WAS UNS DUMMKOMMT MACHT UNS ARG
ich hab mich in die wirtlichkeit nicht gestehlt
mich plazieren zu lassen
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaund weis daraufhin
dass ihre widrigkeit nicht aufhebens wert ist
wenn man kein kapitel daraus schlagen will –
die würdigkeit, wie dieses jene durchfährt
macht uns stumm.
aaaaaaaaaaaaaaaaich habe mitgehen lassen
was ich bei mir hatte, keine zugaben verlangt
weder auf die coole tour der oho-natürlichkeit
gar in der lauen kur der o-yeah-kultürlichkeit
noch auf der heissen spur der aha-begierlichkeit
schillernd sind die möglichkeiten, doch umsonst
goettlich die freiheiten und unerschwungen –
wer dumm rumsteht kriegt eins rauf.
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaadie zutaten
liegen herum, geschenkt, werden verschwendet
entschwinden den blicken, dem sinn –
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaschwund
der zu naschen treibt, zu schlingen, zu würgen
zu hass.
aaaaaaagarstfreundschaften des wirtlichen alltags
mögen keine mitesser an der objektiven rarität
ihres angebots, am kassenhaften aufgebot, am gebot
gut dazustehen, fett wegzukommen, geruhsam aufzufliegen
„was uns umkommt, weg damit“
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaadas fehlende, fehlt was?
entfiel: unbekömmliches, was nicht aufn tisch kommt
verdorbenes, was verdirbt, das unmögliche, ungemocht
das unwirtliche draussen im nebel, gräuliches grau
das tötente tote. das unwirkliche drinnen im leben
unbestellt, ungekostet, ohne preis, fällt dazwischen
wies geworfen ward –
aaaaaaaaaaaaaaaaaaamit verkniffenen lippen
angewidert, mit würde, mit zwei fingern, verschämt
mit fusstritten, abgewendet, leberhaken, mittenrein
automatisch geschluckt und einfach fallengelassen
gearbeitet wie ein schuft, sich dämlich verdient
wien hund verreckt –
aaaaaaaaaaaaaaaaaakeiner kommt drumrum.
ich habe mich aus der wirtlichkeit gestohlen
mich nicht einladen zu lassen
von ihrer würdigkeit
Im An- und Aussprechen kommen Zweifel, ob sie, die er täglich hört und lesen muß, tatsächlich ausdrücken, wovon geredet wird, ob diese Redensarten, Floskeln, Sprechblasen, Kommuniques überhaupt noch meinen, was sie vorgeben, ob dieses ganze Gerede uns wirklich betrifft, wenn wir uns streiten oder offen verständigen wollen – denn wir sind ja angesprochen.
was uns dummkommt macht uns arg
sagt er, und erst wenn er die Worte unter ihren vielfältigen Aspekten betrachtet, sie prüft, dreht und wendet, auf ihren wahren Sinn hin absucht und sich damit zu eigen macht, wagt er sie frei wieder auszusprechen und aufzuschreiben – widerspruchsvoller Prozeß im Gedicht, das ihn nun befähigt, sich mit der Sprache wieder selbst zu identifizieren – Arbeit und Spiel, erregende Unternehmung, an der teilzuhaben wir nun aufgefordert sind, wenn die Worte aus ihrem Hinterhalt hervortreten, ihre weite Aura zu offenbaren.
mitmachen – mitmacht
sagt er, wenn er sich dem Wort Macht zuwendet – „das Ach, das sie enthält und die Nacht, auf die sie sich reimt, das ist sie: Der Seufzer und die Finsternis in unserem Leben“, konstatierte einst Günter Eich – das Wort Macht zum Beispiel bedeutete einst „können“ im Sinne von „mögen“, und Döring assoziiert für seine Zeitgenossen unwillkürlich das tätige „machen“ als Mittun oder vorgetäuschte „Mache“ – denn
wer mitmacht hat mitmacht…
Listig und lustig nimmt er die Sprache wieder beim Wort, um sie uns mit gewandelten Begriffen zu präsentieren. Teils mit sprachphilosophischem Eifer, teils mit trockenem Humor. Ein Autor, der Dichtung aus der Dichte der Worte in ihrer wohlbemessenen Folge gewinnt, uns Sprache aus dem Wortmüll dieser Tage wieder gültig zur Verfügung stellt, wie mit einem Wink seiner Hand.
da ich nichts weiter tue
als mich in mir umzutun
mich in worten zu fassen
Gerhard Wolf, Klappentext, 1989
komm lies geh sprich
mir aus der hand
dir nach dem mund
gib mir ein zeichen
dass ichs verstehe
worauf du aus bist […]
Stefan Döring sind die Worte nicht mehr selbstverständlich.
Im An- und Aussprechen kommen Zweifel, ob sie, die er täglich hört, liest, sich anhören muß, tatsächlich ausdrücken, wovon geredet wird oder was gemeint ist. Ob diese Redensarten, Floskeln, Sprechblasen, Kommentare und Kommuniques sagen, was sie behaupten. Ob dieses ganze Gerede uns wirklich betrifft – denn wir sind es ja schließlich, die angesprochen werden, die antworten sollen.
„was uns dummkommt macht uns arg“, sagt er, und erst wenn er die Worte unter ihren möglichen Aspekten betrachtet, geprüft, gedreht und gewendet, sie auf ihren wahren Sinn hin untersucht hat und sich damit zu eigen macht, wagt er sie frei uns wieder zuzusprechen, sie aufzuschreiben, immer in der bleibenden Ungewißheit:
das ist unsere entsprechung
worüber wir nicht sprechen können […]
Widerspruchsvoller Prozeß für sein Gedicht, das ihn – erst auf diese Weise – befähigt, sich mit der Sprache wieder zu identifizieren; gewissenhafte Arbeit, Zug um Zug geführt, an der teilzuhaben wir nun angesprochen sind, wenn die Worte, die uns zur Verfügung gestellt werden, ihre Aura offenbaren, ihr bisher von uns kaum wahrgenommenes Um- und Spielfeld.
Etwa, wenn er mit dem Wort „Macht“ umgeht, das einst „können“ bedeutete, wie wir es seiner Etymologie entnehmen; „können“ in der weiteren Bedeutung von „mögen“: was ich mag, verleiht mir Macht. Und Döring assoziiert für seine Zeitgenossen unwillkürlich das tätige „machen“ als Mittun oder vorgetäuschte „Mache“ – „denn wer mitmacht hat mitmacht…“
Die Macht – „das Ach, das sie enthält und die Nacht, auf die sie sich reimt, das ist sie. Der Seufzer und die Finsternis in unserem Leben“, konstatierte einst Günter Eich aus den Lautassonanzen ihr Unheil. Döring – solchen sentimentalischen Anklängen abhold – ist nur darauf aus, die Worte so an- und umzustellen, daß sie vor unseren Augen durch bedachte Konstellation ihre wahren semantischen Möglichkeiten zeigen, Neben- und Hintersinn offenbaren:
was dich ausmacht – macht
mich an sofern ichs ausmache […]
In seinen Versen stoßen Amts- und Verordnungssprache mit alltäglicher Umgangssprache zusammen, Statussymbole und ,feststehende‘ Begriffe werden bei solchen Arrangements dekuvriert. Döring nimmt die Sprache beim Wort, um sie – „gegenwert der gegenwart“ – von Verhüllungen und Mythisierungen befreit, wieder pur zu präsentieren, teils mit sprach-philosophischem Eifer, teils mit trockenem Humor. Ein Dichter, der Dichtung aus der Dichte der Worte in ihrer wohlbemessenen Anordnung und Folge gewinnt, und dem dazu – bei sorgsamer Disziplin – alle Mittel recht sind, bis hin zu Paradoxon und Parodie. Ein Kabinettstück, das ihm beim Einblick in „zufällige zusammenhänge als notwendige lockerungen […] sich auszudrücken in grenzen der regel […]“ dabei gelang, heißt wortfege, und es gewinnt seinen einmaligen Reiz aus der Austauschmöglichkeit bestimmender Konsonanten, so daß sich auf diesem wortwege ein zweites Gedicht mitlesen läßt:
WORTFEGE WORTWEGE
weinsinnig im daseinsfrack feinsinnig im daseinswrack
feilt an Windungen seiner selbst weilt an findungen seiner selbst
wahrlässig allzu windig fahrlässig er allzu findig
im gewühl fühlt er herum im gefühl wühlt er herum
und windet sich nochmal heraus und findet sich nochmal heraus
fund, kaum geborgen, bloss wort wund, kaum geborgen, bloss fort
wasser, lauernd, von wall zu wall fasser, lauernd, von fall zu fall
die spiegel mit fellen überzogen die Spiegel mit wellen überzogen
wetter, uns umschlagend, dunst fetter, uns umschlagend, dunst
die gewährten fegt es hinüber die gefährten wegt es hinüber
die bleibenden gefahren erneut die bleibenden gewahren erneut
der sich herausfand währt darin der sich herauswand fährt darin
Das Gedicht ist alles andere als ein bloßes, reizvolles Spiel mit dem Auswechseln eines stimmhaften gegen einen stimmlosen Mit-Laut. Es entdeckt in weiteren Dimensionen etwas, das man beim traditionellen Gedicht als ,Lebensgefühl‘ bezeichnet hat, das sich in ihm als Essenz ausdrückt, Bewegung, Atmosphäre, Gehalt neben den Worten. Hier ist es die Befindlichkeit einer Generation, die Döring schon durch die Wahl seiner Wörter, mit denen er umgeht, verwandelt, ziemlich getreu wiedergibt, wenn er sie im Daseinsfrack als Daseinswrack erkennt, wenn findig und windig, Gefühl im Gewühl zu verschwinden droht, fund und wund Synonyme sind, für Windungen und Findungen in diesem Dasein, das zwischen Wall und Fall seine Wege zu suchen hat, f(w)ahrlässig oder f(w)indig. Ein exzeptionelles Gedicht, das mit wenigen Worten eine Situation umreißt, faßt, und zugleich wieder fragwürdig macht, der man in zahlreichen Texten anderer Autoren wiederbegegnet; zu vergleichen vielleicht der Wirkung, wie sie einst im Expressionismus Alfred Lichtensteins Gedicht „Die Dämmerung“ hervorrief, heute freilich nicht nur ein „Gefühl von der Gleichzeitigkeit des Geschehens“ (J.R. Becher) vermittelnd, sondern von der Unsicherheit der Existenz, angesichts des Zerfalls oder der Zersetzung vertrauter Gesellschaftsstrukturen, die bis in die Unbeständigkeit und Unselbstverständlichkeit der Sprache hinein wirkt. Stefan Dörings auf wesentliche Worte konzentrierte Dichtung fand mit dieser „Methode“ struktureller Veränderung der Worte zugleich die treffenden Zeilen, die man wie Statements lesen kann, weil sie komplizierte Prozesse auf den Vers brachten, der nicht mehr auf das Bild für die Zeit aus war, vielmehr auf die im kritischen Umgang mit der Sprache erzielte Verlautbarung. Sein Vers „ich fühle mich in grenzen wohl“, der die Ambivalenz eines Zustands, einer Bewußtseins- und Gefühlslage feststellte und im Selbstversuch durchspielte, wurde geradezu zum Code, mit dem sich die Betroffenen im Widerstand gegen jede Vereinnahmung verständigten.
ich fühle mich in grenzen wohl
begehre nichts was ich nicht lieber täte
noch was ich lieber täte tatwerkzeug
ist allenfalls ein räderwerk der uhr
das ende aller fallen jeden falls
kommt mit der zeit verdächtig vor
dies ticken hier zersetzt den standpunkt
der im gedrängten raum noch bleibt
und immer mehr verdichtet wird die zeit
In Stefan Dörings Versen wird Unausgesprochenes wieder sprechbar gemacht, nicht durch extensive Darstellung, sondern durch intensive, auf Grund-Worte reduzierte Sprachstruktur, die mit wenigen Punkten und Linien auskommt. Streng konturiert, dabei leicht, wie mit lockerer Hand:
da ich nichts weiter tue
als mich in mir umzutun
mich in Worten zu fassen
dass wer will es begreife
Gerhard Wolf, aus Gerhard Wolf: Sprachblätter Wortwechsel. Im Dialog mit Dichtern, Reclam Verlag, Leipzig 1992
− Was bleibt? Zur Situation der Lyrik in der DDR. −
Soeben erschienen ist Stefan Dörings „heutmorgestern“, das ihn als einen der wichtigsten Lyriker der „Neuen Sagart“ ausweist. Er macht wesentliche Lebensprobleme, insbesondere in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre, zum Gegenstand seiner Wortspielbetrachtungen: die Lügen der Medien, die allgegenwärtige „Sicherheit“, die „beredte Kommunikationslosigkeit“, die Ausreiseproblematik. Seine Gedichte benennen die Symptome und Auswirkungen eines gesellschaftlichen Sinnschwundes auf die Menschen, „das unwirkliche drinnen im leben“ („was uns dummkommt macht uns arg“). Dörings Sprache deckt Verdrängungen auf, wertet öffentliches Bewußtsein als falsches Bewußtsein, indem sie mit semantischen Mehrdeutigkeiten und assoziativen Ablenkungen spielt, auch mit ständiger Verschränkung von Redeteilen, was mehrfachen Wechsel der Kontexte und Blickrichtungen bewirkt. Verglichen mit den Versen anderer Autoren der „Neuen Sagart“, haben Dörings Texte eine besonders dichte lyrische Struktur. In seinem Poem „ein stück zeit“ treffen sich Zeitgeist und Gesellschaftskritik, Philosophisches, Erotisches und Psychologisches in einer besonderen poetischen Phantasie.
Dorothea von Törne, Die Zeit, 9.3.1990
Endlich sind die Gedichte Stefan Dörings einem größeren Leserkreis zugänglich. Lange hat es seit den ersten Veröffentlichungen in Zeitschriften, der Anthologie Vogelbühne und der Auswahl-Reihe gedauert. Nun wird das Buch mitten in eine Entwicklung geworfen, die sich in ungeheurem Tempo vollzieht. Die Zeit rast; es bleiben kaum Momente, sie zu benennen. Aus heute und morgen wird unversehens gestern, noch ehe man die Begriffe ganz ausgesprochen hat: heutmorgestern. In den Texten hat Stefan Döring ein Bündel von Widersprüchen und menschlichen Defiziten verdichtet, die zusammengenommen einen defizitären gesellschaftlichen Zustand analysieren und beschreiben.
Der erste Abschnitt „komm geh“ vereint zwischen 1979 und 1984 entstandene Gedichte. „lohnschein“ und „der gegenwert der gegenwart“ gehören zu den „frühen“ Texten, die ihren Autor bereits zu Beginn der achtziger Jahre als einen der wichtigsten Lyriker der „neuen Sagart“ auswiesen. In ihnen werden wesentliche Lebensfragen zum Gegenstand der Wortspielbetrachtung: der Inhalt des Lebens und sein Sinn. In „lohnschein“ macht Döring darauf aufmerksam, wie sich die Folgen einer einseitig materiellen Wertorientierung auf den Zustand des Menschen auswirken, indem er Wortstämme mit Variationen von Präfixen und Suffixen versieht, so daß von Kontext zu Kontext neue Sinnzusammenhänge aufscheinen. Für den defizitären Zustand fand dieser Lyriker die Farbmetapher „grau“. „in träumen graus ist grau bunt“ heißt es in dem frühen Gedicht „grau“. Traum als Ausweg, als Zukunftsalternative, steht die Verneinung, die Resignanon in „es gibt keinen ausweg“ gegenüber. Dörings Gedichte stellen gesellschaftliche Diagnosen, die nicht endgültig sind, sondern zeitbezogen dokumentarisch und offen für die Phantasie des Lesers, der mit scheinbaren Versprechern angeredet wird: „liebe mitverbürger eifriger geschicklichkeit“ und „liebe mitwürger der gegenwart.“
Die Texte werten Bewußtsein und machen es als falsches Bewußtsein kenntlich. Als typisches Beispiel kann „ich fühle mich in grenzen wohl“ gelten. Das Zurschaustellen einer angeblichen Genügsamkeit wird nicht nur durch die semantische Mehrdeutigkeit von „in grenzen“ relativiert, sondern auch durch assoziativ in den Redetext einbrechendes Sprachmaterial aus der Kriminalistik („tatwerkzeug“, „verdächtig“) ad absurd um geführt. Die Zufriedenheit wird als scheinbar entlarvt. Unter der Maske steckt der potentielle Täter. Sprache deckt hier Verdrängungen auf. Zwischen den verschiedenen Sprachebenen (in diesem Fall: der des zufriedenen Bewußtseins und der der verdrängten Wünsche) entsteht eine Spannung, die das Gedicht zusammenhält und als lyrisches Ganzes erkennbar macht, obwohl es aus heterogenen Teilen zusammengesetzt ist. Dieser Stil der assoziativen Ablenkungen, die Spannung erzeugen, machen das Gedicht zugleich fragmentarischer, offener. Von der Medienkrise bis zur Ausreiserproblematik („mitmachen – mitmacht“), vom Ersticken an der eigenen „Sicherheit“ („sicherheit“) bis zur „beredten kommunikationslosigkeit“ („die deutsche klassik“) reicht die Gesellschaftskritik; „jeder der narr seiner zeit zur unzeit“ lautet die Diagnose in „es gibt keinen ausweg“ – ein Gedicht, das die bewußte Geschichtlichkeit Döringscher Texte belegt: „in dem was gewesen war des wesens gewahr“.
Gegen Ende des ersten Abschnitts, etwa mit „halt der erfahrung“, werden die Gedichte zunehmend kompliziertere Gedankenarbeit. Sie enthalten eine größere intellektuelle Distanz und schöpfen aus immer mehr Sprachbereichen. Aus dem Vokabular von Spiel und Sport zum Beispiel entnimmt Döring den Gegenentwurf eines besseren, aktiven Verhaltensmusters: „ohne zu köpfen handzulangen fusszuangeln…“ Mit der größeren intellektuellen Distanz gewinnt der Autor philosophischen Freiraum, den er im zweiten Abschnitt des Bandes: „ein stück zeit“ voll nutzt. Szenisches (sogar mit Regieanweisung) ist schon in frühen Gedichten (zum Beispiel in „das leben beim tod genommen“) enthalten; lyrische Figuren redeten allenthalben, aber in „ein stück zeit / gespräche mit einer pause“ findet ein Dialog zwischen vier Figuren statt: „frau“, „mann“, „geliebter“ und „mörder“. Der Begriff Dialog ist jedoch nicht exakt. Es sind Monologe von Figuren, deren Konturen teilweise ineinander übergehen. Dabei entwickeln sich zwischen den Sprechenden komplizierte, widersprüchliche, spannungsvolle Beziehungen. Während der Mann über Art und Weise des Redens und Sagens nachdenkt, geht es dem Geliebten um Inhalte und Werte. Der Mörder tritt in dem Augenblick in die Szene, als die Unfruchtbarkeit des Dialogs zwischen Frau, Mann und Geliebtem offenbar wird. Der Mörder sieht die drei Figuren so:
täter ohne motiv
schlagen tat tot
motive ohne täter
leben aus reden
Der Mörder hat das, was den dreien fehlt: einen Entwurf, allerdings einen grauenvollen:
meister der technik
entwerfe ich tod
und:
was ich im auge habe
eine ebene
durchleuchtet
mittels zeitstrahls
Von allen Figuren ist die des Mörders die mehrdeutigste. Sie ist Negation und Katalysator. Durch ihr Auftreten gelangt der Mann zum Sprechen, der Geliebte zum Fühlen, die Frau zu einem neuen Entwurf ihrer Existenz. Das Stück endet mit der Synthese der männlichen Figuren und der Pointe: „ein verborgener ein offener schluss“. Ich halte dieses Poem, das Döring „ein stück zeit“ nennt, für einen großen Wurf, in dem sich Zeitgeist und Gesellschaftskritik, Erotisches, Psychologisches und Philosophisches auf poetische, phantasievolle Weise treffen. In einem Gedicht des ersten Kapitels („in wiedergeburts wehen“) ist über „geschehnisse und tätlichkeiten“, „erinnerung“ zu lesen:
sie zu bergen jedoch und aufzutürmen
zu meinungen schlüssen aussichten
bedarf es des längsten letzten atems
der nähe des todes zuletzt.
Das ist Döring mit „ein stück zeit“ gelungen.
Im dritten Teil des Buches, in dem unter der Kapitelüberschrift „wellen“ Gedichte zu lesen sind, die zwischen 1985 und 1988 entstanden sind, wird Döring deutlich souveräner. Das ist an der Dominanz der ironischen Wertungsart erkennbar, aber auch an der komplexeren Sicht auf Verhaltensweisen und Verhältnisse. Von der Beschreibung einzelner defizitärer Zustände gelangt der Autor zur Darstellung von Prozessen. Das Gedicht „die bauten hielten nicht“ beschreibt den Prozeß der Auflösung eines Ideenbaus, während das Ich sich als einer Generation zugehörig begreift, wie in „east days in lost berlin“. Aufschlußreich als eine Art lyrische Bestandsaufnahme und Artikulation einer Aufbruchshaltung ist „vor ort an stelle“, das rückblickend eine Reihe von Ängsten benennt. Angelangt an einem Punkt der Entwicklung, zieht ein lyrisches Wir Bilanz: „ordnen wir unser zeug, zeugen, packen aus“. Zugleich definiert Döring hier den Inhalt eines literarisch-künstlerischen Programms:
hiess es auch nur, dem einen namen zu geben
was arbeit nicht leistet, geld nicht verdient
in ihrer befänglichkeit, ihrer verflissenheit
luxus nicht erluchst, wohlstand nicht versteht
demjenigen, was das leben ausmacht, anfacht –
Das Gedicht endet mit dem variierten Aufruf des Anfangs: „packen wir aus, zeugen, ordnen unser zeug“. Ähnlich bilanzierend und fordernd ist der Gestus in „vertraute“. Alle Gedichte sind ohne Tabus geschrieben in einer Zeit, da es noch nicht üblich war, mit Tabus zu brechen. Sie nennen die Symptome und Auswirkungen eines gesellschaftlichen Sinnschwundes auf die Menschen, „das unwirkliche drinnen im leben“ („was uns dummkommt macht uns arg“).
Mit diesem Thema steht Döring in der jüngeren DDR-Lyrik nicht allein. Verglichen aber mit anderen Autoren der „neuen Sagart“ haben Dörings Texte eine besonders dichte lyrische Struktur. Indem sie sich den Anschein geben, direkt gesprochen zu sein, ist der Anteil der Elemente aus der Umgangssprache besonders groß. Wie Papenfuß, Häfner, Schedlinski, Faktor, Kerschek und andere verarbeitet Döring viele Redewendungen. Er verknüpft sie jedoch so vielfältig mit Teilen aus anderen Sprachbereichen oder wandelt sie so ab, daß sie in dauernder Folge immer neue Schlaglichter auf Umstände und Verhältnisse werfen. In dauernder Folge heißt, daß Döring durch eine Vielzahl stilistischer Mittel innerhalb eines einzigen Gedichts eine ständige Verschränkung der Redeteile vornimmt, was einen mehrfachen Wechsel der Kontexte und Blickrichtungen bewirkt. Das erfordert vom Leser eine überdurchschnittliche Konzentration und Bereitschaft, herkömmliche Lesegewohnheiten aufzugeben und neue zu entdecken. Gelingt es ihm, ist der Gewinn beachtlich, vor allem, wenn die Absurdität von einstigen oder immer noch gängigen Floskeln des alltäglichen gesellschaftlichen Lebens schlagartig offenbar wird. Der Kontext der Redewendungen ist das eine, das andere ihr Wörtlichnehmen, was nicht nur Komik und damit Lesevergnügen erzeugt, sondern auch Bewegungsabläufe im Gedicht für den Leser anschaulich und handhabbar macht.
Nicht alle lyrischen Mittel Dörings sind neu. Die traditionelle Metapher verschmäht er durchaus nicht, von den „zeitfirmen“ in „der gegenwert der gegenwart“ bis zur Liebesmetapher des „Übersetzens“ im Poem. Das Gleichnis macht er ebenso produktiv („sicherheit“) wie die tradierten klanglichen Mittel Alliteration (bevorzugt Stabreim) und Assonanz. Das Spiel mit Buchstaben und Klängen beherrscht die Texte. Eine archaisierende Schreibweise („gemythe“, „kulyssen“) verwendet Döring in „nichts neues hinterm mond“. Als Medium der ironischen Verfremdung kommt es bei ihm jedoch nur gelegentlich vor – im Gegensatz zu Papenfuß, bei dem es zum tragenden Stilmittel geworden ist. Das bedeutet nicht, daß Dörings Texte kein unübliches Schriftbild aufwiesen. Die Art der Zeilenbrechung wirkt ebenso bedeutungserweiternd wie die Silbentrennung „vers-tand“ in „die hoffnung der hoffeste“) und das Getrenntschreiben von Wortsegmenten: „um zu bringen / bin ich gekommen“ sagt der Mörder in „ein stück zeit“. Während Papenfuß phonologische Mittel bevorzugt, benutzt Döring gern die der Morphologie, indem er kleinste Sinneinheiten – wie Vorsilben – vertauscht und variiert (an-, aus-, ent-, ein-, ver- usw. -sprechen in „anspruch“). Insgesamt hat Döring die Dudengrammatik gehörig durcheinandergerüttelt und die syntaktischen, morphologischen und phonologischen Einheiten auf neue Weise verknüpft. Er ist kein naiver Dichter. Reflexionen über Sprache, deren Beschaffenheit und mögliche Wirkungen finden sich schon in seinen frühen Versen.
Die Gedichte selbst sind eine einzige Sprachanalyse, in der Sprechen und gegenwärtige Sprache so in unübliche Zusammenhänge gestellt werden, daß ihr Sinn neu befragt werden kann.
Dorothea von Törne, neue deutsche literatur, Heft 449, Mai 1990
Der 1954 geborene Stefan Döring ist seit längerem als einer der konsequentesten und forciertesten Sprach-Experimentatoren unter der jüngeren Dichtergeneration bekannt – in der Öffentlichkeit allerdings erst durch wenige Publikationen. Er gehört, als einer ihrer profiliertesten Poeten, zu einer ganzen Gruppe von jüngeren Dichtern, die seit inzwischen über 10 Jahren an einer ganz auf die Sprache und das Wort orientierten Poesie arbeiten. Spätestens seit seinen Beiträgen in Vogelbühne (Verlag der Nation, Berlin 1985) und Berührung ist nur eine Randerscheinung (Kiepenheuer und Witsch, Köln 1985) war klar, daß Dörings Stimme innerhalb dieses Ensembles eine ganz eigene, unverwechselbare Tonlage anschlägt. Das Manuskript „HEUTMORGESTERN“ gibt erstmals einen größeren Einblick/Überblick über seine dichterischen Arbeiten der Jahre 1979–88.
In der zweiten Hälfte der 70-er Jahre begab sich, vor allem in Berlin, ein Kreis junger Dichter auf die Suche nach einer neuen poetischen Sprache, die ein verändertes Verhältnis von Text und erlebter Realität anstrebte. „der individualisierungsprozeß des Wortes innerhalb der Texte war ein […] anarchischer akt der befreiung (komisches pathos), das resultierende sprachbewußtsein eine folge der wechselbeziehung zwischen verbalem anarchismus und den textstrukturen“, resümierte 1985 Leonhard Lorek, einer der Mitstreiter dieser Bemühungen um das poetische Wort. Was in den Endsiebzigern und frühen 80-ern zusammentraf, und eine veränderte Sicht auf und Haltung gegenüber der Realität produzierte, waren eben diese zwei Faktoren (unter anderen): „verbaler anarchismus“ z.B. des Punk und benachbarter subkultureller Jugendbewegungen, und ein „individualisierungsprozeß des wortes“ im Gedicht bzw. im Verständnis einiger junger Leute, die sich anschickten, in ihrer Dichtung auf eine gründliche Veränderung der literarischen Ausdrucksweisen hinzuarbeiten.
Natürlich wurde und wird damit die „Institution Literatur“ angegriffen, die von einem Teil dieser Autoren (Bert Papenfuß, Sascha Anderson, Stefan Döring, Detlef Opitz, Leonhard Lorek, Rainer Schedlinski u.a.) als nicht mehr „aussagekräftig“ empfunden wurde, ihrem eigenen „Lebensgefühl“ (verschwommener, doch assoziativ durchaus greifender Ausdruck) Sprache zu verschaffen. Und natürlich liegen einer solch radikalen Abwendung von den vorgelebten/vorgelesenen Mustern, den literarischen wie den philosophen und existenziellen, veränderte Wahrnehmungsweisen zugrunde, veränderte Verarbeitungsweisen von Realität. Uwe Kolbe hat mit seinem „Hineingeboren“ eine stichwortartige Metapher geliefert, aber weitere politische, philosophische, soziologische und ästhetische Umstrukturierungen kommen hinzu, die zu benennen hier nicht der Platz ist. Verbindend für all diese Autoren (mit Ausnahme Uwe Kolbes vielleicht) ist, daß sie ihre poetischen Neuansetzungen weniger in polemischer Auseinandersetzung gegen die vorhandenen literarischen Strömungen entwickelten (Volker Braun war zunächst noch bevorzugter Partner, später vor allem Absetzungsfigur der Positionssuche), als vielmehr im Bruch („Diskulturalität“ wäre hier das Stichwort), in der Beziehungslosigkeit zu den als einengend und entfremdend erlebten Mustern einen eigenen „literarischen Diskurs“ entwarfen.
Stefan Döring ist einer der kompromißlosesten Sucher nach veränderten poetischen Reaktionsmöglichkeiten auf die Widersprüche, Ambivalenzen und Zerrissenheiten, mit denen uns die Gegenwart konfrontiert. „es gibt keinen ausweg“ lautet ein Gedichttitel:
alles war anders es gibt keinen ausweg
der zufall ein einfall zu tun was notwendig war
jeder der narr seiner zeit zur unzeit
in dem was gewesen war des wesens gewahr
[…]
Die Zeilen machen in ihrer Härte und Stringenz einige der kompositorischen Prinzipien des Gedichtschreibers deutlich. Döring spielt mit dem was er an Wortmaterial vorfindet, was an abgegriffener Sprache im Wort-Schatz herumliegt, um es gegen den Strich zu bürsten, es aufzurauhen zu neuem Gebrauch. Er folgt der Wortlogik, ihrer internen Spannung, spielt die Bedeutungsmöglichkeiten gegeneinander aus, er läßt sich und das Gedicht leiten von den Möglichkeiten des Wortes („Daß ein Schreiber auch Objekt der Sprache ist, braucht man nicht zu überspielen“ sagt er im Gespräch.) Besonders die im Wort verborgenen Antinomien interessieren ihn, die in den Worten erstarrten Gegensätze/Gegen-Sätze, die er versucht in Bewegung zu bringen, indem er sie gegeneinander ausspielt, Bewegungen einspielt, sie in lebendigen Zwiespalt bringt. Die Gedichte sind oftmals darauf gerichtet, so an den Sprachgittern zu rütteln, daß Schwingungen entstehen. Diese Arbeit am Wort tritt in Analogie zu einem generellen Verhätlnis zur Realität. Er demonstriert an der Sprache den Wunsch:
kommendes flüssig zu machen
zu gegenwärtiger währung („vorbereitungen breiten sich aus“)
Diese Haltung, ein immens ernsthaftes und zugleich poetisches Ansinnen, benennt er in „red nicht umn sinn rum“:
da ich nichts weiter tue
als mich in mir umzutun
mich in worten zu fassen
dass wer will es begreife
[…]
Diese Arbeit an den sprachlichen Mehrdeutigkeiten, an den Worten, die mehr sagen als sie im Augenblick meinen, ist ein Dingfestmachen des Möglichen im Vorhandenen. Anders als einige seiner Kollegen zielt Döring weniger auf das assoziative Ausschreiten eines Wortfeldes (Bert Papenfuß), weniger auf das Aufbrechen von eingleisiger Sprach-Logik zugunsten einer Vielspurigkeit sich überlagernder Denk-, Gefühls-, Situations- und Sprech-Ebenen (Sascha Anderson, Andreas Koziol), als vielmehr auf Reduktion. Er dreht und wendet die Worte, um aus ihnen, mit maximaler Konzentration auf das in ihnen Angelegte, ein Maximum an Vielfalt herauszuholen. Er entfaltet Worte zu ganzen Gebäuden von Hinter- und Widersinn, Doppeldeutigkeit und Umdeutung, er zwingt sie -mit einer Mischung von Spiel und Gwaltsamkeit- manchmal zu einem sie entblößenden Tanz: erfühlung
des wir gewahr werden
sind wir gewarnt
die ohren hörig
nach aller verheissung
süchtig das auge
nach dem augenschein
bedeuten wir nichts
da wirs nicht fassen
wenden, denn wenn
der sinne gesundheit
uns tröge, trüge
was wir ersinnen
sich wirklich zu
[…]
zutiefst gewegt
von jedem augenschein
deuten wir alles
um und für uns
[…]
Die Sprödigkeit solcher Verse macht es dem Leser oft nicht eben leicht. Aber dem wäre, mit einem anderen Gedichttitel des Autors, zu entgegnen: „was uns dummkommt macht uns arg“. Und es gibt in etlichen Gedichten auch einen -wenn auch ebenfalls spröden- Humor, wenn z.B. aus der berühmten Losung der Französischen Revolution „faulheit, bleichheit, liederlichkeit“ wird, oder wenn Döring aus Wolfgang Heises Essay „Der Tag ist angebrochen“ mit sichtlichem Vergnügen anspruchsvolle Formeln zu sinnarmen Folgen montiert und das Ganze mit einem trockenen „davon sei abgesehen“ würzt.
Man kann das Verfahren, dem Döring die Worte unterzieht, als ein Reinigungsprozeß verstehen. Er gewinnt, nachdem er die Sätze durchgespielt/durchgespült hat, oftmals überraschende Resultate, die in ihrer Genauigkeit dann eine übergreifende Stimmung oder Situation bündig/bändigend auf den Punkt bringen: „ich fühle mich in grenzen wohl“.
komm hoch wenn ich wenns hoch kommt
wenns mir hochkommt unten bin
und angeschnallt mein schleudersitz
ist angespannt wie aufmerksam
ich lehn mich an gesichert und entspannt
ich fühle mich in grenzen wohl
begehre nichts was ich nicht lieber hätte
noch was ich lieber täte tatwerkzeug
ist allenfalls ein räderwerk der uhr
das ende aller fallen jeden falls
kommt mit der zeit verdächtig vor
dies ticken hier zersetzt den standpunkt
der im gedrängten raum noch bleibt
und immer mehr verdichtet wird die zeit
Döring hat ein ihm entsprechenden Gedichttyp entwickelt, der sich durchaus klassischer Formvorgaben bedient (wie im oben zitierten Text die Sonettform), dabei aber auf vieles verzichtet, was traditionell dem „Gedicht“ zugerechnet wird. Unmittelbarkeit des Erlebnisses gibt es sowenig wie direkt geäußerte „Bekenntnisse“.
Aus dem weitgehenden Verzicht auf das Ich als Schwerpunkt und Bindeglied zwischen Text und Realität folgt die auffällige Metaphernarmut der meisten Gedichte. Dörings Texte suchen in ihrer Eigendynamik, ihrer Sprachbewegung eine Meta-Ebene. Sie enthalten das Ich permanent in ihrer Bewegtheit, als ihren Manipulator, ohne ihn fortwährend zu benennen. Damit erhalten die Gedichte als Ganzes einen metaphorischen Bezug zur Realität. Döring spricht davon: „Ich lasse der Metapher keine Zeit. Wo und wie sie sich entwickelt, nehme ich sie wieder zurück.“ Doch: „Das Bild macht den Text ernsthaft, während das Mathematische, das Verspielte die Fransen sind.“ Um in diesem Bild zu bleiben: die Arbeit des Dichters besteht dann darin, die Worte/das Bild zu zerfransen, und gleichzeitig (und damit) die Fransen zum Gedicht zu knüpfen.
Das Ergebnis solcher Manipulationen am Wort sind so feinsinnig unauslotbare Gebilde, die doch zugleich sehr präzise einem gegenwärtigen Zustand auf der Spur bleiben, wie „wortfege“, ein Kabinettstück Döringscher Poesie (in dem die f und die w auch vertauscht werden können):
weinsinnig im daseinsfrack
feilt an windungen seiner selbst
wahrlässig er allzu windig
im gewühl fühlt er herum
und windet sich noch mal heraus
fund, kaum geborgen, bloss wort
[…]
die gewährten fegt es hinüber
die bleibenden gefahren erneut
der sich herausfand währt dahin
Der Gedichtband HEUTMORGESTERN von Stefan Döring wäre in „außer der reihe“ nicht nur gut plaziert, bei seinem Erscheinen wäre zu beobachten, was der Autor schon vor Jahren grimmig beschrieb:
; die verlyriker der hintern reihen
sehen zu, was sie dabei empfinden
und ziehen sich verlegt zurück.
Peter Böthig, Verlagsgutachten, November 1988, unveröffentlicht.
Erschienen in Peter Böthig: Grammatik einer Landschaft, Lukas Verlag, 1997
Stefan Döring, Jahrgang 1954, in der Nähe Berlins geboren, studierte und arbeitete in Dresden als Elektronikingenieur, bevor er 1980 nach Berlin zog und hier mehr oder weniger als freier Autor lebte. Obwohl schon Ende der 70er Jahre einzelne Gedichte in Anthologien aufgenommen wurden, erschien erst 1989 sein erster eigenständiger Band.
Dörings frühe Texte arbeiteten mit konventionellen Reimen und Formschemata.1 Ende der 70er Jahre nahm er sich zunehmend größere formale Freiheiten heraus, bis er schließlich zu einer Schreibweise fand, die vor allem die Funktion der semantischen und phonetischen Konstituenten von Sprache reflektierte. Ein gegen 1980 entstandenes poetologisches Gedicht zeugt vom Bewußtsein dieser Differenz zum offiziell gängigen Literaturbegriff:
mich den schreiber
erkennt man am blindenabzeichen
[…]
mich den schreiber
hört man worte sagen
ins schwarze gesprochen ins leere
unsicheren fußes sich am abgrund bewegend2
Das, was das Ich zu sagen hat, „ins schwarze“ treffend, ist nicht gefragt, verhallt. Denn was es zu sagen hat, ist unbequem, ist für die Existenz als Literat und Subjekt gefährdend. Die Wahrnehmung der Realität gelingt dem lyrischen Subjekt nicht mehr, mitgeteilt wird ein Zweifel an der Erkennbarkeit der Welt. Solche Verunsicherung der Erkenntnisfähigkeit ist typisch für den Reflexionsstand moderner Gesellschaft und moderner Literatur, womit Dörings Texte um 1980 eine unüberbrückbare Differenz zum Reflexionsstand der damaligen DDR-Literatur aufbauen. Ein Gedicht widerspiegle weder Wirklichkeit noch Ideen oder Bedeutungen, sondern sei, wie in „blindenkreis“, problematisches, selbst- bzw. literaturreferentes Sprechen, „das gedicht ist die umschreibung des gedichts“:
das gedicht ist der runde würfel
der punkt an dem die geworfene münze auf dem rand steht
[…]
niemals ist es das papier mit den buchstaben
es ist immer das was es vorher war
und ein gewinn der nicht ausgezahlt wird
und ein verlust zwischen zwei schweigen3
Bedeutung kann ein Gedicht eben erst als Setzung in einem kommunikativen Kontext erlangen. Vom Autor entlassen, liefert es für Anschlußkommunikation nicht mehr als eine ,schweigende‘ Vorlage und ist für verschiedenes, kontingentes Verstehen offen. Wohin die Münze fällt, ist situationsabhängig („es ist immer das was es vorher war“), denn „sprachlos zu sein / ist das los der sprache“4.
Solche Aussagen in Texten vertrugen sich nicht mit der auf humanistisch-marxistische Aufklärung im kanonisierten klassischen Gewande festgelegten DDR-Literatur. Abfällig urteilen Dörings Texte über Intentionen und Leistungen der DDR-Schriftsteller, „ihr wort, es zerfahl buchstäblich / in silbenredsal […] / träume aus verschütteten / gloriositätenkabinetten“: „die bauten hielten nicht“.5 Sie sind gemeint, wenn Döring von „stillisten ernstens / ein- und ausdrücklicher grammattigkeit“6 spricht, für deren Realismusvorstellungen er nur bitteren Sarkasmus übrig hat:
man mag sich verlügen, zur wahrheit greifen
das einzige, das sich nie zeigt, umdichten
oder den zeitenverdrehten sinn entwenden –
wenns wirkt, würgts – wenns würgt, wirkts7.
Entsprechend fordert Döring einen selbstbestimmten Umgang mit der „deutschen Klassik“ in einem gleichnamigen Gedicht:
bündel allgemeiner themen
in unserer gegenwärtigen und künftigen
geschichte der deutschen literatur
aus der wir kommen
nehmen oder nicht
(davon sei abgesehen)
…
ein repräsentativer zierat
jederzeit verfügbar
(davon sei abgesehen
davon sei abgesehen)8.
Döring verabschiedet die Vorstellung, mittels Literatur wirken oder Gefühle oder gar Lebenssinn ausdrücken zu können oder zu sollen. Der Dichter sei weder „Sinnspezialist“, noch habe Literatur die Aufgabe, politischer Protest zu sein, zu Rebellion aufzurufen:
Wäre Rebellion beim Schreiben wesentlich (und nicht nur anläßlich), würde dieser Impuls im Weiterschreiben in Eitelkeit, Bitternis, Melancholie, Automatismus, Tod erschlaffen. Denn das Schreiben könnte nur als Pause zwischen zwei Aktionen betrachtet werden. Jedes Weiterschreiben wäre Verrat. 9
Literatur hat, so ist dieser Äußerung zu entnehmen, von sozialem Engagement sich zu emanzipieren, autonom zu sein.
Mit der Aufgabe eines selbstgewissen Subjekts entfällt für Döring die sozialistisch-realistische Einheit von Inhalt und Form, entfällt für Literatur Sinnvermittlung:
Mit der Person als hintergründiger Produzent, der mit einheitlichem Griff auch das Disparateste zu umfassen imstande sei, solle eine Kontinuität vorgetäuscht werden, deren Zusammenbrechen überall beobachtet werden müsse. Sehe man sich nur die Sprache an, die Zusammenhalt der Kultur zu sein vorgibt.
Nicht Sinnstifter, sondern „Objekt der Sprache“ sei der Schreiber, wogegen:
Person ist Ordnung der Wünsche entsprechend gesellschaftlicher Struktur.
Gedichteschreiben mache daher nur Sinn, wenn man sich mit der Frage beschäftige, in „welcher Sprache man denn nun eigentlich reden wolle?“10 Döring unterscheidet zwischen der „Fremdsprache“, d.h. der reglementierten Umgangs- und Bildungssprache, die uns in Klischees zu denken und zu reden zwinge, und einer eigentlichen, inneren (selbstidentischen) Sprache des Menschen:
Jeder spricht neben einer Fremdsprache seine eigene. 11
Die Reflexion dieser Zweisprachigkeit ist seinen Gedichten abzulesen, z.B. in den Zeilen: „da ich nichts weiter tue / als mich in mir umzutun / mich in worten zu fassen“, bzw. „denn du schreibst mir zu / was ich nicht sage“12. Für sprachliche Festlegung ist aber nicht nur die Umwelt, sondern auch das Individuum verantwortlich:
aus vergesslichkeit gesättigt
bin aus begriffen ich, gefasst
dem zufallkommen zuvorzukommen13.
Für Döring ist daher das Spiel mit (zufälligen) semantischen Ambivalenzen eine Methode, unter der „Fremdsprache“ die eigene Sprache, „den inneren Dialog heraushören“ zu können. Gegen die von der Sprache verordnete Ordnung könne sich der Dichter nur mit „Regellosigkeit“ behaupten, er habe sich auf die „Entregelung“ der grammatischen und metaphorischen Logik zu verlegen, indem er sprachlichen Nebenspuren, Mehrdeutigkeiten, Assoziationen und Verzweigungen folge, sich von der Sprache ablenken lasse, Zufall und Fehler eine Chance gebe. Derartig gewonnenes sprachliches Material gelte es, zum Gedicht zu verarbeiten:
Was an Zufällen zu Einfällen wird, bestimme ich, indem ich es in Form bringe.14
Dörings Texte „vereinen wortzweige zu einem blick / führen zu nischen spiele des lichts“15 und hoffen wohl so, Sicht auf eine andere, innere Sprachlichkeit zu bekommen:
zufällige zusammenhänge
sind notwendige lockerungen
wender der not
sich auszudrücken in grenzen
der regel, dass, die folgen
den lockungen dieser hänge
abwärts gleiten in tiefsicht
wider besseren wissens
des seltsamen beieinanders16
Das Gedicht verspricht – jenseits der syntaktischen und gesellschaftlichen Regulierungen – Grenzenlosigkeit, das Abenteuer tieferer Einsicht, die von der sprachlich-kulturellen Fassade, vom Wissen, verstellt werde. Für Döring ist Dichtung die Möglichkeit, durch Auflehnung über die sprachlichen Reduktionen der Welt hinauszukommen und, statt der Illusion einer Wahrheit nachzujagen („da aber wahrheit / aber glaube ist“ 17), zu persönlicher Identität und Individualität zu finden. Sprache verliert bei Döring aber keineswegs ihre semantische Funktion, reduziert sich nicht auf lautliches Material, bleibt unverzichtbares Kommunikationsmittel:
Bei aller Kritik gegen die bildhafte Metapher als Höhepunkt der Sprache, ist sie trotzdem als bildhafter Vergleich notwendig, um dem Text seinen Bezug zur Wirklichkeit zu geben.
Aufgabe des Dichters sei demnach, „einen Zusammenhang herzustellen zwischen unterschiedlichsten Einzelteilen.“18 Dennoch kann sich Döring nicht mit einer kontingenten kommunikativ hergestellten Identität abfinden, sondern faßt den poetischen Text als ausgezeichnete Vermittlungsleistung des Experten Schriftsteller auf, der intensiver als andere auf sprachliche und außersprachliche Wirklichkeit reagieren könne.19 Mit einem Gedicht werde Identität geboten, geschaffen:
Vielleicht liegt die Bedeutung von Gedichten darin, nicht, daß etwas ausgesprochen wird, sondern daß das Unausgesprochene sprechbar gemacht wird.20
Der Text soll so letztendlich unsere sprachlichen Muster transzendieren können. Folgt man Döring, zeigt sich das Unausgesprochenene dort, wo ein Gedicht in seinen Bezeichnungen nicht aufgeht, wo Gegensätze, Brüche, Paradoxa, Ambivalenzen die Verfestigung von Bedeutungen nicht zulassen.
Konstruktionsprinzip von Dörings Texten sind folglich nicht Bildfolgen und deren sprachlogische Verknüpfung, sondern mögliche Zusammenhänge sollen sich um sprachliche und semantische Widersprüchlichkeiten und Leerstellen erst generieren. Endler hat Dörings Technik als „Cut-up“ bezeichnet.21 Er selber faßte sein Verfahren als Reduktionstechnik auf. Der Text entstehe als Fragment eines spielerisch erzeugten Vorstellungszusammenhangs, wodurch in der Sprach- und Bedeutungsordnung Fehlendes entdeckt werden könne:
Spuren fangen an zu reagieren, wie in einer Gleichung, in die man Unbekannte einsetzt, um die Vergleichung zu ermöglichen. Danach werden sie weggekürzt.22
Dörings Schnittechnik, sein Entregeln der Sprache funktioniert um so eindrucksvoller, je selbstverständlicher sich Buchstaben- und Wortfolgen dem Leser aufdrängen, namentlich bei stehenden Redensarten und gängigen Metaphern. „Die Metapher stellt sich zeitlos. Ich lasse der Metapher keine Zeit. Wo und wie sie sich entwickelt, nehme ich sie wieder zurück“, bzw. er setzt einen Schnitt, denn:
Indem der Text eine flüssige Sprechweise vorgibt, lügt er Flüssigkeit vor.23
Das Gedicht mit dem metaphorischen Titel „du selbst bist der fisch“24 läßt z.B. ,flüssige‘ Redensarten nicht aufkommen und demonstriert und verweist zugleich im ersten Versblock auf seine Machart:
ich weiss nicht mehr näher
es so zu sagen ist die zeit
nicht faul genug zu fühln
geht ein nächster schritt
mit dem messer im fuss
kämst du besser in fluss
bis zum nächsten schnitt
überreden wirs uns nochmal
Nicht nur von Zerschneiden, eher von Zerfetzen sprechen darf man angesichts Dörings in der Überschrift harmlos daherkommenden Textes „neue zehnzeiler und ein romantisches gedicht“25. Mit dem romantischen Gedicht ist der zu DDR-Zeiten unerwünschte Text der Becher-Hymne „Auferstanden aus Ruinen“ gemeint, die bei Döring in einer Art destruiert wird, die an Jimmy Hendrix’ Umgang mit „Stars and Stripes“ denken läßt:
aufgestanden und ruiniert
gewandter in losen gewändern
neuer vergangenheit zugewandt
heult in zukunft ruinen
zeitwinds wehn von ursprung
durch dies loch jetzt
zuhälter und aufreisser
[…]
zu pfeifen den totentanz
Außerdem arbeitet Döring vielfach mit antonymischen Wortpaaren (z.B. Gewinn-Verlust, Vergangenheit-Zukunft, Leben/Geburt-Tod, innenaußen, Lüge-Wahrheit, kommen-gehen usw.), aus deren Opposition er verwandte Oppositionen entwickelt. Die Gedichte schreiben sich gewissermaßen nach einer kontradiktorischen Assoziationslogik fort („in wiedergeburten wehen / kreisst und umkreist / grellweiss – samtschwarz / des tods in lieb und leib / … “), ohne Gegensätze in einer Pointe aufzulösen, „den schlüssel zum schluss / in händen: das schloss“. Für den Leser muß am Schluß eines Gedichts die Verstehensarbeit erst beginnen, denn es geht Döring ja um den „inneren Dialog“, auf den die Lücken zwischen den paradoxen Fügungen verweisen wollen, „die ahnung des ähnlichen/ in armen des gegenteils“26. Neben Antonymen nutzt und manipuliert Döring Synonyme, Sprichwörter, Homonymien oder Redewendungen („was mir deine schleuder / ist dir meine waschmaschine“27).
Döring greift auch ins Wort ein, tauscht oder ergänzt paarweise Buchstaben, Phoneme oder Sememe, bildet pseudologische Komposita („windjammer regenwahn“28, „ausserstandsätze“ – „instantmoral“29, „leger – regel“30), so daß sich aus künstlichen Wortdefekten oder Wortkombinationen überraschende semantische Beziehungen entwickeln können. Bekannt geworden ist sein Gedicht „wortfege“31, in dem durch Austausch der Buchstaben w und f zwei ( oder mehrere) sinnhafte Lesemöglichkeiten entstehen, womit sich die Ambivalenz des Textes vervielfacht. Der Leser erhält bei Auswechslung von w und f einen zweiten (auch politisch doppelt interpretierbaren) Gegentext („fortwege“): „weinsinnig im daseinsfrack / feilt an windungen seiner selbst / wahrlässig er allzu windig“ usw., was permutiert „feinsinnig im daseinswrack / weilt an findungen seiner selbst / fahrlässig er allzu findig“ ergibt. Auf das DDR-Ausreisesyndrom der 80er Jahre weist deutlich die Schlußzeile, „der sich herausfand währt dahin“, bzw. gewendet: „der sich herauswand fährt dahin“. Mit solchen kleinen, aber genauen Operationen am Wortmaterial erreicht Döring, daß die „Wirtlichkeit“ des Gedichts über die vordergründige ,natürliche‘ sprachliche Wirklichkeit hinausreicht:
ich habe mich aus der wirtlichkeit gestohlen
mich nicht einladen zu lassen
von ihrer würdigkeit32.
An Dörings Texten lassen sich deutlich Aspekte aufzeigen, die charakteristisch für die literarische Entwicklung seiner Generation und damit für die Installierung einer ,anderen‘, autonomen Literatur in der DDR waren. Ein Text, der symptomatisch den Intentionen der jungen Schriftstellergeneration und ihrem Beharren auf Anwesenheit, auf einem Hier und Jetzt in der ungeliebten DDR entspricht, ist das Gedicht „der gegenwert der gegenwart“33. 34 Sein besonderer Stellenwert wird dadurch unterstrichen, daß ihm auch der Titel des Bandes Heutmorgestern entnommen ist.35 In dem Text spaltet Döring den Begriff „Zeit“ in die antonymischen Komponenten Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf. Durch die Veränderung des Lautbestands der drei Wörter werden Bedeutungsfelder herbeigezwungen, die das Ideologische an der DDR-notorischen Geschichtsdialektik bloßlegen:
vergangenschaften zunftkünftler
des ständigen todaussaufens flaschenpfänder
zünftig und geschäftig all ihr
wegwärter vom leitfaden zur richtschnur
so der nase lang dass ihr euch nicht riecht
verwest ihr hinkend ins komm und geh ende
handel mit zeit der gegenwert der gegenwart
[…]
kaufen die gegenwart auf für ein gut haben
all deine zugkunft und verlangenheit nach jetzt:
erst heute das morgen schon heute das gestern
heutmorgestern
liebe mitverbürger eifriger geschicklichkeit
begreift begeifert dies wunder zeit
das in der mitte zusammenfliesst
in unser aller mitte […]
Unverkennbar wird die über Ideologiesprache transportierte Fremdbestimmung des Einzelnen in der sozialistischen Gesellschaft thematisiert und denunziert. Die Zunft der Parteiideologen mit ihren Mannschaften („vergangenschaften zunftkünftler“) leitet aus der Vergangenheit das Recht ab, die Zukunft zu kennen und dafür die Gegenwart als Opfer dem Einzelnen abzuverlangen. Poesie macht die Rechnung auf, bestimmt den „gegenwert“ der den Menschen vorenthaltenen „gegenwart“. Mit deutlicher Pathetik wird hier dieser Verlust an Leben und Zeit ausgestellt. Hingelenkt wird ,buchstäblich‘ auf die Mitte der Zeit, die Gegenwart, womit das Gedicht gegen Zukunftsphrasen für ein intensives Leben und Erleben des Augenblicks plädiert. Unter Betonung des „heute“ verschmilzt Gegenwart mit „gestern“ und „morgen“ zu „heutmorgestern“.
Dörings Gedichtband Heutmorgestern ist zweigeteilt. Die erste Hälfte umfaßt Texte aus den Jahren 1979–1984, die zweite aus 1985–1988. Dazwischen geschoben ist der undatierte mehrseitige Text „ein stück zeit. gespräche mit einer pause“, der den Band präzise teilt und somit typographisch eine Zäsur markiert. Der Text war einer von Dörings Beiträgen zur 1984 abgeschlossenen Anthologie Berührung ist nur eine Randerscheinung und trennt in Heutmorgestern Dörings Gedichte in ein Vorher und Nachher, ähnlich wie das Erscheinen der Anthologie ein einschneidendes Ereignis in der Entwicklung der jüngeren DDR-Literatur darstellte. „ein stück zeit“ ist ein Dialogstück oder Dialoggedicht mit vier Personen: Frau, Mann, Geliebter und Mörder. Die Texte, die den Personen zugewiesen sind, konstituieren sich auch hier aus Oppositionen (Stillstand/Bewegung, schwarz/weiss, Wahrheit/Lüge) und beziehen sich auf das Thema Zeit. Im Dialog Frau-Geliebter wiederholt sich der aus „gegenwert der gegenwart“ bekannte Appell an das Heute:
verschiedene zeit
ist vergangenheit
gleiche zeit
ist leben erleben36.
Die Unfähigkeit der Dialogpartner, im Heute und in Vielfalt zu leben, sich zu bewegen („liebe ein heil / einheit zu spalten“37), ruft den Tod, den Mörder auf den Plan, „die leute spielen / gefühllos für zeit und ort / sie machen ernst / hier und sofort“ “38. Als zur Zukunft hin offen läßt sich das Ende des Textes interpretieren, wo die Frau die Wiedergeburt des Menschen verheißt. „aus drei toden / mann geliebter mörder / sprechen fühlen entwerfen / mich neu die drei“39. Ähnlich wie in Papenfuß’ Gedicht „leila anastasia“ kann aus diesem Text die im Untergrund Anfang der 80er Jahre herrschende Aufbruchstimmung herausgelesen werden.
Vieles spricht dafür, daß die Texte des ersten Teils von Heutmorgestern, mit der Überschrift „komm geh“ versehen, im Zeichen eines literarischen Aufbruchs, als ersehnte Bewegung in erstarrter Zeit verstanden wurden. Der damals empfundene ,begrenzte‘ Optimismus – „ich fühle mich in grenzen wohl“40 – fehlt im zweiten, von Melancholie, ja Lethargie geprägten Teil des Bandes. Hier wird eine resignative Befindlichkeit reflektiert, besonders deutlich in einem Gedicht mit dem umständlichen, ja trägen Titel „ein gewaltiger schlaf scheint den schläfer / der ihn trägt erdrücken zu wollen“41. Der Text führt symbolisch das Programm der Titelzeilen aus, kann sich nicht zu Ende sprechen, verstummt, fällt in Schlaf. In ihm trifft man auch auf das Wort „weilen“, das als Kapitelüberschrift gewählt wurde:
überall gleich und unerreichbar
weil die weilen nicht bleiben doch fortwähren
die reisenden nicht dorthin doch fortfahren
rasende um ein wort zu erreichen das sie aufnimmt
an dem sie sich aussprechen können bevor der schlaf
(Ende des Gedichts). Hier macht „weilen“ zumindest zwei Lesarten möglich, entweder man bezieht sich auf das Verb oder das Substantiv „Weile“, das auch in Langeweile/Kurzweil steckt. Zum zweiten Mal taucht das Wort im letzten Text des Bandes auf:
immer flüchtiger werden die weilen
wie wir uns befrein aus langerweile
– sei uns ein zeitvertreib.
wohl haben wir uns gefühlt
sicher waren wir miteinander
gewiss waren wir unser
verliessen vergassen vergingen uns;
[…]
wir entkommen uns nicht durch uns
– hol uns über.42
Im Gegensatz zu seinen anderen Gedichten setzt Döring hier Satzzeichen, Punkte, gewissermaßen die Hoffnungslosigkeit ,auf den Punkt‘ bringend, die nach der allgemeinen Aufbruchstimmung Anfang der 80er Jahre sich später verbreitete. Dörings zweiter Band ZEHN43 nimmt, pessimistisch gewendet, frühere Texte neu auf:
ins bockshorn verrannt
vergeben redewendungen
jeden gesinnungswechsel
ist alles was wechselt
verwechslung des gleichen (I/10).
Dörings aggressive Persiflage der DDR-Hymne von 1983 wird umgestellt: „aufgestanden und ruiniert“ (III/9). Resignativer Selbstbezug (vgl. „komm geh“) findet sich auch in:
wohin du kommst
kommst du um
woher du gehst
gehst du um
zu sein was du bist
[…]
wo bleibst du (IV/2).
Halt scheint ihm nur strenge Form noch zu bieten: Döring zwängt sämtliche Verse des Bandes ZEHN in fünf identisch gebaute Abteilungen zu je zehn zehnzeiligen Strophen.
Ekkehard Mann, in Ekkehard Mann: Untergrund, autonome Literatur und das Ende der DDR. Eine systemtheoretische Analyse, Peter Lang Verlag, 1996
das interview vom gespräch
in seiner einfachsten, aber zugleich radikalsten form ist das interview ausschließlich ein wechsel von fragen und antworten. diese, das absolute beanspruchende vorstellung und die zufälligkeit ihrer realisierung, verbunden mit dem satz „laß dich nicht interviewen!“, machten das gespräch zwischen stefan döring und mir undurchschaubar (aber auch unübersehbar). klarheit brachte erst ein text, dessen gesprächsbezug nur noch scheinbar vorhanden ist. neben diesem „introview“ entstand ein von stefan döring geschriebener essay, welchen ich als eine infragestellende gedankenbeschreibung zum interviewgeschehen verstehe.
für das auf der grundlage des geführten gespräches zu schreibende „introview“ war die annäherung an dörings gedichte eher basis und ausgangspunkt als festumrissenes ziel, was auch auf den biografischen und zeitgeschichtlichen hintergrund zutrifft. in diesem sinne ist das „introview“ dörings lyrik sehr nah; wo ein ICH bzw. ein konkretes geschehen ebenfalls nur selten eine widerspiegelung finden, so oft sie auch ihre realisierung erfahren. realitätsentzug, der sich, ohne auf wirklichkeit zu verzichten, vollzieht. dadurch entsteht eine bildlichkeit, die vornehmlich aus dem augenblick der textbewegung resultiert und sich durch eine starke eigen dynamik der sprache auszeichnet. in dörings gedichten läßt sich diese beeinflussung des bildes durch den sprachlichen augenblick feststellen. zeilen wie „jeder der narr seiner zeit zur unzeit / in dem was gewesen war des wesens gewahr“ oder „und immer mehr verdichtet wird die zeit“ weisen darauf hin. im interviewtext gab es für diese metaphernproblematik keinen platz mehr. der entsprechende ausschnitt aus unserm gespräch sei deshalb auszugsweise zitiert. „… Die Metapher stellt sich zeitlos. Ich lasse der Metapher keine Zeit. Wo und wie sie sich entwickelt, nehme ich sie wieder zurück. Bei aller Kritik gegen die bildhafte Metapher als der Höhepunkt der Sprache, ist sie trotzdem als bildhafter Vergleich notwendig, um dem Text seinen Bezug zur Wirklichkeit zu geben. Das Bild macht den Text ernsthaft, während das Mathematische, das Verspielte die Fransen sind. WAS DANN AUCH DIE LEICHTIGKEIT AUSMACHT? Indem der Text eine flüssige Sprechweise vorgibt, lügt er Flüssigkeit vor…“
Egmont Hesse: „Ich sage, was ich meine“, was meinst du damit?
Stefan Döring: Ich meine, was ich sage, in dem Sinn, daß ich zunächst bereit sein muß, anonym etwas zu sagen, dem ich danach erst versuchen kann, einen Namen zu geben. Persönlich kann ich eine Meinung zu Verschiedenem haben, im Schreiben muß ich erst dahin kommen, und zwar sprechend und nicht von einem Zentrum aus. Die Meinung ist ein Zentrum, das sich mit Sätzen ummauert. Im Schreiben verteidigt man nicht eine Meinung mit Worten, man bildet Worte um etwas, von dem man sich zunächst nur eine undeutliche Vorstellung macht. Doch das fertige Gebilde sieht dann so aus, als würde jemand seine Meinung sagen.
Hesse: Heißt das, du mußt dich von vorneherein für alle vorhandenen Möglichkeiten öffnen, die bereits in jedem Wort liegen?
Döring: Da es kein wertloses Material in der Sprache gibt, kommt es darauf an, einen Zusammenhang herzustellen zwischen unterschiedlichsten Einzelteilen.
Hesse: Kann man hierbei überhaupt von wertvoll und wertlos sprechen?
Döring: Wert bedeutet lediglich: für den Text verwendbar. Für einen Text, von dem ich nicht immer weiß, welche Form er haben wird, kann alles mögliche wichtig werden, das dann Wert bekommt nur in diesem Zusammenhang. Es gibt aber keinen Wert, der über den Text hinausreicht. Zitate scheinen mir unmöglich, weil unter gewissem Aspekt Wertvolles aus dem Zusammenhang genommen wird. Im Text selbst erfährt das, was in allgemeiner Vorstellung als wertvoll gilt, sicher eine Nivellierung. Es bleibt aber auch die Frage, wie weit man selbst einen Stil entwickelt, den man nicht mehr kontrolliert, den man nicht bewußt schreibt. Einen bewußten Stil anzunehmen, ist ja gewissermaßen sich eine Maske aufsetzen, ein Sprachmuster für gültig erklären und darin operieren. Es geht ja vielmehr um den Stil, den man untergründig verfolgt und damit andere Sprechweisen ausklammert, also ein Werturteil. Ich kenne die Methode, mit der ich einen Text schreibe, mehr aber nicht. Und das ist auch nicht der Stil.
Hesse: Was dann? Alles, was darunterliegt, worüber man nicht mehr weiß, als daß es existiert, weil es einen angeht?
Döring: Sprechen, als Rede aus dem Augenblick, die einen praktischen Gebrauch hat, kann man nur, indem man bestimmte Möglichkeiten ausklammert. Man sucht sich einen Weg durch die Wortbedeutungen, einen möglichst geraden, um sich auszudrücken. Der Grund dieses Sprechens ist doch, eine bestimmte Wirkung zu erreichen.
Hesse: Auf die im literarischen Text verzichtet werden kann?
Döring: Beim Sprechen will man auf etwas hinaus, beim Schreiben in etwas hinein. Wie ein Operateur stellt man dabei bzw. danach ein Textgebilde her. Einen Gedichttext zu schreiben, ist ja wie sich einen Weg suchen. Zwangsläufig wird dieser verschlungen, weil die Ablenkungen enorm sind. Damit ist aber Schreiben eine Art von Inkonsequenz, Sprechen dagegen Konzentration. Es scheint mir in diesem Zusammenhang richtiger, von Ablenkung und Zerstreutheit zu sprechen als z.B. von Inspiration. Man ist nicht immer nur Subjekt, schöpferisch, verantwortlich usw. Daß ein Schreiber auch Objekt der Sprache ist, braucht man nicht zu überspielen.
Hesse: Der Dichter als Medium?
Döring: Medium scheidet hierarchisch zwischen Höherem und Tieferem, dazwischen das passiv Vermittelnde. Aber man entdeckt, wenn man sich ablenken läßt, und ist dabei nicht passiv. Was an Zufällen zu Einfällen wird, bestimme ich, indem ich es in Form bringe. Das heißt, leistungsfähig und widerstandsfähig machen. Vermittler bin ich mit individueller Reaktion auf Wirklichkeit, auch auf sprachliche. Das tut jeder im Schreiben und Sprechen. Gedichte zu schreiben bedeutet, lediglich intensiver zu reagieren und mehr Zeit zum Entdecken zu haben. Daß der Text sich den Anschein gibt, direkt gesprochen zu sein, heißt ja nicht, daß er seine Zeit verleugnet.
Hesse: Du betrachtest also auch die Dinge von unterschiedlichen Standpunkten, um ihnen dadurch im Text Bedeutung zu geben?
Döring: Auch das macht man allgemein. Aber mit dem Zeitgewinn kann man mehr unter einen Hut bekommen. Ich gehe oft vom fehlerhaft gesprochenen Satz aus oder vom ambivalenten Satz. Ein Satz, der mehr sagt, als er im Moment meint. Es gibt ja nicht nur Informationsverlust beim Sprechen, wenn man sich nicht deutlich genug ausdrückt, sondern auch Informationsgewinn durch die Fehler. Die Fehler werden im Text nicht ausgemerzt, sondern in der Doppeldeutigkeit verstärkt. Kommas z. B. setze ich nur selten, meist als rhythmische Zäsur.
Hesse: Es geht dir aber trotzdem nicht so sehr darum, unterschiedliche Lesarten offenzulassen, sondern um eine dem Text entsprechende, welcher der Leser, will er das Gedicht verstehen, sich annähern muß?
Döring: Ich denke, wenn der Text gut geschrieben ist, dann zwingt er dem Leser seinen Rhythmus auf. Ich sehe nicht verschiedene Arten, meine Texte zu lesen. Für mich gibt es den einen Duktus, der eben möglichst gut herausgearbeitet sein sollte trotz aller Schwankungen und Zweideutigkeiten.
Hesse: Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang das Lesen von Texten für dich?
Döring: Als Kontrolle der Lebendigkeit, wie weit sich der Text ans Sprechen annähert.
Hesse: Zwischen Lesbarkeit und Lebendigkeit bestehen also Zusammenhänge unterschiedlichster Form?
Döring: Ein Gedicht sollte in einer möglichen Sprache sprechen und damit vorgeben, natürlich zu sein. Daß alles daran aber darauf hindeutet, daß es künstlich gemacht ist, zeigt, daß das vorgebliche Sprechen ein Mittel ist, durch das man den Text als wirklich nehmen kann. Das ist jedoch eine andersgeartete Fiktion als beim Roman. Vielleicht liegt die Bedeutung von Gedichten darin, nicht, daß etwas ausgesprochen wird, sondern daß das Unausgesprochene sprechbar gemacht wird?
Hesse: Was möglicherweise auch für unser Interview gilt.
(Entmotto: Sind wir mit den Worten verspielt, weil es keine Sprache mehr gibt, auf die es ankommt?)
I Möglich?
Ob es denn überhaupt möglich oder nützlich sei, eine bestimmte Art von Schreiben beschreiben zu wollen? Türme sich doch sofort die Frage auf, was das Bestimmte, Unverwechselbare denn nun wirklich sei, so daß gleich zu Beginn eines möglichen Gespräches, das der Interviewer so authentisch wie möglich aufzuzeichnen bemüht ist, die Gefahr bestünde, im Nachdenken darüber Persönlichstes, gar Psychologismen hervorzukramen, an denen doch überhaupt niemand interessiert sein könne. Exhibitioniere sich nicht darüber hinaus die aufgezeichnete Gesprächsform vor einer Mehrzahl Stummer, die es günstigenfalls als Leser zu Trichinenbeschauern von Schussligkeiten mache. Wäre es wenigstens ursprünglich und gäbe sich nicht wie zufällig erlauscht oder als gewieft offiziöse Reaktion. Diese Form scheine doch wohl ein Auswuchs unseres Jahrhunderts zu sein, in dem Austauschbarkeit und Ersetzbarkeit überhand genommen hätten, daß Wirkliches sich literarisch, Literarisches sich ohne weiteres als wirklich gebärden könne, dies zugunsten der Erweiterung des Markts. Beträfe das doch schon den Roman im vorigen Jahrhundert, der Wirklichkeit und Fiktion derart verwechselt, daß sich der Leser reihenweise aus dem Fenster stürzt, um die Romanhandlung zu bewahrheiten. Das sei zu bedenken, ehe einer Form gestattet werde, sich als Fakt zu verkleiden. Ferner sei dieses Dazwischenschauen die Stütze jener Vorstellung, es gäbe Kulissen, hinter denen sich Eigentliches verberge. Mit der Person als hintergründiger Produzent, der mit einheitlichem Griff auch das Disparateste zu umfassen imstande sei, solle eine Kontinuität vorgetäuscht werden, deren Zusammenbrechen überall beobachtet werden müsse. Sehe man sich nur die Sprache an, die Zusammenhalt der Kultur zu sein vorgibt. An unzähligen Flicken müßte es bereits im Versuch scheitern, sie als kulturelle Persönlichkeit auf die Beine zu bringen. Und überhaupt: In welcher Sprache man denn nun eigentlich reden wolle?
II Konfus?
Wer redet denn eigentlich? Drücke ich mich etwa falsch aus, wenn ich spreche? Wer könnte das beurteilen? Ich? An der Wirkung? Man befiehlt oder bittet doch nicht ständig! Hätte ich denn, wenn ich nichts sagte, auch eine Meinung? Ich bin immer gespannt, was ich als nächstes sagen werde. Man lernt sich kennen. Jeder spricht neben einer Fremdsprache seine eigene. Oder ist dies eine Täuschung? Wir wachsen alle zweisprachig auf. Man muß den inneren Dialekt heraushören. Wenn ich sage, was ich nicht zu meinen meine, kann vieles daran zu meiner Meinung werden, wenn ich es nur richtig sage. Man hat doch genug Zeit beim Schreiben und kann jeden Unsinn verfolgen. Das Lesen sollte ein erträgliches Maß an Zeit nicht überschreiten. Ist z.B. Tick Unsinn und Tack Sinn, gibt das nach einiger Zeit eine Schwingung. Wird es nicht bei den Ausreden erst interessant?
III Theoretisch?
Person ist Ordnung der Wünsche entsprechend gesellschaftlicher Struktur. Einige geraten ins Abseits, andere werden verschoben. Als Person hat man diesen Prozeß erfolgreich absolviert. Durch Sprache wird Person erzogen, hat man die Sprache gefressen, dann auch die Ordnung. Stil ist Auflehnung der Ordnung innerhalb der Ordnung. Das Individuum behauptet sich in anonymer Masse durch seine Besonderheit, d.h., es arbeitet mit Regellosigkeit. Gerade die hervorragende Beherrschung der Sprache bedeutet, daß unmerklich von den Regeln abgewichen wird. Gipfel sind gleichzeitig Punkte des Umkippens. Der glänzende Stilist hält sich oben, er hält das Gleichgewicht zwischen Anpassung und Auflehnung. Anzunehmen, daß Auflehnung und Regellosigkeit gerade den verdrängten Wünschen entstammt. Das, was durch Sprache verboten wurde, verändert die Sprache selbst. Stil ist Person der Sprache. Sie fordert vom Schreiber, sich selbst treu zu bleiben. Die selbstgeschaffene Ordnung wird ihm zum Diktat. Fehler werden jetzt Katastrophe. Stil wird wie Person zu einem Abwehrmechanismus. Nicht stilgemäße Sprechweisen werden abgestellt. Schwierigkeit beim Schreiben besteht darin, sich auf keinen Stil einzulassen, ihn immer nur virtuell zu bilden, jedoch nicht als perfekte Methode, die sich zur Nachahmung empfiehlt. So, wie der Inhalt dadurch fragmentarisch oder mehrdeutig wird, geschieht das auch mit der Person im Gedicht, die nur drinnen sich aufbaut, den Text nicht verläßt.
IV Problematisch?
Warum geht es nicht, einen einfachen Text aufzuschreiben – also: ich habe Lust dazu und dazu, ich vergesse ständig mein System im Hinter(?)kopf, wenn es eins gibt: das heißt: das System, zusammengesetzt oder authentisch, beschreibt eine Richtung, in die ich mich bewegen (!) kann (auf eine Weise), die mir sympathisch ist (diffus), so: in dieser Art etwa könnte man anfangen zu reden, wie mir das die Worte, die ich schon habe, vormachen: usw. Was heißt sympathisch: Sicherheit spielt hier eine Rolle. Diese Rede, die ich anfange und fortsetze, kenne ich bereits, es kann nichts groß Gefährliches dabei herauskommen und ich werde mich dabei auch nicht lächerlich machen: sofort habe ich schon die Möglichkeit, originell zu sein, ohne Genaueres zu wissen. Der Umstand ist nicht zu verachten: jetzt muß man sich was leisten.
Dieses Gespräch wurde im November 1985 geführt.
Erschienen in: Egmont Hesse (Hrsg.): Sprache & Antwort. Stimmen und Texte einer anderen Literatur aus der DDR, S. Fischer Verlag, 1988.
Sprachgewand(t) – Ilona Schäkel: Sprachkritische Schreibweisen in der DDR-Lyrik von Bert Papenfuß-Gorek und Stefan Döring
Christine Sohn: Leichtsinnige Gewissenhaftigkeit Sture Sprunghaftigkeit Geballtes Schwingen. Laudatio zur Verleihung des Karin-Kramer-Preises für widerständige Literatur 2022.
Poesie von Stefan Döring im Mix mit abseitiger Populärmusik / Präsentiert von der lebenden Repetiermaschine Rex Joswig / O-Töne Stefan Döring aus: ROSA EXTRA Extrakte 1980–1984, ein Film von Bernd Jestram / Gewidmet Dennis Z.
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