch den Titel abgibt für den dritten und letzten Teil des Buches, der sechsunddreißig Gedichte enthält: Gedichte über das Dichten, die Liebe und den Tod.
III.
Das siebenunddreißigste Gedicht steht ganz am Anfang des Buches und ist, im wahrsten Sinne des Wortes, ein Kapitel für sich… das erste nämlich, ein kurzes, gerade mal zwei Seiten umfassendes: „Die Ballade von den geschenkten Blättern“, die vom Baum erzählt, der – dem Vogelschiße entsprossen – in des Dichters Garten gen Himmel wächst und – oh Wunder – Blatt für Blatt die Früchte vieler Jahre trägt:
Weil auf jedem Blatt steht ein goldener Spruch…
IV.
Ja, und was für Blätter und was für Sprüche! Auf gut 80 Seiten verteilt hat Peter Rühmkorf hier eine Art Walpurgissack ausgeschüttet: das dem Baum der Erkenntnis abgeschüttelte Laub. Notate, Sentenzen, Ent- und Verwürfe, Skizzen, Reimchen, Worte und Wörtchen, Witze und Wahrheiten. Ein Mikrokosmos, in dem es zischt, blubbert, urknallt und blitzt, daß es eine helle Freude ist. Wenn es noch irgendeines philologischen Beweises bedurft hätte, daß Georg Christoph Lichtenberg auch bald 210 Jahre nach seinem Tod putzmunter weiterwirkt und von gewissen Stellvertretern seine Sudelbücher fortführen läßt – hier ist es zu Buche geschlagen: Peter Rühmkorf und der gewitzte Aufklärer aus Göttingen, zwei Kumpanen im Blätterwald, zwei kichernde Sammler, die sich angesichts eines Wortfragmentchens, einer gelungenen, weil pointierten Sentenz scheckig lachen können. Beispiele? Bitte:
Vereinsamte Jungfernhäutchen,
Es braucht viel Artistik, eine einigermaßen nette Ehe zu führen,
Ein blutunterlaufener Landstrich,
Und es weinte aus seinem kleinen häßlichen Gesicht, weil kein Mensch es ansehen mochte,
Deines Alters oft gar nicht mehr eingedenk, aber unermüdlich daran erinnert,
Nun, da ich aufgehört habe zu hoffen und lieber mal 2 Stunden länger schlafe.
V.
Im Mai letzten Jahres, am Eröffnungsabend des internationalen Bremer Literaturfestivals Poetry on the Road, sollte endlich, endlich Peter Rühmkorf lesen. Seit Jahren hatten wir es versucht, ihn nach Bremen einzuladen, doch immer steckte er in einem Buchprojekt, an den Schreibtisch gefesselt von dringlichen Abgabeterminen, gefangen in unaufschiebbaren Lektorengesprächen. 2007 also endlich hatte er zugesagt! Und mußte dann, in Folge einer von mehreren Operationen doch absagen. Ich hatte die undankbare Aufgabe, es dem Publikum zu verklickern am Eröffnungsabend, im erwartungsfroh gefüllten Saal des Bremer Schauspielhauses, die Enttäuschung war mit Händen zu greifen. Die Vertröstung auf das kommende, also dieses Jahr, ein schwacher Trost.
VI.
Peter Rühmkorf wird auch in diesem Jahr nicht kommen können, wenn Mitte Mai das Festival beginnt. Es ist kein Geheimnis: Sein Gesundheitszustand ist ernst, sehr ernst. Seinen neuen Gedichtband, von dem ich hier erzähle, den hat er sich abgerungen. Unter Schmerzen, da bin ich sicher. Und wohl auch unter Angst. Aber diese Schmerzen und diese Angst, die lassen sich nur ahnen, denn was dort zu lesen ist auf den Seiten des Buches, das hat eine fast schwebende Leichtigkeit, und auch dort, wo es um letzte Dinge geht, um Themen wie Abschied und Tod, die Peter Rühmkorf ja immer berührt hat in seinen Büchern, in seinen Gedichten – ja, die er angepackt hat mit Wucht und Verve sogar – da zaubert er eine Atmosphäre von verblüffend gelassener Heiterkeit, die ansteckend ist, die auch den wissenden Leser lächeln macht. Zwischen Freund Hain und Heine, da hat Rühmkorf tatsächlich seinen Platz behauptet. Auch zum nüchternen Big Benn hält er Tuchfühlung, zu Ringelnatz und zum schon erwähnten Professor aus Göttingen.
VII.
Kurz
Kürzer
Am kürzesten:
Es wird immer mehrer.
Leicht
Leichter
Am leichtesten:
Es wird immer schwerer.
Man kann der Superlative wohl gar nicht genug hinzusetzen: dieser Gedichteband ist ein herrlich-frischer Genuss, ohne Nachgeschmack, aber schmackhaft machend die Lyrik und das politische Bewußtsein nutzend.
Denn Peter Rühmkorf setzt hier Alltag und Ausnahmezustand dezend und manchmal geradezu überraschend nebeneinander, dass es einmal manches Mal die Sprache verschlägt und man auch schon kräftig schlucken muss, bei soviel an Ernst, Ironie und professionellem Sprachwitz.
Es gibt so viele beachtenswerte Lyrik in dem Band, dass es kaum möglich ist, ein Gedicht besonders herauszugreifen:
20. Juli – Volksgerichtshof.
Sie erhoben sich für das Volk,
aber das Volk blieb sitzen.
Diese Zeilen spiegeln auf grandiose Weise die politische Hintergründigkeit des großen deutschen Lyrikers, den so manch einer zu spät entdeckt hat, wieder.
Peter Rühmkorf hat hier mal gereimt, ein anderes Mal in pointiert gesetzter Worttreffsicherheit seine Kritik zum Ausdruck gebracht.
Schließlich sind es zudem diese mittlerweile seltener im Alltag gebrauchten Wörter und diese Wortneukombinationsschöpfungen, welche den besonderen Scharm von Paradiesvogelschiß ausmachen.
Wer diesen Band liest, will mehr lesen, mehr erfahren, mehr kennenlernen: von Rühmkorf und der Welt. Und vielleicht ist dies das Vermächtnis an uns Verbliebenen, welches Peter Rühmkorf in seinem letzten Buch uns mit auf den Weg gegeben hat: nicht nachlassen im Erfassen, Begreifen und Neugierig bleiben!
Peter Rühmkorf, der bedeutendste deutsche Lyriker der vergangenen Jahrzehnte, ist tot, und so ist sein erst vor wenigen Wochen erschienener Gedichtband Paradiesvogelschiß zum Vermächtnis geworden.
Manches wird zierlicher,
manches banaler,
allseits genierlicher:
Dein Feld wird schmaler.
Früher die ganze Flur
Dir zu Belieben,
fast eine Furche nur
ist dir geblieben.
Mit Altersmelancholie und Aufmüpfigkeit hat Rühmkorf, an Heine, Benn und Fontane geschult, in seinen letzten Monaten angeschrieben gegen seine Krebserkrankung und einen Zyklus von drei Dutzend Texten voll Weisheit und Humor, Skepsis und Komik hinterlassen. Und wenn man ihn liest, hat man dabei ganz unweigerlich den unverwechselbaren Rühmkorf-Ton im Ohr.
Das Vergnügen an der Lektüre schmälert nicht die Tatsache, dass manches, der Krankheit Tribut zollend, von Rühmkorf nicht mehr in bewährter Weise durchkomponiert werden konnte, sondern Gedankensplitter, Apercu, Aphorismus bleiben musste: „Die Jugend ist so hübsch wie nie / und doch so doof wie selten“, heißt es da etwa über die Kids in Zeiten der Spaßkultur.
Paradiesvogelschiß ist ein perfekt komponiertes Meisterwerk, in dem vieles, auch selbstironisch, um die Vergänglichkeit kreist, und ein Geschenk an den Leser. Der Dichter bescheidet sich in dem ihm eigenen Sound mit einem augenzwinkernden „Grabspruch“:
Schaut nicht so bedeppert in die Grube.
Nur immer rein in die gute Stube.
Paar Schaufeln Erde und wir haben
Ein Jammertal hinter uns zugegraben.
Gerade mal zwei Monate hat Peter Rühmkorf das Erscheinen seines letzten Gedichtbandes überlebt. Es ist ein herber Verlust, dass diese virtuose (wenn nicht gar virtuoseste) Stimme in der deutschen Lyrik verstummt ist.
Der ironische Blick auf die Zeitläufe wird uns fehlen, das gekonnte Zurechtrücken der Sichtweise, die leise Melancholie, die immer durchscheint, aber nie dominant wird, die Kritik, deren Berechtigung nie in Frage stand.
Paradiesvogelschiß kennt drei Teile: Ein erläuterndes Anfangsgedicht, dann hunderte von Notizen und kleinen Texten, in denen sich Rühmkorf mit Tod und Leben auseinandersetzt – bisweilen fast aphoristisch verknappt: „Sie halten für individuelle Freiheit, / was eigentlich nur asoziales Verhalten ist.“ Und im dritten Teil letzte Gedichte „Rückblickend mein eigenes Leben…“
Sein „Grabspruch“ sei abschließend zitiert:
Schaut nicht so bedeppert in diese Grube.
Nur immer rein in die gute Stube.
Paar Schaufeln Erde und wir haben
ein Jammertal hinter uns begraben.
Ihm seien noch viele Leser gewünscht, wenn er sie auch nicht mehr mit Neuem beglücken kann; sein Werk gilt es eigentlich noch wirklich zu entdecken.
In seinem letzten Gedichtband zeigt der Dichter, der Witz und Tiefsinn vereint hat wie vielleicht kein anderer in deutscher Sprache, dass auch Alter und Krankheit der Frische seines Geistes nichts anhaben konnten: Ein Feuerwerk aus kurzen Einfällen und Kalauern wie „Er war ein Dichter vom Schuh bis zum Scheitel / mit Bildung gefüllt / wie ein Staubsaugerbeutel“, oder „Dies Gedicht für Nicole Kidman / könnt ich praktisch jeder widmen: / so ein Passepartoutgedicht. / Nur für Erna paßt es nicht.“ macht ihm einfach niemand nach, genauso wie einige der längeren Gedichte in diesem Band wie „Ansteckendes Pfeifen“ oder „Dichterliebe“, in dem er in seiner unnachahmlichen augenzwinckernden Art eine Episode mit einer Prostituierten erzählt, die ihn zu manchen Gedichten inspirierte,
… bis ich eine der schärferen Skizzen
bei Marcel Rex Ranitzen
im KANON wiederfand −
O, wie wehte es mich ihr entgegen:
Honorar für das laufende Jahr! –
Doch die Antwort klang eher verlegen:
Morgen muß ich mich weiterbewegen,
Tank-Rast-Platz Gardelegen,
aber schön wär ein Reisesegen:
ein signiertes Belegexemplar!
− dieses Belegexemplar deutschen Vers-Humors darf keinem fehlen der etwas mit Sprachwitz anfangen kann, es ist ein weiteres Meisterwerk, leider sein letztes.
– Ein Gespräch mit dem großen Lyriker Peter Rühmkorf über das Reimen an der Mutterbrust, Gedichte als Droge und ein Grabmal mit Biogasanlage. –
Sein angestammtes Domizil hat der Dichter verlassen müssen. Zu steil der Weg hinab an den Fluss, zu unpraktisch das Haus mit Blick auf den Hamburger Hafen, in dem Peter Rühmkorf jahrzehntelang im Liegestuhl und an der Schreibmaschine „Himmelsplankton durchsiebte“, wie er das Verfertigen von Versen mal genannt hat. Nun also die Bauernkate im Lauenburgischen. Wie eine Wollmütze hat das Haus sein Reetdach tief ins Gesicht gezogen, so baute man damals, kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg. Hier hat Peter Rühmkorf sein jüngstes Buch zusammengestellt, Paradiesvogelschiß heißt es und erscheint am 1. April. Auf dem Esstisch in der Wohnhalle liegen noch ein paar Fotos, die den Dichter am Werk zeigen, unterstützt von seinem Archivar und einer Mitarbeiterin seines Verlages.
DIE ZEIT: Ist Lyrik für Sie Teamarbeit?
Peter Rühmkorf: Ich kann doch nicht mit Computern arbeiten, ich habe immer mit der Olympia Monica geschrieben. Aber das ging nicht mehr. Meine Fingerkuppen sind zu dünn geworden, weil ich ein Jahr im Krankenhaus gelegen habe. Ein furchtbares Martyrium. Es hing vom Zufall und von der Kunst des Operateurs ab, dass ich hier überhaupt noch sitze. Ich hatte keine Lust mehr auf irgendwas und dachte: Wenn’s aus ist, ist’s eben aus.
ZEIT: Kein Aufbegehren?
Rühmkorf: Ich bin da ein bisschen fatalistisch. Ich habe keine Angst vor dem Absprung in andere Welten. Der Tod ist ein interessantes Thema, aber er ist für mich nicht das böse Gespenst. Es gibt so viele von mir verehrte Leute, die diesen Sprung schon gemacht haben, er steht uns allen bevor. (Pause) Ich mag bloß keine Schmerzen. Und da alles von Schmerzen begleitet ist, glaubte ich, ich müsse die Buchidee aufgeben. Ich schlug drei Kreuze hinter mir und dachte: Nein, es ist nicht zu machen, ich habe nicht die Kraft, ich habe nicht die Laune. Ich bin nicht mehr der, der ich vorher war.
ZEIT: Und doch gibt es jetzt ein neues Buch.
Rühmkorf: Ja, da nahte der 100. Geburtstag von Rowohlt, und ich dachte, das sei eine gute Gelegenheit, nach zehn Jahren mal wieder ein Gedichtbuch zu machen. Ich bin ja das älteste Faktotum im Verlag, schon mein erstes Buch Irdisches Vergnügen in g habe ich dort veröffentlicht. Und da sollte mein letztes oder vorletztes auch dort erscheinen. Aber ich hatte nur einen Riesenhaufen von Notizblättern, Hunderte, Tausende. Es waren lauter Keime, ich nenne die immer Quanten. Material, das für mich noch Zündstoff enthält. Ein Gedicht besteht aus mehreren Grundeinfällen, Aha-Erlebnissen, die ich mir notiert habe, weshalb ich auch ewig Papier und Stift bei mir trage.
ZEIT: Das erste Gedicht des neuen Buches, „Die Ballade von den geschenkten Blättern“, ist wie ein Selbstbildnis Ihrer Arbeitsweise: Aus einem Paradiesvogelschiss wächst ein Baum, dessen Blätter wiederum in „privater Geheimschrift“ das Material des Dichters enthalten. Eigentlich sind Sie selbst der Paradiesvogel, der aus Scheiße Gold macht.
Rühmkorf: Das will ich mal ganz dahingestellt sein lassen. Als das Gedicht fertig war, sagte meine Frau: Du hast ja genau deine Methode beschrieben! Aber auf die Einfälle kommt es an. Darum habe ich immer Gottfried Benn widersprochen, der in der Nachfolge von Baudelaire gesagt hat: Gedichte werden aus Worten gemacht. Gedichte werden aber aus Einfällen gemacht.
ZEIT: Brauchen Sie Hilfsmittel, um Ihren Einfällen auf die Sprünge zu helfen? Schreibt es sich mit Rotwein besser?
Rühmkorf: Es kommen auch Einfälle, wenn man nichts genommen hat. Aber manchmal häufen sie sich, wenn man Alkohol genossen oder Hanf gezogen hat. Wenn man in eine bestimmte Stimmung kommt, knattert es. Es passiert, dass der Strich gar nicht schnell genug folgen kann. Weil die Gedanken schneller abgesaust sind, als man sie festhalten kann.
ZEIT: Haben Sie Angst, dass Ihnen mal nichts einfällt?
Rühmkorf: Nein. Mich treibt eher die Angst, dass ich von Einfällen erdrückt werde. Ich habe noch so viele Fragmente, die sich nach einander sehnen, die sich zum Gedicht vergesellschaften wollen.
ZEIT: Am Anfang des neuen Buches heißt es: „Dein Feld wird schmaler. (…) fast eine Furche nur ist dir geblieben“. Ist das die Erfahrung beim Schreiben im Alter?
Rühmkorf: Allerdings. Man kennt die Welt, man hat fast alle Themen durch, da bleibt nicht mehr viel, über das man neu schreiben könnte.
ZEIT: Sie schreiben von Haydns „Altersübermut – vollkommene Beherrschung der Mittel“. Haben Sie selbst diesen Altersübermut erreicht?
Rühmkorf: Manchmal. In dem Moment, wo ich das geschrieben habe, hörte ich gerade Haydn und fühlte mich in der Stimmung. Ein Augenblick der Beglückung.
Das Sitzen fällt dem Dichter schwer, also verlagert sich die Runde in sein Arbeitszimmer, wo vor dem Schreibtisch eine Art Diwan steht. Rühmkorf räumt eine Geschenkausgabe von Marx’ Kapital beiseite und legt sich auf die karierte Wolldecke, schlägt die Beine übereinander, Zigaretten und ein Glas mit schmerzstillenden Tropfen neben sich.
ZEIT: Hier liegt ein Reimlexikon – arbeiten Sie damit?
Rühmkorf: Mit allen Geräten und Lexika…
ZEIT: …erlaubten und unerlaubten…
Rühmkorf: Nee, da soll man gar keine Witze drüber machen. Ein Haufen von Lexika gehört in jede Werkstube, um Wörter, Wörter, Wörter zu finden. Diesen alten Peregrinus Syntax hier von siebzehnhundertsowieso – da stehen auch Sachen drin, die sich rhythmisch gar nicht reimen. Aber es bringt einen auf Gedanken.
ZEIT: Ist es nicht frustrierend, zu sehen, welche originellen Reime schon von jemand anderem gefunden wurden?
Rühmkorf: Nöö, das ist Arbeitsmaterial. Wenn ich andere Berufe sehe, ob Orgelbauer oder Intarsienleger – die erfinden die Werkzeuge auch nicht neu.
ZEIT: In einem der Aphorismen im neuen Buch schreiben Sie: „Alter, kleb die Zähne fest, und dann wird losgebissen.“ Beißt es sich im Alter anders?
Rühmkorf: Das ist natürlich ein bisschen zynisch gemeint. Man kann nicht mehr so beißen wie früher.
ZEIT: Damit finden Sie sich ab.
Rühmkorf: Das ist alles viel zu ernst gefragt. Früher gab es so Klebmittel für die Zähne. Im Moment arbeite ich nach dem Druckknopfprinzip, man klemmt das so rein, zack.
ZEIT: Aber Sie wollen immer noch was Neues zu fassen kriegen.
Rühmkorf: Etwas Altes braucht nicht noch mal zu sein.
ZEIT: „Leider, die Möglichkeiten schwinden, / eine neue Stellung im Vers zu erfinden“, schreiben Sie. Sie versuchen es trotzdem weiter?
Rühmkorf: Das ist natürlich eine laszive Anspielung. Weil der Vers auch eine Kopulation ist. Dichten ist was Erotisches.
ZEIT: Ein guter Reim ist wie guter Sex?
Rühmkorf: Bahbahbahbahbah. Das ist mir zu banal.
ZEIT: Der Jambus sei mitnichten „ausgequatscht“, schreiben Sie, man müsse ihn nur neu besohlen. Ist das so einfach?
Rühmkorf: Im Alter wird man als Lyriker viel gelenkiger und muss sich keine Sachen mehr zurechtbiegen. Ich merke sofort, werkstattmäßig, wenn einer was hingebogen hat. Was dagegen direkt vom Himmel kommt, die guten Zeilen, die herabregnen wie Sterntaler, erkennst du gleich. Wenn du ein Leben lang dabei bist, dann weißt du aber auch, dass das Selbstgemachte genauso gut aussehen muss wie das vom Himmel Gefallene. Das ist die Kunst, das können die meisten nicht.
ZEIT: Erinnern Sie sich an Ihr allererstes Gedicht?
Rühmkorf: Jaja. Da war ich vier oder so: „Da lief der Hase mal durch einen Wald“…
ZEIT: Hat Ihre Mutter Gedichte aufgesagt?
Rühmkorf: Sie hat selbst gedichtet! Anekdotisches. Sie war Lehrerin und hatte einen Zug zum Dichten. Und auf dem Dorf galt nur das gereimte Gedicht. Alles andere zählte nicht, kann ja jeder. Immer, wenn mal ein Jubiläum oder Schulfest war, musste Fräulein Rühmkorf ran und dichten. Daher weiß ich von ganz früh, dass Gedichte etwas mit Geselligkeit zu tun haben, denn sie dichtete nur vor Publikum. Es wurde applaudiert, die Leute fragten: Fräulein Rühmkorf, können Sie uns das nicht noch mal abschreiben?! Das Gedicht war Alltagspraxis. Als ich zwölf war, kamen so erste Liebesgedichte dazu, aber die habe ich verbrannt.
ZEIT: Warum denn das?
Rühmkorf: Weil ich gelesen hatte, dass richtige Dichter ihre Jugendgedichte verbrennen. Und da hab ich lauter so kleine bunte Heftelchen ins Feuer geworfen. Da war ’ne Menge drin, meistens Scherzgedichte. Ärgert mich sehr.
ZEIT: Sie schreiben von der „Unsterblichkeitsgrenze“, die man mal über-, mal unterschreitet. Wo liegt die für Sie?
Rühmkorf: Das ist Künstlerhochmut. Das hab ich einfach mal so gesagt.
ZEIT: Sie reimen immer noch. „Und es tönte ein Reim – zwirnsfadendünn aus dem Altersheim“, schreiben Sie. Pfeift der Reim auf dem letzten Loch?
Rühmkorf: Ja, und das ist auch seine Herausforderung. Ich habe ein Buch über den Reim geschrieben, agar agar – zaurzaurim, wo ich den Reim zurückverfolgt habe bis zu seinen ersten menschlichen Spuren. So würde ich nie wieder ein Buch nennen. Weil das nicht verstanden wird. Obwohl Reime in allen Sprachen auftauchen. Unsere erste Sprache, die Muttersprache, die Ammensprache, besteht ja aus zwei sich reimenden Einsilbern: Mama, Papa, Wauwau, Pipi, Kacka. Auf dem Gebiet der niederen Laute kommst du zurück bis zum Kleinkind, das an der Brust hängt und gna, gna, gna so vor sich hinkaut und -saugt. Dann sagt die Mutter: Das Kind kann schon sprechen! Und sagt Mama, Mama und füttert das wieder in das Kind hinein. Aus dieser Mutter-Kind-Dyade entsteht Sprache überhaupt. Und das sind schon ganz frühe, primitive Reime.
ZEIT: Der Reim hat angefangen als Beschwörungsformel, als Magie, wie in den Merseburger Zaubersprüchen, die Sie zitieren. Kann man ihn heute noch anders als ironisch verwenden?
Rühmkorf: Ja, absolut! Wen wollen wir mal herbeizitieren? Nehmen Sie, wen Sie wollen! Sagen wir Gottfried Keller: „Augen, meine lieben Fensterlein, / gebt mir schon so lange holden Schein…“ Das ist doch zu Herzen gehend!
ZEIT: Aber Keller ist auch schon 150 Jahre tot. Sie reimen „gewiß“ auf „Paradiesvogelschiß“.
Rühmkorf: Ironie ist schon immer ein Grundprinzip bei mir. Aber natürlich gibt es auch unironische Reime, bei Benn, bei Brecht, bei Trakl: „Dämmerung voll Ruh und Wein; / Traurige Guitarren rinnen / Und zur milden Lampe drinnen / Kehrst du wie im Traume ein“ – das ist wunderschön, das ist Drogenstoff, das ist nicht komisch.
ZEIT: In einem Ihrer Capriccios sprechen Sie von der Sehnsucht nach der Rückkehr zu einer Kunst im Stand der Unschuld, wo noch alles möglich ist.
Rühmkorf: Diese Sehnsucht betrifft mehrere Ebenen, zunächst mal mich selbst – dass ich als Verseschmied noch mal ganz neu losspringen kann. Es hat ja riesige Sprünge gegeben, zwischen Barocklyrik und Klopstock zum Beispiel, das ist ja überhaupt nicht zu fassen! Klopstock konnte überhaupt nicht richtig reimen!! Und dann fängt er an: „Willkommen, o silberner Mond, / Schöner, stiller Gefährt der Nacht! / Du entfliehst? Eile nicht, bleib, Gedankenfreund!“ Na, und so weiter. Ein wunderschönes Gedicht, fast so, als ob es die Wolken und der Mond selbst einem vorspielen würden. Das schwebt ganz anders, ist ganz anders rhythmisiert, nicht eingekerbt, und fängt mit etwas an, das vorher gar nicht als Lyrik angesehen war.
ZEIT: Kann es so einen Epochenbruch noch einmal geben?
Rühmkorf: Bei Brecht hat es ihn gegeben.
ZEIT: Und bei Rühmkorf?
Rühmkorf: Auch. Ich hab ja immer Neues versucht, zum Teil im Rückgriff auf die Alten, indem ich parodistische Sachen gemacht habe, nicht als Vergackeierung der Alten, sondern um sie in ein ironisches, aber noch brauchbares Licht zu setzen. Ich reihe mich bewusst ein in die Tradition und habe für gewisse neue Töne gar kein Verständnis – weil sie mich nicht ergreifen.
ZEIT: Ist das Ihr Kriterium für ein gelungenes Gedicht – dass es ergreifend ist?
Rühmkorf: Ja. Darüber ist ja viel diskutiert worden. Das Ergriffensein, absolut genommen, fordert natürlich sofort die ironische Brechung heraus.
ZEIT: Verstanden werden ist eines Ihrer Ziele, und Sie verändern dafür sogar Ihren Stil: „Einfach werden – radikal. / Kompliziert, das war einmal. Weil, …Subtilität / kaum ein Leser noch versteht.“ Werden die Leute wirklich dümmer?
Rühmkorf: Selbstverständlich! Es werden doch keine Gedichte mehr auswendig gelernt in der Schule, die Schüler gehen doch ganz ohne dieses Gepäck nach Hause. Wenn ich Lehrer wäre, würde ich sogar Schiller-Balladen aufsagen, noch besser: aufführen lassen. Und sofort wird sich da ein Kontakt bilden, obwohl es eine völlig unnormale Art zu sprechen ist.
ZEIT: Warum hat es die Lyrik zurzeit so schwer? Weil das Unnormale in einer effizienzorientierten Welt keinen Platz mehr hat?
Rühmkorf: Es gibt so viele Unterhaltungsartikel… Nehmen Sie die Zeit von Walther von der Vogelweide: Da gab es an ernsthafter Unterhaltung kaum mehr als die Lyrik, die zur Radleier vorgetragen wurde. Und heute krallen sich die Teenager in die Drähte und werden fast verrückt von einem Gedudel, von dem mir ganz schlecht wird. Ein Rammtammtamm und Zeugs an Musik, das mich in die Ecke jagt. Entsetzlich! Das ist wie in der Tierwelt: Lyrik ist eine ökologische Nische, für die sich nur ein ganz paar Leute interessieren. Es ist nicht mehr wie zu Klopstocks Zeiten, wo ein messianischer Sänger auftaucht, und eine ganze obere Gesellschaftsschicht ist davon angerührt.
ZEIT: Sie beklagen die Verflachung – und reagieren doch darauf: „Gedichte, nicht zu kompliziert, / damit man nicht völlig / den Anschluß verliert“. Damit zollen Sie der Verflachung Tribut. Der Klügere gibt nach, die Dummen regieren die Welt. Oder zumindest die Buchläden.
Rühmkorf: Man muss sich an die Verhältnisse anpassen. Wo keine Hörer sind, da hat es keinen Zweck aufzutreten. Ich persönlich bin ganz gut bedient worden, auch wenn ich keine Fußballstadien hinter mir habe, sondern so 150, 280 Leute, ist doch auch schön. Aber man muss sich neu durchprobieren auf einer anderen Ebene, da kriegt man noch mal ein neues Bohrloch zu fassen. Ich suche so ganz kleine Fitzelchen, wie wenn man eine Tüte aufbläst, draufhaut und klatsch! macht. Das ist fast eine Strophe.
ZEIT: Sie hätten ja komplex bleiben können und elitär alleine.
Rühmkorf: Ein elitäres Zu-mehrt-Sein will ich! Mehr werden!
ZEIT: Wie hoch wird denn die Auflage Ihres neuen Buches sein?
Rühmkorf: Das weiß ich nicht, das interessiert mich selbst sehr. Bei meinen Gedichtbänden waren die Erstauflagen meist so zehn-, fünfzehntausend. Die alle auf einem Haufen…
ZEIT: Sind Auflagenzahlen für Sie ein Gradmesser Ihres Erfolges?
Rühmkorf: Das Wort Erfolg lehne ich ab. Ich habe gelernt bei den Erfolglosen, die nur Dreihunderter-Auflagen verkaufen. Also muss ich auch mit kleinen Auflagen zufrieden sein. (Pause) Bin ich aber nicht.
Auf dem Jägerzaun vor dem Fenster huscht jetzt ein Eichhörnchen entlang, Schwanzmeisen umschwirren das Vogelhäuschen. Rühmkorf zündet sich noch eine Lord Extra an und bläst den Rauch in Richtung der alten Naturkundetafel „Unsere häufiger vorkommenden essbaren Pilze“.
ZEIT: In einem der neuen Texte heißt es so flapsig wie lapidar: „Entschuldigen Sie, die Welt ist schön und muß gefeiert werden.“
Rühmkorf: Das brach aus mir heraus, als ich aus der Tür trat. Das hat so noch keiner gesagt. Das kann man einer vergrämten Figur, die da spazieren läuft, gleich ins Gesicht setzen. So stell ich mir das vor.
ZEIT: Ist dieses positive Weltverhältnis eine Errungenschaft des Alters?
Rühmkorf: Nein, das habe ich immer gehabt. Ich bin ein Glücksprophet. Deshalb findet man in meinen Gedichten auch immer eine gewisse Kurve, die erst nach unten zieht und noch immer tiefer hinab, dass man sich fragt: Wie kommt er da wieder raus aus der Scheiße?! Und dann gibt es so einen Wums, und sei es ein satirischer, der am Schluss zurückführt ans Licht.
ZEIT: In Ihrem Gedicht „Rückblick auf mein eigenes Leben“ heißt es: „rasend, / rotierend, / dem Selbstverzehr entgegen, / bis der letzte Biß und der letzte Schiß in einem Reim / zusammenfallen / und die Führung endgültig an die Kakerlaken übergeht“. Das ist aber das Gegenteil von der schönen Welt.
Rühmkorf: Ja, das ist alles ein ziemliches Durcheinander. Und soll ich Ihnen mal was sagen? Das Publikum lacht darüber.
ZEIT: Und das gefällt Ihnen.
Rühmkorf: Ja. Das heißt: In dieser Scheiße tönt noch mal die Geige auf. Das muss man richtig hoch in den Himmel schrauben. Und dann gibt es Applaus, das kann ich voraussagen. Ich bin ja ein sehr ungläubiger Mensch, obwohl ich sehr gläubig erzogen wurde. Für mich ist das Gedicht so etwas wie eine Monstranz. Ein Glaubensartikel.
ZEIT: Gibt es aber Erlösung jenseits des Gedichts?
Rühmkorf: Nein. Nur im Musiksaal. Das ist das große Vermögen der Kunst, die Menschen wenigstens eine Zeit lang zu erlösen. Sie aufzusaugen. Oder sich überhaupt mitzuteilen, in Gedichten zum Beispiel. Als ich noch zur Schule ging, haben wir uns in Gedichten unterhalten. Ich kenne aber auch Lebenszeiten, in denen ich Gedichte von Else Lasker-Schüler oder Benn oder weiß der Teufel wem als Droge aufnehme. Man ist nicht mehr allein, man findet sich wieder im Medium mit seiner Depression, seiner Verzweiflung. Aber das meiste ist schlecht gearbeitet. Das klebt dann wie Tabakreste auf den Lippen, die man immer wegzuspucken versucht. Weg damit. (spuckt aus)
ZEIT: In Ihren Gedichten kommt George Bush genauso vor wie Günther Jauch und der Fliederbusch vor Ihrem Haus. Ist prinzipiell alles lyrikfähig?
Rühmkorf: Unterschiedlich. Namen, speziell die von Politikern, sind nach ein paar Jahren vergessen. Das versteht das Publikum dann nicht mehr. Oder so knackige Sachen aus der Werbung – die verfliegen. Aber ein Gedicht sollte schon anzeigen, auf welchem Spielboden es spielt, in welcher Zeit es seine Tänzchen aufführt.
ZEIT: Sie haben ein Geburtstagsmedaillon für Günter Grass verfertigt. Das hat dann auch nur eine begrenzte Halbwertszeit.
Rühmkorf: Das kann es auch gerne haben.
ZEIT: Ist das ein Freundschaftsdienst?
Rühmkorf: Nöö, das war meine wirkliche Meinung, als ich von all den Angriffen hörte, die er nach dem Bekanntwerden seiner Mitgliedschaft in der Waffen-SS ertragen musste.
ZEIT: Sie haben also Verständnis für Grass, dass er erst in der Kunstform seiner Autobiografie darüber reden konnte?
Rühmkorf: Komischerweise ja. Ich kann das sagen, weil ich aus einer völlig anderen Sozialisation komme und schon mit 13, 14 Jahren in einem Anti-Nazi-Club war. Und später hab ich viel mit gewesenen Nazis zu tun gehabt, die eben nicht nur so reingerutscht sind. Bekenntnisnazis. Zwei von ihnen, Professoren, so autoritäre Knacker, haben mich aus dem Seminar geworfen und meine Universitätskarriere praktisch kaputt gemacht.
ZEIT: Deshalb waren Sie anfangs auch von der Apo begeistert – und haben bald mit ihr gebrochen.
Rühmkorf: Ja, als ich sah, dass die Apo selbst außerordentlich autoritär war. Sie war kein Sammelmedium der neu denkenden Menschen, wie wir gehofft hatten. Das zerflog in tausend kleine Fraktionen, und alle bekämpften sich fürchterlich. Ich wurde dann auch ein paarmal von der Bühne gepfiffen, als gehörte ich nicht dazu. Dabei hatte ich nun wirklich zu den Patenonkels gehört, die Artikel sind ja nachzulesen in der alten konkret.
ZEIT: Was war denn der Vorwurf? Dass Lyrik bürgerliche Scheiße sei?
Rühmkorf: Ach, es gab vieles. Dass ich zu bestimmten Demonstrationen nicht mitwollte. Dass ich mich dagegen wehrte, Gedichte, die ja vergleichsweise zarte Gebilde sind, in U-Bahn-Schächten zu lesen vor Leuten, die ganz schnell nach Hause müssen und schon auf die Uhr gucken, weil das Essen fertig ist… Das fand ich Quatsch. So gab dann ein Wort das andere. An vielen Universitäten sollte auch der Expressionismus aus der Welt gekehrt werden. Das wäre ja reine Kriegshetze! Da war für mich keine Genossenschaft mehr herzustellen.
ZEIT: Wie fällt heute Ihr Urteil aus über die 68er?
Rühmkorf: Da kommt man ohne Dialektik nicht aus. Ich habe die Zeiten vorher erlebt, da empfand ich die Apo als Befreiung, als Verlängerung unserer Schreibtische zur Straße hin. Durch die Große Koalition schien uns das parlamentarische System selbst aufgelöst. Aber es haben auch sehr viele Apo-Leute sehr früh viel Quatsch gemacht. Rasend schnell kam dieser martialische Zug da rein. Meine Frau war ja Gefängnisdirektorin in Neuengamme, da hieß es dann: Eva Rühmkorf – KZ-Wärterin.
ZEIT: Im neuen Buch stellen Sie auch Erwägungen für ein Grabmal mit einer Biogasanlage an – „Kleines Flämmchen noch nährend / über den flüchtigen Anlaß hinaus, / bis der irdische Stoff sich erschöpft“. Wie würden Sie Ihr Verhältnis zum Tod beschreiben?
Rühmkorf: Ironie ist auch so eine Art Erlösungsform, in der man Haltung bewahrt. Dass man nicht nur in Scheiße und Depressionen verfällt. Die Rolle der Literatur ist doch auch, dass sie das Unerträgliche erträglich erscheinen lässt. Wobei das in diesem Fall hart an der Grenze ist. Aber Literatur muss weit gehen.
ZEIT: Fällt es Ihnen immer gleich leicht, auf diese ironische Art mit dem Sterben umzugehen?
Rühmkorf: Das ist tagesformabhängig. Im Großen und Ganzen halte ich die Ironie für eine Ausdrucks- und Empfindungsform, die es mir überhaupt erlaubt, auf dieser an sich fürchterlichen Welt zu existieren. Wenn ich mir all die Sachen von Morden, von Kindersoldaten und so weiter vorzustellen und tiefer zuzuziehen versuche als eine Zeitungsmeldung – und ich neige leider dazu –, dann kannste ja wirklich den Appetit an der Welt verlieren.
ZEIT: Ist der Tod jetzt Ihr großes Thema?
Rühmkorf: Das ist er schon seit meiner Jugend. Aber mit zunehmendem Alter wird die Lage natürlich brenzliger. Ich mag selbst keine flauen Witze über den Tod. Aber diesen höheren Zynismus, mit dem Vanitas-Gefühl umzugehen – das ist mein Arbeitsfeld. Es hat keinen Zweck, in den Garten rauszurennen und die Fäuste zu ballen. Die Sense sirrt. Man muss wenigstens versuchen, es literarisch zu fassen. Und ich bin da ja nicht der Erste, bei dem das so ist. Ich wollte immer mal einen größeren Totentanz schreiben, aber dazu ist mir noch nicht die richtige Form eingefallen. Die Maler haben das immer lustig gemacht, der Horst Janssen hat einen Totentanz nach dem anderen gemalt. Ich habe nur immer wahnsinnig gern getanzt, das ist ja auch so gesund für die Gebeine…
ZEIT: Paradiesvögel sind auch große Tänzer. Also ist der Paradiesvogel des neuen Buches doch eine Art Selbstbeschreibung?
Rühmkorf: Das bleibt geheimnisvoll. Ganz durchschaue ich mein Unterbewusstsein auch nicht.
ZEIT: Das wäre ja nicht das Schlechteste – von den Lesern als Paradiesvogel wahrgenommen zu werden. Tolles Gefieder, toller Tänzer…
Rühmkorf: Ich hoffe, dass ich den Druck des Buches überhaupt noch erlebe.
ZEIT: Einen Totentanz haben Sie bislang nicht geschrieben, aber einen Grabspruch: „Schaut nicht so bedeppert in diese Grube. / Nur immer rein in die gute Stube. / Paar Schaufeln Erde und wir haben / ein Jammertal hinter uns zugegraben.“
Rühmkorf: Das war nur so ein Gedanke, der mir durch den Kopf flitzte. Je näher das Ende rückt, desto schneidiger werden die Witze.
Das Gespräch führten Wolfram Runkel und Christof Siemes
– Rühmkorfs späte „Ballade von den geschenkten Blättern“. –
Rückblickend mutet es fast prophetisch an, dass Peter Rühmkorf seinem Band Wenn – aber dann 1999 den Untertitel Vorletzte Gedichte gegeben hat. Aber bleiben wir nüchtern. Wahrscheinlich wollte er nur an das vanitas-trunkene Haltbar bis Ende 1999 anknüpfen, an den Titel seiner wohl bekanntesten Lyriksammlung. Und selbst wenn er den Plan gehabt haben sollte, im nächsten Buch die „letzten Gedichte“ folgen zu lassen, so hätte es ihm doch jeder verziehen, wenn ein solches Finale ein paar Jahre später durch ein lyrisches Comeback annulliert worden wäre. Frei nach dem Geheimagenten-Motto Du lebst nur zweimal. Oder nach der noch schöneren, eben von Rühmkorf selbst formulierten Devise:
Immer gut, etwas Neues anzupacken.
Dann packt dich das Neue von selbst beim Nacken.
Grad heute mich wieder mal aufgerafft
und gleich ein Totentänzchen geschafft!
Vier Zeilen können ein ganzes Lied sein. Schlicht kommt dieses Gedicht daher. Von gerade mal 25 Wörtern werden einige auch noch ganz oder teilweise wiederholt. Als würde Rühmkorf mit einem Weberschiffchen arbeiten, entwickelt er einen durch und durch konventionellen Text, der auch dadurch nicht innovativer wirkt, dass er ihn unter den kämpferischen Slogan Über Gräber vorwärts! stellt. Ja, dieses Gedicht scheint geradezu ein Manifest der Originalitätsverweigerung. Und doch, das ist erstaunlich, klingen die vier Verse nach Rühmkorf – und doch haben sie einen Rhythmus, der diesem Dichter zutiefst entspricht. Selbst in diesem reduzierten Gebilde springt der Funke noch über.
Das „Totentänzchen“ steht in dem Band, der durch seine Veröffentlichung im Jahre 2008 tatsächlich Rühmkorfs letzte Gedichte enthält. Es ist unter anderem der modernen Schmerztherapie zu verdanken, dass der Dichter noch an diesem Buch arbeiten konnte, als der Krebs seinen Körper schon brutal zugerichtet hatte. So wurde Paradiesvogelschiß eine Art Testament, und es ist nicht verkehrt, die hier versammelten Gedichte auch als einen solchen letzten Willen zu lesen – oder zumindest als Rühmkorfs abschließenden Versuch, Realität an der Todesgrenze künstlerisch zu gestalten. Das gilt für das Buch insgesamt, und wohl am meisten für die „Ballade von den geschenkten Blättern“, die den Band eröffnet und das Programm für die umfangreiche Zusammenstellung der sogenannten „Lyriden“ vorgibt, die unmittelbar auf dieses Gedicht folgen. Lyriden, das waren für Rühmkorf die kleinsten Einheiten auf dem Weg zum Gedicht, zuweilen nannte er diese auch „Quarks“, „Quanten“ oder „Niederschlagseinheiten“. Was er unter Lyriden verstand, skizzierte er erstmals unter dem 31. Dezember 1988 in seinem TABU I:
Gestern den Begriff „Lyriden“ in meine einfallskundlichen Betrachtungen eingeführt – Sternschnuppen aus dem Bild der Lyra, die sich der Vergesellschaftung im lyrischen Gedicht entgegensehnen.
Das Notat steht im Zusammenhang mit dem Nachwort zu der monumentalen Edition sämtlicher Vorstufen des Langgedichts „Selbst III/88“, in dem er sich sowohl auf die Tradition der Moderne als auch der Romantik beruft, namentlich auf die Athenäums-Fragmente der Brüder Schlegel und auf Novalis. Solche Lyriden, das sind für Rühmkorf Verspaare wie die folgenden: „Leider, die Möglichkeiten schwinden, / eine neue Stellung im Vers zu erfinden.“ Oder auch diese pointierten Zeilen:
p o e t a d o c t u s
Er war ein Dichter vom Schuh bis zum Scheitel
mit Bildung gefüllt
wie ein Staubsaugerbeutel
Die Beispiele stehen in Paradiesvogelschiß, und es ist kein Zufall, dass sie beide die Dichtung selbst thematisieren. Rühmkorfs lyrisches Testament enthält überdurchschnittlich viele im weitesten Sinne poetologische, also selbstreflexive Texte, allen voran das Eröffnungsgedicht, bei dem es sich im Grunde um eine Weiterführung der „einfallskundlichen Betrachtungen“ handelt, die sich in seinen früheren Veröffentlichungen finden.
An dieser Stelle möchte ich innehalten, um nicht nur als Literaturwissenschaftler Auskunft zu geben, sondern auch als Zeitzeuge. Meiner Arbeit als Literaturarchivar ist es zu verdanken, dass ich Peter Rühmkorf am 28. Dezember 2007 besuchen konnte, also ein halbes Jahr vor seinem Tod. Als ich damals im lauenburgischen Roseburg aus dem Auto stieg, ging ich nicht davon aus, dass im Laufe dieses Besuchs weniger die zu klärenden organisatorischen Fragen im Vordergrund stehen würden als solche der persönlichen Lebensführung, der Weltanschauung und der Poetologie. Vielleicht hatte Rühmkorf etwas mit mir vorgehabt, vielleicht kam es auch völlig spontan, wie auch immer: Plötzlich fand ich mich in einem intensiven Austausch über die Veränderungen der eigenen Persönlichkeit in der Nähe des Todes wieder, wo es doch eigentlich um die Verzeichnung von Arbeitsbibliotheken gehen sollte. Aus der einen geplanten gemeinsamen Stunde wurden knapp vier, und irgendwann zog Rühmkorf ein Blatt aus den Druckfahnen, die er in diesen Wochen korrigierte.
− Ob er mir jetzt dieses eine Gedicht vorlesen könne.
Natürlich nickte ich.
− Eigentlich habe er nur ausprobieren wollen, ob sich mit der Form der Ballade noch etwas anfangen ließe. Mehr aus Spaß an der Sache habe er auch mal ein Erzählgedicht schreiben wollen. Und unter der Hand, er könne sich das auch nicht richtig erklären, sei dabei ein Gedicht entstanden, das seine Arbeitsweise extrem gut zusammenfasse.
Seit dieser Begegnung ist es für mich unmöglich, die „Ballade von den geschenkten Blättern“ unbefangen zu lesen. Schon beim ersten Vers sehe ich Peter Rühmkorf wieder vor mir, wie er gekrümmt in dem ebenerdigen Roseburger Zimmer sitzt, das eigentlich seiner Schwägerin gehört, nun aber zur Matratzengruft umfunktioniert wurde, eine Zigarette in der einen Hand, das Textblatt in der anderen, und mit sehr schwacher Stimme sein soeben gesetztes Gedicht rezitiert und auch interpretiert.
Es war mal ein Paradiesvogelschiß,
der schien sich sogleich seiner Sendung gewiß,
weil er klackste bei mir in den Garten.
Bei so etwas liegt der Gedanke nicht fern,
vielleicht birgt er einen nützlichen Kern −
Mal warten.
Ein Jahr verflog – ein zweites verfloß −
erst im dritten hatte ein ärmlicher Sproß
sich entschieden, Flagge zu zeigen:
Ein Stengel schoß auf, ein Blättchen daran,
das sah mich statt grün eher bleiern an,
sehr eigen.
Ich ließ es so treiben und nahm es als Jux,
bis es Hecken und Sträucher weit überwuchs
und mein Haus in den Schatten setzte.
Da sprach ich, egal, ob du Deibel, ob Christ,
ja, die Weltenesche persönlich bist,
Herbstende ist für dich der Letzte.
Ich schränkte die Säge, ich wetzte das Beil,
weil mir ein besonntes Altenteil
doch erfreulicher schien als ein düstres.
Da fingen – „Halt ein, unseliger Mann“,
die blechernen Blätter zu rascheln an,
„gib Acht, es folgt was Illüstres!“
Und Geschepper, Geklepper, Geklimper, Geklirr,
aus den Händen glitt mir mein Mördergeschirr,
und ich fluchte nur, „ab mit Schaden!“
Weil aufs Stichwort hatte der seltsame Gast
Sich seiner gesammelten Blätterlast
Ent! – laden −
„Was Schaden?! – Für dich? – Ungläubiger Buch-
stabendruckser; doch ganz nach Belieben −
Weil auf jedem Blatt steht ein goldener Spruch
in privater Geheimschrift geschrieben.
Und wenn du sie einsäckelst Fitz für Fitz,
selbst die schrägen und scheinbar verrenkten,
und es mangelt dir eines Tages an Witz,
dann greif nur zurück auf deinen Besitz,
und es knattern wie eh die Poengten…
Und genieß dich getrost als Beschenkten!
Das Gedicht kannte ich schon, ich hatte es zuvor in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gelesen, wo es am 18. Juli 2007 vorabgedruckt worden war – und dabei gehofft, es wäre neu und Rühmkorf befände sich auf dem Weg der Besserung. Eine Hoffnung, die er zehn Tage später zunichte machte. Da schrieb er nämlich nach Marbach ins Archiv und vielleicht auch ein wenig für das Archiv, man sollte ihn in dieser Hinsicht nicht unterschätzen:
[…] äh, es geht nicht gut. Es geht zu langsam. Die Geduld ist während der 8-monatigen Krankenhausaufenthalte aufgezehrt. Nun im eigenen Sommergärtchen, aber, aber die Fruchtbarkeit macht mich verrückt und läßt mich meine Mattigkeit umso unleidlicher empfinden. Ich muß ja nicht irgendwo anknüpfen, wo ich meine Tausende von Sprößlingen im letzten Jahr im Stich ließ, aber nichts paßt mehr an meine alten Probierstücke, nichts fügt sich an gehabte Empfindungen. Wenn in den Zeitungen was zu lesen steht, so sind das Leuchtzeichen von längst erloschenen Sternen, man soll sich da keine falschen Hoffnungen machen. – Schluß. Die Kraft reicht gerade f. I Seite […]
Beachtlich ist, dass Rühmkorf sogar in dieser flüchtigen Nachricht, bei der es sich doch um nicht viel mehr als eine Krankmeldung handelt, auf seine Lieblingsmetaphern für die Beschreibung der eigenen Arbeit zurückgreift: Der „ärmliche Sproß“ aus der „Ballade“ keimt auch in seinem Brief. Die „Sternschnuppen aus dem Bild der Lyra“ werden ebenso herbeizitiert, nun allerdings nicht mehr als sprühendes Naturereignis, bei dessen Beobachtung man sich, dem „Volksvermögen“ nach, etwas wünschen darf, sondern sehr nüchtern und morbid: als eine Form des Abfackelns. „Die Ballade von den geschenkten Blättern“, sosehr sie uns heute als Quintessenz erscheinen mag und von Rühmkorf im Paradiesvogelschiß als solche inszeniert wurde, muss entstanden sein, als es ihm noch relativ gut ging, vermutlich in den Jahren 2005 und 2006, also nach seinem langwierigen Kieferbruch und vor der Krebsdiagnose. Ganz offensichtlich handelt es sich bei ihr um einen Fall von unbewusster künstlerischer Vorausnahme, wie ihn Hans Henny Jahnn in seinen „einfallskundlichen“ Essays mehrmals beschrieben hat, die den jungen Rühmkorf, darauf komme ich noch zurück, neben den ungleich bekannteren „Problemen der Lyrik“ von Gottfried Benn tief beeindruckt haben.
Mit den bisher im Nachlass gefundenen Zeugnissen zur Entstehung des Gedichts lässt sich die „Ballade“ nicht genauer datieren. Deutlich machen diese Entwürfe hingegen, dass Rühmkorf anfangs wirklich vor allem die formale Herausforderung eines Erzählgedichtes meistern wollte. Er, der es zeit seines Schriftstellerlebens bedauerte, keine Romane oder Kurzgeschichten schreiben zu können (auch darüber unterhielten wir uns im Dezember 2007), interessierte sich auf einmal für Handlungselemente im Gedicht. Und so ist vermutlich in zeitlicher Nähe zur „Ballade von den geschenkten Blättern“ auch gleich noch die kürzere, formal deutlich freiere „Ballade von der Immer-mal-Wiederkehr“ entstanden. Vor dem Hintergrund der intensiven Beschäftigung mit der Form der Ballade überrascht es nicht, dass sich in den Vorstufen auch die Titelvarianten „Poetologische Ballade“, „Klassische Ballade von den verworfenen und wiedergefundenen Blättern“ und „Ballade von den geschenkten Blättern in klassischer Manier zu verfassen“ finden. Ebenso wenig kann es erstaunen, dass sich in einem der Entwürfe zur vorletzten Strophe – unter dem getippten, später getilgten Vers: „Zum Satan mit solchen Balladen!“ – eine Frage findet, bei der es sich wohl eher um eine Glosse als um einen Vers-Versuch handelt. Sie lautet: „Sind wir hier bei Goethe?“
All das demonstriert, dass sich Rühmkorf etwas durch und durch Bewährtes vorgenommen hatte. Er folgte mit seinen überwiegend dreisilbigen Takten und endgereimten Versen dem Vorbild der berühmtesten deutschen Balladen, denken wir nur an den „Erlkönig“, an Schillers „Taucher“, den „Ring des Polykrates“ oder auch, vor allem in Hinblick auf die inhaltlichen Motive, an Friedrich Rückerts Ballade vom „Bäumlein, das andere Blätter hat gewollt“. Schiller könnte für den Bau der ersten fünf Strophen das Modell geliefert haben, die ähnlich wie im „Ring des Polykrates“ aus jeweils sechs Versen mit dem Reimschema aabccb bestehen. Erst mit der sechsten, neun Verse langen Strophe bricht Rühmkorf aus diesem Korsett aus, was inhaltlich motiviert wird, denn diese Strophe erzählt die Folge der „Ent-ladung“. Sie ist eine Bewegung ins Offene und endet folgerichtig mit drei Punkten, bevor mit dem letzten, für sich stehenden Vers eine Art Lehre, zumindest eine Mahnung verkündet wird: „Und genieß dich getrost als Beschenkten!“
Konventionell wirkt Rühmkorfs Ballade vor dem Hintergrund der Literaturgeschichte. In seinem eigenen Werk jedoch ist sie eine echte Exotin, und das nicht nur formal, sondern auch, weil es sich bei ihr wirklich um ein Erzählgedicht handelt – eine Form, die Rühmkorf in früheren Jahren eher naserümpfend betrachtet hat. „Handlung“, das war für ihn in Bezug auf seine Lyrik nichts Erzähltes, sondern lediglich die innere Logik und Dynamik eines Gedichts, dessen Verlauf auf nicht erklärbare, aber doch zwingende Weise von der Anfangszeile zum letzten Vers führt. „Was man der Übersicht halber immer gern übersieht“, stellte Rühmkorf gut 25 Jahre vor der Entstehung seiner Ballade in dem Aufsatz „Einfallskunde“ fest, „ist ja, daß ein Gedicht sich gar nicht in der Fläche organisiert, sondern vorn einen Anfang hat und hinten irgendwann ein richtiges Ende finden muß, und daß sich dazwischen etwas abspielt, was der banalste Typus des Handlungsgedichtes, die Ballade, gerad eben auf den plattesten Nenner bringt.“ (RW 3, S. 173)
Im Sinne dieser poetologischen Überlegungen handelt es sich bei Rühmkorfs wichtigsten Gedichten um Zustandsberichte, die aus einer statischen Beobachterposition heraus entwickelt werden, manche wirken geradezu wie Stillleben. Sogar die großen Reisegedichte wie jene aus dem Zyklus „Express“ folgen keiner Handlung im Sinne einer Ballade, es gibt in ihnen keine Entwicklung der Ich-Figuren und keine Konfliktspannung. Typisch für Rühmkorf ist der „lyrische Ich-Darsteller“ (RW I, S. 453), der im Zug sitzt. Die Landschaft, die „vorüberrauschende blaue einzige Welt“ (RW I, S. 423) hastet vorbei und er bleibt, wer er ist. In der Regel gleicht er einem Vertreter in eigener Sache. Tingelnd bietet er seine poetischen Kassiber feil. Diese Figur ist erklärtermaßen autobiografisch und zugleich ist sie es nicht. Rühmkorf schreibt über seine Auffassung dieser ebenso vertrauten wie komplizierten und nur selten in seinen Konsequenzen reflektierten Ichs 1979:
Die kunstvoll oder mühsam ins Gewand der Poesie gehüllte Erstepersoneinzahl bietet genügende und oft genug berechtigte Gründe zur Verkennung, handelt es sich hier doch um einen Wechselbalg von Persönlichkeit, halb der Natur entsprungen, halb ins Kostüm verwickelt, und wo man dem Schatten auf die Schleppe tritt, zuckt manchmal ein richtiger Mensch zusammen. (RW 3, S. 151)
Im Nachdenken über die erste Person schrieb Rühmkorf immer wieder die alten Thesen seines frühen Vorbilds Gottfried Benn fort, der in der Nachfolge Nietzsches und angesichts der seinerzeit neuen medizinischen und ethnologischen Forschungen dagegen aufbegehrte, das Ich ausschließlich im Singular zu denken. „Unser Kulturkreis begann mit Doppelgestalten“, heißt es in Benns 1950 veröffentlichtem autobiografischen Versuch „Doppelleben“: „Sphinxen, Zentauren, hundsköpfigen Göttern und befindet sich mit uns in einer Kulmination von Doppelleben: wir denken etwas anderes als wir sind“.
Wie Benn macht Rühmkorf die Ich-Figur zu einem niemals fixierbaren Spiegelsystem, in dem sich die Lichtsignale der Außenwelt auf vielfältige Weise brechen und sammeln. Benns „Radardenker“ sitzt am Fenster und übt sich in der Kunst der Affirmation. Ähnlich beschreibt Rühmkorf das Zustandekommen seiner Lyriden. Aus dieser Wahrnehmungsweise, bei der die Subjektivität des Wahrnehmenden nur noch eine vergleichsweise periphere Rolle spielen soll, leitet Benn letztlich den berühmten „Orangenstil“ seiner konflikt- und handlungsarmen Prosagebilde ab:
Eine Orange besteht aus zahlreichen Sektoren, den einzelnen Fruchtteilen, den Schnitten, alle gleich, alle nebeneinander, gleichwertig, die eine Schnitte enthält vielleicht einige Kerne mehr, die andere weniger, aber sie alle tendieren nicht in die Weite, in den Raum, sie tendieren in die Mitte, nach der weißen zähen Wurzel, die wir beim Auseinandernehmen aus der Frucht entfernen.
An diesem Punkt glaubte Rühmkorf einen fundamentalen Unterschied zwischen seiner eigenen Arbeit und der Benns zu erkennen. Benn, das betonte Rühmkorf oft, auch in unserem Gespräch im Dezember 2007, habe im Querschnitt wahrnehmen, registrieren und darstellen wollen und sich auf das gegenwärtige Erscheinen der Dinge konzentriert. Er, Rühmkorf, hingegen habe sich immer für den Längsschnitt interessiert, für das Werden und Vergehen der Lebewesen, Dinge, Phänomene in der Zeit. Der „Schachtelhalm“ sollte als Metapher an die Stelle der Orange gerückt werden. Unter dem 20. August 1971 verdeutlicht Rühmkorf das am Beispiel von Die Jahre, die ihr kennt, dem Buch, das rückblickend wie ein Pilotballon des ausufernden TABU-Projekts wirkt:
Die Jahre, die ihr kennt, praktisch ein Lebenslängsschnitt, gequantelt. Organologisch betrachtet, schachtelhalmförmiges Längenwachstum, ein sich nach oben stetig verjüngender Gliederbau. Aus einem tief greifenden u. weitverzweigten Rhizom emporsprossend […] u. nicht wie Gottfried Benn von seiner Sitzriesenposition aus zu meinen neigte: fächerförmig und in Orangenschnittchen um eine dubiose Mitte herum organisiert.
Dieses Denken im Längsschnitt zeigt sich bei Rühmkorf vor allem in den von ihm so genannten „Nebenformen“: in seinem Tagebuchwerk, in Briefen und in allen von ihm beschrifteten Blättern oder mit besonderer Aufmerksamkeit wahrgenommenen Drucksachen, die er in seinem die bisher in Marbach bekannten Dimensionen sprengenden Archiv hortete. Konsequenterweise machte er die grünen Archivkästen zum dichterischen Produktionsmittel. Ihre Zahl wuchs ständig, bis sie Teile seiner Wohn- und Arbeitsräume zu dominieren drohten. Rühmkorf löste dieses Problem nicht etwa durch Aussortieren und Wegwerfen des nicht mehr Benötigten, sondern dadurch, dass er eine Archivwohnung in Hamburg-Winterhude anmietete und im Roseburger Garten ein Holzhäuschen aufstellen ließ, das er ausschließlich mit Papieren füllte. Ein Denken im Längsschnitt tendiert immer zur Epik des „Es war einmal“ oder zumindest zum „Memo“, um in Rühmkorfs Jargon zu bleiben. Es kommt nicht ohne Erzählungen aus und ist dadurch mit einer Lyrik, wie Rühmkorf sie in der Regel geschrieben hat, also den Texten eines erklärten „Ichschreibers = Jetztschreibers“ (RW 3, S. 159) unvereinbar. Auch das macht die späte „Ballade von den geschenkten Blättern“ in Rühmkorfs Gesamtwerk einzigartig.
Wenn das Narrative zuvor für Rühmkorfs lyrisches Werk überhaupt eine bedeutende Rolle gespielt hat, so in den begleitenden Essays: In ihnen hat er von der Entstehung einzelner Gedichte erzählt und das Gedicht auf diese Weise sozusagen selbst zum Helden gemacht, etwa nach folgendem Muster: Es war einmal eine Lyride, von der ich zunächst nicht wusste, ob sie als Einfall was taugte. Irgendwann fand ich sie wieder, und dann begann sie zu wachsen. Rühmkorf rekonstruierte die Gestaltwerdung, vom ersten Impuls bis zur Fahne. So schrieb er kleine Entwicklungsromane über seine eigenen Texte; Entwicklungsromane, wie er sie seinen lyrischen Ich-Figuren verweigerte.
Der Rekonstruktions-Charakter von Rühmkorfs einfallskundlichen Selbstbeschreibungen ist nicht zu übersehen, denn die Art und Weise, wie er seine Vorstufen aufbewahrt hat, lässt daran zweifeln, ob er im Nachhinein frühere Entwürfe von späteren wirklich noch unterscheiden konnte. Wie bei jedem Erlebnisbericht suggerieren die nacherzählten Entstehungsgeschichten eine Zielgerichtetheit, der die Kontingenz in Rühmkorfs Dichterwerkstatt sicher nicht immer entsprach. Meist wird er während der Arbeit mehrere Möglichkeiten gleichzeitig in Erwägung gezogen haben. Diese These erhärtet sich bei der Betrachtung des nur 42 Blätter umfassenden Konvoluts, das Rühmkorf in einer Jurismappe der Marbacher Handschriftenabteilung unter dem Titel Paradiesvogelschiß – Geburt der Tragödie aus dem Geist der Erfahrung (ein Arbeitsbericht) abgelegt hat. Die „Ballade von den geschenkten Blättern“ hat nicht nur in Rühmkorfs Spät-, sondern in seinem Gesamtwerk eine Schlüsselposition, weil in ihr die Entstehungsgeschichten – wie er sie für „Selbst III/88“ und eine ganze Reihe von anderen Gedichten geschrieben hat – und das Gedicht selbst sozusagen ineinanderfallen. Und glaubt man Rühmkorfs Auskünften, ist ihm das unbeabsichtigt gelungen. Die Manuskripte zeigen, dass am Anfang der Arbeit wahrscheinlich wirklich nur eine formale Idee – der Wunsch, eine Ballade zu schreiben – und der Entwurf für die erste Strophe standen.
Die ersten beiden Strophen des Gedichts finden sich in allen bisher aufgefundenen Fassungen mit relativ geringfügigen Varianten. Sie scheinen der ersten Phase der Textgenese anzugehören. Im nächsten Schritt wurde die dritte und die vierte Strophe entworfen, dann die dritte und die vierte. All diese Strophen wirken, als hätte Rühmkorf relativ schnell ihre definitive Gestalt gefunden. Mit der fünften Strophe allerdings geriet die Arbeit dann sichtlich ins Stocken, denn diese entwirft er wieder und wieder – was bei ihm üblich ist. Der Schreibprozess hat eine Parallele im erzählten Geschehen. Wie der Autor zaudert auch das lyrische Ich. Es hatte vor, zu Säge und Beil zu greifen, aber dann entgleitet ihm sein Mördergeschirr. Im vermutlich frühesten Entwurf zur fünften Strophe hebt diese fast noch märchenhaft-lieblich an:
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaschreckte erschreckt −
Es rauschte die Krone, es klingelte, klang (versteckt,
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaabedeckt)
wie der Zimbelstern überm Orgelprospekt − Gesang
Aus diesem Verspaar entstand nach etlichen Versuchen die gesamte Schlusspartie des Gedichts, die später in die fünfte und sechste Strophe aufgeteilt wurde. Ich zitiere den ausführlichsten Entwurf, dessen Typoskript mit zahlreichen handschriftlich notierten Reimmöglichkeiten und Varianten umrahmt ist. Diese Fassung weist inhaltlich die größten Abweichungen vom gedruckten Text auf und setzt den Märchenton, der mit der ersten Strophe angeschlagen wurde – „Es war mal ein…“ – ungebrochen fort:
Uuuund Geschepper, Geklepper, Geklimper, Geklirr,
als erstes entfuhr mir mein Mördergeschirr,
und dann half nur ein Sprung übern Graben −
Weil ein Elfenhauch schien den seltsamen Gast
auf einen Rutsch seiner grauen Last
entledigt zu haben.
Ein schönes Wunder! – Doch wem zur Moral
dieser unerbetene Blätterfall,
also fort damit, weg mit Schaden −
Nicht einmal ein literarischer Stoff,
da raschelte es – aktuell aus dem Off:
Wie wär’s denn mal mit Balladen?
Balladen? Ich? Ich bekreuzigte mich.
Diese Gattung ging mal schwer auf den Strick
Zu Goethes Zeiten und andren −
Inzwischen singt man nach anderem Maß
von Borkenkäfern und Milbenfraß
und zum Müll die antiken Kassandren!
Antik oder nicht – was Ihr immer begehrt:
auch
was geblieben?
Das steht auf jedem Blatt ein goldner Spruch geschrieben
für graue Stunden – Mensch was willst du mehr?
Inhaltlich betrachtet scheint der Unterschied zu den beiden Strophen der Endfassung nicht erheblich. Doch Rühmkorf ist es im Laufe der Arbeit gelungen, die Schlusspartie seines Gedichtes so sehr zu verdichten, dass die Frage nach der zeitgemäßen Verwendung der Balladenform vollkommen in den Hintergrund tritt zugunsten der Beschreibung des unermesslichen Wertes der gesammelten Blätter. Nach und nach muss ihm bewusst geworden sein, dass das, was in den ersten vier Strophen, ob gewollt oder nicht, eine Synopse des eigenen Lebenswerks ankündigt, nicht durch einen doch recht naheliegenden Disput über das Balladen-Recycling auf angemessene Weise zu Ende geführt werden kann. In dieser frühen Fassung ist das Gedicht doch eher ein Rohrkrepierer als ein Meister-Schuss. Wäre es bei ihr geblieben, hätte Rühmkorf die Ballade sicher nicht an den Anfang des Bandes gesetzt, von dem er spätestens zum Zeitpunkt der Fahnenkorrektur wusste, dass er den Abschluss seines lyrischen Werks bilden würde. An Rühmkorfs letztem Buch wird besonders deutlich, dass er nicht nur einer der formbewusstesten Autoren der Gegenwart war, sondern auch ein nachgerade genialer Stratege im literarischen Betrieb. In dem Maße, wie er feststellen musste, dass die nachwachsenden Generationen immer mehr Schwierigkeiten hatten, ein Gedicht überhaupt als solches wahrzunehmen, perfektionierte und erweiterte er seine Selbstanalysen. Mittels der „Einfallskunde“ baute er Brücken zu einem breiteren Publikum und zugleich einen papierenen Schutzwall gegen das Heer von Kritikern, sofern sie die Lyrik im Laufe der vergangenen drei Jahrzehnte nicht ohnehin schon aus ihrem Wahrnehmungsbereich entfernt hatten.
Ja, Rühmkorfs poetologische Beipackzettel sind zugleich auch eine Tarnung. Wo sich der lyrische Selbstdarsteller mit jeder weiteren Strophe seines Werkes entblättert, bis er zuweilen fast nackt zu sehen ist, rückt der Rekonstrukteur der Entstehungsgeschichten das Handwerkliche seines Schreibens in den Vordergrund. Rühmkorf war auch ein Autor, der glaubte, bestimmte Seiten seiner Existenz verbergen zu müssen. Das zeigen die ungewöhnlich vielen sekretierten Teile seines Nachlasses: Die gesamte Urfassung des Lebensprojektes TABU findet sich heute in mehrfach verklebten und zugetackerten Umschlägen, die wiederum in verschlossene Aluminiumkästen gesperrt wurden. Niemand weiß, was Rühmkorf wirklich so gründlich verbergen musste.
Auf gewisse Weise ist die „Einfallskunde“ ebenfalls eine Versiegelungsstrategie. Sie objektiviert und festigt das poetische Verfahren und schirmt das Werk zugleich gegen eine missgünstige Außenwelt ab. Die Geheimnisse, die ihn zum Schreiben brachten, wollte Rühmkorf nicht preisgeben. Das unterscheidet seine poetologischen Überlegungen, die in der Ballade von den geschenkten Blättern ihren glänzenden Abschluss gefunden haben, von den einfallskundlichen Versuchen eines älteren Hamburger Schriftstellers, der Rühmkorf zu Beginn seiner literarischen Laufbahn entscheidend geprägt hat. Die Rede ist von dem anfangs erwähnten Hans Henny Jahnn, der am 25. Oktober 1952 in Mainz seine große Akademierede „Über den Anlaß“ gehalten hat. Vermutlich handelt es sich – neben Benns Büchnerpreis-Rede – überhaupt um eine der ersten Reflexionen über die Entstehung von Kunstwerken und den Prozess der Textgenese, für die sich der junge Rühmkorf interessierte. Im Vorjahr war er, durch Döblin vermittelt, in Jahnns persönliches Umfeld geraten, zu dem auch so unterschiedliche Persönlichkeiten wie Hubert Fichte und Hans Erich Nossack gehörten. Das hatte zunächst allerdings kaum Folgen, außer dass Jahnns Fluß ohne Ufer (übrigens: ein Tagebuchroman!) für Rühmkorf eines der „ganz großen mark-, bein- und basiserschütternden Literaturerlebnisse“ (RW 2, S. 56) wurde.
Jahnn versucht in seiner Rede sozusagen die Initialzündung des Ausdruckswillens zu fassen, die noch vor der Verschriftlichung stattfinde, also das einzukreisen, worüber man im Grunde nicht sprechen kann. Während er ganz vitalistisch über frühkindliche Deformationen nachdenkt, um das künstlerische Schaffen verständlicher zu machen, setzen Rühmkorfs poetologische Überlegungen immer erst mit den frühesten Entwürfen ein. Für Jahnn steht am Anfang des Schreibens die Wunde, die physische und psychische Verletzung, für Benn, wie Rühmkorf unterstreicht, das Wort, für ihn selbst hingegen der „Einfall“:
Gedichte werden nämlich gar nicht – wie Gottfried Benn vielleicht noch meinen durfte – „aus Worten gemacht“, sondern aus Einfällen, mithin aus ziemlich komplizierten und bereits belebten Wortverbindungen, und statt mit anorganischen Fertigkeiten kriege ich es mit nervenreichen Organismen zu tun. (RW 3, S. 166)
Das ist wunderbar gesagt – und spart doch alle vorliterarischen Lebensbereiche aus, um die es Jahnn vor allem ging. Liest man „Über den Anlaß“ parallel mit Rühmkorfs „Einfallskunde“ fällt allerdings auch ein Gedanke auf, der beide Autoren verbindet. Jahnn rückt ihn ins Zentrum, Rühmkorf tarnt ihn eher als Marginalie. Es geht um den qualitativen Sprung, den ein Werk während der Entstehung macht, um die unerklärliche Differenz zwischen dem Ge- und dem Misslingen. Jahnn fasst diese Erfahrung in einer Sentenz zusammen: „Das fertige Werk ist nicht identisch mit seiner Vorentstehung.“ Bei Rühmkorf klingt das weniger grundsätzlich, aber er schließt sich seinem frühen „Idol“ letztlich doch an und entzieht damit all seinen poetologischen Erklärungen den Boden: „denn eines kann man nur: entweder einen Bildungsvorgang beschreiben – oder das der Entwicklung schließlich fugenlos enthobene Gebild für sich selbst sprechen lassen“ (RW 3, S. 169).
Nimmt man diese Äußerung ernst, ist sie nicht weniger als die Aufforderung, Rühmkorfs Selbstbespiegelungen in Prosa beiseite zu schieben und sich, von seiner späten Ballade zurückblickend, ganz auf sein Hauptwerk einzulassen – auf die Gedichte selbst.
Jan Bürger, in Jan Bürger & Stephan Opitz: „Lass leuchten“. Peter Rühmkorf zwischen Aufklärung, Romantik und Volksvermögen, Wallstein Verlag, 2010.
− Über Peter Rühmkorf. −
Ich kann Sie versichern: Peter Rühmkorf war bis zuletzt der, den Sie mit Ihrem Preis bedacht, den Sie mit dieser Auszeichnung gemeint haben: Aperçus und Wortspiele, solange der Atem reichte, der „Leidensmann als Frohnatur“, das ganze unverwechselbare „Levitationsprogramm“ aus Zaubersprüchen und Epigrammen, kurz: Schmerz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung – wobei die Vorstellung, sein Sprachorgan habe wie ein Autopilot Gedankenflüsse und Assoziationsströme immer nur in Richtung Parodie und Pointe gesteuert, den Eindruck von etwas zu Mechanischem, Bloß-Gewolltem, wenn nicht gar von Effekthascherei vermittelte.
Von dem – um eine Rilke-Zeile zu variieren −, was sein Spott ihm eingab zu sagen und auch, solange er konnte, aufzuschreiben, hier zwei Proben aus den Manuskriptbeständen letzter Hand, „Einfälle“, wie der Dichter das selbst nannte, eine Ressource, der er eigene „einfallskundliche Betrachtungen“ gewidmet hat. Dazu gleich noch. Zwei Beispiele also, beide mit Bezug auf unser Thema hier, den grotesken Humor:
„Manche Witze (Scherze) sind nicht einmal im Spaß zu ertragen“, und:
„Es werden andere kommen, die lachen nur zum Spaß, sie meinen es ernst.“
Beides wurde nicht aufgenommen in den letzten Gedichtband Paradiesvogelschiß, der nur eine Auswahl von dem enthält, was diesem Autor ständig zuströmte und das schon in den kleinsten Einheiten dem Telos zum Gedicht unterworfen ist, und dennoch, unerachtet der abgeschlossenen, vollständig ausgebildeten Sprachform selbst im Detail, lediglich als Material diente, als Rohstoff betrachtet wurde.
Da der Poet Rühmkorf auch sein eigener Poetologe war, hat er sich selbst wiederholt über diese Inspirationsquelle in ihm selbst gebeugt, um ihr auf den Grund zu blicken: „Der Einfall ist die kleinste belebte Einheit des Gedichts, fraglos seiner selbst sicher und doch zugleich der Ausdruck universaler Fassungslosigkeit.“ Das sind so Sätze, die man sich wieder vorsagen muß, will man sie in allen ihren Teilaussagen verstehen, und weil das Was nicht vom Wie dabei zu trennen ist. „Am Anfang war der Einfall, nicht das Wort.“ Das muß sich sogar Gottfried Benn sagen lassen, der nämlich behauptet hatte, Gedichte würden aus Worten gemacht. Mag dieser Anfang auch leicht sein, dem Dichter leicht zufallen, schwer ist, was danach kommt: „Der Einfall ist die Vorstufe zu etwas, was durch Arbeit rehabilitiert werden muß.“
Was gibt dieser Satz nicht alles preis über die Geheimgänge unter dem System der Eingebungen, die nur „Vorstufe“ genannt werden, „zu etwas“ werden sie erst durch „Arbeit“. Die soll aber nicht nur ausführen, vollenden, was der Einfall vorgibt, die Arbeit „muß“ etwas „rehabilitieren“. Rehabilitieren heißt, etwas wiederherstellen, wieder in sein Recht einsetzen, zumindest etwas an die Stelle setzen, und das kostet Arbeit. Vergessen wir nicht, von der Produktion von Gedichten ist die Rede.
Das Genie und die protestantische Ethik, kann man da nur sagen. Rühmkorf, der Sohn einer als Stehgreifdichterin selbst diesbezüglich produktiven Pfarrerstochter und eines „reisigen Puppenspielers“, Enkel eines Superintendenten und Patenkind von Karl Barth, dem berühmten Mann der Bekennenden Kirche, er sah sich wie „Moses ausgesetzt im Nähkästchen seiner Mutter“, dazu kam als Mitgift ein „hochangesetztes Über-Ich“, von dem es in den letzten Notaten noch einmal heißt: „Das Über-Ich geht Streife, daß ich mich nicht noch vergreife…“
Ich denke nicht, Sie verstehen das so, als wollte ich Ihnen Peter Rühmkorf als ein irrlichterndes Kirchenlicht präsentieren. Ganz im Gegenteil. Dem protestantischen Pfarrhaus und seinen leiblichen Derivaten sind ja eine ganz eigene Spezies von Agnostikern entwachsen oder entkommen, Lessing, Lichtenberg, Wieland, Nietzsche und, natürlich nicht zu vergessen, Gottfried Benn. Wenn ihnen etwas davon, wo sie herkommen, geblieben ist, dann eine besondere Beziehung zu Schöpfertum und einer verbesserungswürdigen Schöpfung. Durch Worte, oder eben durch Einfälle.
Ich bin bei unserem Dichter auf einen Satz gestoßen, der für mich ein Schlüsselsatz ist: „Jede wirklich poetische Erfindung ist eine Selbstfindung.“ Was das heißt, darauf kam er in den Gesprächen bis zuletzt zurück, nämlich, daß das hochgradig Artistische für ihn kein Kunstphänomen, sondern ein Lebensproblem darstelle. Er sehe sich mit dem Gedicht identisch. Bei aller Artistik gehe es nicht um bloße Virtuosität, es handle sich um einen Balance-Akt.
Ein auffälliges Merkmal der Lyrik dieses Autors sind die zu Paaren zusammengegebenen Gegensätze, häufig durch Alliteration oder durch Reim miteinander verbunden. „Mein Zweistromland zwischen Abflußrinne und Acheron“, ist so ein Beispiel. Dieses duale System und die Spannung, die es erzeugt und im Witz entlädt, streut seine Varianten durch das ganze Werk: „Vor dir das Meer und hinter dir die Waschmaschine.“ Auch der eingangs zitierte „Leidensmann als Frohnatur“ gehört dazu, und natürlich der Titel Paradiesvogelschiß. Oder denken Sie an „Freund Hein und Freund Heine“ in der Schlußzeile von Rühmkorfs bekanntestem Gedicht „Hochseil“. Freund Hein, so heißt bei Matthias Claudius der Tod.
Das ganze Gedicht ist ja diesem binären Prinzip unterworfen. Oben auf dem Hochseil der Künstler, der Artist, „von einem I n d i v i d u u m aus nichts als Worten träumend“ – die erwähnte poetische Erfindung als Selbstfindung also −, und dazu der krasse Gegensatz kurz danach: „Ganz unten am Boden gelten wir / für nicht mehr ganz zurechnungsfähig.“
Die zwei Welten des Dichters, Baudelaire hat sie am Albatros demonstriert, Rilke am Schwan: Der Albatros, ein Flugwunder hoch oben am Himmel, dagegen auf dem Deck eines Schiffes notgelandet, plump und unansehnlich, von den Matrosen verlacht und gepiesackt, und der Schwan, der am Land dahinwatschelt, um dann im Wasser elegant dahinzugleiten, königlich, heißt es bei Rilke.
In der Literatur geht es letztlich ja immer um dasselbe, und dennoch wiederholt sich nichts. Wirklich interessant wird es jedoch, wenn ein Autor einem bekannten Motiv eine weitere Dimension hinzugewinnt. Was bei dem Rühmkorfschen Kontrastprogramm für Tiefenspannung sorgt, geht nämlich nicht darin auf, daß oben die Kunst ist und unten das Leben. Nehmen Sie nur die beiden letzten Zeilen des Gedichts „Hochseil“: „Ich schwebe graziös in Lebensgefahr / grad zwischen Freund Hein und Freund Heine.“ Der Künstler ist hier nicht einfach ein Luftikus, der Seilakt löst bei ihm ja nicht nur Hochgefühle aus, er ist mit Lebensgefahr verbunden, und noch in der Figur, die der Betreffende macht, sind die Gegensätze auf engstem Raum, in seiner Person vereint: Während er graziös da oben balanciert, riskiert er den tödlichen Absturz.
Beachten wir: Er vollführt seine gewagten Kunststücke in eigener Person, mit seiner Person. Darf ich noch einmal an den Satz erinnern: „Jede wirklich poetische Erfindung ist eine Selbstfindung.“ Warum klettert einer denn aufs Hochseil, wenn es so gefährlich ist? Weil ihn alle anstaunen bei seinem Balanceakt da oben? Worin besteht dieser denn? Er könnte das gespannte Seil ja auch knapp über dem Boden anbringen, um zu zeigen, daß er sich graziös auf einem schmalen Grad fortbewegen kann. Das machen doch viele.
Den Unterschied macht das Schweben in Lebensgefahr, und wie bei allen Aufenthalten in Todesnähe, befinden wir uns im Einzugsgebiet des Erhabenen, zu dem Peter Rühmkorf ein so inniges wie ironisches Verhältnis unterhielt. Der Ozean über mir und das Meer zu meinen Füßen, heißt es bei Schiller etwa, beides löst, indem es unser Fassungsvermögen übersteigt, ein eigenartig gemischtes Gefühl bei uns aus. Um den Preis der Todesangst fühlen wir uns frei, frei von den Bedrängnissen des Lebens in seinen niederen, ja, erniedrigenden, seinen nun lächerlich oder auch lachhaft wirkenden Erscheinungsformen – einen Augenblick, einen Seilakt lang, den die Zuschauer miterleben, wenn sie dabei zu einer Kunstfigur aufschauen können.
Im Paradiesvogelschiß steht der Satz: „Auf erhabene Art bin ich immer zugehörig gewesen.“ Mit Hilfe der Ironie geht das beides. Abflußrinne und Acheron, das Meer und die Waschmaschine. Das Erhabene bei Rühmkorf ist immer ein ironisch gebrochenes Erhabenes. „Komm raus aus deinem Todeskoben, überleg dir das Leben,“ heißt es am Ende eines Gedichts, in dem es nur so von Imperativen hagelt, die Todeszone zu verlassen. Allerdings bedarf es mehrfacher Aufforderungen dazu: „Komm raus aus deinem handversiegelten Hockergrab“, „aus deiner Ludergrube“, „aus deinem Leichenentsafter“, „aus deinem Familien-Gefrierfach“.
Peter Rühmkorf hat sich über diese Leben-Tod-Dialektik immer wieder selbst ausgelassen, in Die Jahre die ihr kennt wie auch im veröffentlichten Tagebuch Tabu 1. Ich muß hier also nicht in den Orchestergraben steigen, in den tiefer gelegten und in sein eigenes Licht getauchten Betriebshof der Autogenese als Autor-Genese. Doch können Sie sicher sein, die vielen Todes-Metaphern in den Gedichten dieses Autors sind dort nicht aus bloßem Wirkungskalkül hingeraten.
Was den Dichter bis in die letzten Gespräche bewegt hat, das war der Untergang der Lyrik in der gerade noch bis zu ihm reichenden Tradition einer literarischen Gattung. Lohenstein, Zesen, Arno Holz, Platen und Storm, „wie niemals gewesen“, wie wollte man da seine Sachen verstehen? In der Wahl der Vorboten seiner Lyrik war er wählerisch. Kein Autor wird dabei in seinem Werk so häufig erwähnt wie Klopstock, öfter und anders als seine uns geläufigeren Favoriten Benn, Ringelnatz und Bellmann, der schwedische Bänkelsänger des 18. Jahrhunderts. Klopstock, der einst genauso in die Literatur einbrach, auf sie einstürmte, wie Rühmkorf zwei Jahrhunderte später, ihm widmete er ein Drittel seines Buches Walter von der Vogelweide, Klopstock und ich, von ihm gab er eine Auswahl seiner Gedichte heraus. Man kann sagen, Klopstock ist die Figur, die wie ein Wasserzeichen in allen Papieren dieses Autors sichtbar bleibt, und wenn man seine großen Poeme liest, so hat man, wie ein akustisches Wasserzeichen, den Ton der Klopstockschen Oden im Ohr.
„Variationen über ein Thema von Friedrich Gottlieb Klopstock“ heißt ein Gedicht, mit dem Peter Rühmkorf eine Mutprobe bestanden hat, wie sie für einen – zudem damals noch sehr jungen – Dichter nicht größer hatte sein können. Das Thema, das das Gedicht zu variieren verspricht, liegt Klopstocks, seinerzeit gleich die ganze Gattung Lyrik neu erfindender Ode „Der Zürchersee“ zugrunde. Ich zitiere nur die erste Strophe:
Schön ist, Mutter Natur, deiner Erfindung Pracht
Auf die Fluren verstreut, schöner ein froh Gesicht,
Das den großen Gedanken
Deiner Schöpfung noch einmal denkt.
Die schöne Natur erscheint im Spiegel eines frohen Gesichts noch schöner, und dieser Reflex wird Denken genannt. Das ist für ein Naturgedicht auch für uns heute noch ein bemerkenswerter Auftrakt. Hier nun die Rühmkorfsche „Variation“:
Schön ist, Mutter Natur, deiner Erfindung Pracht,
mit entspanntem Munde gepriesen; schöner ein künstlich Gebiß,
das den großen Gedanken
einer Schöpfung noch einmal käut.
Das trägt, im Herantreten an eins der bekanntesten Gedichte aus dem Kanon deutschsprachiger Lyrik – an eine auch vom Herantretenden bewunderte Vorlage – erst einmal parodistische Züge. Aber nur auf den ersten Blick und in der ersten Strophe. Doch ist es selbst da wirklich der Versuch, an einer Vorlage zum Vorschein zu bringen, was sich an dieser erledigt hat und nur noch der Lächerlichkeit preisgegeben zu werden braucht? Handelt es sich nicht vielmehr um die kongeniale Übersetzung eines unsterblichen Gedichts, die sprachliche Adaption an ein anderes Zeitalter, und da nicht nur an die andere MundsteIlung, den anderen Biß der Nachgeborenen? Also um ein gänzlich neues, autochthones Gebilde?
Das bestätigt sich, wenn man weiter, wenn man das Gedicht zu ende liest. Ich weiß, Parodie war ein Erklärungsfreibrief, den der Autor früher einmal mitunterschrieben hat. Aber er hat später den Begriff „Transpositon“ vorgezogen, Übertragung, Umsetzung, was nicht Umbettung heißt, vielmehr sollte sich nach seinen Worten die Poesie gelegentlich aus durchgelegenen Vers betten erheben und einer scheinbar durchgelegnen Sprungfedermatratze neue Spannungen abgewinnen. Sie verstehen, ich will den Dichter vor dem Parodisten, nein, nicht retten, das muß, das brauche ich nicht, herausstreichen vielleicht, hervorheben. Es tut dem Preis und ihn an Peter Rühmkorf vergeben zu haben, ja keinen Abbruch, daß dieser das Genre grotesker Humor auf die höchste Literaturstufe gehoben hat, die für das Gedicht in deutscher Sprache im 20. Jahrhundert erreicht wurde, erreichbar so nur durch ihn, Peter Rühmkorf.
Wie gern würde ich Ihnen noch aus einer Broschüre mit dem Titel Klopstock und die untere Niederelbe vorlesen. Das ist die Gegend, in der Rühmkorf aufgewachsen ist. Gemein ist ihnen darüber hinaus, daß beide nun an der Niederelbe, in Altona, begraben liegen. Gemeinsam war ihnen zu Lebzeiten das Nebeneinander von „Kunstglauben“ und „Gesellungstrieb“. Letzteres hat Klopstock bei seinem pastoralen Gönner Bodmer in Zürich auf dessen Einladung hin erst einmal zurückfragen lassen: „Wie weit wohnen Mädchen Ihrer Bekanntschaft von Ihnen, von denen Sie glauben, daß ich Umgang mit ihnen haben könnte: Das Herz der Mädchen ist eine große weite Aussicht der Natur.“ Der gleiche Klopstock konnte aber auch fragen: „Warum aber hat nun die Poesie, diese göttliche Kunst, das unglückliche Schicksal, daß sie fast allein nur von ungeweihten Händen betastet und am Boden niedergehalten wird?“ Die Antwort darauf, jedenfalls für unsere Zeit, hat dann Peter Rühmkorf gegeben, in den siebziger Jahren an die Adresse der „Damen und Herren Studierenden der Literaturwissenschaften“:
In den deutschen Lit-Seminaren ist ein Räderwerk ins Rappeln geraten, das nicht auf Vermittlung und auch nicht mehr auf analytische Durchdringung der Kunsterscheinung zielt, sondern auf ihre Vernichtung. Autoritär und besserwisserisch, aber blind für alles, was Kunst am Kunstwerk ist, wächst eine neue Generation von Arschpaukern der Poesie und Rohrstockpädagogen der sozialen Revolution heran…
Das sei vorbei werden Sie sagen? „Wieder nicht in die Weihnachtsempfehlungen der Zeit aufgenommen,“, heißt es im Tagebuch 1995. Offenbar waren, die damals in den Literaturseminaren gesessen hatten, inzwischen in die Schulen und Feuilletons eingerückt, und offenbar sitzen da nun schon ihr Schüler. Denn auch 2008, im Erscheinungsjahr des Gedichtbandes Paradiesvogelschiß, zudem das Todesjahr des Dichters wieder nicht in die Weihnachtsempfehlungen aufgenommen. Mit der rühmenswerten Ausnahme, der von Franziska Augstein in der Süddeutschen Zeitung. Liebe Frau Augstein, Sie können nicht in Hamburg zur Schule gegangen sein. In Hamburg hat mein Sohn in den siebziger Jahren das Abitur gemacht, in zwei Fächern: Schwimmen und Bildbetrachtung.
Jürgen Manthey, Laudatio anläßlich der posthumen Verleihung des Kasseler Literaturpreises für grotesken Humor, Akzente. Zeitschrift für Literatur, Heft 3, Juni 2009
Peter Rühmkorf hat seine Gefühle immer mit spitzen Fingern angefasst und mit noch spitzeren Wörtern ausgedrückt. Einfach, weil er zu große Gefühle hatte. Zu groß für diese Welt.
Dass er schnell in den Himmel kommt, ist sicher. Dort gibt es eine Ebene für Spötter, Polemiker, Parodisten, scharfe Hunde und vor nichts haltmachende Geister. Er hat seine Gefühle immer mit spitzen Fingern angefasst und mit noch spitzeren Wörtern ausgedrückt. Einfach, weil er zu große Gefühle hatte. Zu groß für diese Welt. Darum hat er sie in die hellste Luft geworfen und in seinem genauen Sprachnetz wieder aufgefangen und sie uns dann genüsslich serviert.
Er wird, wenn er sich auf seiner Himmelsebene ein bisschen eingerichtet hat – empfangen von Heine bis Brecht –, er wird bald genug merken, dass das die Hölle sein muss, in der er gelandet ist. Aber dann die endgültige Empfindung – und die war immer seine Empfindung – den Unterschied zwischen Himmel und Hölle gibt es sowieso nur fürs Vorabendprogramm.
Hans Edwin Friedrich: Phönix voran!. Ringvorlesung an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Bernd Erhard Fischer: Peter Rühmkorf in Altona
Peter Rühmkorf-Tagung vom 23. bis zum 26.10.2009: Im Vollbesitz meiner Zweifel – Peter Rühmkorf
Gespräch I – Walter Höllerer spricht mit Peter Rühmkorf über seine Schulzeit
Gespräch II – Das Gespräch dreht sich um Rühmkorfs Studienzeit
Gespräch III und Lesung I – Peter Rühmkorf spricht über seine Zeit bei der Zeitschrift Konkret und liest Lyrik
Gespräch IV und Lesung II – Walter Höllerer spricht mit Rühmkorf über Politik und Rühmkorf liest Lyrik
Gespräch V und Lesung III – Ein Gespräch über Peter Rühmkorf als Poet und Poetologe. Noch einmal liest Rühmkorf Lyrik
Lesung und Gespräch VI – Peter Rühmkorf liest Gedichte aus dem Band Kleine Fleckenkunde, dann beantwortet er Fragen aus dem Publikum
Heinz Ludwig Arnold: Meine Gespräche mit Schriftstellern
Zeitzeugen – Thomas Hocke im Gespräch mit Peter Rühmkorf (1993)
Hajo Steinert: Ein Leben in doll
Deutschlandfunk, 24.10.1999
Hanjo Kesting: In meinen Kopf passen viele Widersprüche
Sinn und Form, Heft 1, Januar/Februar 2005
Volker Weidermann: Der Eckensteher
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.9.2004
Ulrike Sárkány: Zum zehnten Todestag des Poeten Peter Rühmkorf
ndr.de, 7.6.2018
Stiftung Historische Museen Hamburg: Laß leuchten!
shmh.de, 20.7.2019
Julika Pohle: „Wer Lyriks schreibt, ist verrückt“
Die Welt, 21.8.2019
Vera Fengler: Peter Rühmkorf: Der Dichter, die die Welt verändern wollte
Hamburger Abendblatt, 21.8.2019
Volker Stahl: Lästerlustiger Wortakrobat
neues deutschland, 22.8.2019
Hubert Spiegel: Der Wortschnuppenfänger
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.8.2019
Anina Pommerenke: „Laß leuchten!“: Rühmkorf Ausstellung in Altona
NDR, 20.8.2019
Maren Schönfeld: Herausragende Ausstellung über den Lyriker Peter Rühmkorf
Die Auswärtige Presse e.V., 21.8.2019
Thomas Schaefer: Nicht bloß im seligen Erinnern
Badische Zeitung, 26.8.2019
Willi Winkler: Der Dichter als Messie
Süddeutsche Zeitung, 28.8.2019
Paul Jandl: Hanf ist dem Dichter ein nützliches Utensil. Peter Rühmkorf rauchte seine Muse herbei
Neue Zürcher Zeitung, 11.9.2019
„Laß leuchten!“ Susanne Fischer über die Rühmkorf-Ausstellung im Schiller-Nationalmuseum.
„Laß leuchten!“ Friedrich Forssman über die Rühmkorf-Ausstellung im Schiller-Nationalmuseum.
„Laß leuchten!“ Jan Philipp Reemtsma über die Rühmkorf-Ausstellung im Schiller-Nationalmuseum.
„Laß leuchten!“ Ein Sonntag für Peter Rühmkorf in Marbach. Lesung und Gespräch mit Jan Wagner.
„Jazz & Lyrik“ – Ein Fest mit Peter Rühmkorfs Freunden
Film über Peter Rühmkorf – Bleib erschütterbar und widersteh. 1/2
Film über Peter Rühmkorf – Bleib erschütterbar und widersteh. 2/2
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