Sadiq Bey: Albert Ayler bläst in sein Horn und verkündet das Ende

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Sadiq Bey: Albert Ayler bläst in sein Horn und verkündet das Ende

Bey/Friedrich-Albert Ayler bläst in sein Horn und verkündet das Ende

BÖHME-SUITE

Wir feiern diesen Schleier von Schwärze.
Wir entdecken diese Umarmung, in der
das Leben beginnt, die Spirale, die alles umfasst.
Doch warum ist es schwarzgesichtig, das Universum?

Es vereinigt ein jedes mit einem jeden.

Wir schließen unsere Augen und erkennen das
Real-Magische; das Geheimnis entfaltet und bleibt
doch geschlossen, jede Wesenheit unbekannt.
Dieser Schock heißt: in seinem Ruhm, in der Natur sein.

Wir sind das tätige, Materie gewordene Wort.

Wir sind das Feuer, seine Wärme, sein Licht.
Und nochmals: der Rhythmus erklärt uns, was ist.
Die Spiegel-Erkenntnis des Selbst,
die Musik des mahlenden Universums.

Wir können nicht unbesessen, nicht ausgelöscht sein.

Und Babel, aus Rückstand entstanden, wütet noch immer
gegen den infraroten Holocaust,
mit seiner Heiden-Horde zusammen
wird’s in den freudlosen Abgrund stürzen.

Am heutigen Tag ist Alles: Eins.

Gepriesen seien der Blau-Ton,
die bedrängende Distanz der endlosen Schwärze,
die nie endende Schwärze,
die erschreckende Größe des schwarzen Ungrunds.

Es ist gänzlich geöffnet, dringt überall ein.

Das schwärzeste Schwarz erkennen wir nicht.
Wer möchte dieses schreckliche Ding auch kennen?
Das – namenlos – uns zu sich ruft;
und Schatten ist die klarste Erklärung,

es übersteigt jeden hellen Verstand.

Das astrale Schwarz ist ebenfalls irdisch.
Und Jacob Böhme hat es tanzen gespürt.
Es ist beauftragt, den Mengen zu dienen,
den lebendigen Farben des gepriesenen Songs.

Dass wir ebenfalls Schatten sind, sei uns Freude.

Im Text enthalten ist die kosmische Ekstase,
der von Sternaltern gealterte Staub,
er finden den Ton von unseren Knochen,
erweitertes Sein, steigen wir auf in die Schwärze.

Dort sein, doch ungesehen bleiben.

Werden Metalle zu Gold?
Kann der Finger die Wunde heilen?
Was sind dort die blauen Zahlen?
Wer brachte die Sphinx nach Sachsen?

Solche Sachen konnte Jacob Böhme nicht sagen.

 

 

 

Hear that hum, baby?

… Detroit, Ibn Arabi, Venedig, Motown, Heroin, Othello, General Motors, Sufismus, Supremes, Berlin, Thelonius Monk, Jakob Böhme, core-to-surface nightmare, Kaschmir, Agrippa von Nettesheim, Fariduddin Attars, Sun Ra, New York, Pussy, Percussion, 
Jimi Hendrix, dreamscape, Seide, Mutter, Kokain, al-Ghazali, Motor City …

In den frühen 50er Jahren wurde Sadiq Bey in Detroit, der so genannten Motor City, geboren. Eine starke Gewerkschaftsbewegung fördert die Arbeiterkultur und ein funktionelles arbeitsethisches Gefüge kaschiert die gesellschaftlichen und ethnischen Antagonismen. Gleichzeitig setzt der unaufhaltsame soziale Niedergang der Stadt ein. Die Fassade des industriellen Zentrums der USA bröckelt; die nächsten Jahrzehnte sind durch gewalttätige Unruhen geprägt. Begleitet wird diese Erosion aber ebenso durch den unaufhaltsamen Aufstieg der Motown-Musikkultur. Nach dem Aufstand (Detroit Insurrection) 1967 werden die Ghettos mit Heroin überschwemmt. 2000 Häuser brennen. Zahlreiche Tote. Während vor Beys Augen eine Gemeinschaft Schritt für Schritt auseinanderbricht, Freund-Feind-Fronten verschwimmen und die Drogen zum Herzmuskel der Gesellschaft werden, dämmert zugleich auch eine neue Welt aus Poesie und Musik herauf.
Inspiriert von dieser Möglichkeit, mit Musik, Rhythmus und Sprache einen neuen Ton anzuschlagen, der einen Ausweg verspricht, beginnt Sadiq Bey sie auf experimentelle Kunstformen 
anzuwenden und auch in kommunales Handeln einfließen zu lassen. Diversifikation wird somit zum obersten Gebot seiner Kulturproduktion. Vor allem in der Poesie erlangt das musikalische Element zentrale Bedeutung. Gedichte sind immer auch Lyrics. Die Begegnung mit der Poetik des Sufismus ist der entscheidende Übergang. In ihm verschränken sich Lebenspraxis, lyrische Qualität und der Takt des Perkussionisten. Blood pump anatomy.
Die Morgen-Gedichte entstanden aus der täglichen Übung, morgens die Nachtreste in den Tag überzuführen. Eine solche selbst gewählte Disziplinierung entzieht den Dichter seiner bisherigen Lebensführung. Everything has to work together in this recovery. 
Poesie muss abgerungen werden. Gleichsam ein alchemisches Verfahren, welches das Alltägliche vor der instrumentellen Verengung bewahrt und ihm seine Blöße zurückgibt. Jeder Morgen ein neuer Anlauf. Jeder Morgen ein neuer Übergang. Jeder Morgen eine neue Verführung. This endless, patient poem.

Theo Ligthart und Andreas L. Hofbauer, Vorwort

 

 

Fakten und Vermutungen zum Übersetzer + Kalliope

 

Fakten und Vermutungen zum Autor

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

0:00
0:00