– Nach Georg Trakls Gedicht „Die schöne Stadt“. –
GEORG TRAKL
Die schöne Stadt
Alte Plätze sonnig schweigen.
Tief in Blau und Gold versponnen
Traumhaft hasten sanfte Nonnen
Unter schwüler Buchen Schweigen.
Aus den braun erhellten Kirchen
Schaun des Todes reine Bilder,
Großer Fürsten schöne Schilder.
Kronen schimmern in den Kirchen.
Rösser tauchen aus dem Brunnen.
Blütenkrallen drohn aus Bäumen.
Knaben spielen wirr von Träumen
Abends leise dort am Brunnen.
Mädchen stehen an den Toren,
Schauen scheu ins farbige Leben.
Ihre feuchten Lippen beben
Und sie warten an den Toren.
Zitternd flattern Glockenklänge,
Marschtakt hallt und Wacherufen.
fremde lauschen auf den Stufen.
Hoch im Blau sind Orgelklänge.
Helle Instrumente singen.
Durch der Gärten Blätterrahmen
Schwirrt das Lachen schöner Damen.
Leise junge Mütter singen.
Heimlich haucht an blumigen Fenstern
Duft von Weihrauch, Teer und Flieder.
Silbern flimmern müde Lider
Durch die Blumen an den Fenstern.
Solarspiegellabyrinth,
eine rote Liste setzte mich in Gang,
trieb mich in die schwarze Nacht, gefährdete
Arten wieder zu erleben. Ich kam aus einer anderen Zeit,
andere Werte. Hier dagegen: eine altmodische Zugbrücke,
Atemobjekte am Eingang, Wind und die Aufforderung: trete ein.
In dieser, der künftigen Stadt, ist Lust
stille Erinnerung. Süßpflanzenartige wuchern über die Eisenteile,
wo ehemals Park war, gibt es jetzt Reste des Materials
seiner versuchten
Rettung. Stücke mit Kanten,
gestreut in unser Gewissen.
Übersehenes Filzkraut, Filago Neglecta
Kokia lanceolata, kleine
Bäume, die ähnlich Hibiskus blühn.
Ich erinnere: du hattest
wirklich immer ein Bukett am duftenden Mantel,
auf der bedruckten Brust, es bedrängten uns
keine Nachrichten mehr,
von eingeschleppten Kräutern, Farnen,
per Boot von einer Pazifikinsel gekommen, beispielsweise,
machen sie dem Efeu den Garaus,
übernehmen die Friedhöfe, die Mauern,
einfach so, damals beunruhigte uns das, aber dann
nicht mehr. Irgendwann
hat der Wind uns aus dem Saal geworfen, einfach so,
und kein Baum war mehr da, um uns zu fangen.
Silke Scheuermann, aus Mirko Bonné und Tom Schulz (Hrsg.): TRAKL und wir. Fünfzig Blicke in einen Opal, Stiftung Lyrik Kabinett, 2014
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