Terje Dragseth: bella blu

Mashup von Juliane Duda zum Buch von Terje Dragseth: bella blu

Dragseth-bella blu

(…)

Tag 1291  Der Tag an sich ist ein Ereignis. Es schneit fortwährend. Wir sind immer noch fließend.

Tag 1292  Die Galaxie besteht aus Metaphern. Nachtbote plombiert alle Hangars. Planeten mit Bäumen kommen vor. Wie Dotter im Ei. Sperma unter dem Mikroskop.

Tag 1293  Hund mit selbstleuchtendem Fell wird verschenkt, an die, die dies lesen.

Tag 1294  Ein letztes dreigängiges am lauschigen Monitor. Der Nachtbote hat sein wahres Gesicht gezeigt.

Tag 1295  Metall so hingerissen von Metall, dass man uns fesseln muss. WURMLÖCHER.

Tag 1296  Vogel fliegt.

Tag 1299  Über die Baumkrone. Die Planeten. Über die Haut. Stein. Überall.

VOICE-OVER 0011 repeat repeat repeat: STERNE KANN MAN SICH BLOSS WÜNSCHEN // WIR SEHEN SIE MORGENS / WIR SEHEN SIE TAGS WIR SEHEN SIE NACHTS // ZWEI HUNDE IM WELTRAUM/ DAS MACHT UNS FROH / WIR BEGRÜSSEN SIE HERZLICH / SIE STARBEN FÜR DIE TOTEN // WIR SEHEN SIE MORGENS / WIR SEHEN SIE TAGS WIR SEHEN SIE NACHTS // WIR TANKEN TREIBSTOFF WIR LADEN MANGAN UND URAN / WIR FÜLLEN DIE HELME AUF / MIT HILFSSTOFFEN // WIR SEHEN SIE MORGENS / WIR SEHEN SIE TAGS WIR SEHEN SIE NACHTS // FUCHSFELLNEBEL KEGELNEBEL LUCHS// ROTLEUCHTENDES WASSERSTOFFGAS DUNKLE STAUBBÄNDER / KNISTERNDE FARBEN IM STERNGEWIMMEL // BLOSSES AUGE FÜR DIE MILCHSTRASSE // WIR SEHEN ES MORGENS / WIR SEHEN ES TAGS WIR SEHEN ES NACHTS // UNSERE DUNKELHEIT UND UNSERE FURCHT / 300.000 KILOMETER LICHT / EIN DISKUS VON MILLIARDEN// WIR SEHEN ES MORGENS / WIR SEHEN ES TAGS WIR SEHEN ES NACHTS // SONNENSYSTEME RAUS AUS DEM HAUFEN / NIE WIEDER ZURÜCKZUKEHREN // WIR SEHEN ES MORGENS / WIR SEHEN ES TAGS WIR SEHEN ES NACHTS // ALS SIEBENECKIGE MUSIK / RELATION DER GERÄUSCHE / ZWISCHEN DEN STERNEN // SIE SINGEN / ALLES IST GESANG / IHR DIE GERÄUSCH SEID / LAUSCHT // WIR HÖREN ES MORGENS / WIR HÖREN ES TAGS WIR HÖREN ES NACHTS // ZUR GERÄUSCHWELLE WIRST DU WERDEN / VON GERÄUSCH ZU GERÄUSCH / WIRST WAHRHAFTIG FREI WERDEN / WIE DIE WELLE DIE WIR REITEN WOLLEN // WIR HÖREN ES MORGENS / WIR HÖREN ES TAGS WIR HÖREN ES NACHTS // JA AUS GERÄUSCH / BIST DU WAHRHAFTIG ZU GERÄUSCH GEKOMMEN / WIRST WAHRHAFTIG WERDEN // PLEJADEN KOSMISCHE TRANSFORMATIONEN / BEGLEITER ORANGER KUTTEN / WIR HÖREN WIR HÖREN / WAS MEHR VON UNS VERSTEHT ALS WIR / WIR HÖREN UND HÖREN // WIR HÖREN MORGENS / WIR HÖREN TAGS / WIR HÖREN NACHTS // BELLA BLU / BELLA BLU BLU / BELLA BLU BLU BLU

 

Terje Dragseth liest aus bella blu.

 

Terje Dragseth und Mørtel & Metafysikk performen bella blu 2012.

 

 

Editorische Notizen

1
1956 publizierte der schwedische Schriftsteller Harry Martinson [1904–1978) das Sci-Fi-Versepos Aniara. Eine Revue vom Menschen in Zeit und Raum [Dt. Ausgabe aus dem Schwedischen übersetzt von Herbert Sandberg; Nymphenburger Verlagshandlung, München, 1961].
BELLA BLU setzt die Reise des Raumschiffs Aniara fort, ausgerüstet mit neuen Erkenntnissen über Zeit, Raum und Relativität [Quelle: Kosmologi og metafysik [The Monist, 1891–1993); Charles S. Peirce, Moderne tænkere, Gyldendal, København, 1996].
Im Arbeitsprozess sampelte ich Substantive aus meinen zwischen 1988 und 2002 erschienenen Gedichtbänden, variierte sie nach der Cut-up-Methode und gestaltete eine sprachliche Metamorphose, die die kosmische Reise des Raumschiffs BELLA BLU beschreibt.

Terje Dragseth

2
In der Zeitschrift Abwärts! [Nr. 19, März 2017, BasisDruck Verlag, Berlin] erschien eine erste Version von Auszügen aus BELLA BLU in deutscher Übersetzung. Die Textgestaltung folgte der „lyrischen“ Variante des norwegischen Originals mit vielen Zeilenbrüchen und Leerzeilen.
Für die vorliegende Ausgabe haben wir uns entschieden, den in Lyrik und Prosa verfassten, von Terje Dragseth als „Sci-Fi-Poesie“ kategorisierten Text, zu komprimieren und „prosaisch“ zu setzen. Viele Zeilenbrüche erwiesen sich als unnötig, dennoch nötige [formale oder durch Themenwechsel bedingte u.ä.] werden durch einen einzelnen, Leerzeilen durch doppelte Schrägstriche dargestellt.
Statt der sporadischen Interpunktion des Originals benutzen wir – bis auf stilistische Ausnahmen – die im Deutschen übliche. Dadurch werden die gelegentlichen Mehrdeutigkeiten des norwegischen Originals – in Absprache mit dem Autor – kanalisiert, um nicht zu sagen: „gechannelt“.
Für die Dragseth-typischen, meist mehrdeutigen Neologismen fanden wir entweder eine Entsprechung oder konzentrierten uns auf die wesentliche Konnotation.
Terje Dragseth kommentiert die Übersetzung folgendermaßen:

Ein Dichter sieht seine Sprache zum ersten Mal! Ja, so kann es gelesen werden. Wenn mein „Kontext“ in eine andere Sprache übersetzt wird, entsteht ein eigentümliches und neues Gefühl, als ob man einem Fremden begegnet; immerhin ist etwas Mystisches und Wohlbekanntes daran, mit einem Gesicht, sowohl jung als auch alt. Man liest und liest und verliebt sich in diese neue Bekanntschaft, mit Geräuschen und Lärm, Bildern und Metaphern, Geschwindigkeit und Absicht, mit Widerstand und Akzeptanz gefüllt. Alles außerhalb von Zeit und Raum.

Vor 10 Jahren erschien, ebenfalls im gutleut verlag, die deutsche Version von Terje Dragseths Kvitekråkas song als Weißkräje sein Lied / Wittkreihs Leed. Jedichte und Jesänge. Een gorrlaust Machwerk. „Jeschriem in Alt-, Neu- un’ Südnorwejisch, von Tone Avenstroup int Halbdeutsche übasetzt, von Terje Dragseth selba aklärt un’ von Bert Papenfuß int Berlina Platt übajetragn.“. Dies war eine Übertragung mit allen Sperenzchen.
Im Vergleich dazu ist – trotz einiger „Freiheiten“ – die deutsche Version von BELLA BLU eine Übersetzung. Die Arbeit daran war nicht mühelos, aber machte vor allem Freude. Nun sucht sie ihre Freunde.

Tone Avenstroup und Bert Papenfuß, Nachwort

 

bella blu | handbuch für den weltraum

– Band 16 in der reihe staben – ist das zweite Buch des norwegischen Autors und Künstlers Terje Dragseth, das im gutleut verlag erscheint. Zehn Jahre nach Weisskräje Sein Lied – Wittreihs leed – und wieder ins Deutsche übersetzt und übertragen von Tone Avenstrop und Bert Papenfuß – zeigt dieses Buch eine ganz andere Seite des Dichters, der in Norwegen zu den einflussreichsten Künstlern seiner Generation gehört.
Terje Dragseths Buch kann man durchaus auch als Langgedicht beschreiben – angelegt als Logbuch in sieben durchgehenden Teilen –, der Autor selbst jedoch bezeichnet es als Science-Fiction-Epos „1956 publizierte der schwedische Schriftsteller Harry Martinson (1904–1978) das Sci-Fi-Versepos Aniara. Eine Revue vom Menschen in Zeit und Raum. bella blu setzt die Reise des Raumschiffs Aniara fort, ausgerüstet mit neuen Erkenntnissen über Zeit, Raum und Relativität. Im Arbeitsprozess sampelte ich Substantive aus meinen zwischen 1988 und 2002 erschienenen Gedichtbänden, variierte sie nach der Cut-Up-Methode und gestaltete eine sprachliche Metamorphose, die die kosmische Reise des Raumschiffs bella blu beschreibt.“

gutleut verlag, Ankündigung

 

Beiträge zu diesem Buch:

Joachim Sartorius: Lyrikempfehlung 2018
lyrik-empfehlung.de

Jan Kuhlbrodt: Einige Gedanken zu Terje Dragseths bella blu
signaturen-magazin.de

Jonis Hartmann: Des Monitors Wärme
fixpoetry.com, 3.3.2020

 

 

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Fakten und Vermutungen zum Autor

 

Terje Dragseth und der Gitarrist John Nikolaisen beim Poetry-Fest in Theaterkellern 1.9.2012 mit einen Auszug aus „Bella Blu“.

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