Peter Wawerzinek: Wawerzineks Raubzüge durch die deutsche Literatur

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Peter Wawerzinek: Wawerzineks Raubzüge durch die deutsche Literatur

Wawerzinek-Wawerzineks Raubzüge durch die deutsche Literatur

JAN FAKTOR

VERsUCHE

Georg macht sich mit einem Blick auf die Tastatur klar,
welche Möglichkeiten er hat:

qwertzuiop
asdfghjkl
yxcvbnm

Und da sind auch noch:

ü und ä und ö

und

1234567890 und das ß
und
!Ӥ$%&/()=?
und
;:_-.,+*’#

Jetzt könnte Georg die Schreibarbeit beginnen
doch er ist zu überwältigt und schweigt vor Glück

 

 

Axel Werner liest aus Peter Wawerzineks Parodien. Mitschnitt der Buchpremiere von Wawerzineks Raubzüge durch die deutsche Literatur vom 23.9.2011

 

 

Dichterschlacht mit Rabenpeter

− Wawerzinek klaut den deutschen Literaten ihre Sprache und schreibt eine kuriose Literaturgeschichte der Moderne. −

Es war das Comeback des Jahres 2010, als der Schriftsteller Peter Wawerzinek zuerst den Bachmannpreis erhielt und kurz darauf mit seinem autobiografischen Roman Rabenliebe den Überraschungshit des Herbstes landete. Gut zehn Jahre war es still gewesen um den genialischen Dichter aus (Ost)Berlin, der viele Jahre auch durch sein Bukowski-Leben von sich reden machte. Dabei hatte der begabte Stegreifpoet und grandiose Stimmenimitator schon immer viele Anhänger. Man nannte es den „Wawerzinek-Sound“, wenn man versuchte, die Sprachprovokationen des Autors zu beschreiben, zu dessen Lieblingsübungen seit den 80ern das Parodieren von bekannten Autoren gehörte.
Der besessene Vielleser ScHappy – so sein damaliger Spitzname – imitierte nach seiner Lektüre die Texte, indem er – mal in liebevoller Verehrung, mal mit bösartig-bissigem Spott – im Duktus des Autors das Märchen vom Rotkäppchen erzählte. (Schon in der DDR berühmt: Wawerzineks Christa-Wolf-Parodie Spürfalle).
Was als Fingerübung und praktische Textkritik begann, ist inzwischen zu einer beeindruckenden Sammlung angewachsen, die sich wie eine kuriose deutsche Literaturgeschichte liest, geschrieben in Parodien. Für das vorliegende Buch wurden die besten Wawerzinek-Parodien herausgesucht, ja mehr noch: Als Freund- und Feindpaarungen wurden die Texte gegenübergestellt.

Und so liest sich diese schillernde Sammlung wie eine Dichterschlacht der Moderne. Und weil Wawerzinek zugleich ein grandioser Vortragskünstler ist, hat er dieses herrlich vielfältige Ideengewitter auf der beiliegenden CD eingelesen.

Verlag Galiani Berlin, Ankündigung, 2011

 

Wawerzineks Raubzüge durch die deutsche Literatur

Noch einer, der mit dem Humus der DDR-Literatur groß geworden ist, heißt Peter Wawerzinek. Mit seinem Kindheitsroman Rabenliebe gewann er im vergangenen Jahr den Ingeborg Bachmann Preis. Jetzt hat sein Berliner Verlag Galiani dem 57-jährigen Sprachkünstler ebenfalls einen Sammelband spendiert. Er heißt Wawerzineks Raubzüge durch die deutsche Literatur und beinhaltet Parodien, die der Vielleser im Laufe der Jahre auf ihn prägende Werke von Rilke über Brecht bis Brussig verfasst hat.
Seine unverschämt raffinierten Nachdichtungen brachten dem früheren Prenzelberger Untergrund-Poeten und grandiosen Stimmimitator seiner Zeit viele Anhänger ein. Inzwischen hat Peter Wawerzinek das Nachdichten aus Verehrung wie aus Spott fortgeführt und verfeinert. Dem Sammelband liegt ein Hörbuch bei, auf dem er seine Motive und Inspirationsquellen erläutert.
Entstanden ist eine deutsche Kulturgeschichte der kuriosen Art – zusammengehalten durch den speziellen Wawerzinek-Sound und dadurch, dass der Nachdichter bzw. Parodist fast alle ausgewählten Schriftsteller und deren umgeschriebene Werke in einen Zusammenhang mit dem tiefenpsychologisch interessanten Märchen vom Rotkäppchen und dem Wolf bringt.
West-Große wie Grass, Bernhard, Handke werden – liebevoll – abgewatscht, Literaten vom Prenzlauer Berg wie Plenzdorf, Hilbig, Endler als Vorbilder kenntlich gemacht. Und das alles eingesungen vom Tausendsassa Wawerzinek, dessen Schlusschor mit einer Parodie der Parodie endet – mit Helge Schneider nämlich.

Ute Büsing, INFOradio, 28.8.2011

Man nehme deutschsprachige Dichter

von A wie Achternbusch bis Z wie Zweig. Darunter mische man Versatzstücke des Märchens vom Rotkäppchen und rühre alles kräftig durcheinander. Heraus kommen Parodien auf die Literatenszene von Dada bis zur Gegenwart, auf die deutsch-deutschen Verhältnisse und auf den Geschlechtsverkehr. Zumindest wenn Peter Wawerzinek am Kochtopf steht. Sein Talent für diese Art der Dichtung hat er in den vergangenen drei Jahrzehnten entwickelt. Das Ergebnis, Wawerzineks Raubzüge durch die deutsche Literatur, ist eine Dichterschlacht der Moderne: bitterböse und derbe Texte, die er den imitierten Dichtern in den Mund schiebt. Besonders gelungen ist die beiliegende CD. Sie zeugt von Wawerzineks Können als Stegreifpoet und Stimmenimitator.

Uli Müller, Financial Times Deutschland, 6.9.2011

Das kann ich doch auch!

− Peter Wawerzineks Parodien. −

Wenn ein Schriftsteller den Stil eines anderen Schriftstellers parodiert, will er damit zeigen, dass der andere auch nur mit Wasser kocht. Er haut ihm gewissermaßen die eigenen Instrumente um die Ohren und ruft ihm zu: Ich hab’ dich durchschaut, ich kenn’ deine Masche, und weißt du was: Ich kann das genauso wie du, nein, eigentlich besser.
In der literarischen Parodie liegt eine große Verführung, und wie man aus dem Schicksal des größten deutschen Literaturnachahmers ablesen kann, auch eine große Gefahr für das eigene Werk. Robert Neumann, er ist gemeint, hat zwanzig Bücher geschrieben, historische Romane, Essays, fulminante Sachen. Aber er hat eben auch zwei Bändchen mit literarischen Parodien veröffentlicht und mit denen seine gesamte ernsthafte Arbeit zugeschüttet. Neumanns Parodien waren allerdings auch ziemlich fabelhaft, er schlich sich in die Töne der anderen wie eine spitzohrige Maus.
Peter Wawerzinek dagegen muss keine Angst haben, dass sein erzählerisches Werk – der Roman Rabenliebe brachte ihm zu Recht Ruhm – vom Glanz seiner literarischen Parodien überstrahlt wird. Sie haben nämlich keinen, weil sie fast nirgendwo funktionieren. Er nennt seine Sammlung Raubzüge durch die deutsche Literatur, und da ist es ja ganz reizvoll, den Wolf und das Rotkäppchen als leitmotivische Konstanten durch viele Texte schleichen zu lassen. Aber das ist auch schon das einzig Überraschende, denn Wawerzineks Parodie trifft nie seine Vorbilder. Rühmkorfs artistische Expanderverse werden als Abzählreime nachgebildet – Wiedererkennungswert: null. Das expressionistische Gedicht „Weltende“ von Jakob van Hoddis wird umständlich umgemodelt und ähnelt dem Versuch eines Pubertierenden, wie van Hoddis zu schreiben.
Die Parodie auf Peter Huchel ist so, dass man das Gefühl hat, Wawerzinek habe noch nie ein Huchel-Gedicht gelesen. Und Max Goldt, schreibt der solche Sätze: Find’ echt gut, was so mitunter in Cafés so passiert? Steht Goldt nicht eher für elaborierte-elegante Plaudereien? Und wieso sollte man die Zeile „wir bibbern Kampfgesänge auf verlorener Erden / wir sind es wert verschlungen zu werden“ mit Nicolas Born in Verbindung bringen? Born hat nie gereimt. Und Georg Heym, der kriegsverliebte Dichter mit den klirrend-kalten Versen, warum klingt der bei Wawerzinek wie Nikolaus Lenau? Dann krepiert ihm auch noch die schönste Übung des Parodisten, nämlich Thomas Bernhard nachzuahmen.
Dem Band liegt eine CD bei, auf der man Wawerzineks Parodien hören kann, und man muss sagen, dass die Texte im Vortrag sogar ganz unterhaltsam sind, weil Wawerzinek sie hübsch altertümlich zu intonieren weiß. Am Ende des Bandes heißt ein Text „Versuch, alle Parodien auf eine zu trimmen“. Den braucht man aber nicht, weil alle Texte dieses Buches ohnehin auf einen Ton getrimmt sind: den Ton von Peter Wawerzinek, wenn er den Schalk im Nacken sitzen hat.

Hilmar Klute, Süddeutsche Zeitung, 11.10.2011

Weitere Beiträge zu diesem Buch:

Martin Jankowski: Kanonische Räubergesänge
fixpoetry.com, 8.10.2011

 

Gespräch mit Peter Wawerzinek über Raubzüge durch die deutsche Literatur

 

Martin Jankowski rezensiert Wawerzineks Raubzüge durch die deutsche Literatur

 

 

IN DEN LANDSCHAFTEN
(für Peter Wawerzinek)

Man steht an Küsten, unterkühlt
auf Klippen, in Tälern
überpokert von Gipfeln

man hat zwei Zimmerpflanzen
die bekommen Wasser und
dieser Kaktus, der durchhält

man muß nicht wedeln, die Wäsche
trocknet von selbst, die zwei Leben
die man hatte, da paßt ein drittes drauf

man steht unter Bäumen, worunter
auch sonst, da stecken Misteln drin
das sieht verstörend aus

man ist geduldet, ein lebender Gast
mit Schuhwerk am Knöchel, man ist
ein dummes Gewirr, was Größres will

Björn Kuhligk

 

ERINNERUNG
Für Peter Wawerzinek

Weißt du noch
damals
als wir unterwegs waren
BEPPO & LEPPO
oder BEPPO & ROLLI
wer kann sich schon so genau erinnern.
Vielleicht auch ROLLI & DOLLY
jedenfalls ein Clownspärchen der Spitzenklasse
oder waren wir nicht doch
Tempojongleure von Format
oder DAS Schlagerduo der frühen Siebziger?

Nicht wichtig, eigentlich.
Hauptsache
wir hatten eine gute Zeit
miteinander
damals
du in Rerik
ich in Berlin.

Gerd Adloff

 

COWBOY UND INDIANER SPIELEN
für Peter Wawerzinek

Wir brauchen:
ein paar Leute
Gewehre
einen Feind

Fehlte nur eins
der Spaß wäre versaut

Aber da kommt ja der Feind:
Schieß Lutz
schieß Marco
schieß Eisen
schieß Kalle

Mensch Kalle schieß
so schieß doch du Pfeife
du bist eine Pfeife
eine richtige Friedenspfeife

Gerd Adloff

 

 

 

Für Peter Wawerzinek, nordischer Freigeist & maritimer Sänger & vieles mehr ::
In Hochachtung & Dankbarkeit & mit Respekt & Liebe produziert von der lebenden Repetiermaschine Rex Joswig :: Collage: Gregor Kunz
!!!JAH bless you Peter!!!

 

Durch die Gegend | Peter Wawerzinek

Heimkindheit mit Peter Wawerzinek – Jakob Hein spricht mit Peter Wawerzinek in seinem Podcast Verrückt

 

Zum 70. Geburtstag des Autors:

Jan Wiele: Tanzdampf in allen Gassen
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.9.2024

André Dahlmeyer: Damit es uns schön ist
junge Welt, 28.9.2024

Virtuos, wild und unerschrocken: Dem Autor Wawerzinek zum 70.
NDR, 29.9.2024

André Dahlmeyer: Blue Moon
nd, 27.9.2024

 

 

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Bild von Juliane Duda mit den Übermalungen von C.M.P. Schleime und den Texten von Andreas Koziol aus seinem Bestiarium Literaricum. Hier „Der Wawerzinek“.

 

Bild von Juliane Duda mit den Zeichnungen von Klaus Ensikat und den Texten von Fritz J. Raddatz aus seinem Bestiarium der deutschen Literatur. Hier „Wawerzinek, das“.

 

 

Peter Wawerzinek singt bei der  7. Nacht der schlechten Texte.

 

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