Thomas Bernhard: In hora mortis

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Thomas Bernhard: In hora mortis

Bernhard-In hora mortis

I

Wild wächst die Blume meines Zorns
und jeder sieht den Dorn
der in den Himmel sticht
daß Blut aus meiner Sonne tropft
es wächst die Blume meiner Bitternis
aus diesem Gras
das meine Füße wäscht
mein Brot
o Herr
die eitle Blume
die im Rad der Nacht erstickt
die Blume meines Weizens Herr
die Blume meiner Seele
Gott verachte mich
ich bin von dieser Blume krank
die rot im Hirn mir blüht
über mein Leid.

 

Marianne Hoppe interpretiert Thomas Bernhards in hora mortis.

 

Beitrag zu diesem Buch:

Ruprecht Frieling: In hora mortis by Thomas Bernhard
literaturzeitschrift.de, 13.2.2011

 

 

VOR VERSCHLOSSENER TÜR
ODER ZU BESUCH BEI THOMAS BERNHARD

Verbissen organisiert er den Nebel
der Worte und oft klopfen Leute
mit Selbstmord im Rucksack
aaaaaans Haus
aber hier
ist man weder Arzt
noch mürrische Auskunftei
aaaaaweil kein Hahn danach kräht
aaaaaund weil man
aaaaaauch noch mit fünfundvierzig
aaaaaaaaaamathematisch
aaaaaaaaaaaaaaamusikalisch
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaverrückt
aaaaaja ein sonderbarer Mensch
aaaaasein darf
aaaaableibt den Krüppeln
aaaaaFleischhauern und Schlaflosen
aaaaaauch morgen noch
aaaaaihre ehrliche Wut
aaaaaauf die allerfürchterlichste
aaaaaMetaphysik
aaaaabazillenähnlicher Todesanbeter
die endlich ihr Fahrrad
besteigen sollten
in selbstmörderischer Verbeugung
aaaaavor dem Haus
in dem andere den Pfennig umdrehen
um auch morgen noch
über die Runden zu kommen: ohne ihn.

Johann P. Tammen

 

ICH SEHE AUS WIE THOMAS BERNHARD

ich sehe aus wie Thomas Bernhard
aber ich bin nicht Thomas Bernhard
ich sehe lediglich so aus wie er
doch wie gesagt: ich bin es nicht
obwohl ich so aussehe …
und deshalb auch Thomas Bernhard sein könnte
doch wie gesagt: ich bin es nicht
warum sollte ich auch Thomas Bernhard sein?
das ergibt doch überhaupt keinen Sinn
Thomas Bernhard ist schließlich tot
während ich noch am Leben bin
dieser Text ist der Beweis
und deshalb kann ich auch nur immer wieder sagen,
dass ich zwar wie Thomas Bernhard aussehe,
aber letztlich nicht Thomas Bernhard bin
ja, so ist das
ich bin nicht Thomas Bernhard
obwohl ich so aussehe wie er
doch wie gesagt: ich bin es nicht
ich sehe lediglich so aus
das ist aber auch schon alles
ansonsten gibt es nämlich keine Gemeinsamkeiten

 

THOMAS BERNHARD UND ICH

Thomas Bernhard ist Thomas Bernhard
und ich bin ich
so war es immer gewesen
und so wird es auch immer sein
deshalb sollte man jetzt gar nicht erst versuchen,
irgendwelche Zusammenhänge herzustellen
denn ich sehe zwar aus wie Thomas Bernhard
doch wie gesagt: ich bin es nicht
das ist doch eigentlich ganz einfach
ich vers[t]ehe daher nicht,
wie es Leute geben kann,
die das nicht verstehen
doch wie dem auch sei
die Hauptsache ist
dass ich zumindest weiß,
dass ich nicht Thomas Bernhard bin
obwohl ich so aussehe …
ja, ich sehe so aus wie Thomas Bernhard
doch wie gesagt: ich bin es nicht
mehr ist zu dem Thema nicht zu sagen

Clemens Schittko

 

 

Zum 15. Todestag  – Cornelius Hell: Gott vernichten. Die bislang unbekannte Zensur seines ersten Lyrikbandes wirft ein neues Licht auf Bernhards Verhältnis zur Religion.

 

 

 

Die Lange Nacht über Thomas Bernhard

 

Zum 90. Geburtstag des Autors:

Yossi Sucary: Dem Urteil der Anderen entkommen
die taz, 9.2.2021

Willi Winkler: Ohne Bernhard geht es nicht
Süddeutsche Zeitung, 9.2.2021

Deborah Ryszka: Der Letzte seiner Art
achgut.com, 9.2.2021

Gerrit Bartels: Meister im Demütigen
Der Tagesspiegel, 8.2.2021

Nikolai E. Bersarin: „Die Ursache bin ich“ – Thomas Bernhard zum 90. Geburtstag
bersarin.wordpress.com, 9.2.2021

Matthias Greuling: „Geh her da, Thomas Bernhard“
Wiener Zeitung, 9.2.2021

Felix Müller: „Kein Kritiker hat meine Bücher je verstanden“
Berliner Morgenpost, 9.2.2021

Bernhard Judex: Meister der Irritation
literaturkritik.de, Februar 2021

Marc Thill: Thomas Bernhard, ein Meister der Negation
Luxemburger Wort, 9.2.2021

Die Furche: Zum 90er von Thomas Bernhard

Thomas Bernhard auf perlentaucher.de

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Nachruf auf Thomas Bernhard: Tumba

 

 

Bild von Juliane Duda mit den Texten von Fritz Schönborn aus seiner Deutschen Dichterflora. Hier „Bernharddistel“.

 

Bild von Juliane Duda mit den Zeichnungen von Klaus Ensikat und den Texten von Fritz J. Raddatz aus seinem Bestiarium der deutschen Literatur. Hier „Bernhard, der“.

 

Thomas Bernhard im Gespräch mit Janko von Musulin, 1967.

 

Ferry Radax: Thomas Bernhard / Drei Tage Hamburg 6. Juni 1970.

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