„MEHRDEUTIGKEIT OHNE MASKE“
– Zum ästhetischen Modus der Dichtung Paul Celans. –
„Von der Kunst sei gut reden“, bemerkte Celan nicht ohne Bitterkeit in der Ansprache bei der Entgegennahme des Büchner-Preises. Wohl wissend um den eitlen Umgang mit modischen Leerformeln des Literaturbetriebs, bekräftigte er damit seine in entschieden andere Dimensionen gehende Vorstellung. Ihn interessierte Haltbareres, Gewichtigeres, nämlich – wie er positiv ergänzend ausführte – in erster Linie derjenige, „der Sprache wahrgenommen hat und Gestalt und zugleich auch… Atem, das heißt Richtung und Schicksal“ (GR, S. 134). Man muß diese Aussage mit dem vollen existentiellen Gewicht nehmen, das ihr der über die Festversammlung hinweg Sprechende mitgeteilt hat. Für nur wenige Autoren fallen Leben und Dichtung so unmittelbar zusammen wie für Celan. Deshalb stellt uns sein ganz aufs Absolute gerichtete Werk vor kaum zu lösende Schwierigkeiten. „Wir begegnen dort der äußersten Schärfe dessen, der mit seinem Dasein zur Sprache geht“ (GR, S. 129) – und darüber ist alles andere als gut reden.
Interpreten suchen gerne wenn schon nicht nach dem Eindeutigen so doch nach Fixierbarem. Celans Texte indes entziehen sich strikt derartigem Zugriff. Sie sind angelegt auf etwas „Offenstehendes, Besetzbares“ (GR, S. 128) und demzufolge schwer zu fassen. Wer den einen Ansatz sucht und dabei bleibt, verfehlt die Substanz. Das macht die Lektüre so mancher Interpretation seiner Gedichte ziemlich unbefriedigend. Gleichgültig, ob nun einer die „atemlose Stille des Verstummens im kryptisch gewordenen Wort registriert“,1 ob andere die chassidische und kabbalistische Tradition bemühen, wieder andere auf die Mystik verweisen, den Surrealismus, die Totenklage, das Elegische oder was auch immer, stets wird dabei ein Element als Ganzes genommen. Ersichtlich steht das der von Celan für sein Dichten beanspruchten „Opazität“ (vgl. AG, S. 187) – er spricht im gleichen Sinne auch von „Interferenz“ (GH, S. 32) oder von der „unabdingbaren Vielstelligkeit“ (GR 153) – entgegen. Denn Lyrik, die eine „ansprechbare Wirklichkeit“ (GR, S. 128) sucht, kann nur als permanenter Versuch verstanden werden; eindeutig übertragbar oder formelhaft zu erklären ist sie jedenfalls nicht.
Will man hier weiterkommen, ist erst einmal Celans ästhetische Position strukturell zu ermitteln, wobei wiederum besonders zu bestimmen sein wird, wie sich seine Sprachreflexion dem gesamtgesellschaftlichen Prozeß zuordnet. Fast etwas wie ein Schlüssel dafür ist der folgende programmatische Satz des Autors:
Wirklichkeit ist nicht, Wirklichkeit will gesucht und gewonnen sein. (GR, S. 153)
Angewandt auf die lyrische Produktion bedeutet das: die jeweilige sprachliche Konfiguration eines Gedichts soll just diesen Suchvorgang einleiten. Sie dient mithin der Aufgabe, „den Bereich des Gegebenen und des Möglichen auszumessen“ (ÜC, S. 23). Infolgedessen kann es Celan nicht darum gehen, Abbilder der Außenwelt vorzulegen, sondern vielmehr darum, die empirische Wirklichkeit aufzubrechen, um so jenem Bereich nahezukommen, den er sich als höchstes Maß gesetzt hat: Möglichkeit des Absoluten. Ein Anspruch also, der die menschliche Begrenzung hinter sich läßt, die „Nähe eines Offenen und Freien“ (GR, S. 146) anstrebt. Im Erfahren der Grenzsituation, in der „Atemwende“ (GR, S. 141 und 146, ebenso als Titel des 1967 veröffentlichten Gedichtbands), gründen die humanen Hoffnungen des Schreibenden. Sicherheit entfällt da von vornherein. Mit Celan zu sprechen:
Vielleicht – ich frage nur –, vielleicht geht die Dichtung, wie die Kunst, mit einem selbstvergessenen Ich zu jenem Unheimlichen und Fremden, und setzt sich – doch wo? doch an welchem Ort? doch womit? doch als was? – wieder frei? (GR, S. 199)
Wirklichkeit, jetzt poetische Wirklichkeit, ist Entwurf einer Welt gegen die „Nacht der Lebendigen / … die Nacht der Unbändigen, / … die Nacht der Wendigen“ (AW, S. 156).
Man darf das nicht als Verkündigungsbotschaft mißverstehen, denn die so gesetzte Wirklichkeit ist Ausfluß strenger Reflexion. Nachdrücklich betonte Celan:
Ich bleibe in meinen Sachen sinnfällig: sie prätendieren niemals aufs ,Übersinnliche‘, das liegt mir nicht, das wäre Pose. Ich lehne es ab, den Poeten als Propheten hinzustellen, als ,vates‘, als Seher und Weissager. (GH, S. 32)
Die von ihm gestaltete poetische Wirklichkeit ist zwar offen für Momente des Realismus; sie entspringt indes keiner mimetischen Absicht und läßt sich folglich nicht beschreiben – zumindest nicht in ihrer Ganzheit. Kein Erlebnis liegt ihr zugrunde, sondern die äußerste ,Anstrengung des Begriffs‘. Mit Bedacht verwahrte sich Celan gegen die ihm unterstellte angebliche Abstraktheit seiner Lyrik und hob stattdessen auf deren „wirkliche Mehrdeutigkeit“ ab (GH, S. 32). Ganz automatisch ist hierdurch die von ihm initiierte lyrische Kommunikation der normalen sprachlichen Kommunikationsgrundlage entzogen. Sie lebt aus ihrer eigenen Sprachlichkeit.2 Da es der Lyriker Celan darauf anzulegen sucht, dem „Umstand Rechnung zu tragen, daß wir an jedem Ding Schlifflächen beobachten, die das Ding aus mehreren Sichtwinkeln zeigen, in mehreren ,Brechungen‘ und ,Zerlegungen‘“ (GH, S. 32), muß er bemüht sein, eine Vielzahl von Perspektiven (eigentlich die Vielzahl der Perspektiven) zu erfassen. Er erklärte das so:
Ich trachte sprachlich wenigstens Ausschnitte aus der Spektral-Analyse der Dinge wiederzugeben, sie gleichzeitig in m e h r e r e n Aspekten und Durchdringungen mit anderen Dingen zu zeigen: mit nachbarlichen, nächstfolgenden, gegenteiligen. Weil ich leider außerstande bin, die Dinge a l l s e i t i g zu zeigen. (GH, S. 32)
Derart kommt er zu der Formulierung von der „Mehrdeutigkeit ohne Maske“ (GH, S. 32). Die beiläufige Bemerkung bringt das ästhetische Programm Celans auf den Begriff. „Mehrdeutigkeit ohne Maske“ – das meint reflektierte und damit bewußtseinserhellende Mehrdeutigkeit, meint poetische Wirklichkeit als Wirklichkeitssuche.
Was daraus folgt? Derartige Wirklichkeitssuche bleibt zunächst einmal rein individuell. Persönlicher Bekundung nach ist der Erfahrungsraum Celanscher Gedichte die „allereigenste Enge“ (GR, S. 146). Deswegen die besonderen Schwierigkeiten des Zugangs. Denn die in den lyrischen Texten eingefangene – sprachlich eingefangene – Randzone konfrontiert uns mit dem Paradox des „erschwiegenen Wortes“ (Sch, S. 62), mit welchem und in welchem sich „Ungeschriebenes zu Sprache verhärtet“. (N, S. 48) Sehr berechtigt darum die von Beda Allemann formulierte Frage:
Läßt sich die Sprache Celans wirklich jemals erlernen, und zwar bis zu dem Grade, daß nicht nur bestimmte Eigentümlichkeiten der Wortsequenz, bestimmte Blickfelder oder einzelne Passagen, auch einzelne Gedichte, sondern seine Gedichte im ganzen verständlich werden? (EG, S. 268)
Jeder einsichtige Leser wird zögern, hierauf kurzerhand bejahend zu antworten.
Doch wie ist dann dem ästhetischen Modus beizukommen? Wir haben gesehen, Celans Poesie verknüpft in der Sprachfigur sogar Unverbundenes, ja Gegensätzliches miteinander und übergreift so die raum-zeitliche Ordnung. Ein allumfassendes, besessenes Vergegenwärtigen ist zu registrieren, gleichsam eine letzte Stufe menschlicher Möglichkeit. Begriffsüberschneidung, Überlappung der Bezüge formieren sich im „dialektischen Übergehen und Umschlagen“ (GH, S. 32) zum künstlerischen Sinn-Gefüge. Im Rahmen seiner Interpretation des Gedichts „Nachmittag mit Zirkus und Zitadelle“ hat Gerhart Baumann diesen Gestus zutreffend beschrieben. Es heißt dort:
Jeder Moment ist erfüllt von einer weltweiten Gesamtheit gleichzeitiger Gegebenheiten und Ereignisse, aber auch von gleichzeitig miteinander verknüpften, unauflöslichen Widersprüchen, vom Werden im Vergehen, vom Hier im Dort, der Geburt im Tode, im Anwesen des Abwesenden, der Nüchternheit in der Ekstase. (EG, S. 280)
Allerdings muß man den dermaßen existentialistisch abgesteckten Rahmen um die konkreten Bereiche des gesellschaftlichen Kontexts erweitern, wenn man die Celanschen Momente des Realismus vollständig haben will. Denn sein ästhetisches Programm hat das Konkrete zur Grundlage. Hans Mayer notierte in seinen Erinnerungen an Celan hierzu:
Für ihn war alles verständlich: nur wurde beim Verstehen viel vorausgesetzt.3
Eben dies ist ins Werk eingegangen und bedingt dessen dialektische Spannung zwischen Konkretem und Absolutem.
Aber da ist noch mehr. Celans Lyrik ist ebenso paradoxe Setzung. Tief bezeichnend sind in dieser Hinsicht die Worte aus dem 1948 entstandenen Begleittext zu Lithographien Edgar Jenés, mit denen er den Kunstvorgang als Expedition in die „schöne Wildnis auf der anderen, tieferen Seite des Seins“ (ÜC, S. 21) beschreibt. Im gleichen Zusammenhang spricht er auch vom Eingehen in den „großen Kristall der Innenwelt“. Das Bild ist aufschlußreich für das ganze ästhetische Verfahren des Autors. Bekanntlich entstehen Kristalle aus dem Zusammenschluß beliebig vieler Atome (Ionen) zu Raumgittern, deren Form je nach den dabei wirksamen Bindekräften wechselt. Diagramme machen die klare Gesetzmäßigkeit jener Formen erkennbar. Ganz entsprechend muß man sich die künstlerische Gestaltungsweise Celans vorstellen: Sprachreflexion mit dem Ziel zu er-finden und so einzudringen in den „großen Kristall der Innenwelt“. Seine Gedichte sind – um im Bild zu bleiben – Impulse zur Verfertigung von Kristalldiagrammen (man denke an Celans Wort von der zu leistenden „Spektral-Analyse der Dinge“). Höchste Zeit deshalb, endlich davon abzukommen, diese Lyrik mit dem Etikett des Hermetismus zu belasten und dadurch in den Ruch des Esoterischen zu bringen. Nichts lag Celan ferner, dessen Schreiben ein verzweifelter Versuch war, im Zeichen einer reflektierten Opazität Phänomene des Er-Innerten, Momente des Realismus, Mehrdeutigkeit ohne Maske so zusammenzuschließen, daß sie zu Signalen einer besetzbaren und zu besetzenden Wirklichkeit werden. Statt Abbilder zu reproduzieren, versuchte Celan etwas anderes zu leisten: Vor-Bilder, Chiffren4 auf dem Wege zum Unsagbaren, „Daseinsentwürfe“ (GR, S. 147)
Freilich bedeuten derartige Daseinsentwürfe schmerzlichen Gewinn. Stellen sie doch nichts anderes dar als die „Unendlichsprechung von lauter Sterblichkeit und Umsonst“ (GR, S. 146). Ihre Position: „am Saum des gewendeten Schweigens und aller Gefahr“ (St, S. 49); ihre Richtung: das „heimgedeutete Nirgends“ (F, S. 93). Deswegen sind Gedichte Celans Niederschlag eines bewußt ansetzenden Sichentfernens von der Welt, aber zugleich eines „raumeinwärts“ (F, S. 105) orientierten Ausgreifens mit der Absicht, die menschliche Entfremdungssituation unter einem zu findenden „Meridian“ (Gr, S. 131 und 148 sowie N, S. 88) einsichtig zu machen und somit virtuell aufzuheben. Insofern wird man ihnen nur gerecht, wenn man sie sowohl von der Wirklichkeit weggeordnet als auch in neuer Weise darauf bezogen sieht. – Nicht etwa, daß die Entfernung zum Ausgleich käme – das geschähe wohl im absoluten Gedicht, das es, wie Celan schmerzlich-wissend hervorhob, „gewiß nicht gibt“ (GR, S. 145); höchstens um eines kann es gehen: um „Kargheit, Klarheit“ (St 65). Wobei allerdings fraglich bleibt, wie beides herbeizuführen und zu vermitteln ist. Schwierigkeiten über Schwierigkeiten ergeben sich gerade hieraus. Einem Vers ist solche Einsicht als bange Gewißheit anvertraut; dort ist von der „wildernden Überzeugung“ die Rede, „daß dies anders zu sagen sei als / so“ (St, S. 72). Hierzu gehört bedingend die Erfahrung von jener „der Dichtung um einer Begegnung willen aus einer – vielleicht selbstentworfenen Ferne oder Fremde zugeordnete(n) Dunkelheit“ (GR, S. 141).5 Derartige Perspektiven forderten dem Lyriker die paradoxe Lösung verzweifelt-vergeblichen Hoffens ab. Ihr bewußt-bescheidener Ertrag, zugleich ihr notwendig zwiespältiges Ergebnis, ist einem der späten Gedichte zu entnehmen; dort wird lakonisch registriert: „um ein Un- / zeichen / bist du ihnen allen / voraus“ (St, S. 58).
Mit alledem fand Celan sich in eine Zwischensphäre versetzt. Die Sprache wurde ihm zur Neben-Erde (N, S. 67), die Welt zum Beiboot (St, S. 67). Was heißen soll: der seinem Anspruch nicht standhaltenden tatsächlichen menschlichen Situation entzieht er sich. Unterdessen findet der damit verbundene Wirklichkeitsschwund im Werk keine Kompensation, weil das absolut gesetzte Ziel nicht besetzt werden kann. Wer sich dermaßen auf das Prekäre einläßt, ist wie in einem Kampf verstrickt, an dessen Ende es keinen Sieger geben kann. Das Wort vom „wunden Gewinn / einer Welt“ (L, S. 81) erhellt den ganzen Zwiespalt. Der Weg kann in die Selbstzerstörung führen; er kann auch Integration in die „andere tiefere Seite des Seins“ bedeuten – dann nämlich, wenn eine produktive Spannung zum Bestehenden hergestellt wird im Sinne des von Celan formulierten Gedankens:
Hier, wo ich frei bin, erkenne ich auch, wie arg ich drüben belogen wurde (ÜC, S. 22).
Allein in diesem verunsicherten und verunsichernden Rahmen ist eine angemessene Rezeption des Celanschen Werkes möglich. Denn nur dann ist jenes vom Autor gewünschte Durchbrechen der monologischen Aussage zu gewärtigen, welches gleichzeitig den Kontakt zu möglichen Partnern einleitet. Abermals sind die Schwierigkeiten herbei beträchtlich. Denn Celan muß daran festhalten:
Ich stehe auf einer andern Raum- und Zeitebene als mein Leser; er kann mich nur ,entfernt‘ verstehen;… dieses ,entfernte Verstehen‘ ist schon versöhnlich, ist schon Gewinn, Trost, vielleicht Hoffnung. (GH, S. 30)
Immerhin, von ihren strukturellen Voraussetzungen her kommen die Gedichte Celans dem Leser entgegen. Sie sind nämlich so gestaltet, daß ein „unter dem besonderen Neigungswinkel seiner Existenz sprechendes Ich, dem es um Kontur und Orientierung geht“ (ÜC, S. 23), seine Bewußtseinslage unverstellt – und mehr noch: freigestellt – zur Sprache bringt. Kein Zweifel, von der Subjektimmanenz, also einer quasi geschlossenen Subjektivität, ist auszugehen. Aber gerade sie kann zur Erfahrung anderer Individuen werden.
Es stände demnach so, daß wir einerseits in der Sprachreflexion vielfältige Wirklichkeitsbezüge finden. Im geschliffenen Konzentrat des Gedichts andererseits, das „durch die Zeit hindurchzugreifen sucht – durch sie hindurch, nicht über sie hinweg“ (GR, S. 128), werden wiederum Teile unserer Wirklichkeit durch eben jene Bezüge faßbar. Celans Dichtung steckt mithin voller Beziehungen zur Realsphäre. Sie gewinnt jedoch aufschließende Kraft, indem sie Realitätselemente der verschiedensten Bereiche hinübernimmt in das anvisierte Grenzgebiet. Verwandelt und im „großen Kristall der Innenwelt“ unerbittlicher Schärfe ausgesetzt, erscheinen diese dann in einer überraschenden, provozierenden Wirklichkeit: im Lichte des zu Erforschenden:
im Lichte der U-topie. (GR, S. 145)
Darum allein können bewußtseinsbildende Impulse von den Texten ausgehen.
Gewissermaßen als Probe aufs Exempel soll nun noch am Fall der öffentlich-politischen Komponente dargetan werden, wie die geschilderte Gesamtkonstellation sich im einzelnen auswirkt. Nicht zuletzt wurde gerade dieser Bereich gewählt, weil er am eindeutigsten der sogenannten Außenwelt zuzuschreiben ist, scheinbar also der Blickrichtung des Autors entgegensteht, der für sich beanspruchte, „kein Freund der Vergesellschaftung des Innenlebens zu sein“ (GH, S. 30).
Wer wie der dem Jahrgang 1920 angehörende Paul Celan als Opfer in das vom Faschismus bedrohte und zeitweise erdrückte Europa hineingeboren wurde, sah sein gesamtes Leben besonderen Anforderungen ausgesetzt. Die vollständige Sünde wider den Menschen mußte bei einem Mann von solcher seelischen Beschaffenheit eine durch nichts mehr zu behebende Wunde hinterlassen. Übermächtig stand die erfahrene Verlorenheit normalem Lebensvollzug entgegen. – Der bloße Hinweis auf einige der Vita zugeordnete Örtlichkeiten spricht für sich: Czernowitz (Czernowzy), die Geburtsstadt, wechselt innerhalb der dort verbrachten Lebensjahre dreimal die staatliche Zugehörigkeit; hier auch, nach dem Einmarsch der deutschen Truppen, das Erlebnis der zum Getto verengten Existenz. Daneben das rumänische Arbeitslager bei Tîrqu Jiu, völlig im Zeichen der „Botschaft… aus ukrainischen Halden“ (AG, S. 9), jenem Gebiet am Bug, wo die Eltern im Vernichtungslager ermordet wurden; das Stigma des Todes ist von da her dem Leben und Werk unauslöschlich eingeprägt. Hernach die Stationen eines nie mehr endenwollenden Suchens: Bukarest, Wien, sodann – für die beiden letzten Jahrzehnte – Paris; vorübergehendes Sichsammeln, schließlich der Umschlag (war es ein Umschlag? war es nicht viel eher konsequente Weiterführung?) zum immer heftigeren Ringen „im Leeren“ (L, S. 51), – der Selbstmord des fast Fünfzigjährigen in der Seine, ein Frei-Tod?: „nichts / hielt zurück“ (N, s. 72). Wenn dem Wort vom ,Unbehausten‘ ein tieferer existentieller Sinn beigegeben werden darf, dann angesichts dieser Lebensbahn. Nicht zuletzt deshalb gab ihr das Bedürfnis, dem absurden Lauf der Welt zu widerstehen, Ungestüm und Schärfe des Unbedingten. Der so – „wirklichkeitswund und Wirklichkeit suchend“ (GR 129) – unterwegs war, trug mit sich ein großes Entsetzen vor der Selbstaufgabe des Menschen in unserer Zeit. Das war bereits die Entscheidung seines Lebens. Nicht darum konnte es sich handeln, Bekenntnis abzulegen von einer sozusagen ,tragischen Existenz‘. Celan widersprach durchweg derartigen Mißverständnissen. Was er suchte, war seine ganz eigene Wirklichkeit. Sie wollte er in der Sprachreflexion des lyrischen Prozesses zu sich selbst führen, indem er Erinnertes dem verändernden „Lichte der U-topie“ aussetzte. Insofern ist das Öffentlich-Politische in der poetischen Gestaltung aufgehoben.
Aber selbstverständlich transportiert der Werkzusammenhang allenthalben die Spuren des erlebten und erinnerten Wirklichen. Vor allem ist der Reflex der historischen Vorgänge, die den Widerstand Celans hervorriefen, in vielen der Gedichte erkennbar. Gleichgültig, ob er sich mit den Schicksalen Rosa Luxemburgs oder Ossietzkys identifiziert, ob er den Leidensweg der anonymen Opfer in den Konzentrationslagern oder in Vietnam mitgeht, ob der spanische Bürgerkrieg, die Februarereignisse des Jahres 1934 in Österreich, die Oktoberrevolution oder der Pariser Mai 1968 angesprochen werden, immer erweist die Art, wie das geschieht, den wachen politischen Sinn. Celan war keineswegs der weltfremde Träumer, zu dem ihn manche seiner Interpreten stempeln möchten. Es trifft nicht zu, wenn man ihn kurzerhand „in großer Ferne zum konkreten Hier und Jetzt“ ansiedelt.6 Zeitklage ist vielmehr ein substantieller Bestandteil seines Dichtens, und sie ist nun einmal nicht denkbar ohne genauesten Rückbezug auf das Historische – übrigens ebenso wenig ohne die Hoffnung auf mögliche Rückwirkung bei Mit- oder Nachwelt.
An diesem entscheidenden Punkt sollte man schon sorgfältiger verfahren. Gewiß ist, wie betont, Celans Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen und politischen Vorgängen medialisiert durch deren Hineinnahme in einen komplexen ästhetischen Kommunikationsprozeß. Doch kann das niemals als ein wie immer gearteter Verzicht auf Erfahrungselemente gedeutet werden. Es war bestimmt nicht Sache des Verfassers der „Todesfuge“, der „Engführung“ oder der „Einem Bruder in Asien“ gewidmeten Verse, Fiktionen als Realität zu etablieren. Noch einmal sei die Art seines poetischen Reagierens an den Worten verdeutlicht, mit welchen er in der Bremer Rede sein Verhältnis zur deutschen Muttersprache umschrieb. Sie lauten:
Erreichbar, nah und unverloren blieb inmitten der Verluste dies eine: die Sprache… Aber sie mußte nun hindurchgehen durch ihre eigenen Antwortlosigkeiten, hindurchgehen durch furchtbares Verstummen, hindurchgehen durch die tausend Finsternisse todbringender Rede. Sie ging hindurch und gab keine Worte her für das, was geschah; aber sie ging durch dieses Geschehen. Ging hindurch und durfte wieder zutage treten, ,angereichert‘ von all dem. (GR, S. 127f.)
Das eben war es: „inmitten der Verluste“ schärfte sich das politische Bewußtsein Celans.
Wie anders als in leidenschaftlicher Zeitgenossenschaft soll man sich auch einen Mann denken, der „mit den Schriften Peter Kropotkins und Gustav Landauers aufgewachsen ist“ (GR, S. 135)? Aufschlußreich genug für uns der Bezug auf den russischen Anarchisten, der dem Darwinschen ,Kampf ums Dasein‘ den Gedanken ,spontaner Solidarität‘ entgegenstellte (und übrigens auch die von Marx geforderte und von Lenin praktizierte Diktatur des Proletariats ablehnte). In die nämliche Richtung dürfte die Konzeption Celans in politischer und gesellschaftlicher Hinsicht gegangen sein, zumal der Name Landauers, der ziemlich übereinstimmende Ideen vertrat, bestätigend hinzukommt. Welche praktischen Orientierungen damit verbunden werden können, ist einer Antwort abzulesen, die auf eine von Hans Magnus Enzensberger angeregte Umfrage des Spiegel über das Thema „Ist eine Revolution unvermeidlich?“ erfolgte. Celan sagte damals:
Ich hoffe, nicht nur im Zusammenhang mit der Bundesrepublik und Deutschland, immer noch auf Änderung, Wandlung. Ersatz-Systeme werden sie nicht herbeiführen, und die Revolution – die soziale und zugleich antiautoritäre – ist nur von ihr her denkbar. Sie fängt, in Deutschland, hier und heute, beim Einzelnen an. (ÜC, S. 26)
Individuation als Richtwert – im Leben, in der Dichtung: Atemwende; hier als personal erfahrene Transsubstantiation.7 Solchermaßen wird der ethische Anspruch der poetischen Wirklichkeit Celans begründet. Sie muß gegen die scheinbar normale Außenwelt durchgesetzt werden.
Wir wissen nun: „Mehrdeutigkeit ohne Maske“, das ist das Resultat einer extrem schwierigen Existenz von der empirischen Wirklichkeit weg zur poetischen hin. Ohne verschlüsselndes Entschlüsseln – „halb Bild und halb Schleier“ (AG, S. 182) – geht da kein Weg. Deshalb die „der Dichtung… zugeordnete Dunkelheit“ (GR, S. 141). Aber, so muß ergänzt werden, ebenso das ihr zugeordnete gesellschaftsgerichtete Bewußtsein. Wie die Interferenz von Leben und Literatur, von politischem und poetischem Engagement im lyrischen Text dialektisch vermittelt wird, läßt sich sehr gut an einem der jüngst erschienenen Gedichte aus dem Nachlaß verdeutlichen. Es lautet so:
Krokus, vom gastlichen
Tisch aus gesehn: zeichenfühliges
kleines Exil
einer gemeinsamen Wahrheit,
du brauchst
jeden Halm. (Z, S. 60)
Das Bild der Blume als „zeichenfühliges / kleines Exil / einer gemeinsamen / Wahrheit“ reflektiert einen konkreten Eindruck, öffnet ihn mittels der verallgemeinernde Kommunikationsstruktur und macht ihn so zu einem Vorgang neuer Konkretion. Gesehen vor dem Horizont des nunmehr abgeschlossen vorliegenden Werkes, impliziert die Blume außerdem das „zeichenfühlige“ große „Exil einer gemeinsamen Wahrheit“, das als Quintessenz des Celanschen Lebens und Dichtens gelten kann. Wir täten gut daran, jene gemeinsame Wahrheit als die unsrige zu erkennen. Es wäre ein Schritt, das Exil – unser Exil – aufzuheben. Weshalb festzuhalten bleibt: der ästhetische Modus Celans hat seinen eigenen kategorischen Imperativ. „Mehrdeutigkeit ohne Maske“ bedeutet freilich nicht den Umschlag in philosophischen Idealismus, wohl aber eine tragfähige Lebensmaxime in der verdinglichten Welt. Was daraus folgt, ist uns anheimgegeben. Der Autor hat es nicht gesagt, konnte es auch nicht sagen. Seine Gedichte markieren eine Richtung; sie stehen gegen die Verantwortungslosigkeit im Denken, Sprechen und Handeln. „Ohne Maske“ zu leben, das konnte, sollte, müßte resultieren aus dem Dialog mit Paul Celan.
Theo Buck
– Theo Buck: „Mehrdeutigkeit ohne Maske“. Zum ästhetischen Modus der Dichtung Paul Celans
– Gustav Zürcher: Das Gedicht als Genicht
– Alfred Kelletat: „Lila Luft“. Ein kleines Berolinense Paul Celans
– Georg-Michael Schulz: „fort aus Kannitverstan“. Bemerkungen zum Zitat in der Lyrik Paul Celans
– Hans-Peter Bayersdörfer: Poetischer Sarkasmus. Fadensonnen und die Wende zum Spätwerk
– Christoph Perels: „Kein Später“. Das Problem der ausgebliebenen ,Erziehung des Menschengeschlechts‘ in Celans letzten Gedichtbänden
– Bernhard Böschenstein: Erste Notizen zu Celans letzten Gedichten. Zur zweiten Abteilung von Zeitgehöft
– Uwe Martin: Der Sand aus den Urnen. Bemerkungen zu Paul Celans erster Gedichtsammlung
– Bernhard Böschenstein: Anmerkungen zu Celans letzter Übersetzung. Jean Daive: Weiße Dezimale
– Horst Turk: „Aus einer – vielleicht selbstentworfenen – Ferne oder Fremde“. Zur Sprachmystik Celans
– Beda Allemann / Rolf Bücher: Bemerkungen zur historisch-kritischen Celan-Ausgabe
– Otto Lorenz: Vita Paul Celan
– Christiane Heuline: Bibliographie zu Paul Celan
– Notizen
– Die Aktualität von Paul Celan. –
Paul Celan war der letzte deutschsprachige Dichter der Moderne. Er hat die Moderne an ihr Ende geführt – sie läuft aus in einem Brachland, mit Schutt, Geröll und Asche, vereinzelte Wortbrocken dazwischen. Celans späte Gedichte entfernen sich immer mehr von den Chiffren im landläufigen Sinn, es gibt keine Metaphern mehr und auch keine sogenannten „absoluten Metaphern“. Ohne sie mit einer anderen Sprache als ihr selbst bannen zu können, stehen wir vor ihr, wie sie langsam versandet.
Nach 1970, als Celan als Fünfzigjähriger den Freitod in der Seine suchte, begann in der Germanistik sogleich eine spezielle Celan-Philologie. Eine für einen zeitgenössischen Schriftsteller beispiellose Flut von Sekundärliteratur beschäftigte sich mit dem singulären Sprechen dieses Autors. Alles, was sich in der Germanistik seit den fünfziger Jahren an hohem Ton und heiliger Hermeneutik herübergerettet hatte, schien sich nun um Celan zu sammeln; dieser Autor schien sich wie kein anderer für ein werkimmanentes, quasi sakrales Lesen zu eignen. Darüber hinaus achtete Celans Witwe sorgsam darauf, daß keine persönlichen, privaten Details aus den letzten Jahren von Celans Leben nach außen drangen.
Daß Celan kein „reiner Ästhet“ war, sondern daß seine Dichtung unmittelbar mit biographischen Erfahrungen und gesellschaftlichen Zurichtungen zusammenhängt, ist in der deutschen Germanistik an den Rand gedrängt worden. Celan mußte, inmitten einer Inflation von schalen Reimereien und der Suche nach Alltagserfahrungen in den siebziger Jahren, als Kronzeuge dafür herhalten, Literatur als quasireligiöse Sinngebung zu retten und von der Politik zu trennen – dies scheint fast eine Konsequenz seines persönlichen Schicksals zu sein.
Daß seine Biographie, die Entwicklung seiner Person in den fünfziger und sechziger Jahren, in unvergleichlicher Weise der Öffentlichkeit verborgen worden ist, hat etwas mit den konkreten Prägungen seines Lebens zu tun: der Erfahrung der Judenvernichtung, das unmittelbare Erleben der Ermordung der Eltern, und die Restauration in der Bundesrepublik der Adenauerzeit. Es ist eine vertrackte Ironie der Geschichte, daß das derart auf das Historische verweisende Verschwinden von Celans Biographie zu einer Blüte der textimmanenten, sprachexegetischen Wissenschaftsmethodiken geführt hat, von der Staiger-Schule in den fünfziger Jahren über die linguistischen Leerläufe der Siebziger bis zu den postmodernen und dekonstruktivistischen Fingerübungen danach.
Je länger Celan tot ist, desto häufiger sind allerdings Stimmen zu vernehmen, die etwas von seinen Lebensumständen mitteilen – teils in raunender, zufälliger Weise, aber manchmal auch nüchtern und sachlich. Auch in diesem Jahr sind einige Bücher erschienen, die weitere Facetten zu einem detaillierteren Celan-Bild beitragen.
Seltsamerweise wissen wir bisher am meisten über seine ersten Lebensjahrzehnte im entlegenen Südosteuropa, vor allem durch die Jugendbiographie von Israel Chalfen. Dem sind nun die Erinnerungen an Paul Celan an die Seite zu stellen, die Edith Silbermann zusammen mit zwei literarurwissenschaftlichen Aufsätzen als Buch veröffentlicht hat. Edith Silbermann war eine Jugendfreundin Celans in jener magischen Geisteshauptstadt Czernowitz in der Bukowina, und wir erfahren einiges über die bürgerlich-jüdische Adoleszenz in dieser Spätblüte des Habsburgerreichs.
Der Vater Edith Silbermanns war Altphilologe und Germanist mit einer reichhaltigen Bibliothek. Edith Silbermann beschwört den Geist des Ortes. Sie legt großen Wert darauf, Bezüge von Celans Dichtung zu seinem Herkommen herzustellen. Vor allem für den Einfluß der rumänisch liedhaften „Doina“, einer Volksweise mit immer denselben Textbausteinen, gibt sie schöne Beispiele. Daß sich die Heranwachsenden in den jüdisch-bürgerlichen Kreisen in den dreißiger Jahren in der illegalen kommunistischen Jugendorganisation trafen und für die „Rote Hilfe“ sammelten, ist ein neuer Akzent; überhaupt wird in einigen Szenen der junge Celan plastischer als in der großen Biographie Chalfens – nicht nur beim Schlittenfahren auf dem Töpferberg, an dessen unteren Ende die Silbermanns wohnten und die junge Edith dann Celan und seinen Jugendfreund Gustav Chomed mit Kastanien bewarf.
Edith Silbermanns Charakteristik des jungen Celan läßt bereits ahnen, auf welchen Boden die späteren Erfahrungen fallen werden:
Gelegentlich wurde nicht nur diskutiert, sondern auch gesungen: Revolutionslieder wie „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“ oder Landsknechts-Lieder wie „Vom Barette weht die Feder“ oder „Flandern in Not, durch Flandern reitet der Tod“. Zuweilen tanzten wir auch übermütig einen Gopak. Paul konnte sehr lustig und ausgelassen sein, aber seine Stimmung schlug oft jäh um, und dann wurde er entweder grüblerisch, in sich gekehrt oder ironisch, sarkastisch. Er war ein leicht verstimmbares Instrument, von mimosenhafter Empfindsamkeit, narzißtischer Eitelkeit, unduldsam, wenn ihm etwas wider den Strich ging oder jemand ihm nicht paßte, zu keinerlei Konzession bereit. Das trug ihm oft den Ruf ein, hochmütig zu sein.
Über die Zeit nach 1948, als Celan über Wien nach Paris ging, wissen wir weitaus weniger als über die Czernowitzer Zeit. Celans Witwe Gisèle hat dem Literaturarchiv in Marbach, das den Nachlaß bekommen hat, strenge Auflagen gemacht. Durch einzelne Erzählungen von Bekannten ist in den letzten Jahren immer klarer geworden, daß die sogenannte Goll-Affäre der größte Einschnitt in diesem Teil von Celans Biographie gewesen sein muß: der unhaltbare Vorwurf Claire Golls, Celan habe von ihrem Mann Yvan Goll abgeschrieben, aktualisierte bei Celan Traumatisierungen, die vom Tod der Eltern im Vernichtungslager am Bug herrührten. Sie rückten das Bewußtsein, Jude zu sein, wieder in den Vordergrund. Celan sah seine Rezeption in der Bundesrepublik von daher bestimmt: die vereinzelte Ablehnung seiner ästhetischen Radikalität hatte für ihn auch politische Gründe.
Über die Bedeutung von direkten biographischen Einflüssen für die Entstehung von Celans Gedichten gab es bisher vor allem den beeindruckenden Text von Peter Szondi über das Gedicht „Eden“. Dem Verständnis dieses Gedichts sind die Hinweise Szondis sicherlich nützlich – er teilte die Erlebnisse, die zu diesem Gedicht führten. Dennoch erhob Szondi daraus keinen programmatischen Anspruch, selbstverständlich spricht auch für ihn der Text zuerst aus sich selbst – die etablierte Germanistik, die Celan als Gewährsmann für den „reinen Text“ auserkoren hatte, fühlte sich durch Szondis biographische Mitteilungen dennoch, und zwar zu Recht, bedroht. Daß in das Gedicht persönliche, auch alltägliche Erlebnisse eingehen, sollte bei einer Interpretation methodisch zumindest nicht ausgeschlosssen werden. In einem Atemzug mit Szondi wird man nun künftig die kurze Studie von Jean Bollack nennen müssen: Herzstein. Über ein unveröffentlichtes Gedicht von Paul Celan.
Ende August 1964 besuchte Celan zusammen mit Peter Szondi die Familie Bollack in der Dordogne. Das Gedicht „Le Périgord“, das ursprünglich in den Band Atemwende aufgenommen werden sollte, geht auf diesen Aufenthalt zurück. Bollack verbindet kurze biographische Angaben zu diesem Aufenthalt mit einer detaillierten Analyse des Gedichts, die vorbildlich genannt werden kann.
Vor dem Besuch in Baneuil in der Dordogne hatten Celan und Szondi Station in Oradour-sur-Glane gemacht, einem von einer SS-Division niedergebrannten Dorf bei Limoges – der Grundakkord von Celans Biographie. Die Gespräche danach in Baneuil drehten sich vor allem um einen Streit zwischen Peter Szondi und Hans Egon Holthusen: Holthusen hatte in der FAZ eine dieser üblichen kulturkonservativen Kritiken zu Celan verfaßt, in denen der Surrealismus- und Beliebigkeits-Vorwurf die Hauptrolle spielte. Szondi hatte darauf in einem Leserbrief geantwortet. Er legte schlüssig dar, daß zwischen der politischen Haltung des Rezensenten, zumal in der NS-Zeit, und der Ablehnung bestimmter ästhetischer Konzeptionen ein Zusammenhang besteht. Holthusen, gedeckt durch die Feuilletonredaktion der FAZ, attackierte daraufhin Szondi, der nun darauf hoffte, Celan selbst würde ihm zu Hilfe kommen. Celan redigierte etliche Entwürfe und Texte, war letztlich aber zu einer solchen Stellungnahme nicht in der Lage. Bollack schreibt:
Das Verlangte rührte zu sehr an seine eigene Person, da es die Besonderheit der Sprache betraf, mit der er sich Gehör zu verschaffen trachtete. Damit, in dieser Sprache, hatte er auch bereits geantwortet.
Die Notiz seiner Frau Mayotte, die Bollack mitteilt, ergänzt das Bild, das man sich von Celan in diesen Tagen machen kann:
Eines Abends in der Dordogne, wo die Gestalten und die Erinnerung Hölderlins ihn beschäftigten, sagte er: „je suis la poésie“. An jenem Abend war er aufgewühlt (an den übrigen Tagen eher verschlossen und ausweichend). Schweigend hörten wir ihm zu, während er diese pathetischen Sätze vorbrachte.
Celan versucht, in seiner Dichtung die Sprache zu bewahren. Bollacks Ansatz besteht in der Problematisierung dessen, daß die Sprache, die Celan zur Verfügung steht, die Sprache der Mörder seines Volkes ist, die derart korrumpierte deutsche Sprache. Alle Gedichte Celans mußten sich deshalb, ob ausgesprochen oder nicht, auf die Erfahrung der Judenvernichtung beziehen, und zwar durch die Materie selbst, aus der sie gemacht sind. Das führt zu einem langwierigen Prozeß, den Bollack „semantische Refektion“ nennt, also Wiederherstellung, Neuschöpfung der Sprache. Anhand des Gedichts „Le Périgord“ führt Bollack exemplarisch vor, was darunter zu verstehen ist: ausgehend von der Konfrontation mit dem Fremden, der südlichen Landschaft, wird die Landschaft zunächst als literarische kenntlich gemacht – Hölderlins Reise nach Bordeaux 1802 und dessen Ode „Andenken“ spielt eine entscheidende Rolle dabei. Im Verlauf des Gedichts wird dann die Organisation eines eigenen sprachlichen Raums geleistet. Durch die Infragestellung des äußeren Gegenstands vergewissert sich das Subjekt seiner eigenen abgeschlossenen Sphäre, seiner Sprache.
Maurice Blanchots kurzer, aber sehr dichter Text Der als letzter spricht, der jetzt im Berliner Gatza-Verlag zweisprachig vorliegt, bietet in Zusammenhang mit der Studie von Jean Bollack die Möglichkeit, die Eigenart von Celans Sprachfindung weiter auszuloten. Blanchot hat nur scheinbar einen hohen Ton. Es ist eine Versenkung in Celans Sprache, ein Zwiegespräch, in dessen Verlauf Blanchots Sprache in derjenigen Celans aufgeht. Blanchot ist einer der wichtigsten Literaturtheoretiker Frankreichs; seine Schriften sind nur vordergründig Sekundärliteratur. Sie bewegen sich auf das Primäre zu. So entwirft er in seinem Celan-Text, entgegen dem deutschen Standard, keine eigenen Begrifflichkeiten, um Celans Sprache zu fassen, sondern nimmt Celans Worte selbst auf, beschreibt Assoziationsgeflechte um diese Worte. Manchmal stellt er Bruchstücke aus Celan-Gedichten unvermittelt zusammen, denen die Nennung von „Auge“ oder „Schnee“ gemeinsam ist, um assoziativ, ja meditativ diesen Celanschen Termini auf die Spur zu kommen: dies ist ein gänzlich anderes Verfahren als eine literaturwissenschaftliche Analyse, die den semantischen Mehrwert herauszufiltrieren versuchte. Blanchot sieht Celans Sprechen als eine Bewegung ohne Ziel, die immer mehr Partikel von Außenbedeutungen aufsammelt.
Am Ende steht Celans Gedicht „Sprich auch du“. Blanchots Gedankenbewegungen führen darauf zu, und er braucht keine Worte mehr, um Celans Gedicht noch eigens umschreiben zu müssen: in seinen eigenen Versuchen, Celans Sprache von innen her zu begreifen, ist das Verständnis dieses Gedichts schon enthalten. Blanchots Sätze, die die Eigenart der Gedichte Celans zu fassen versuchen, gehören zu den seltenen Beispielen, in denen dies auch wirklich gelingt:
Was aus diesen meist sehr kurzen Gedichten, in denen Begriffe, Sätze durch den Rhythmus ihrer unbestimmten Kürze von Weiß umgeben zu sein scheinen, zu uns spricht, ist, daß dieses Weiß, dieses Innehalten, dieses Schweigen keine Pausen oder Intervalle sind, die das Atemholen beim Lesen erlauben, sondern, daß sie zu derselben, nur wenig Entspannung zulassenden Strenge gehören, einer non-verbalen Strenge, die nicht dafür bestimmt wäre, Sinn zu tragen, so als wäre die Leere weniger ein Mangel denn eine Sättigung, eine mit Leere gesättigte Leere. Doch vielleicht ist es auch die Sprache, die mir zunächst auffällt, eine Sprache, die oft so hart (wie in manchen Gedichten des späten Hölderlin) – nein nicht hart, sondern grell und schrill, jenseits dessen, woraus Gesang entstehen kann – ist und dennoch niemals ein Wort der Gewalt hervorbringt, niemals zum Schlag ausholt, von keiner aggressiven oder zerstörerischen Absicht beseelt ist: so als hätte die Selbstzerstörung bereits stattgefunden, auf daß jeder andere verschont bleibe oder „daß bewahrt sei ein durchs Dunkel getragenes Zeichen“.
In der Analyse Jean Bollacks wurde bereits implizit deutlich, welche entscheidende Rolle für Celan in den sechziger Jahren die Sensibilisierung für das eigene Judentum spielte, wie seine ästhetische Radikalisierung einem deutschen Kulturkonservatismus entgegenstand, der seinerseits von der Verdrängung der faschistischen Vergangenheit lebte. Mit dem Briefwechsel zwischen Celan und Nelly Sachs liegen nun seit kurzem persönliche Texte vor, die mit dem Spannungsfeld Kulturkonservativismus und faschistische Vergangenheit eng zusammenhängen. Das Erscheinen dieses Briefwechsels ist ein bedeutender Einschnitt in der gesamten Celan-Philologie. Hier sind zum erstenmal, sozusagen von offizieller Seite, Dokumente aus der Zeit der immer bedrängender werdenden persönlichen Krise zu lesen – genauer gesagt: nicht zu lesen. Die Leerstellen zwischen den Briefen sagen aber genauso viel wie die Briefe selbst.
Nelly Sachs, die 1891 geboren wurde, konnte zusammen mit ihrer Mutter aus dem Berlin der Nazis gerettet werden und nach Schweden ausreisen. Sie war mit ihren Gedichten im Deutschland der fünfziger Jahre fast unbekannt. Sie veröffentlichte in der Ferne, bei Berman-Fischer in Amsterdam (der Gedichtband Sternverdunkelung wurde dort wegen des Desinteresses im deutschsprachigen Raum zum Teil eingestampft), bei Aufbau in Ostberlin, und als ihr Gedichtband Und niemand weiß weiter 1957 bei Ellermann erschien, kannten nur die wenigsten diese Stimme – diese jüdische Stimme, die mitten in die Verdrängung der bundesdeutschen fünfziger Jahre hinein sprach.
Der Beginn des Briefwechsels zwischen Celan und Nelly Sachs in den fünfziger Jahren ist verhalten, er geht auf die Lektüre von Büchern des anderen zurück; er wird intensiver, als Celan Nelly Sachs 1957 um die Mitarbeit an einer Zeitschrift bittet – Botteghe oscure, eine italienische, bibliophile Zeitschrift, die deutsche Gegenwartsautoren vorstellen wollte und Paul Celan und Ingeborg Bachmann als Gewährsleute dafür gewann. Binnen kurzer Zeit wird der Ton in den Briefen direkter, und Nelly Sachs sieht in Celan jenes jüngere lyrische Pendant, das sie, wie in den Briefen immer deutlicher wird, herbeigesehnt hatte – ein Pendant deutscher Sprache, das von ihren Erfahrungen sprach:
Es ist so als ob das Wunder einen Menschen über die Fernen gewonnen zu haben, müßte damit gefeiert werden daß man sich ohne Umschweif nur mit dem Wesen begegnet.
Der eigentümliche Ton der Nelly Sachs, von der jüdischen Identität in der deutschen Sprache herkommend und sich mit dem Schwedischen, dem Land der Rettung mischend, berührt tief, und schon nach kurzer Zeit spricht sie Celan so an:
Paul Celan, lieber Paul Celan – gesegnet von Bach und Hölderlin – gesegnet von den Chassiden.
Celan, der in seiner Anfangszeit in Paris und nach der Heirat mit der katholischen Aristokratin Gisèle de Lestrange sein Judentum eher verheimlicht hatte, war auf den Ton von Nelly Sachs, der seine innerste Identität betraf, nicht vorbereitet. Schon nach wenigen Briefen schreibt sie ihm ihr lyrisches Credo, tief verwurzelt in der jüdischen Erfahrung, und wieder ist charakteristisch, wie sich der schwedische Satzbau, die schwedische Grammatik in ihre deutschen Sätze schiebt, ihre biographische Farbe:
Es gibt und gab und ist mit jedem Atemzug in mir der Glaube an die Durchschmerzung, an die Durchseelung des Staubes als an eine Tätigkeit wozu wir angetreten. Ich glaube an ein unsichtbares Universum darin wir unser dunkel Vollbrachtes einzeichnen. Ich spüre die Energie des Lichtes die den Stein in Musik aufbrechen läßt, und ich leide an der Pfeilspitze der Sehnsucht die uns von Anbeginn zu Tode trifft und die uns stößt, außerhalb zu suchen, dort wo die Unsicherheit zu spüren beginnt. Vom eignen Volk kam mir die chassidische Mystik zu Hilfe, die eng im Zusammenhang mit aller Mystik sich ihren Wohnort weit fort von allen Dogmen und Institutionen immer aufs neue in Geburtswehen schaffen muß.
Es kommt ein beschwörender Ton in die Briefe – die einsame Nelly Sachs in ihrer kargen Einzimmerwohnung im Bergsundsstrand 23 in Stockholm, die sich nach lyrischer Übereinkunft sehnt, und Celan, der sich unvermittelt von seinem eigenen Judentum getroffen sieht. Es ist eine Beziehung, die in dieser Form nur auf dem Papier entstehen kann, nur durch das Lesen der Texte des anderen, die beigegebenen Gedichte machen auch einen wichtigen, großen Teil des gesamten Briefwechsels aus, wenig kommentiert, aus sich heraus sprechend und die Tonlage der lyrisch-jüdischen Beziehung vorgebend. „Sehr verehrte gnädige Frau“, schreibt Celan, bis ihn Nelly Sachs bitten muß, sie bei ihrem konkreten Namen zu nennen.
Die Verbindung mit Nelly Sachs intensiviert sich für Paul Celan gerade in der Zeit, in der er sich den Plagiatsvorwürfen der Claire Goll ausgesetzt sieht. Und die einzige persönliche Begegnung mit Nelly Sachs, 1960, fällt gerade in die Zeit, in der Celan aufs höchste verletzt ist, den Antisemitismus in jeder Schattierung wittert, ja, ihn sogar im ausgesprochenen Philosemitismus aufspürt. Die persönliche Begegnung in Zürich und dann in Paris muß dem standhalten, was auf dem Papier erprobt und erlebt wurde, und wir erfahren in Zwischentönen, daß die konkreten persönlichen Belastungen schwerwiegender gewesen sein müssen als die Möglichkeit, einem Leidens- und Hoffnungsgleichen zu begegnen. Die persönliche Begegnung Celans mit Nelly Sachs führte aber zu einem programmatischen Gedicht, in dem Celan seine Bedrängungen durch das Aufbrechen der jüdischen Identität durchspielt – die Begegnung fand im Züricher Hotel „Zum Storchen“ statt:
Helmut Böttiger, Sprache im technischen Zeitalter, Heft 128, Dezember 1993
Hans Mayer: Erinnerung an Paul Celan, Merkur, Heft 272, Dezember 1970
CELAN IN RĪGA
ich komme nicht an
ich fahre nicht weg
ich war immer hier, Jurate
jemand der winkt
vom Stadtrand herüber
ein mondlicht, Jurate
dies abschiedsverwinken
dies ankunftsverstaunen
des nachtweißen tages, Jurate
die mondhand ist’s
die mondhand nur
die mondin, Jurate
José F.A. Oliver
Es gehört wohl zu den stärksten Passionen junger, selbstbewusster Zeitschriftenmacher, die jeweils amtierenden Literaturpäpste zu grimmigen Bannflüchen zu reizen. Auch im Falle von Heinz Ludwig Arnold, dem Erfinder der Zeitschrift Text + Kritik, kam es zu Verwerfungen, als der junge Germanistikstudent im November 1962 den großen Friedrich Sieburg, seines Zeichens Chefkritiker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, um ein existenzsicherndes Inserat für seine neue Zeitschrift anging. „Sie scheinen nachgerade an einem hoffnungslos gewordenen Qualitätsbegriff festhalten zu wollen“, so komplimentierte Sieburg artig den jungen Editor, um anschließend die Peitsche zu zücken: „Sie nennen für die erste Nummer drei Namen, die mir alle drei gleich widerwärtig sind, nämlich Günter Grass, Hans-Henny Jahnn und Heinrich Böll. Das ist … eine trübe Gesellschaft, dem deutschen Waschküchentalent entstiegen und gegen alles gerade Gewachsene feindselig gesinnt.“ Zwei Jahrzehnte später, so behauptet die Legende, war es Sieburgs Nachfolger Marcel Reich-Ranicki, der mit derben Beschimpfungen der „Schweine-Bande“ um „Arnold-Dittberner-Kinder“ nicht geizte.
Der so Attackierte ließ sich nicht einschüchtern. Der damals 22-jährige Arnold setzte in seinen ersten beiden Heften unverdrossen auf seine Hausgötter Grass und Jahnn – und es gelang ihm scheinbar mühelos das, was bei Rainer Maria Gerhardt, dem heute vergessenen Literaturgenie der Nachkriegszeit, noch in astronomisch hohen Schulden und einem tragischen Freitod geendet hatte. Unter dem ursprünglich von Arnold gewünschten Zeitschriftentitel fragmente hatte Gerhardt schon 1951/52 in seinem großartigen literarischen Journal dem restaurativen Nachkriegsdeutschland die Leviten gelesen, war aber an notorischem Geldmangel und ästhetischer Kompromisslosigkeit schon früh gescheitert.
Heinz Ludwig Arnold und seine frühen Mitstreiter Gerd Hemmerich, Lothar Baier und Joachim Schweikart hatten mit Text + Kritik mehr Glück. Das Konzept, sich in kritischen Aufsätzen immer nur einem wichtigen Gegenwartautor zu widmen, schien zunächst nur auf ein germanistisches Fachpublikum zu zielen. Nachdem er aber auf listige Weise beim Chefmanager von HAPAG-Lloyd eine Spende von 1000 DM rekrutiert hatte, begann Arnold mit seinem neuen Literaturblatt von Göttingen aus die literarische Welt zu erobern. Das Debütheft über Günter Grass, ein 32 Seiten-Heftchen, ist noch heute, in stark erweiterter und aktualisierter Fassung, zu haben. Für den Eröffnungsbeitrag, eine „Verteidigung der Blechtrommel“, hatte Arnold den Brüsseler Germanisten Henri Plard gewinnen können, den er während seiner literarischen Lehrjahre als Sekretär Ernst Jüngers kennen gelernt hatte. Auf sein literarisches Adjutantentum bei Ernst Jünger, das von 1961 bis 1963 währte, blickte Arnold später mit einigem Ingrimm zurück, zuletzt in seinem Text + Kritik-Heft zu Jünger, das die schärfste Kritik am Anarchen aus Wilflingen enthält, die jemals aus literaturwissenschaftlicher Perspektive geübt wurde.
Die Lust an der literaturkritischen Auseinandersetzung zeichnet ja nicht nur das Jünger-Heft, sondern viele andere Projekte der edition text + kritik aus, die 1969 im juristischen Fachverlag Richard Boorberg ein festes verlegerisches Fundament gefunden hatte und dort ab 1975 als selbständiger Verlag agieren konnte. Text + Kritik war nie ein Forum für urteilsschwache Germanisten, die jede interpretative Wendung mit einem Überangebot an Fußnoten absichern, sondern ist bis heute die bevorzugte Schaubühne für philologische Feuerköpfe, die cum ira et studio für oder gegen einen Autor und sein Werk eintreten. So muss jeder Autor, dem die Ehre zukommt, in einem Text + Kritik-Heft analysiert und seziert zu werden, mit kritischen Dekonstruktionen des eigenen Werks rechnen.
Mittlerweile hat die öffentliche Aufmerksamkeit nachgelassen, aber die angriffslustige Essayistik ist auch nach insgesamt 157 Heften das Markenzeichen von Text + Kritik geblieben. In Neuauflagen und Aktualisierungen wurden veraltete Urteile revidiert, beim Wechsel der Denkschulen und Interpretationsmethoden aber auch so mancher Purzelbaum geschlagen. In der 5. Auflage des Ingeborg Bachmann-Heft exponierte sich z.B. eine schrille feministische Literaturwissenschaft, der Sonderband Nr. 100 über „Literaturkritik“ publizierte massive Attacken auf Marcel Reich-Ranicki. Einem euphorischen Sonderheft über „die andere Sprache“ der „Prenzlauer-Berg-Connection“ folgte mit der Nummer 120 alsbald die Selbstkorrektur im desillusionierten Blick auf den Zusammenhang von „Literatur und Staatssicherheitsdienst“. Die subtilsten, stilistisch funkelndsten Schriftsteller-Entzauberungen haben in den letzten Jahren Hermann Korte und Hugo Dittberner verfasst. Über Sarah Kirsch, in der Nummer 101, findet man z.B. die wunderbare Sentenz, die Dichterin schreibe „Gedichte, die durch forcierte intellektuelle Unterbeanspruchung langweilen“. Diesen Königsweg literaturkritischer Unruhestiftung will Text + Kritik nicht mehr verlassen.
Paul Celan: Dichter ist, wer menschlich spricht. Ein Film von Ulrich H. Kasten und Hans-Dieter Schütt mit Eric Celan und Bertrand Badiou.
Gerhart Baumann hielt seinen Vortrag Paul Celan: Um-Wege zu sich und die offene Frage des Gedichts auf der Tagung Vom Sinn moderner Lyrik am 23. Januar 1971 im Haus der Katholischen Akademie in Freiburg.
Niemand zeugt für den Zeugen. 100 Jahre Paul Celan. Literarische Soirée am 30.9.2020 im Haus am Dom Limburg.
„wir wissen ja nicht, was gilt“ – Paul Celan zum 100. Geburtstag
Ein Abend zu Paul Celan am 18.5.2020 im Literaturhaus Berlin mit Hans-Peter Kunisch und Thomas Sparr. Es moderiert Eveline Goodman-Thau.
Paul Celan, Czernowitz & die „Todesfuge“. Helmut Böttiger berichtet.
Erreichbar, nah und unverloren. Reisen zu Paul Celan. Teil 1. Gespräch mit Helmut Böttiger.
Todesfuge – Biographie eines Gedichts. Alexander Suckel im Gespräch mit Thomas Sparr am 17.4.2020 im Literaturhaus Halle.
„Ästhetik und politische Dimension der Dichtung Paul Celans“. Mit Helmut Böttiger, Thomas Sparr und Monika Rinck; Moderation: Dieter Stolz am 23.11.2020 im Literaturforum im Brecht Haus.
Paul Celan in Europa – Videogespräch am 22.9.2020 im Rahmen der trilateralen Forschungskonferenzen 2020–2023 in der Villa Vigoni.
Paul Celan übersetzen – Gabriel Horatiu Decuble im Gespräch mit Ton Naaijkens und Alexandru Bulucz, Moderation Ernest Wichner am 6.11.2021 im Literaturhaus Halle im Rahmen der Tagung „Was setzt über, wenn Gedichte übersetzt werden“.
Clément Fradin, Julia Maas und Michael Woll stellen Paul Celans Bibliothek im Deutschen Literaturarchiv Marbach vor.
„Die Todesfuge. Zur Biographie eines Gedichts im Archiv“ – Thomas Sparr im Gespräch mit Jan Bürger, Kai Uwe Peter und Michael Woll
Michael Woll stellt Paul Celans Nachlass im Deutschen Literaturarchiv Marbach vor. Im Mittelpunkt stehen dabei die Hölderlin-Bezüge in Celans Texten.
Felix Philipp Ingolds Skorpioversa – Kehraus mit Celan
Zwischen „Grabschändern“ und „Linksnibelungen“. Wolfgang Emmerich im Gespräch mit Michael Braun über Paul Celans Verhältnis zu Deutschland und seinen deutschen Kritikern.
Carolin Callies, Ann Cotten, Daniela Danz, Aris Fioretos, Norbert Hummelt und Rainer René Mueller kommentieren Paul Celans Gedicht „Was es an Sternen bedarf“.
Paul Celan liest Gedichte in Jerusalem am 9.10.1969
Daniel Jurjew / Klaus Reichert: Paul Celan: Ich sehe seine Hellsichtigkeit, bei anderem denke ich einfach: er übertreibt
Frankfurter Rundschau, 19.4.2020
Gregor Dotzauer: Das Eigene und das Andere
Der Tagesspiegel, 19.4.2020
Susanne Ayoub: Es ist Zeit, dass es Zeit ist
Der Standart, 19.4.2020
Sandro Zanetti: Akute Dichtung: Celans Zumutungen
Geschichte der Gegenwart, 19.4.2020
Friederike Invernizzi: Sprechen zwischen Wunde und Narbe
Forschung & Lehre, 19.4.2020
Frank Trende: Die bewegende Geschichte der Todesfuge
shz.de, 19.4.2020
Dunja Welke: Paul Celan – Ein zerrissener Dichter
RBB, 18.4.2020
Stefan Lüddemann: Paul Celan, Dichter des Holocaust, starb vor 50 Jahren
Neue Osnabrücker Zeitung, 19.4.2020
Shmuel Thomas Huppert: Erinnerungen an Paul Celan
SR 2, 26.2.2020
Christoph Bartmann: Ein Riss, der nicht zu heilen war
Süddeutsche Zeitung, 20.4.2020
Christine Richard: Ein Leben, immer nahe am Untergang
Tages-Anzeiger, 20.4.2020
Anton Thuswaldner: „Die Welt ist gegen mich losgezogen“
Salzburger Nachrichten, 19.4.2020
Klaus Reichert im Gespräch mit Niels Beintker: Erinnerungen an Begegnungen und Gespräche mit Paul Celan
BR24, 20.4.2020
Rüdiger Görner: Asche atmen: Zu Paul Celan
Die Presse, 23.4.2020
Marko Martin: Paul Celan und die „Linksnibelungen“
Welt, 27.4.2020
Evelyne Polt-Heinzl: Paul Celan Ein Migrant in Wien
Die Furche, 8.4.2020
Andreas Wirthensohn: Todesklage für die Überlebenden
Wiener Zeitung, 21.11.2020
Klaus Demus: „Eine sehr große Freundschaft“
literaturoutdoors.com, 22.11.2020
Claus Löser: Fünf Filme für Paul Celan
Berliner Zeitung, 21.11.2020
Krisha Kops: Paul Celan: Dichter, Überlebender, Heimatloser
Deutsche Welle, 22.11.2020
Ulf Heise: Lyrik als Flaschenpost
Freie Presse, 22.11.2020
Susanne Ayoub: Paul Celan: Verlust der Heimat, Trauer um die Eltern
Der Standart, 22.11.2020
Wolf Scheller: Was nicht gesagt, nur angedeutet werden kann
Der Standart, 23.11.2020
Andreas Montag: Dichter Paul Celan – Der Schleier des Herbstes
Mitteldeutsche Zeitung, 23.11.2020
Andreas Müller: Paul Celan – zum 100. Geburtstag
Wiesbadener Kurier, 23.11.2020
Stefan Kister: Unter die Deutschen gefallen
Stuttgarter Zeitung, 22.11.2020
Paul Jandl: Vielleicht war Paul Celan einmal ganz er selbst. Da spielte er die Dürrenmatts beim Tischtennis in Grund und Boden
Neue Zürcher Zeitung, 23.11.2020
Sabine Glaubitz: Er schrieb das Unsagbare auf: Nachkriegsdichter Paul Celan wäre heute 100 Jahre alt geworden
stern, 23.11.2020
Volker Weidermann: Ein Grab in den Lüften
Der Spiegel, 20.11.2020
Jochen Hieber: Im Höhenrausch mit Ingeborg Bachmann
Der Spiegel, 23.11.2020
Stefan Brams: Interview mit Thomas Sparr – Paul Celan stiftet zur Erinnerung an
Neue Westfälische, 23.11.2020
Helmut Böttiger: Die graue Sprache
Süddeutsche Zeitung, 22.11.2020
Helmut Böttiger: Auf der Suche nach einer graueren Sprache
Jüdische Allgemeine, 21.11.2020
Albrecht Dümling: Die Todesfuge in Tönen
Deutschlandfunk Kultur, 20.11.2020
Nikolaus Halmer im Gespräch mit Barbara Wiedemann: Paul Celan: „Es sind noch Lieder zu singen jenseits der Menschen“
Die Furche, 11.11.2020
Harald Seubert: Lieder jenseits der Menschen und kodierte Zeit: Paul Celan (1920–1970). Zum Gedenken
youtube.com, 15.6.2020
Celebrating Paul Celan: An Evening with Pierre Joris and Paul Auster
youtube.com, 21.11.2020
Stadtführung „Auf den Spuren von Paul Celan“
youtube.com, 10.9.2020
Paul-Celan-Literaturtage 2020. Videopräsentation vom Paul Celan Literaturzentrum Czernowitz
Ausstellung Paul Celan 100 – Unter den Wörtern
Online-Begleitprogramm zur Ausstellung Paul Celan – Meine Gedichte sind meine Vita
West-östliche Konstellationen. Internationale Tagung als hybride Veranstaltung im Lyrik Kabinett, München, sowie online.
Tagungskonzeption und -organisation: Prof. Markus May und PD Dr. Erik Schilling (Institut für deutsche Philologie der LMU München)
8.–9.10.2020
Eröffnung
Ambivalente Topographien. Rilkes Dritte Duineser Elegie und Celans „Walliser Elegie“
„West-östliche“ Lesarten im Jahrhundert nach Celan
Das Schweigen über Brücken. Orte Celans bei Robert Schindel
Abendvortrag: Todesfuge. Biographie eines Gedichts
„Wortaufschüttung“. Materialität als Indexikalität bei Paul Celan
Betreten. Zum Anfang von Engführung
Celans Draußen. Über reale und sprachliche Räume in seiner Dichtung
„Stimmen vom Galgenbaum“. Celans west-östliches Rotwelsch
Paul Celans Todesfuge interpretiert von Diamanda Galas im Teatro Albeniz, Madrid, 15.10.2008.
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