IM TRÜBEN ABGEFISCHT
die vision von wassern die das frührot spaltet
Wolfgang Hilbig
so sah ich mich nein war ich bin ich
gegangen durch die orte in den wassern
dort fand ich mich bald auf dem weißen friedhof
ein rechteck in den maßen eines körpers
ward jedem zugewiesen für die zeit was
ist schon ein knappes hundert unter blumen
die jahreszeiten frisch erblühn das ist schon
das höchste was man kann und will erwarten
und menschentöne die von kind an nahen
und ein gehäuse voller sonnenfenster
wo sich im treppenhaus die schatten zirkeln
mach alle türen auf damit die seele
sich nicht verfängt in dem gebauten zimmer
im tode gingen frauen weiß im leintuch
sind ihre stimmen schweigend mitgegangen
beim sichten wüsten landes sind visionen
die noblen bauten dort am rand die festung
zeigt ihre herberge: nomadenzelte
gewandert wird gewandelt wie gewandet
die sprache eingetauscht das trauerlaken
als freudenfarbe hochzeitsweiß getragen
so läßt sichs leben mit dem gleichklang: einklang
an künstlich angelegten wasserwegen
doch drunter sind sie nach wie vor vorhanden
die baumstümpfe mit algen überzogen
im alten steinbruch glimmerplättchen leuchten
das sind die hundeaugen aus der sage
bei sonnenlicht das wasser deckt vollkommen
die grünen grundrisse der dreiseithöfe
am strande oben sehn verstörte menschen
den grund nicht – wärs vision wär das ertragbar
wer keinen grund sieht muß im nirgends ankern
so bleibt der unterlegene gewinner
nicht feind den gibt es nicht in meiner sprache
und sieger gibt es auch nicht das dilemma
begann wohl mit der wäßrigen bezeichnung
verschwommen die konturen der bedrohung
ins lächerliche abgetan die nöte
und das erinnern ist versackt in sprüchen:
den ohne habe braucht nichts kümmern
die stimme zittert bei den alten worten
im mund von kindern buchstabiert die botschaft
mutiert zum werbespruch mit zukunftsbonus
In ihren Versen ist eine Unmittelbarkeit, mit der sie dem Geschehen sinnbildliche Gestalt sowie eine Körperlichkeit verleiht und die Anwesenheit ihres ICHs als Dichterin überzeugend darstellt, um phantasievoll und übermütig ihr poetisches Wirken auf eigene, unverwechselbare Weise autonom und frei in jeder Hinsicht auszusprechen, aufzuschreiben und also zu leben. Heute und hier. Im Zwieland mit doppelzüngiger Duellität.
Ankündigung in Carl-Christian Elze: Poesiealbum 353, MärkischerVerlag Wilhelmshorst, 2020
Eine ganze Welt liegt da zwischen zwei Buchdeckeln – reich, schön, aber auch verstörend.
Ilma Rakusa
Eine Landstreicherin über Traditions- und Sprachgrenzen hinweg.
Gerhard Wolf
Wo aber die Dichterin die Wörter aus ihren nationalsprachlichen Verankerungen löst und sie in ihr poetisches Zwischenreich der vokabulären Unruhe entführt, in dem staunenswerte poetische Metamorphosen stattfinden, da präsentiert sie sich als Autorin von europäischem Rang.
Michael Braun
Aber Domašcyna erläutert nicht etwa nur Sprachliches. Vielmehr erzählt sie Geschichten anhand der zunächst unbekannten Wörter, mit denen sie spielt.
Zsuzsanna Gahse
Ich kenne auch ihre Gedichte, die großartig, frech und tiefsinnig sind.
Peter Handke
Mit Witz und Leichtigkeit wechselt sie zwischen den Sprachen, zwischen Andacht und Übermut, Ernst und Spiel.
Karin Großmann
Überaus prägnant und eindrucksvoll ist das Verfahren der Autorin, die dörfliche Welt zu einer Projektionsfläche der Ich-Findung werden zu lassen. So werden ihre Gedichte, die zwischen alltäglichen und philosophischen Sinnebenen pendeln, zu versierten und unbedingt zu entdeckenden Texten.
Simon Scharf
Duett, Duell und Dual breiten sich in den thematischen Kreisen der Lyrikerin aus und faszinieren im Spannungsfeld der Sprachen…
Měrana Cusčyna
MärkischerVerlag Wilhelmshorst, Klappentext, 2020
Róža Domašcyna ist in ihrer sorbischen Heimat zweisprachig aufgewachsen und dichtet auch so; mit Nachdichtungen aus den slawischen Nachbarländern erreicht sie im Spannungsfeld der Sprachen europäische Größe. Mit den jahrhundertealten Erfahrungen ihres Volkes aus Umbruch und Armut faszinieren ihre Gedichte, die in heutiger Unruhe die Tagesqual vermindern sowie die Lebenslust vermehren.
MärkischerVerlag Wilhelmshorst, Klappentext, 2020
Axel Helbig: „leben ist ein windhauch im gras“
Dresdner Neue Nachrichten, 26.5.2020
– Laudatio auf Róža Domašcyna zum Literaturpreis des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst 2018. –
Róža Domašcyna schreibt seltsam bezaubernde Gedichte und Texte, zauberhaft und wirklich in einem poetischen Vollzug wie niemand sonst in gegenwärtiger deutscher Lyrik. Vollzug in zwei Sprachen, sorbisch und deutsch, hervorgerufen aus einer gesellschaftlichen Tradition, in einer Landschaft mit alten Dörfern bäuerlicher sorbischer Bevölkerung und gewalttätig veränderter Natur durch die Industrie der Braunkohletagebaue mit zugewanderten Arbeitern deutscher Herkunft: Aus diesem Zwiespalt sucht und findet sie die Sprache für ihre Dichtung.
Lassen Sie mich versuchen, diesen Anspruch zu begründen.
„Wer den Dichter will verstehen, muss in Dichters Lande gehen“, fordert Goethe, und das Land unserer Dichterin ist die Lausitz, mit Leuten, die als Lausitzer im Deutschen eigentlich nicht so genannt werden. Nur im Polnischen kennt man sie als Lausitzki, sagt sie und weiß um die Verwandtschaft des Sorbischen mit den westslawischen Sprachen, dem Polnischen und dem Tschechischen.
Róža Domašcyna, im sorbischen Dorf Zerna im Landkreis Kamenz geboren, Ort ihrer sorbischen Muttersprache von Eltern und Großeltern her, studierte – nach Tätigkeit in Redaktionen sorbischsprachiger Zeitschriften, auch mit ersten Gedichten in dieser Sprache – seit 1979 Ingenieurökonomie des Bergbaus. Sie wurde also mit den drastischen Veränderungen durch die Braunkohleindustrie in ihrem Land direkt konfrontiert und vollzog den Bruch mit diesem Beruf, um am Literaturinstitut in Leipzig zu studieren und sich ihrer Berufung als Schriftstellerin zu versichern.
Die politisch-gesellschaftlichen Veränderungen von 1990 kamen für sie genau zur richtigen Zeit, mit ihren Gedichten, wie wir sie seitdem kennen, hervorzutreten. Warum sie mir und meinem damals gegründeten Verlag vertraute? Sie hat es selbst heiter erzählt:
Da wäre noch die Sache mit dem Namen, sagte Gerhard Wolf. Wie heißen Sie gleich… Thomaschke? Nee, das geht gar nicht… Er nahm mein sorbisches Buch zur Hand… wie wird das ausgesprochen? Ich sagte es ihm. Prima, sagte er, das nehmen wir. So erschien im Jahr 1991 mein erstes Lyrikbuch in deutscher Sprache mit meinem sorbischsprachigen Namen als erstes Buch im Verlag Gerhard Wolf Janus press. Ihm folgten noch drei.
Wie intuitiv richtig ich damit lag, berichtet sie später, wenn sie schreibt:
Das Kind heißt Rosel. Jedenfalls wird sie so gerufen. Es weiß, dass es Rosa heißt, es weiß, dass es in der Schule Róža heißt, es weiß, dass das richtig ist. Es weiß, dass das, was zu Hause gesagt wird, falsch ist. Es spricht so, wie es zu Hause gesagt wird.
So sind schon dem Kind die Sprachschwierigkeiten bewusst, aus denen sie dann als Róža Domašcyna ihre eigene dichterische Sprache findet, die sie in der Welt bekannt macht. Sie selbst sah ihre ersten deutschen Verse damals noch als Experiment, wie man aus einer Sprache in die andere wechselt, um dann von einem Buch zum nächsten – vom Zaungucker, der sich seiner zwiespältigen Lage bewusst werden muss –
Auf großem fuß zu leben – einmal nur –
willst du es kosten, durch die haut, und ganz.
Es nehmen bis zum letzten lämmerschwanz.
um dann im nächsten Band, Zwischen gangbein und springbein,
ein selbstloses ich, vogelfrei
zu verkünden:
Ja
außerhalb der sprachlosigkeit der totalen
verstummung der totalen hörigkeit
wetz ich mir gangbein und springbein
aus dem stand komm ich sag mir laß mich
nicht mal tot sein wenn ich gestorben bin –
um übermütig und phantasievoll über alle Möglichkeiten, die ihr nun zur Verfügung stehen – selbstredend selbzweit selbdritt ihren eigenen poetischen Bereich autonom und befreit nach allen Richtungen hin auszuleben, auszusprechen und auszuschreiben im zwieland mit doppelzüngiger duellität, eine Landstreicherin über Traditions- und Sprachgrenzen hinweg, oft in einem Atemzug vom Sorbischen ins Deutsche wechselnd, beide Sprachen gegeneinander führend, mit ihnen ein übermütiges Spiel zu treiben.
Der schöpferischen Phantasie alle Zügel schießen zu lassen, um daraus eine Poesie zu entwickeln, die nur ihr zugehört.
bewusstlos gemusst zwielautzwillingschlinge
in der die erwartung des niederschlags zappelt
des spruchs ohne ruin
quer durch die ganze grammatik
doppelt verneint heißt einfach bejaht
In der Lyrik der Domašcyna spiegelt sich vor dem Hintergrund ihres Landes ihre Autobiographie. Eltern und Vorfahren werden benannt und aus der Vergangenheit mit der Gegenwart konfrontiert.
Gegenwart, die auch polemisch akzentuiert wird, wenn die Zerstörungen benannt werden, die ganze Landstriche verwüsten, ganze Ortschaften vernichten.
Den Plakatvers
„Man kann uns befehlen,
man kann uns bitten,
wir gehen aber nicht weg;
wir bleiben in Kitten.“
zitiert sie vor ihrem Text „Ausgrenzung“, und ihr Gedicht „Moja hola“ (Meine Heide) skandiert wie eine kämpferische Ballade den unwiederbringlichen Verlust:
bagger gekommen baum umgeworfen haus
abgebaggert
vater gestorben fiedel hinterlassen
bagger gekommen fiedel zerbrochen
niemand spielt Ach, Moja hola
ach mojahola achmojahola ach
Die Stadt Bautzen tritt als „Buddisin 90“ in die freirhythmischen Verse:
Heute pilgert man zum Gelben Elend. Zwi-
schen der tat und dem grund ist weder atem
noch geist. Zwischen dem tag und dem morgen
steht der knast,
ruft sie das berüchtigte Gefängnis ins Gedächtnis. Beschaulich sind ihre Texte nie; ihr Spott gilt der gängigen Spreewald-Folklore,
dem „Ansichtsparadies“ mit „Spreewaldpuppen“
der andacht, der maifeiern Fastnachtsumzüge
trachten-prozessionen.
Ihre vorbehaltlose Liebe gehört den sorbischen Volksmärchen, mit ihrem zauberhaften Reiz unmittelbarer Überlieferung. Die Texte waren ihr seit Kindheitstagen vertraut, als sie ihnen im Hause ihrer Großmutter Hana Chěžcyna in Horki zuhören konnte und seitdem von ihnen so fasziniert war,
daß zum Beispiel eine Weide… zur Elfe wurde
…, Irrlichter erkannte, im Laub des Apfelbaums
einen Drachen schaukeln sah und Maskengestal-
ten, die Fratzen zogen und mir was zuriefen,
eine Fabelwelt mit guten und bösen Geistern, die ihr nicht aus dem Sinn kamen, bis sie beschloss, diese Mythen und Legenden aus der Geschichte ihres Volkes selbst, in ihrer Version, nachzuerzählen, aus weiter Ferne kommende Sinnbilder des gegenwärtigen Gewissens, so dass sie das Buch Der Hase im Ärmel 1997 mit den adäquaten kräftigen geheimnis- und schwungvollen Grafiken von Angela Hampel in der Reihe ihrer Bücher und als Künstlerbuch gestaltet veröffentlichen konnte.
Ungemein sinnbildliche und drastische Geschichten – „Gift im Herzen: Honig im Hintern“, „Zamperzeit“ – die sorbische Fastnacht; Geschichten der Ludki, der Zwerge; „Die wilden Frauen“ – „Die Teufelin peinigt mehr als der Teufel“, wie es in einem der alten Sprichwörter heißt, die im Buch den Sagen gleichnishaft zugesellt sind; die Streiche Pumphots, eines sorbischen Eulenspiegel, der den preußischen Feldmarschall, den alten Dessauer, zum besten hält, indem er dessen Soldaten in Hirsekörner verwandelt. Viele der Märchen haben einen historischen Hintergrund. Vom Siebenjährigen Krieg ist die Rede und „Wie man das Sterben überlistete. Eine üppige Märchenwelt, „Merkwürdigkeiten“ und „Alltägliches“ in turbulentem Treiben, zu dem Angela Hampels „geflügelte hunde“ ihrer radikalen Grafiken dazu gibt; wie der Hase tatsächlich durch den Ärmel fährt. Unbändige gestische Bilder, die dem Text an Schärfe nicht nachstehen. Geben wir dem hinterlistig-kruden Humor einmal die Gelegenheit, wie aus einer alltäglichen Begebenheit aus Gut und Böse eine hinterhältige Szene die Sätze findet:
NICHT SO SCHLIMM
„Grüß Gott, Junge!“
„Nicht mehr Junge.“
„ Wieso denn das?“
„Hab mir eine Frau genommen.“
„Das war gut.“
„Nicht so gut.“
„Wieso denn das?“
„Andere sind zu ihr gekrochen.“
„Das war schlimm.“
„Nicht so schlimm.“
„Wieso denn das?“
„Einer ließ drei Taler hier.“
„Das war gut.“
„Nicht so gut.“
„Wieso denn das?“
„Die Steuer fraß die Taler.“
„Das war schlimm.“
„Nicht so schlimm.“
„Wieso denn das?“
„Vom Rest mästete ich zwölf Schweine.“
„Das war gut.“
„Nicht so gut.“
„Wieso denn das?“
„Die Frau ertrank im heißen Schmalz.“
„Das war schlimm.“
„Nicht so schlimm.“
Wie in der Fabel besticht in den Versen der Róža Domašcyna die Unmittelbarkeit, mit der sie das, was geschieht, sinnbildlich Gestalt werden lässt, so dass man geradezu von der Körperlichkeit in ihren Gedichten sprechen möchte. Anwesenheit der Person selbst, als ich, die sich ohne Scheu offenbart und aussetzt, uns ins Vertrauen zieht, wenn wir es wollen.
Und da hab ich noch die zwiebeln, die ich für
dich zu zöpfen geflochten habe
beginnt eines der Gedichte, die sich aus der Alltäglichkeit zum intimen Geständnis entfalten. Róža hat Liebesgedichte geschrieben, erotisch direkt und diskret, Geständnisse, wie man sie sonst nicht kennt.
Aufwach schöne Seele,
geh zu deinem Leibe,
zitiert sie als Motto nach einem sorbischen Lied, um zu gestehen:
wo du nicht bist bin ich auch nicht
…
nichts wird dich retten vor mir
…
wenn du da bist
kehrt der leib zurück
sagt sie wie selbstverständlich und in Kenntnis des Sorbischen, das in der Mehrzahl auch den Dual kennt, Dual für zwei Personen, zwei Frauen, zwei Männer und auch für Mann und Frau:
den gang deiner augen
dem akt vor dem spiegel
selbzweit
Nach einem Vers von Anna Achmatowa sagt sie:
Nur berühren
will ihn nur berühren
…
seine pulse hetzen
so wie – jetzt
leg ich meine hand auf die seine
ganz einfach und ganz leicht
umschließe ich sie
die hand meines mannes
in der hand einer frau
Ich kann nur Beispiele geben. Als Abschluss noch das:
EPITAPH
alles außer dir
ist auch außer mir
wie dieser flache hügel
da ist nichts drin
da du ja in mir bist
„Hab meinen Körper noch nicht getilgt“ heißt es, und wir stimmen ihr zu, wie sie es von Gedicht zu Gedicht vor unseren Augen geschehen lässt, frank und frei, „Zampern ohne Zaum“, „unterm Doppelstern“, „Plapperwasser“, „Frostfraß“ und „Wortall“, sie hat aus dem Sorbischen für unser Deutsch neue Worte gefunden.
Es ist eine gute Wahl, diesen Sächsischen Literaturpreis 2018 an Róža Domašcyna in Hoyerswerda zu überreichen.
Die Stadt im Zentrum der Braunkohlenindustrie, einzige Möglichkeit, die DDR mit der lebensnotwendigen Energie zu versorgen, zwiespältige Stadt mit erstem Aufbauethos, das Hoywoy Volker Brauns, der mit seinem Kipper Paul Bauch zugleich allen Übermut kräftig auf die Schippe nahm. Stadt der Brigitte Reimann, die hier ihre „Ankunft im Alltag“ fand, um dann die aus dem Sand errichteten genormten Plattenbauten in Protest und Prosa aufs Korn zu nehmen.
In Hoyerswerda gab es den Freundeskreis von Arbeitern und Ingenieuren, den Martin und Helene Schmidt leiteten, in dem kritische Schriftsteller und Künstler mit Lesungen und Ausstellungen auftreten konnten, wie man sie sonst im Lande kaum fand. Ich erwähne das, weil man es heute nur zu gern vergisst.
Unsere Preisträgerin ist dieser Szene, wie ich höre, heute aktiv verbunden. In Wuischke am Czorneboh siedelten sich damals aufsässige Autoren, wie Heinz Czechowski, Adolf Endler und Elke Erb an, um fern vom offiziellen realsozialistischen Literaturbetrieb in der Nachbarschaft des sorbischen Dichters Kito Lorenc zu leben und zu schreiben. Lorenc, der von seiner Struga in zwei Sprachen dichtete.
Heute liest der in Frankreich lebende Peter Handke im Suhrkamp Verlag aus den Texten seines Freundes. Nicole Bary gab Gedichte von Róža Domašcyna in französischer Übertragung heraus: der Dichterin wurde 2003 in Paris der Prix Evelyne Encelot verliehen; sie ist mit Nachdichtungen aus dem Polnischen und Slowakischen bekannt geworden – eine Autorin, die in europäischen Ländern weit über Deutschlands Grenzen hinaus publiziert…
Es wäre an der Zeit, dass sich hier ein großer Verlag ihres Werkes annimmt, um es nach den verstreut erschienenen Titeln, den vergriffenen Erstausgaben, würdig herauszugeben. Vielleicht gibt die heutige Veranstaltung dazu einen Anstoß.
Denn, dass der Freistaat Sachsen Róža Domašcyna jetzt seinen Literaturpreis verleiht, gilt mir als gültige Anerkennung und Heimholung ins Land ihrer Herkunft aus zwei Sprachen, denen sie durch Poesie Weltgeltung verlieh. Wer hätte das einst, Róža, von einem Zaungucker gedacht!
Sie, die heute schlicht und einfach sagen kann:
WO ICH BIN
wächst gras. Dazwischen ist ein kahlgetretener
pfad, der die längsachse des körpers teilt, was
aber auf der rasenkante nicht sichtbar wird. So
bleibt der zwiespalt in der person stecken, wie
die vorstellung, nach dem tode etwas auszuhal-
ten, zu etwas nütze zu sein. Humus, der die
halme anfeuert zur blüte.
Gerhard Wolf, Ostragehege, Heft 90, 8.12.2018
Dichterinnenporträt von Róža Domašcyna im Haus für Poesie am 3. Februar 2022. Moderation Hans Thill.
Róža Domašcyna und Volker Sielaff sprechen über ihre Dichtungen und lesen aus ihren Werken.
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