SO DA
für Penelope
La. La. La la.
Wo bleibt das Lied.
Was mißriet
am Leben
je. Mehr?
Oder weniger –
Tage, Nächte,
diese
Tage. Vorbei ist
vorbei, für immer
jedesmal, alter Freund
der hier spricht. Ich will
bleiben, irgendwie,
wenn ich könnt –
wenn ichs tät? Wo sonst
soll ich hin.
Das Meer hier liegt
vorm Fenster, altes
Weichenstellerhaus, senkrecht,
Eisenbahnblues, lonesome
whistle, etc. Erinnerst
du dich an Yee’s Cafe
in Needles, California,
gegenüber dem Bahn-
hof – behältst du
es jemals
beisammen, Alter, versenkt
in Selbstgespräche wieder?
Inzwischen hat so ein Heini
in Hamilton uns hoch-
gehn lassen an einem zauberhaften
Abend den ich gern anders
in Erinnerung behalten hätte –
den Fluß da, diesen
Nachmittag, da sitzen,
Freunde, Wein & Hühnchen,
zusehn wie die Welt vorbeizieht.
Glücklichsein, Glücklichsein –
so einfach. Was ist
das für Zorn ist das
Konkurrenz – traurig! –
wo das hier wenigstens
frei ist,
um es freundlich zu sagen.
Meine Tante Bernice
in Nokomis,
Florida, letzter Akt,
ein Gedicht zu G. Washingtons
Geburtstag. Willst du etwa
sagen „das ist schlimm“?
In Amerika, alter Sportsfreund,
schießt man erst, dann redet man
oder führt dich einfach aus zum Essen.
Kein Ärger, jedenfalls
nicht im Moment,
hier sitzend bei Brot,
Käse, Butter, Weißwein –
wie Bolinas, „Walfänger-Stadt“,
mein Zuhause, wie man sagt,
in Amerika. Es ist eine Welt,
es kann keine andere sein.
So erhebt sich,
neben mir, die Schönheit,
blickt jetzt aus dem Fenster –
und Atem fährt zu atmen fort,
am Herzen zieht
eine plötzliche tiefe, traurige
Sehnsucht, dableiben
zu wollen – ein anderer
zu sein eines Tags,
wenn ich groß bin.
Die Welt ist irgendwie
andauernd so
und ihre herrlichen, unruhigen,
aufgewühlten Küsten rauschen jetzt
in meinen Ohren. Ohren?
Nun, was ich da am Kopf
als zwei Hautzugaben hab,
bekommt man eben mitgeliefert.
Ich will daran keine
Worte verschwenden.
Morgen
ist es anders, vorbei,
abstrakt, neue Orte –
weiter. Ist dies
ein alter sonderbarer
Odysseustrip
ohne Ruder – immer hinter
dem dicken Ende her?
Ich denke an dich,
Baby, denke
an all die Dinge
die ich sagen möchte, tun.
Altmodische Zeit
ist nötig, um überhaupt,
irgendwo, zu sein.
Weiter. Mr. Ocean,
die größten blauen Augen
auf dem Erdenkreis
sind Mr. Skys –
here comes the sun!
Solange wir können,
tun wirs doch, halten
wir uns ran.
26.3.
Solcherart in knapp mehr als zwei Monaten durch neun Länder zu reisen (die Fidschi-Inseln waren mein erster Halt sozusagen), ist eine ausgesprochen amerikanische Erfahrung, und die dadurch hervorgerufenen Aufzeichnungen sind persönlich in einer Weise, die nicht bloß Ausdruck meines eigenen Egozentrismus ist, sondern eben auch ein Befund amerikanischer sozialer Wirklichkeit. Der Tourist wird stets ein einzelner sein, was immer seine sonstigen Umstände sein mögen – und ich glaube, in einem gewissen Sinn betrachten Amerikaner die Welt immer noch als etwas zum Anschauen oder zum Benutzen statt zum drin Leben. Ich fand immer wieder, daß andere kulturelle Modelle, ob sie nun samoanisch, chinesisch, malayisch oder philippinisch waren, sich nur schwer jemanden als einzelnen vorstellen konnten, und man mußte ihnen solch vertraute Begriffe wie „Kleinfamilie“ oder „Entfremdung“ buchstäblich übersetzen. Wo unsere gewohnten sozialen Werte ständig die Isolation fördern – das Haus auf dem Land, die Kinder auf guten Schulen – finden die ihren notwendigerweise Zentrum und Kraft im Kollektiv, sofern es nicht schon zerstört ist durch westliche Ausbeutung und Gier.
Unlängst, als ich in einem Gemeindezentrum in Indianapolis Gedichte las, fragte mich ein Angehöriger der schwarzen Gemeinde dort, wie ich denn auf die Philippinen oder nach Südkorea gehen konnte – Länder, in denen eindeutig faschistische Regimes an der Macht sind – gestützt durch unser Außenministerium. Dieselbe Frage stellte mir ein wirklich alter Freund, Cid Corman, in Kyoto. Was konnte ich darauf antworten? Daß ich nun einmal Amerikaner bin? Daß diese Regierung auch die meine ist? Wie gerne würde ich eine so einfache Rechtfertigung finden. Nein, ich fuhr, weil ich es wollte – weil ich schauen wollte, sehen, selbst so kurz nur, wie sich Menschen in diesen Teilen der Welt eine Wirklichkeit schaffen, weil ich reden wollte, darüber, wie es ist, Amerikaner zu sein, über den vergangenen Krieg, über Macht, das alltägliche Leben in diesem Land, meine Dichterkollegen und -kolleginnen, meine Nachbarn in der Fargo Street in Buffalo, New York. Und weil ich schließlich Mensch sein wollte, sei dieser Wunsch auch noch so naiv. So habe ich also selbst mein Glück versucht und bemerkenswerterweise Gesellschaft gefunden. Meinen innigsten Dank an alle.
R. C., Nachwort
von Robert Creeleys Reisejournal HELLO – von Kennern seines Werks als gelungenster und gleichzeitig zugänglichster seiner mittleren, sequentiell komponierten Lyrikbände bezeichnet – wird dem deutschsprachigen Leser erstmals ein vollständiger Gedichtband dieses großen amerikanischen Lyrikers erschlossen.
Eingebettet in den Erzählrahmen einer Vortrags- und Lesereise, die den Dichter 1976, im Jahr seines 50. Geburtstages und an einem Wendepunkt seines Lebens, innerhalb weniger Wochen durch neun Länder Südostasiens führte, verzeichnen die Gedichte und poetischen Splitter dieses Bandes seismographische den Weg eines Reisenden von der Entfremdung und Einsamkeit des Touristen zu einem langsamen Herantasten an die Welt, von Ort zu Ort, von Moment zu Moment. In diesem Versuch, sich auf die Welt und ihre Bewohner „einzuschwingen“, breitet Creeley kaleidoskopisch sein ganzes poetisches Repertoire aus, wie es in dieser konzentrierten Vielfalt in seinem Werk ihresgleichen sucht.
Voller Anspielungen – von Popsongs bis zu seinen poetischen Gewährsleuten –, voller Wortspiele, voller zermürbender Selbstanalysen, ist der ganze Text doch getragen von einer warmherzigen Grundstimmung, in der menschlichen Gemeinschaft zu Hause zu sein.
Verlag Droschl, Klappentext, 1992
Frauke Hamann: „Wörter, ihr seid immer bei mir“. Lesung von Robert Creeley am 30.1.1995 in Hamburg.
Robert Creeley liest sein Gedicht „After Lorca“.
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