UNGLÜCK UND GLANZ
oder: „Der ich unter Menschen nicht leben kann“
– Rede in Klagenfurt zum 60. Geburtstag von Ingeborg Bachmann am 25. Juni 1986. –
Haltet Abstand von mir oder ich sterbe, oder ich morde, oder ich morde mich selber. Abstand – um Gottes Willen
Ist Ingeborg Bachmanns Tod jetzt schon Abstand genug, dieser furchtbare, frühe Tod? Wen die Götter lieben… Nein, so sicher nicht. Tatsache ist aber, daß ich mir eine sechzigjährige Ingeborg Bachmann nicht vorstellen kann. Sowenig wie eine sechzigjährige Katherine Mansfield oder eine sechzigjährige Sylvia Plath. Sowenig auch wie eine sechzigjährige Simone Weil oder eine sechzigjährige Maria Callas. Und sowenig auch – warum denn nicht? – wie eine sechzigjährige Marylin Monroe.
„Ich denke an die siebenundvierzigjährige Frau wie an ein Mädchen“, schrieb Heinrich Böll 1973 in seinem Nachruf auf Ingeborg Bachmann. Ich denke an Ingeborg Bachmann wie ich an Katherine Mansfield und Sylvia Plath, an Simone Weil und Maria Callas denke, sie alle Frauen, die auf des Messers Schneide zu existieren gezwungen waren, Frauen, die durchs Feuer mußten und sich verbrannten –, und ich bin mir bewußt, welchen Doppelsinn dieses Bild im Falle Ingeborg Bachmanns bekommt.
Erklär mir nichts. Ich seh den Salamander
durch jedes Feuer gehen.
Kein Schauer jagt ihn, und es schmerzt ihn nichts.
So endet Ingeborg Bachmans großes Gedicht „Erklär mir Liebe“. Ingeborg Bachmann wußte, daß die Feuer, durch die sie mußte, sie verbrennen würden – und sie, schmerzsüchtig, erklärte sie sich einverstanden damit?
Es ist so schade, daß alles nur Worte sind, ich wünschte mir einen richtigen Scheiterhaufen, auf dem man mich verbrennen würde.
Der ketzerische Satz könnte von Ingeborg Bachmann sein, es schrieb ihn die russische Dichterin Marina Zwetejewa, die sich achtundvierzigjährig erhängte.
Soviel ist sicher: hier und heute wäre Ingeborg Bachmanns Stunde nicht und nicht ihr Ort. Aber wann und wo waren ihre Stunde und ihr Ort? Ich weiß sowenig eine Antwort darauf wie sie selbst. Kein Ort. Nirgends. Aber soviel weiß ich: ich bin froh darüber, daß sie es hinter sich hat, daß sie uns hinter sich hat. „Unter Mördern und Irren“, so hat sie sich unter uns gefühlt, so hat sie den literarischen Betrieb empfunden und so hat sie eine Erzählung über ihn betitelt.
Simone Weil hat einmal bekannt, daß jedesmal, wenn ein Mensch mit ihr ohne Brutalität spreche, sie sich des Eindrucks nicht erwehren könne, hier müsse ein Mißverständnis vorliegen. Es war diese Art der Verletzlichkeit, die auch lngeborg Bachmann auszeichnete. Vielleicht hätten wir ja Glück gehabt, und sie hätte das, was wir hier und anderswo in ihrem Namen treiben, nur als Mißverständnis betrachtet. Brutal sind wir doch wirklich nicht. Wenigstens nicht Auge in Auge. Nur ein wenig hinterhältig, ein wenig respektlos.
Aus den Wäldern trugen wir Reisig und Stämme.
Berauscht vom Papier,
erkenn ich die Zweige nicht wieder,
Aber ins Holz,
solang es noch grün ist, und mit der Galle,
solang sie noch bitter ist, bin ich
zu schreiben gewillt.
Tönt das nicht nach Ingeborg Bachmann? Ja, auf diese sieben Zeilen hat Bertolt Brecht das dreißigzeilige Bachmann-Gedicht „Holz und Späne“ in seinem Exemplar des Gedichtbands Die gestundete Zeit verkürzt. Mit ein paar Federstrichen. Bei Brecht heißt das Gedicht auch nicht mehr „Holz und Späne“, sondern nur noch „Holz“. Wo gehobelt wird, fallen Späne. Brecht, heißt es, habe Ingeborg Bachmann geschätzt.
In Wahrheit verrät seine Respektlosigkeit diesem und anderen Bachmann-Gedichten gegenüber, daß er vor allem sich selber schätzte. In dieser Form hätte „Holz“ durchaus unter den Buckower Elegien mitlaufen können. Freilich, ähnlich respektlos wie Brecht geht jeder Leser vor. Jeder liest nur sein Gedicht, liest nur seinen Roman. Jeder liest nur, was er gerade braucht. Darum liest jeder dasselbe Gedicht anders als jeder andere, denselben Roman anders als jeder andere. Darum ist es so komisch, wenn Literaturwissenschaftler uns auf eine Lesart eines Textes einschwören möchten. In ihrem Radio-Essay über Marcel Proust hat Ingeborg Bachmann zustimmend dessen Feststellung zitiert:
In Wirklichkeit ist jeder Leser, wenn er liest, nur ein Leser seiner selbst.
Was las der Sechzehnjährige im oberschwäbischen Weingarten, der ich einmal war, als er sich für die Unsumme von 3,60 Mark Ingeborg Bachmanns schwarzlackierten, soeben in der Frankfurter Verlagsanstalt erschienenen Gedichtband Die gestundete Zeit kaufte und darin wenn auch nicht – wie Brecht – wegstrich, aber dafür wild unterstrich – und mit roter Tinte? Was brauchte ich 1953 von Ingeborg Bachmann? Unwillkürlich habe ich hier geschrieben: Was brauchte ich von Ingeborg Bachmann? Und nicht etwa: was brauchte ich von ihren Gedichten? In dieser Frage-Formulierung ist ja schon eine Antwort, ist ein Bekenntnis enthalten. Es lautet, daß ich mir vor jedem Gedicht oder Buch immer sofort seinen Autor vergegenwärtige, daß jedes Gedicht und jedes Buch für mich stets identisch mit einer Person sind. Kaum jemand ist mir so unbegreiflich wie einer, der behauptet, er interessiere sich nur für das Werk. Ich jedenfalls kann kein Werk, wenn es mir notwendig erscheint, von seinem Urheber trennen. Vor jedem solchen Werk will ich sofort wissen, welche und wessen Not da ins Kunstwerk gewendet wurde.
Es trifft sich gut, daß Ingeborg Bachmann selbst ähnlich reagierte. Schreiben empfand sie als „einen Zwang, eine Obsession, eine Verdammnis, eine Strafe“ (wie sie es in ihrer Wildgans-Rede formulierte). Und wenn sie über Geschriebenes nachdachte, dachte sie über jene nach, die dieser Verdammnis anheimgefallen waren, identifizierte sie sich mit denen. In ihrem Aufsatz über Sylvia Plath heißt es:
Ich glaube nicht, daß Sylvia Plath etwas Neues ist, sie hat weder die englische Sprache zertrümmert noch zum Auferstehen gebracht, noch etwas geleistet, was ihre Kritiker zu besonders hochtrabenden Einfällen veranlassen könnte; aber wie die Schriftsteller, die in der Hölle waren, wird sie unter den ersten sein, weil sie unter den letzten war.
In solchen sehr christlichen Kategorien von Leiden und Leidenslohn dachte sie also.
In ihrer ersten Frankfurter Poetik-Vorlesung polemisierte sie gegen die Fixierung so vieler Kritiker auf das, was sie Qualität oder auch gut geschrieben nennen und was meist nicht mehr ist als die Geschicklichkeit, vertraute Muster zu variieren. Ihr waren jene Könner und Alleskönner, die bereitwillig diese Qualität des up to date liefern, aufs äußerste zuwider. Für Ingeborg Bachmann zählten nur die „Geschleuderten“, die Verdammten, die Gezeichneten, die Märtyrer. Bezeichnend, was sie nach Erscheinen des Wunschlosen Unglücks von Peter Handke, ein Buch, das sie tief beeindruckte, äußerte:
Ich lese zwar manchmal eine deutsche Zeitung, aber ich war froh darüber, daß ich keine Kritik zum Wunschlosen Unglück gesehen habe, weil ich glaube, daß man darüber keine zu schreiben hat.
Auch hinter dieser Äußerung verbirgt sich wieder die Vorstellung vom Künstler als Märtyrer, der nicht kritisierbar ist außerhalb des Leidensgesetzes, das über ihn verhängt wurde. Märtyrer brauchte sie zu Verbündeten.
Was aber brauchte ich damals, 1953, von Ingeborg Bachmann? Die Antwort ist so anmaßend wie naheliegend. Ich brauchte ihr Unglück. Ihr Unglück und ihren Glanz, den sie aus diesem Unglück bezog. Ein Unglück kommt selten allein. Mir kam ihres bekannt vor. Aber ihr Glanz war mir sehr fremdartig, anziehend fremdartig, dem konnte man nur erliegen, in der verzweifelten Hoffnung, es fiele auf einen selbst im Erliegen so etwas wie ein Abglanz davon.
Und ich gehör dir nicht zu.
Beideklagen wir nun.
Aber wie Orpheus weiß ich
auf der Seite des Todes das Leben,
und mir blaut
dein für immer geschlossenes Aug.
Diese Frequenz brauchte ich. Den Hochmut der Verzweiflung brauchte ich. Den Dichter-Hochmut. Den Heiligen Hochmut.
Sicher, ihren Mut bewunderte ich auch, den Mut, mit dem sie mit „unserer Gottheit, der Geschichte“, abrechnete (von der sie wußte, sie habe uns „ein Grab bestellt, aus dem es keine Auferstehung gibt“).
Sieben Jahre später
fällt es dir wieder ein,
am Brunnen vor dem Tore,
blick nicht zu tief hinein,
die Augen gehen dir über.
Sieben Jahre später,
in einem Totenhaus
trinken die Henker von gestern
den goldenen Becher aus.
Die Augen täten dir sinken.
Es war ja nicht nur der Wahnsinn der Wiederbewaffnung, es waren nicht nur die Namen Globke oder Oberländer, die unsereinem damals zu diesen Versen einfielen. In Adenauers halbem Deutschland regierte die Restauration, und vom Totenhaus sprachen gerade noch jene wenigen, die ihm entronnen waren; die es betrieben oder auch nur von diesem Betrieb profitiert hatten, sie füllten längst die goldenen Becher des Wirtschaftswunders bis zum Rand. Der neue Krieg – kalt nannte man ihn – brauchte die Henker von gestern, brauchte die Helden von gestern – und sei’s auch nur als Maulhelden.
„Der Krieg wird nicht mehr erklärt, / sondern fortgesetzt“, so begann Ingeborg Bachmann damals ein Gedicht, das sie lapidar und genau „Alle Tage“ überschrieb. Aber was heißt da „ein Gedicht“! So begann sie das Gedicht jener Zeit, das für alle, die bereits wieder in die Defensive gedrängt waren, zur Devise wurde (es ist bis heute das vollkommenste Gedicht Ingeborg Bachmanns aus ihrem ersten Gedichtband geblieben):
Der Krieg wird nicht mehr erklärt,
sondern fortgesetzt. Das Unerhörte
ist alltäglich geworden. Der Held
bleibt den Kämpfen fern. Der Schwache
ist in die Feuerzonen gerückt.
Die Uniform des Tages ist die Geduld,
die Auszeichnung der armselige Stern
der Hoffnung über dem Herzen.
Er wird verliehen,
wenn nichts mehr geschieht,
wenn das Trommelfeuer verstummt,
wenn der Feind unsichtbar geworden ist
und der Schatten ewiger Rüstung
den Himmel bedeckt.
Er wird verliehen
für die Flucht von den Fahnen,
für die Tapferkeit vor dem Freund,
für den Verrat unwürdiger Geheimnisse
und die Nichtachtung
jeglichen Befehls.
Also: dieser Ton war damals weiß Gott durchdringend wie kein anderer für einen wie mich. Aber mehr als Ingeborg Bachmanns Mut, mit dem sie gegen jene Wende anschrieb, die ja nicht erst in unseren Tagen, sondern in Wahrheit schon damals eingeläutet wurde, brauchte ich doch ihre Verzweiflung, ihren Mut der Verzweiflung.
„Nur Entsetzen bis zur Verzweiflung entwickelt einen Menschen zu seinem Höchsten“, meinte Kierkegaard. Und einer seiner Schüler, Franz Kafka, notierte lapidar:
Das einzig Reale ist der Schmerz.
Einer der zuverlässigsten Verzweiflungs- und Schmerzlieferanten blieb bis heute die Schönheit, die Schönheit des menschlichen Körpers zumal. „Wer die Schönheit angeschaut mit Augen, / Ist dem Tode schon anheimgegeben, / Wird für keinen Dienst der Erde taugen, / Und doch wird er vor dem Tode beben“: diesen verzückt-verzweifelten Platen-Ton hat Ingeborg Bachmann aufgenommen und ausgebaut. Ihn brauchte ich. „… Mit der Kette / am Säulenfuß und dem vergänglichen Augenblick / geneigt und der Schönheit verfallen, sag ich mich los / von der Zeit, ein Geist unter Geistern, die kommen“: so hat sich Ingeborg Bachmann in ihrem Gedicht „Große Landschaft bei Wien“ selbst porträtiert. Aber lossagen konnte sie sich doch nur auf Papier, nur im Gedicht gab es Heil, das Leben blieb unheilbar, eine Abfolge von Todesarten („Todesarten“, so sollte ihr Romanzyklus überschrieben sein), das Leben blieb eine permanente Kränkung, blieb die Krankheit zum Tode. „Erlöse mich! Ich kann nicht länger sterben“: fleht sie in ihren „Liedern auf der Flucht“. Es gab keine Erlösung.
„Unheilbar – ein ehrenvolles Eigenschaftswort, das nur einer einzigen Krankheit, der furchtbarsten von allen, gegönnt werden sollte: der Begierde.“ So steht es bei Cioran.
Reinen Fleischs wird sterben,
wer es nicht mehr liebt,
über Rausch und Trauer
nur mehr Nachricht gibt.
In Ingeborg Bachmanns Gedicht „Heimweg“ findet sich diese Antwort an Cioran, dieser Entwurf eines Entsagungsprogramms. Doch dieser Heimweg war weit, und er war überaus steinig. „Von vielen, vielen Steinen sind unsere Füße so wund. / Einer heilt…“, schrieb sie mir im Februar 1958 in mein Exemplar der Anrufung des großen Bären – und so ist es nachzulesen in ihrem großen Gedicht „Das Spiel ist aus“. Das Spiel war für sie aber noch lange nicht aus, der steinige Weg noch lange kein Heimweg.
Nach einer ihrer Lesungen in der Gruppe 47 rügte Theo Pirker sie harsch: jetzt verfiele auch sie bereits in den Fehler der meisten jungen Autoren, über etwas zu schreiben, wovon sie offensichtlich nichts verstünden, in ihrem Fall über Afrika. Pirker verstand sich als Afrika-Experte und hatte Ingeborg Bachmanns Gedichttitel entsprechend mißverstanden: Lieber dunkler Erdteil. Aber Ingeborg Bachmann sprach, wovon sie viel und doch nie genug verstand, von der Liebe. „Liebe: dunkler Erdteil“ war ihr Gedicht überschrieben. Und eben auf diesem dunklen Kontinent, der auf keiner Landkarte verzeichnet ist, wußte sie sich ausgesetzt, dort verlief ihr steiniger Weg. Das Dunkel war ihre Domäne, zählte sie doch zur eindrucksvollen Schar jener gepeinigten Schlaflosen von Kierkegaard, Nietzsche und Dostojewskij bis zu Fernando Pessoa, Kafka, Robert Walser, Katherine Mansfield, Simone Weil, Marina Zwetejewa, Cioran und Paul Celan, denen noch jede Nacht zum Abbild der ewigen Nacht der Seele wurde. „Wenn wir wahr sind, dann sind wir es in der Nacht, sobald wir ganz allein sind“, hat sie einmal einem Interviewer bekannt. Und nicht zufällig hat sie einen Nachtvogel zum Gefährten gewählt, wie wir aus ihrem Gedicht „Mein Vogel“ wissen, die Eule. „Le Hibou“ wurde sie bereits von ihren Mitschülerinnen am Klagenfurter Gymnasium gerufen. Aber nur jemand, der unter Byrons „Sonne der Schlummerlosen“ zu existieren gezwungen war, konnte wohl so verzückt die Sonne preisen wie sie es getan hat.
„Nichts, was existiert, ist unbedingt liebenswürdig; also muß man das lieben, was nicht existiert“: Diesen Satz Simone Weils hat sich die junge Ingeborg Bachmann abgeschrieben, ihn hat sie zitiert in ihrem Radio-Essay über diese beängstigend hellsichtige moderne Mystikerin, von der T.S. Eliot einmal gesagt hat, sie sei sicher unausstehlich gewesen – unausstehlich wie alle Heiligen. Wie war Ingeborg Bachmann? War sie liebenswürdig? Als im März 1956 in der Schwäbischen Zeitung für den nächsten Tag eine öffentliche Lesung Ingeborg Bachmanns in München angekündigt war, stand für mich die Reise dorthin sofort fest. Nur: wie sie bezahlen? Einen Überschuß hatte ich nur an Begeisterung, ansonsten war alles im Minus. Ruth Dittus, eine Ravensburger Buchhändlerin, die meine Verzweiflung erspürte, lieh mir nahezu unaufgefordert die damals unerhört hohe Summe von 100 Mark, und am nächsten Tag war ich tatsächlich in München.
Gleich neben dem Bahnhof, im Württemberger Hof, wo angeblich der heimatselige Martin Walser gern abstieg, bekam ich ein erschwingliches Zimmer; hier wohnte, was ich nicht wissen konnte, gelegentlich auch Ingeborg Bachmann (Herr Wiedenhöfer, der beeindruckende Portier, der sie, nachdem sie erst einmal dort genächtigt hatte, Monate später am Telefon mit Frau Bachmann ansprach, bevor sie noch ihren Namen nennen konnte, hatte sie für den Württemberger Hof heftig eingenommen).
Von ihrer Lesung im rettungslos überfüllten Studio Fink habe ich nicht viel mehr behalten als ihren sound, ihren Ton, diese fast flüsternde Stimme, die dennoch überall durchdrang, diese Stimme am seidenen Faden, der jeden Moment zu reißen drohte, eine Stimme, von der Martin Walser später (in meinem Film über Ingeborg Bachmann) sagte, sie habe ihn immer an die Stimmen der Frauenseite in der Wasserburger Kirche bei den Rosenkranzandachten seiner Jugend erinnert. Auch wenn es offensichtlich war, daß sie, die doch gerade erst ein ziemlich schmales Bändchen Gedichte publiziert hatte, hier bereits hofhielt, um Huldigungen entgegenzunehmen, wirkte sie verschüchtert bis zur Verwirrtheit. Aber – und das war das Merkwürdige – diese Schüchternheit wirkte ihrerseits wieder entsetzlich einschüchternd. Jedenfalls auf mich.
Ich weiß bis heute nicht, welche skrupellose Unschuld mich nach der Lesung bis in ihre Nähe brachte. Jedenfalls kam es dazu, daß ich mit ihr sprach und sie um eine Art Privat-Audienz bat. Am nächsten Abend hätte sie Zeit, wir könnten uns ja – ob ich den kenne? – im Württemberger Hof treffen. Wann? Um 7 oder 8 Uhr? Nein, nein, abends! Dann vielleicht um 9 Uhr? Nein, nein, abends! Also erst um 10 Uhr? Nein, nein, abends! Wir trafen uns dann um Mitternacht in einem Nebenzimmer, wo wir – paßt das nun schon ins Bild? – von der Bedienung vergessen wurden (was sich auch insofern gut traf, als ich inzwischen bereits zimmerlos war). Wir saßen da, bis der Nachtportier seine erste Morgenrunde machte und sich über die frühen Gäste wunderte.
„Während der Kuckuck ruft und niemand sich um die letzten Gäste kümmert – Ingeborg Bachmann, München, nachts und im März“, so schrieb sie mir damals in mein Exemplar ihres Gedichtbandes Die gestundete Zeit. Es gab im Württemberger Hof nämlich eine Kuckucksuhr.
War Ingeborg Bachmann liebenswürdig? Ich glaube nicht, daß ich im Württemberger Hof Ingeborg Bachmann getroffen habe, ich saß da eine Nacht lang mit meiner Idee von Ingeborg Bachmann zusammen und redete an die hin. Über was? Vermutlich über mich, Liebeskummer, Liebesverlust, das Übliche halt, komisch für andere, vernichtend für einen selbst. Die Idee hatte ein Ohr dafür. Wenn auch, wohlweislich, keinen Trost.
Später, im Februar 1958, wo sie mich nach Tübingen bestellte und ich sie im Keller des Hauses Walter Jens hatte treffen dürfen, kam ein Brief von ihr zum Thema Trost:
… Ich bin nicht zum erstenmal in diese Lage geraten, aber in Tübingen mit Ihnen war es so ganz diese Lage und ich fühlte mich sehr elend, weil es klar wurde, daß auch mit dieser Stunde im Keller und auch mit keiner weiteren etwas getan war. Ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen – und ich bin schon wieder versucht zu sagen: Sie werden es später verstehen, wenn Sie den Zuspruch nicht mehr von außen erwarten. Ich sehe ein, daß ich selbst nicht ,älter‘ und ,weiser‘ war und über mein Problem nicht hätte reden sollen, da es auch Ihres war – und ich bitte Sie deswegen um Verzeihung. Bitte!
War Ingeborg Bachmann liebenswürdig? Ihre Hilflosigkeit war liebenswürdig. Ihre Hilflosigkeit war hilfreich. Ihre Hilflosigkeit machte sie überlegen – in dem Sinne, in dem ihre „Lieder auf der Flucht“ es sagen:
Die Liebe hat einen Triumph und der Tod hat einen,
die Zeit und die Zeit danach.
Wir haben keinen.
Nur Sinken um uns von Gestirnen, Abglanz und Schweigen.
Doch das Lied überm Staub danach
wird uns übersteigen.
Danach – Hoffnung der Dichter. Danach – Hoffnung der Leidenden, der Frommen. Simone Weil sah im Leiden die Überlegenheit des Menschen gegenüber Gott und meinte, es hätte der Inkarnation bedurft, „um diese Überlegenheit nicht skandalös werden zu lassen“. Die Schönheit und Überzeitlichkeit des Kunstwerks wiederum galt ihr als Experimentalbeweis dafür, daß die Inkarnation möglich ist. Aus eigener Kraft kann sich das Leiden aber nicht ins Gedicht retten, siehe Goethe:
Und wenn der Mensch in seiner Qual verstummt,
gab mir ein Gott zu sagen, was ich leide.
Ich weiß, Göttliches ist momentan nicht gefragt, auch wenn es von Goethe kommt. Oder von Ingeborg Bachmann. Bleib auf dem Boden – womöglich noch dem der sog. Tatsachen und nähre dich redlich. Nach dieser Maxime scheint das Gros der Schreibenden zu verfahren, und die Kritik spendet ihren Segen dazu. Aber Poesie, die nicht die Tatsachen in die Schranken weist, verdient den Namen nicht. Die Domäne der Poesie ist nicht das Mögliche, sondern das Unmögliche, das Darüberhinaus. Kein Ort. Nirgends. Max Horkheimer hat einmal geäußert, es existiere keine Philosophie, die nicht ein theologisches Moment in sich trage, insofern nämlich alle Philosophie die Welt, in der wir leben, als Relatives interpretiere. Um wieviel mehr gilt das für die Poesie, die – selbst wenn sie nicht ausdrücklich den johanneischen Anruf enthält:
Ändert euren Sinn!
„Du mußt dein Leben ändern!“ – doch stets davon ausgeht, daß wir in dieser Welt keine Heimat haben, keine bleibende Statt, daß wir in dieser Welt Exilierte sind.
„Der ich unter Menschen nicht leben kann“, so klagt eines der bewegendsten Gedichte Ingeborg Bachmanns, das sie programmatisch „Exil“ überschrieben hat und in dem sie sich als lebendige Tote, als Exilierte auf dieser Erde beschreibt, als Unbehauste, deren einziges Haus die deutsche Sprache ist. „In hellere Zonen trägt dann sie den Toten hinauf“: auf dem Boden der Tatsachen ist diese Hoffnung (mit der das Gedicht endet) sicher nicht gewachsen. Aber auf welchem dann?
In den „Liedern von einer Insel“ werden die angerufen, die gelitten haben, die Heiligen:
Einmal muß das Fest ja kommen!
Heiliger Antonius, der du gelitten hast,
Heiliger Rochus, der du gelitten hast,
o der du gelitten hast, heiliger Franz.
Da tönt sie wieder, die Frauenseite nicht nur der Wasserburger Kirche, die Leidens-Litanei. Daß allein das Leiden uns auszeichne, uns heilige, diese Botschaft, diese Hiobs-Botschaft, die Ingeborg Bachmann unaufhörlich verkündet, als weltlich vermag ich sie nicht zu empfinden. In den beliebten literarischen Supermärkten, wo die Welt, versorgt wird mit Geschichteln und Gedichteln, Meinungen und Behauptungen, Engagement und Aufklärung zu stark verbilligten Preisen, da jedenfalls ist sie nicht zu haben.
Wenn man, wie ich, seit der frühesten Kindheit unter Heiligen aufgewachsen ist, die freilich alle entweder aus Holz und Gips waren oder nur auf Papier vorkamen, dann ist einem entweder alle Lust an Heiligen gründlich vergangen oder aber man versucht, ihnen einmal leibhaftig zu begegnen, sie zum Leben zu erwecken. Ich gebe zu, mein Bedürfnis nach Heiligen ist immer noch nicht erloschen, also mein Bedürfnis nach jenen, die das Verlangen nach dem „ganz anderen Zustand“ umtreibt, nach dem Außersichsein, nach Martern aller Art, nach jenen, die nicht abgebrüht sind, sondern sich verbrühen, die nicht Meinungen zu Markte tragen, sondern ihre Haut, nach jenen, die nicht nach immer noch mehr Sicherheit, sondern nach immer noch mehr Unsicherheit streben, nach jenen – um es in einem Bild Ingeborg Bachmanns zu sagen –, die den Hunger nicht stillen, sondern erst erwecken, nach den Unersättlichen, den Untröstlichen.
Bisher haben eigentlich nur Künstler mein Bedürfnis nach Heiligen manchmal befriedigt. Einer, der von beiden Künstlern wie Heiligen – etwas verstand, Kierkegaard, schrieb:
Eines Dichters Leben beginnt in dem Streit mit dem ganzen Dasein.
Simpler und sorgfältiger kann man nicht sagen, was Dichter und Heilige miteinander verbindet.
Es verbindet sie aber noch eines, das Wissen nämlich oder doch die Ahnung davon, lediglich Übersetzer und nicht Schöpfer zu sein. Jeder Text, den wir schreiben, ist in Wahrheit ja nur die Übersetzung jenes unsichtbaren Textes, der einem jeden von uns in der Schöpfung vorgegeben ist, vorgeschrieben ist. Wer darum weiß, wird sich auch über den fremden und rätselhaften Ton nicht wundern, den er hervorbringt. Und wer erkannt hat, daß alles Dichten, das diesen Namen verdient, wie ein Singen in der Löwengrube oder ein Singen im Feuerofen ist, also gleichermaßen Todesfurcht wie Zuflucht und Hoffnung auf Erlösung, der wird kaum mehr – wie es heute üblich ist – gegen Pathos polemisieren oder gegen einen feierlichen Ton. Zum Künstler als Märtyrer, wie ihn Ingeborg Bachmann verstand, gehört jedenfalls der hohe Ton, der feierliche Ton. Die beiden Dichter der Nachkriegszeit, deren Werk Bestand haben wird, Paul Celan und Ingeborg Bachmann, waren selbstverständlich pathetisch, waren feierlich ohne jede Rücksichtnahme auf die diversen Kahlschlag-Parolen der Literatur-Überwacher.
Ich will nichts mehr für mich. Ich will zugrunde gehn…
Zugrund gerichtet, wach ich ruhig auf.
Von Grund auf weiß ich jetzt, und ich bin unverloren.
Zum Künstler als Märtyrer gehört zuletzt auch diese Heilsgewißheit des „Ich-bin-unverloren“, gehört diese Art der Entsagung, gehört, worauf nur die Anspruchsvollsten aus sind, der Verzicht auf jeglichen Ich-Anspruch, gehört das Verstummen. „Mein Teil, es soll verloren gehen!“, so verkündet eines ihrer letzten Gedichte. „Sprachlosigkeit und Stummheit“ hat Ingeborg Bachmann „unsere reinsten Zustände“ genannt, und den großen Verstummten der Weltliteratur hat sie ihre erste Frankfurter Poetik-Vorlesung gewidmet.
Für mich – schon wieder ein Geständnis – war bereits ihr Versuch mit der Prosa, ihre Abbiegung zur Prosa eine Art Verstummen, ein noch unfreiwilliges. Ein Schriftsteller, der an den Leser denkt, ist ein schlechter Schriftsteller: das wußte sie wohl. Aber der Prosaist ist immer mehr als der Poet versucht, an den Leser zu denken, etwas erfinden zu wollen statt jenem geheimen Text nachzuschreiben, der uns vorgeschrieben ist, etwas beweisen zu wollen und sich dessen schuldig zu machen, was Ingeborg Bachmann verächtlich „sich eine Gesinnung anziehen“ nannte. Selbst sie konnte in der Prosa dieser Versuchung nicht immer widerstehen und eine vornehmlich feministisch orientierte Literaturbetrachtung benützt denn auch Ingeborg Bachmanns Prosa vor allem als plattes Beweismitte.
Als ich sie zuletzt traf, nach Begegnungen in Ravensburg, Ulm und Zürich (wo Max Frisch mich am Telefon zu ihr durchstellte mit dem einigermaßen befremdlichen Satz: „Jawohl, direkt durch zum Chef“), in Meersburg (wohin sie zur Verleihung des Droste-Preises an Nelly Sachs gekommen war), in Salzburg (wo sie, ganz in Weiß und Gold und flankiert von vier göttergleichen römischen Jünglingen, der Uraufführung von Hans Werner Henzes Bassariden eine Spur fast morbiden Glanzes verlieh), als ich sie zuletzt traf, ich glaube, es war 1970, und sie in Chiavenna vom Bus abholte, um sie nach St. Moritz zu bringen, wo sie damals nicht nur von Ernst Bloch erwartet wurde, sondern auch irgendein gräßlich reicher älterer Herr, der sich gerne zu ihrem Mäzen aufschwingen wollte, ihrer harrte, da fragte ich sie, ob sie sich wohl an einem Fernsehfilm über Ingeborg Bachmann beteiligen würde. Offenbar rechnete ich mit ihrem strikten Nein zu so etwas Profanem wie einem Fernsehfilm, offenbar rechnete ich mit der vollkommenen Heiligen. Jedenfalls enttäuschte mich ihr Ja zu solch einem Film-Vorhaben so maßlos, daß ich meinen Filmplan sofort verwarf.
Viel später gab es dann doch noch einen Ingeborg-Bachmann-Film, meinen Ingeborg-Bachmann-Film. Es wurde ein Film über eine Tote, genaugenommen aber ein Film über verschiedene Leute, die Ingeborg Bachmann mehr oder weniger gut gekannt hatten oder gekannt zu haben glaubten und dann doch mehr oder weniger – siehe Brecht – von sich selbst sprachen.
„Haltet Abstand von mir, oder ich sterbe, oder ich morde, oder ich morde mich selber!“ Nein, der Abstand, den Simone Weil einmal als „die Seele des Schönen“ bezeichnet hat, dieser Abstand ist noch lange nicht groß genug. Noch immer kann Ingeborg Bachmann an uns sterben.
Peter Hamm
Was für ein Stimmengewirr, dieses hier gebündelte fünfzehnfache Echo auf eine Autorin, deren Werk strenggenommen nur aus fünf Büchern besteht, zwei Gedichtbänden, einem Roman, zwei Erzählungsbänden. Strenggenommen, doch damit hätten wir die Hörspiele, die Libretti, Essays und Vorträge, die Rundfunkbeiträge und Interviews schon ausgeklammert. Ganz zu schweigen von allem zu Ingeborg Bachmanns Zeiten nicht Veröffentlichtem, den Notizen, Entwürfen, Briefen, Fragmenten oder Jugendwerken, die nun nach und nach zum Vorschein kommen, samt der Frage, ob das denn erlaubt ist und wünschenswert, diese Publikation von nicht autorisiertem Material. Ganz abgesehen auch von Bachmanns öffentlicher Rolle, die sie so bewußt wie doch manipuliert gespielt hat und die, wie auch dieser Band wieder zeigt, bis heute so kräftig ausstrahlt wie ihr Werk.
Aus all diesem greifbaren und virtuellen Material setzt sich zusammen, was dieser schon zur Ikone erstarrte Name aufruft: Bachmann. Aber diese Bachmann, die ganze, ist seit eh und je aufgespalten worden in Fragmente, schon durch die Urteile ihrer ersten Leser. Ja, ich erinnere mich, wie früh das begonnen hat, wie schon ihr zweiter Gedichtband gelesen und abgewertet wurde im Vergleich zum ersten: Ein großes, zeitgemäß sprödes Talent sei abgestürzt ins Angenehme, in Wohllaut und Positivität – das war damals ein Tenor der Rezeption. Die dann im ersten Erzählungsband einen weiteren Absturz erkennen wollte, in Prosa diesmal, ein der geborenen Lyrikerin offenbar unzugängliches Medium. Und ich erinnere mich an die Ratlosigkeit, die Verlegenheit, mit der zunächst Malina gelesen wurde, denn wer sollte und wollte im scheinrevolutionären Klima von 1971 Geduld aufbringen für so viel geballte „Innerlichkeit“ (so das Schlagwort)? Und dann, als der Malina-Roman seine kaum vorhersehbare Erfolgs-, ja Andachtskarriere bei Lesern und Interpreten begann, gehörte es bald zum guten Ton unter den Anspruchsvollen, die Geschichten in „Simultan“ abzutun als Petit fours und peinlich. Wenn also Heiner Müller recht haben sollte mit seiner Vermutung, daß Spaltung des Publikum ein sicheres Zeichen wäre für Qualität, dann hätten wir es hier. Diese Erfolgsgeschichte jedenfalls war immer durchsetzt mit Widerspruch und Widersprüchen.
Also paßt es ins Bild, dieses neue Stimmengewirr hier, dem sich beim besten Willen kein einheitliches Bild der Bachmann abgewinnen ließe. Eine Stimme votiert für die Prosa, eine andere gleich entschieden für die Gedichte, eine testiert Meisterschaft, eine andere Konventionalität, eine interessiert sich nur noch für das symptomatische, also verdächtige Bachmannsche Karrieremodell, eine andere setzt nur auf die Wortwörtlichkeit der Texte. Die Frage, wer jeweils recht hat, läuft natürlich ins Leere. Es muß ja nicht der sein, der am schlüssigsten oder brillantesten argumentiert.
Zu fragen wäre eher, welche Haltung und Textart heute am produktivsten sein könnte, um ein Vierteljahrhundert nach Bachmanns Tod ihrer Nähe, ihrer Ferne gerecht zu werden. Hilde Domin und Ulla Hahn begnügen sich mit einer kurzen Hommage, ein Albumblatt lang. Dagmar Leupold wagt eine Evokation, ein imaginäres, anmutig und hintersinnig poetologisches Gespräch in der Via Bocca di Leone, sternschnuppenhaft aufleuchtend und verglimmend wie die beiden hereinzitierten Bachmann-Poeme. Eines verdunstet im Abendsonnenlicht, das andere wird benutzt zum Anzünden einer Zigarette. „Ein gutes Gedicht“, sagt inhalierend die Raucherin und Autorin Bachmann. Die als Halluzination auch in Jan Koneffkes auf Bachmanns Spuren durch Rom schnürendem Text auftaucht.
Denn für die jüngeren Autoren ist die Person I. B. nur noch greifbar als Wortgespenst. Wir anderen, also Demetz, Kaiser, Hamm und ich, sind an sie noch gebunden durch Erinnerung, die ihre Texte in eine ganz andere Nähe rückt, aber auch verstellen kann. Nicht zuletzt deshalb sind die Reden, die Peter Hamm und ich zum 60. Geburtstag in Klagenfurt gehalten haben, als Dokumente einer damals noch geringeren Distanz in diesen Band aufgenommen worden. Wir Älteren waren ja nicht nur Zeitzeugen des Bachmannschen Lebens, sondern haben auch ihre Publikationen zu ihren Lebzeiten und sozusagen druckfrisch gelesen, als Gegenwart war, was nun Literaturgeschichte ist. Auch unsere Lektüre ist also immer Erinnerung an die erste, Wiederholungslektüre. Wenn Joachim Kaiser noch einmal „Allüre“ und Aura der Bachmann, die fast schon verschollene Einheit von Person und Text in Erinnerung ruft, wenn Peter Demetz abwägend, zweifelnd, bekennend Anspruch und Gelingen in diesem Werk überprüft, dann gerät man wieder in diese Spannung von Damals und Jetzt, die keine Erinnerung ganz auflösen kann.
Doch merkwürdig: auch Norbert Niemann, Marcel Beyer und Jan Koneffke arbeiten sich in ihren Texten durch verschiedene Lektüreschichten zu neuen, auch sie überraschenden Einsichten durch. Bachmann als Schulpensum, Bachmann als touristenfreundliche Rom-Betexterin, Bachmann als Beute der Feministinnen – solche falschen Begegnungen haben offenbar Desinteresse- oder Abwehrhaltungen fixiert, die sich erst in einer geduldig fragenden Erforschung von Text und Texthintergrund allmählich auftauen oder jäh aufsprengen lassen. Diese drei Exempel zeigen, daß und wie Reflexion erzählt werden kann, auch wenn die Gedankengeschichten denkbar verschieden enden: mit Beyers zum zweiten Mal aufgerufenem Rätselbild eines von einem Kind behauchten Fensters, mit Bachmanns Halluzinationsfigur in einer römischen Bar bei Koneffke, mit einer fast formelhaften Ballung der Bachmannschen Poetik in Niemanns durch lauter Negationen zu immer entschiedeneren Thesen vorangetriebener Recherche.
Norbert Niemann, kein Zweifel, glaubt noch an das von Bachmann geforderte „immer neue Aufreißen der Vertikale“, glaubt daran auch und gerade in einer sich immer mehr in horizontalen Fortschritt verlierenden und derealisierenden Welt. Der fast achtzigjährige Peter Demetz wagt daran als einer Möglichkeit für Ingeborg Bachmann zart zu zweifeln. Für Peter Hamm wiederum, der sich emphatisch zurückerinnert an seine emphatische Gedichtlektüre mitten in den fünfziger Jahren, fast unter den Augen der Dichterin, war damals und ist immer noch unzweifelhaft, daß Bachmann diese Vertikale immer wieder gewinnt wie sonst nur – ja, Heilige. Worauf dann freilich eine herbe Unterscheidung, Abspaltung folgt: Ihre Prosa, so Hamm, versagt vor seinem hochheiligen Anspruch.
Man kann aber Bachmann-Texten längst viel rücksichtsloser zu Leibe rücken als mit Analysen, Urteilen, Zweifeln, Bekenntnissen. Das erlebt man, wenn Kathrin Schmidt ein neunstrophiges Gedicht nicht nur paraphrasiert oder dekonstruiert, sondern sich wahrhaft einverleibt, es Vers um Vers und Bild um Bild geradezu zerfleischt, um es dann wieder zusammenzuzwingen „ins Jenseits“ einer anderen Kindheit, der Kathrin-Schmidtschen und ihrer Wortwucherungen, bis Bachmanns dunkler Liebeserdteil sich in einen noch dschungeldunkleren verwandelt hat. Doch vielleicht müssen wir Judith Kuckarts Geschichte zum vierzigsten Jahr, trotz Titel und einigen auf Bachmann-Prosa anspielenden Details – die Durchlaßstraße, der fackelschleudernde Engel, die Männer mit Namen Hans – begreifen als noch aggressivere Antwort auf die Prosapoesie von anno damals. So trostlos konkret verendet heute ein vierzigstes Jahr, scheint der Text stillschweigend zu demonstrieren – in keiner Bachmannschen Sprachmelodie mehr zu retten, in keine Vertikale mehr hochzureißen.
Aber: wie groß darf der Abstand ausfallen zwischen Bachmanns Schreiben und den Schreibenden heute, um einen Kontakt zu ihren Texten, einen Erkenntnisgewinn noch zuzulassen? Für Thomas Kling versinkt die Bachmannsche Lyrik im faden Durchschnitt der Fünfziger-Jahre-Produktion. Diese Inflation von Genitivmetaphern! stöhnt er. Das war schon damals der gängigste aller kritischen Einwände – doch in dem einzigen in diesem Band abgedruckten Gedicht, den von Kathrin Schmidt zerfetzten immerhin neun Strophen, findet sich keine einzige dieser Fügungen. Aus seiner Distanz, mit dieser Allüre der Fremdheit definiert Kling eher die eigene als Bachmanns Poetik. Und nichts als Fremdheit und das eigene Temperament sprechen auch aus Franzobels gutgelaunter; also altösterreichischer Klage- und Wutsuada, die nicht mehr auf Texte, sondern nur noch auf Bachmanns literaturbetriebliche Laufbahn zielt. Ausschließlich mit der ist auch Ulrike Draesner beschäftigt, doch engagiert und scharfsinnig, postfeministisch – hier mag dieses Etikett zutreffen. Wie sich eine Autorinnenrolle prägt in einem noch patriarchalen Umfeld, wie aber dann auch die feministischen Schwestern ein schreibendes Subjekt verwandeln in ein mediales Objekt, das allein interessiert hier – als hätte das Werk nur diese Rolle bedient.
Und doch ist die Distanz, aus der alle diese jüngeren Autoren reden und urteilen, eine andere und, wie ich meine, auch produktivere als die übliche der Literaturkritik und Literaturwissenschaft, und deshalb sollten gerade sie in diesem Band zu Wort kommen. Sie alle arbeiten in der gleichen Profession, am gleichen Material, unter ähnlichen medialen Druckverhältnissen wie Bachmann. Ihre Texte sind also keine Interpretationen, Vermittlungsdienste fürs Publikum, sondern Stellungnahmen, Materialproben. Distanzierungsversuche oder Sympathieexperimente. Sie testen, ob mit positivem oder negativem Ergebnis, die Nähe, die Aktualität einer fernen Kollegin und ihrer Hinterlassenschaft. Und deshalb haben sie, auch wenn sie notgedrungen nur von einzelnen Texten oder Aspekten handeln, doch immer die ganze, die unaufgespaltene Bachmann vor Augen.
„Aus den Gerüchtfiguren“, so heißt es in einem der dunkel lockenden, dunkel drohenden Sätze des Malina-Romans, „werden die wahren Figuren, befreit und groß, hervortreten.“ Sollte das auch für die Autorin selbst gelten? Aber von welchen falschen Gerüchten müßte sie befreit werden? Hundert Jahre nach Goethes Tod, also 1932, hat Ortega y Gasset in dem damals provokativen Essay„ Um einen Goethe von innen bittend“ für einen, für seinen wahren Goethe geworben, und das wäre einer gewesen, der sich nicht auf Weimar eingelassen hätte, um dort, so Ortega, seine Anfänge zu verraten in einer alle Widersprüche besänftigenden Klassik. Auf Ingeborg Bachmann angewandt hieße das wohl: sie hätte ihrer Jugend zwischen Gailtal, Klagenfurt und Wien treu bleiben müssen, hätte nie die bundesrepublikanische Medienbühne betreten dürfen, nie das römische Exil als ihr Weimar wählen sollen. Aber das wäre nur ein weiterer Versuch, Werk und Figur zu spalten, in einem Was-wäre-gewesen-wenn-Experiment.
Wer Bachmann, die ganze, endlich ins Auge fassen will, der müßte einen gegenläufigen Versuch wagen. Er müßte sich verabschieden von allen bequem scharfen Vorurteilen und Unterscheidungen zwischen früher und später Produktion, Lyrik und Prosa, Rolle und Werk, autorisierten und unautorisierten Texten, Leben und Literatur. Dann erst könnte eine von den Gerüchten befreite, die ganze und wahre I. B. allmählich auftauchen, als Person und als Textfigur, als deren Einheit. Dann erst wäre nicht mehr nur Klatsch und Gerücht und Anekdote, was heute noch geraunt wird über ihr glänzendes und hilfloses Leben, wäre gerettet in eine umfassende Ansicht ihres Lebens und ihres Schreibens, in ihre Biographie. Denn natürlich wird diese Geschichte einmal mit allen Details geschrieben werden. Keine gutgemeinte oder gutgeheuchelte Diskretion kann eine historische Person, die Bachmann längst geworden ist, auf Dauer schützen, verschleiern, verklären und damit unkenntlich machen.
Das alles wird noch dauern. Doch der Prozeß der Aufklärung hat schon begonnen. Auch und gerade mit der gewagten, umstrittenen, aber notwendigen Publikation ihrer im Wortsinn peinlichen Gedichtentwürfe aus den frühen Sechzigern, ihren schwierigsten Jahren, dieser folgerichtigen Fortsetzung zur Herausgabe des gewaltig zerklüfteten Materials zum Todesarten-Projekt. Hier, in diesen Schreibkämpfen, in den bald scheiternden, bald triumphalen Versuchen, Erfahrungen zu übersetzen, zu befreien in Sprache, wird zitternd der Umriß Bachmanns, der ganzen, schon sichtbar, die Einheit von Leben und Schreiben, die den Klatschvoyeuren wie den reinen Textspezialisten entgeht. Und man ahnt, wie dieser Gegenentwurf zu allem Krampf der Hagiographen, der Polemiker oder einer nur feinsinnigen Philologie aussehen könnte, die „wahre Figur“ Bachmanns, die ganze, nicht mehr aufgespalten: „befreit und groß“.
Reinhard Baumgart, Vorwort
– Ingeborg Bachmann im Urteil ihrer Kollegen. –
Berühmteste Autorin der Nachkriegszeit, lyrisches Glückskind, weiblicher Peter Handke, Undine und Kassandra als Lazarus, Jeanne d’Arc des Feminismus, Beute der Feministinnen, Dichterin im Mainstream-Kitsch der verdrucksten Adenauer-Jahre – so weit auseinander driften die Urteile in den Essays von Autoren über Ingeborg Bachmann, die Reinhard Baumgart gesammelt hat. Fazit: Autoren der jungen Generation üben sich im Kopfschütteln, Autorinnen weichen in erzählerische Improvisationen über Motive der Bachmannschen Biographie (Judith Kuckart) oder in Neukonstruktionen aus Abbruchmaterial Bachmannscher Verse aus (Kathrin Schmidt). Unter den meisten geht offenbar die Angst um, der Sympathie mit Ingeborg Bachmann verdächtigt zu werden.
Unbefangener sind da die älteren Autoren, die den Aufstieg der österreichischen Dichterin mit ihren Gedichtbänden Die gestundete Zeit (1953) und Anrufung des Großen Bären (1956) oder gar ihre Auftritte in der Gruppe 47 noch unmittelbar erlebten. Überraschend verhalten äußert sich Joachim Kaiser. Er gesteht, ihrer „Königinnenallüre“ erlegen zu sein, sieht aber in dieser Allüre auch den Grund für die enormen Vorbehalte der Jüngeren gegen die „Dame Dichterin“. Reinhard Baumgart hat die Entstehung und Korrektur ihrer Texte eine Zeitlang als Lektor des Piper Verlags begleitet und war „zuständig für die Ausnüchterung aller Himmelfahrtstendenzen“ im Prosaband Das dreißigste Jahr. In der späten Prosa entdeckt er sogar Humor, allerdings von jener Ungemütlichkeit, wie sie „in aller k.u.k. Untergangsliteratur üblich“ ist. Peter Hamm dagegen hält in seiner Bachmann-Rede von 1986 weiterhin an seinem „Bedürfnis nach Heiligen“ fest. Zum „Künstler als Märtyrer“ – hier stellt Hamm die Dichterin zu Paul Celan – „gehört jedenfalls der hohe Ton, der feierliche Ton“.
Peter Demetz bleibt auch beim Wiederlesen der frühen Gedichte von Ingeborg Bachmanns „poetischer Energie“ beeindruckt, konstatiert aber auch eine kleistische Süchtigkeit „nach Grenzüberschreitungen in einem rigorosen Sinn“. Am Roman Malina mißfällt ihm „sein geschwätziges Wiener Arkadien (Seelenmarter in der Eden-Bar und im Sacher)“, er „hängt“ an einer gattungsübergreifenden Sprache („nicht mehr ganz Lyrik, noch nicht ganz Prosa“), wo Ingeborg Bachmann „Undine“ ist:
noch halb in den Fluten, aber noch nicht ganz auf unserer Erde
Können junge Autoren, nach ihrer Meinung über die Etablierten befragt, überhaupt anders reagieren als egozentrisch? Thomas Kling jedenfalls kann es nicht. In seiner Philippika bricht ein Unwetter über Ingeborg Bachmann herein, es hagelt Vorwürfe wie „artifizielle Schneewittchenhaftigkeit“ der Verse, „Kulissenschieberei“ oder „unelegantes Gewuchte von Bildern“. Der Österreicher Franzobel, Träger des Ingeborg-Bachmann-Preises von 1995, hat sich auf die Suche nach der Namengeberin gemacht und in ihr eine Österreich-Flüchtige gefunden – willkommene Gelegenheit, in den Schmähchor der Österreich-Verächter einzustimmen. Aber die Hochachtung für die Dicherin wird zweischneidig, sobald Franzobel auf die „verwelkten“ Blüten der Gruppe 47 zu sprechen kommt: „Die Muse dieser Herrenrunde war eine begabte und vor allem hübsche Dichterin.“ Ulrike Draesner reibt sich an Ingeborg Bachmanns „Überreizung der Analogie zwischen Weiblichkeit und Opferrolle“. Die Lyrik hält bei der Wiederlektüre nicht stand:
Kraftvolle Verse, doch oft zahm. Gelungene Gedichte, aber so leicht durchschaubar.
Zu mühelos sei Ingeborg Bachmann in den Literaturbetrieb geglitten, und zu spät habe sie bemerkt, daß „das Autorinnenwams, das im Konfektionsladen des Betriebs im Regal lag“, ihr nicht paßte.
Norbert Niemann fühlte sich zunächst durch die öffentliche Diskussion und den Alleinanspruch des Feminismus auf Ingeborg Bachmann als Leser geradezu abgeschreckt. Erst mit der Verleihung des Ingeborg-Bachmann-Preises im Jahre 1997 fiel bei ihm die Blockade. Neues Licht wirft ihm das Medienzeitalter auf das Credo der Dichterin, erst die Sprache der Poesie hauche den menschlichen Beziehungen Leben ein. Jeder Werbepsychologe, jeder Fernsehproduzent und jeder politische Medienberater wisse, daß er Wirklichkeiten zuerst erfinden müsse, um Realitäten zu erzeugen. Gegen solche Analogie spricht aber beispielsweise Ingeborg Bachmanns kritisches Gedicht „Reklame“, die Entlarvung der Medienbotschaft als Trug; solcher Nachweis von Heutigkeit hätte sie kaum glücklich gemacht.
Am 25. Juni wäre Ingeborg Bachmann fünfundsiebzig Jahre alt geworden. Dagmar Leupolds poetisches Genrebild einer römischen Teestunde und Hilde Domins und Ulla Hahns Bezeugung des Einverständnisses mit der Dichterin hätten durchaus in eine Geburtstags-Festgabe gepaßt. Die Kommentare der jüngeren Autorinnen und Autoren wären da schon eher Danaergeschenke.
Ingeborg Bachmann wurde 1926 in Klagenfurt geboren, ein wenig ist dies also ein Bachmann-Jahr, sie wäre am 25. Juni 75 Jahre alt geworden. Es ist schwierig, sich das vorzustellen: Alle Bilder zeigen sie mit jugendlicher Attitüde, und auch ihre Texte erlauben nicht den Gedanken an eine alte Frau. Nicht einmal die unveröffentlichten, die im letzten Jahr herausgegeben wurden. Entsprechend handeln die Gedichte von dem Ineinander von Lebenshunger und Todessehnsucht. Es sind, wie sie selber bekannte, „keine Delikatessen“. Zu einem nicht geringen Teil spiegeln sie das Kaputtsein der Dichterin wider.
Der soeben erschienene Sammelband Einsam sind alle Brücken geht von dem hohen Ruhm der Dichterin aus:
Noch immer: Sie wird verehrt und geschmäht, geliebt und gehasst.
Die Herausgeber Reinhard Baumgart und Thomas Tebbe haben Bekundungen eingeholt, von Autoren und Kritikern. Da kommt ein facettenreiches, nicht eben widerspruchsfreies Bild zu Stande. So gehört es sich auch für diese zerrissene Dichterin.
Baumgart charakterisiert den Band mit seinen 15 Beiträgen im Vorwort sogar als „Stimmengewirr“, natürlich als ein produktives! Er stellt fest, dass Ingeborg Bachmann für die Jüngeren nur noch als „Wortgespenst“ greifbar sei, was eine reichlich befremdliche Charakterisierung für einen toten Dichter ist. Vier der Beitragenden haben sie noch gekannt: Peter Demetz, Joachim Kaiser, Peter Hamm und Reinhard Baumgart. Dazu wäre noch Hilde Domin zu zählen, die einen Münchner Nachmittag mit der Dichterin verbracht und einige Briefe mit ihr gewechselt hat. „Ingeborg Bachmann und Günter Eich“, schreibt Domin, „das war das Deutschland, zu dem Menschen wie wir zurückkamen.“
Ingeborg Bachmann erhielt 1953, erst 27-jährig, den Preis der Gruppe 47 und ging wie ein Stern am Himmel der Nachkriegsliteratur auf. Joachim Kaiser weist das ihrer Allüre zu; „jäh, unwiderstehlich, blendend“ habe sie den wackeren Schriftstellern der Gruppe 47 deutlich gemacht, was das sei: eine „Dichterin“, eine „Auserwählte“. Er schreibt von „einer Mischung aus Scheu und Glanz, aus tränennahem Flüstern und der Aura von Unnahbarkeit, Unbesiegbarkeit“.
So wirkt sie offensichtlich für viele jüngere Poeten nicht: Thomas Kling rechnet die Bachmann-Gedichte umstandslos der für ihn „schwer erträglichen“ Nachkriegslyrik zu:
Ein angestrengtes Waten in Vierfruchtmarmelade, möchte ich sagen, in der Vierfruchtmarmelade der Bilder, versteht sich.
Ihre schnelle Karriere weist Kling dem Bedürfnis der Literaturöffentlichkeit zu:
Es war Anfang der Fünfziger die Planstelle für die Poetessa (nur eine bitte!) im deutschsprachigen Raum neu zu besetzen.
Dabei überzieht Kling sein Konto recht erheblich, wenn er sie „dem Mainstream-Kitsch der verdrucksten Adenauer-Jahre“ zurechnet und ihre Gedichte als „Kulissenschieberei“, als „ein unelegantes Gewuchte von Bildern“ diskreditiert.
Da braucht es den genauen Bericht von Reinhard Baumgart über seine Lektoratserfahrungen mit Ingeborg Bachmann oder die Analyse von Norbert Niemann, um diesem Schnellgericht entgegenzutreten:
Hier ging jemand aufs Ganze, setzte sich einem Höchstmaß an Radikalität aus.
Niemann vergleicht die Prosa Bachmanns mit der neuesten deutschen Prosa, die „mit einer affirmativen Geste des Authentischen auftritt“, und hält diese – ihr gegenüber – allenfalls für „puppenhaftes Geplapper“.
Insgesamt ein interessanter Band, gerade weil die Annäherungen an die Bachmann und die Abgrenzungen zu ihr so entschieden und verschieden ausfallen. Oftmals stehen beide Haltungen im selben Beitrag nebeneinander. Etwa bei Peter Hamm:
Was aber brauchte ich damals, 1953, von Ingeborg Bachmann? Die Antwort ist so anmaßend wie nahe liegend. Ich brauchte ihr Unglück. Ihr Unglück und ihren Glanz, den sie aus diesem Unglück bezog. Ihre Hilflosigkeit war hilfreich.
Rolf Löchel: Das fünfundsiebzigste Jahr
literaturkritik.de, Juni 2001
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