Beim Residenz Verlag in Wien erscheinen gelegentlich auch Lyrikbände – nicht viele, aber dafür mit lyrischem Gewicht. Des Blickes Tagnacht (mit Audio-CD; Salzburg, Wien, Frankfurt am Main 2002) macht dem Namen des Verfassers alle Ehre: Auf 300 Seiten werden 83 von Uwe Dick selbst ausgewählte Gedichte (auf sieben Zyklen verteilt) aus den Jahren 1969–2001 versammelt; abgeschlossen wird der Band mit einem umfangreichen Essay von Gerald Stieg. Unter den zumeist recht langen (immer wieder bärenstarken) Gedichten finde ich dieses kurze von 1996, dessen letzten Vers alle Dichter und Verleger den Buchhändlern um die Ohren hauen sollten:
„Gedichte gehen nicht!“
nölt der Buchhändler.
„Ja“, sag ich, „sie fliegen.“
Erwin Einzinger läßt in Kleiner Wink in die Richtung, in die jetzt auch das Messer zeigt (1994) die lyrischen Muskeln spielen. Einzinger, von dem ich bislang nur vereinzelt Gedichte gelesen hatte, erobert mein Herz im Sturm mit diesen ironischen, jovialen, kraftvollen, phantastischen, synästhetisch montierten wortreichen Gedichten, deren Frische mich während der Lektüre an einem Tag im Jahre 2004 umsprüht. Erwin Einzinger ist ein Autor, den ich nach 2000 auf keinen Fall missen möchte. 1999 erschien bereits die dritte Auflage der zwischen 1960 und 1991 entstandenen Gedichte von Ernst Herbeck (1929–1991). Im Herbst da reiht der Feenwind lautet der Titel des 236seitigen Buches, in dem Sie die ungewöhnliche Entwicklung der poésie brute Ernst Herbecks, der ja beinahe ausschließlich „Gedichte auf Kommando“ geschrieben hat, fein verfolgen können:
DER TOD
Der Tod ist ganz groß.
Der Tod ist groß.
Der Tod ist grütze.
Der Tod ist schön.
Der Tod ist auch.
Der Tod der Tiere.
Der Tod ist auch dumm.
Ich kann in den Tod gehen.
Der Tod in der Schule als Mädel.
Menschenskinder, was habe ich in letzter Zeit wieder an Dichterstimmen entdeckt! Und wie viele harren noch der Entdeckung!? Peter Horst Neumann gehört zu denen, von denen ich noch gar nichts kannte. Und auch Pfingsten in Babylon (1996) ist ein Lyrikband bei Residenz, der mich nicht enttäuscht – im Gegenteil! Geistreiche, kurze, pointierte, feine Verse:
Von wem geschrieben,
wem gilt unser Wesen.
Mit mir und manchen
teilst du deinen Ort.
Nie wird ein Buchstab
einen andern lesen.
Buchstäbin neben mir,
wir sind im Wort.
Erschienen in: Theo Breuer – Aus dem Hinterland, Edition YE, 2005
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