WIE ENTSTEHT EIN GEDICHT?
Der Dichter Peter Rühmkorf,
nachdem er sich ein Ziel aufgebaut hat,
nimmt einige Meter davor Aufstellung
und läuft hindurch: Applaus.
Gleich stellt er sich wieder auf, kommt
zurück, zerreißt das neu gespannte
Zielband, kehrt jubelnd um.
Auf dem Wege zum Parkplatz hören wir wieder
das Klatschen des Publikums im Stadion.
Gedichte nach der streng ausgeklügelten Prosa dieses Autors: streng ausgeklügelte Gedichte. Aber:
Bei Gedichten werden, wie im vorliegenden
Fall, die Zeilen nicht voll geschrieben.
Links und rechts
Luft schützt vor Fabel.
Privates verleiht Authentizität, wird literarisch plausibel durch das sprachliche Kalkül. „In memoriam Peter S.“ meint einen ganz bestimmten, für jeden, der ihn kennt, ausreichend bezeichneten Herrn S … und liefert, gleichsam nebenher, eine theoretische Äußerung zur Lyrik. Bischleben bei Erfurt, der Geburtsstadt des Autors heute eingemeindet, ist der imaginäre Ort, an dem er sich mit seinem Freund Uwe Bremer trifft. Auseinandersetzungen mit Grass’ Schweinekopfsülze oder mit Peter Rühmkorf sind gleichermaßen privat wie verbindlich als Markierung literarischer Positionen. Lapidare Feststellungen tauchen aus einem Geblink auf, das anglikanischen Nonsens-Vorstellungen verpflichtet ist. Durch eine geschickte Manipulation wird aus einer Minderheit, die eine Mehrheit ist, eine Mehrheit, die eine Minderheit ist. „Luft schützt vor Fabel.“ Lettau nennt in diesen Gedichten ungeniert beim Namen, wen und was er meint, und er sagt, was er meint und sagt es so, daß man genau weiß, wie es gemeint ist.
Literarisches Colloquium Berlin, Klappentext, 1968
Reinhard Lettau auf einem Foto in der Sammlung von Michael Krüger, der darüber erzählt.
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