DIE GERECHTIGKEIT DES MEERES
Kein Element,
in dem man billig
Spuren hinterläßt.
Das bewegte Wasser
hinter dem Heck
bewahrt der glücklichen Fahrt
kein Gedächtnis.
Nur die Gescheiterten
dürfen
noch ein paar Jahrhunderte
ihre Geschichten erzählen −
jedem, der sie hören will
und zu den zerbrochenen
Schiffen
hinabsteigt auf den mythischen
Grund.
− Was für ein morgen – 1975 erschien, zögerte die Kritik nicht. Sie nannte den Band „herausragend“, „einen Riesen unter Zwergen“, den Autor einen, der fortan zu nennen sei, ja sie nannten ihn den „Dichter Rainer Malkowski“ (Peter von Becker). – Was war das Besondere, das Überraschende, das, womit man nicht gerechnet hatte? Es war nicht die Geste des Auftritts, nicht ein aufsehenerregender Zwischenfall, sondern die Beharrlichkeit eines „existentiellen Bekenntnisses“, der präzise Beweis, wie Schreiben Selbsterfahrung einbringt – „über die eigene Fährte gebeugt“ – und wie aus „der genauen Beobachtung alltäglicher Szenen oder Gegenstände“ „Instrumente der Aufklärung“ werden.
Und was ist nun neu an Rainer Malkowkis neuen Gedichten? Erhalten sind Ironie, eine Ausstrahlung von Anmut, die mitunter in einer „eigentümlichen düsteren Heiterkeit“ endet, und unverändert sind wesentliche Positionen dessen, der schreibt. Doch schon äußerlich hat sich das Bild verändert: die Gedichte sind länger geworden, weil ihre Rede freier wurde; der Ton ist hartnäckiger geworden, weil das Vertrauen zu sich selbst gewachsen ist. Hartnäckiger erinnert sich Malkowski an das Beste, was er je von Hemingway las: „Schreib den wahrsten Satz, den du kennst.“ Das ist der Ansporn. „Unsere Subjektivität ist alles, womit wir der Objektivität dienen können“, schreibt Malkowski zu seinen Gedichten. Aus dem Bedrängtsein durch Einzelheiten, die zu keinem Ganzen führen, aus dem Ungenügen an der Oberfläche der Erscheinungen artikuliert sich der Wunsch nach Erneuerung und Wandlung – inmitten einer Natur, die für Malkowski unvermindert große Bedeutung hat – („Ich glaube noch an Blitz und Donner. Aber auch an die Freundlichkeit der Bäume“). Ist dies die Einladung ins Freie? Sie ist es auch.
Harald Hartung, Neue Rundschau, Heft 2, 1977
Hans Heyn: „Einladung“
Oberbayerisches Volksblatt, 10.6.1977
Armin Ayren: Auf Wanderschaft mit großen Dingen
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.6.1977
Heinz Piontek: Die Summe der Stummen
Rheinischer Merkur, 8.7.1977
Joachim Günther: Rainer Malkowski: „Einladung ins Freie“
Neue Deutsche Hefte, Heft 3, 1977
Karl Krolow: Lyrische Selbstbefragung
Nürnberger Nachrichten, 14.9.1977
Jürgen P. Wallmann: Welthaltige Poesie
Rheinische Post, 17.9.1977
Michael Hamburger: The poetry of private life
The Times Literary Supplement, 7.10.1977
Paul Konrad Kurz: Schwierigkeiten des einfachen Daseins
Deutsche Zeitung / Christ und Welt, 7.10.1977
Michael Buselmeier: Verse der Flucht
Die Zeit, 3.3.1978
Walter Helmut Fritz: Ein leises Echo des entschwundenen Lebens
Stuttgarter Zeitung, 3.9.2003
Albert von Schirnding: Gehen und Sehen
Süddeutsche Zeitung, 3.9.2003
Hans-Dieter Schütt: Glücklich im Bahnhofsrestaurant
neues deutschland, 31.8./1 9 2013
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