EIN MATCH IM KNOLLENTINDER
1.
Als ich zum ersten Mal dich angefasst,
verdreckten Lehm und Erde dich vollkommen.
Wenn nicht, wär ich vor dir ziemlich erblasst
und hätt dich niemals mit zu mir genommen.
Ich wusch dich, und du wurdest brühend heiß.
Dein Wohlgeruch erregte mein Gelüste.
Verbrannte Lippen waren bald der Preis,
weil ich in meiner Gier dich stürmisch küsste.
Wie furchtbar frühreif, Laura, du doch bist.
Dein Fleisch ist tiefgelbfeste Göttergabe,
die Schale rot, was Kleid genug dir ist.
Verhungern muss ich, wenn ich dich nicht habe.
Gar alles würd ich, Laura, dir verzeihen,
selbst wenn du mich auch arg enttäuschen tätst.
Ich weiß, du hast diverse Liebeleien,
sobald du nur in einen Topf gerätst.
Als ob dich viele gar nicht mal groß achten,
enthäuten sie dich roh (oh, das verböt sich!)
Die Haut verfärbte dir, wenn sie’s nicht machten,
den nackten Leib beim Kochen sonst so rötlich.
Und wenn wer sagt, du bist Kartoffel bloß,
sag ich: Na und, wer will schon Nudeln mampfen?
Wen sättigt Reis? Wen Brot? So furios
wie du lässt niemand braten sich noch stampfen.
Magst du auch nur Kartoffel sein am Ende,
mit Händen, Laura, würd ich nach dir graben!
Du bist für mich des Hungers Dividende,
mein Reingewinn, darf ich mich an dir laben.
Thilo Bock liest Verfressene Verse: „Gouda“
Mit Essen spielt man nicht, sagen die Eltern. Mit Sprache schon, sagt Thilo Bock. Also stimmt der Mann in sieben mal sieben Gedichten das Hohelied der Genüsse an. Mit gepfeffertem Humor und reichlich Sinn fürs Kulinarische kommt er vom Leibgericht aufs Leibgedicht. Spaghetti sind ihm ein „heiß verschlungner Zungenkuss“, die Kartoffel Laura „des Hungers Dividende“, in Graubrot mit Butter erkennt er „unfassbares Glückskinderfutter“. Er schwärmt für Mortadella: „Du Hauch von Nichts auf meinem Teller“, sucht fürs „Laugengebäck“ das „Backgepäck“ und spürt im „Mundraum“ den „Schlundflaum“. Doch auch als Kritiker tritt er in Erscheinung. Tofukäse, die Industriekartoffel EH92-527-1 und junger Gouda zum Beispiel bekommen bei ihm ihr Fett weg. Thilo Bocks „Verfressene Verse“ sind eine lyrische Delikatesse für alle, die nicht nur essen, um satt zu werden.
Eulenspiegel Verlag, Ankündigung
Witzig und lecker sind die Wörter, die dieses Buch beschreiben. Die Idee kurze Gedichte über Essen zu verfassen ist amüsant und wird von den lustigen Cartoons nach jedem Kapitel unterstrichen. Sehr schön für zwischendurch, um zu Schmunzeln und eventuell Hunger zu bekommen.
Empfehlung meinerseits!
M, amazon.de, 29.4.2022
Thilo Bock skandiert „Sei laut, sei im Weg, sei nicht von hier!“.
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