Sabine Schiffner: Nach Georg Trakls Gedicht „Der Herbst des Einsamen“

Mashup von Juliane Duda zu der Beitragsserie „Im Kern“

Im Kern

– Nach Georg Trakls Gedicht „Der Herbst des Einsamen“. –

 

 

 

 

GEORG TRAKL

Der Herbst des Einsamen

Der dunkle Herbst kehrt ein voll Frucht und Fülle,
Vergilbter Glanz von schönen Sommertagen.
Ein reines Blau tritt aus verfallener Hülle;
Der Flug der Vögel tönt von alten Sagen.
Gekeltert ist der Wein, die milde Stille
Erfüllt von leiser Antwort dunkler Fragen.

Und hier und dort ein Kreuz auf ödem Hügel;
Im roten Wald verliert sich eine Herde.
Die Wolke wandert übern Weiherspiegel;
Es ruht des Landmanns ruhige Geberde.
Sehr leise rührt des Abends blauer Flügel
Ein Dach von dürrem Stroh, die schwarze Erde.

Bald nisten Sterne in des Müden Brauen;
In kühle Stuben kehrt ein still Bescheiden
Und Engel treten leise aus den blauen
Augen der Liebenden, die sanfter leiden.
Es rauscht das Rohr; anfällt ein knöchern Grauen,
Wenn schwarz der Tau tropft von den kahlen Weiden.

 

Du heller Herbst

einst warst du in der laune und maltest mir zwei graue vogelflügel
und hast dir meine wünsche in die ohren flüstern lassen
jetzt bringt das wetter wieder überraschend blau und leuchten
eichhörnchen auch und igel die so wie ich nach etwas suchen
du heller herbst mit deinem laub von gingko wein und buchen
wirst du es wieder brechen dein mir gegebenes versprechen

ich gehe schnellen schritts zu meinem nordparkhügel
bevor die zeit schon wieder umgestellt wird und die sinne trübt
ein schäfer treibt die herde an die hunde laufen drumherum
die hören gut die bellen nie husch husch nach haus bevor es dunkel wird
vor den verlassenen kasernen weht ein kalter wind
und endlich tritt der abend ein an dem die kinder bettler sind

dann warte ich nicht länger nehm die zügel in die hand hol
mir den allerschönsten mann aus einem digitalen land
muss blaue blicke haben zieh ihm auch schwarze schwingen an
stehe nackt da und habe selber überall so weiche rote wunden
und kalt wird mir wenn du als er mich streichelst kommst oh
heller herbst willst du es wirklich brechen dein mir gegebenes versprechen

Sabine Schiffner, aus Mirko Bonné und Tom Schulz (Hrsg.): TRAKL und wir. Fünfzig Blicke in einen Opal, Stiftung Lyrik Kabinett, 2014

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