– Nach Georg Trakls Gedicht „Nachtseele“. –
GEORG TRAKL
Nachtseele
3. Fassung
Schweigsam stieg vom schwarzen Wald ein blaues Wild
Die Seele nieder,
Da es Nacht war, über moosige Stufen ein schneeiger Quell.
Blut und Waffengetümmel vergangner Zeiten
Rauscht im Föhrengrund.
Der Mond scheint leise in verfallene Zimmer,
Trunken von dunklen Giften, silberne Larve
Über den Schlummer der Hirten geneigt;
Haupt, das schweigend seine Sagen verlassen.
O, dann öffnet jener die langsamen Hände
Verwesend in purpurnem Schlaf
Und silbern erblühen die Blumen des Winters
Am Waldsaum, erstrahlen die finstern Wege
In die steinerne Stadt;
Öfter ruft aus schwarzer Schwermut das Käuzchen den Trunknen.
Der eigenen Spur nach in blauen Dunst klimmen
Dieses Gewehr auf sich richten
Bemoostes Denken, x-endige Abwurfstangen im Gras
Aus denen Baumstümpfe wachsen, alter Wein
Schäumend – ein Bergsee nun
Salzlinse nach See-Verlandung. Der Kopf bestaunt
Selbst erdachte Maschinen, die ihre Hallen verlassen
Nach innen wandern, silberne Larven;
Wüten, das ist auch Jubel, erstarrt in der Zeit.
Akkumuliertes Erfassen nimmt jeden Impuls
Wie die Schwester Blut
Gründlich, auch Tränen darüber, Worte sind Formen
Von Eis. O, dann öffnet jener die langsamen Hände
Massaker. Sie berühren
Mit inneren Augen, heißt es, ist das letzte Feuer.
Steffen Popp, aus Mirko Bonné und Tom Schulz (Hrsg.): TRAKL und wir. Fünfzig Blicke in einen Opal, Stiftung Lyrik Kabinett, 2014
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