Thomas Böhme: ich trinke dein・plasma november

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Thomas Böhme: ich trinke dein・plasma november

Böhme-ich trinke dein・plasma november

GEDICHE ZWÖLFZEILIG

gedichte zwölfzeilig – scheitelminuten
etwas schwingendes zwischen kreuzwort
rätsel und kammermusik oder anleihen bei
den philatelisten: zackenrandbildchen

oder lemurischer abendklang garten-
und genremotive voyeuristischer laubenblick
sowas läßt sich auch reimen – ich tue es hin
und wider besserer einsicht ich nehme

gern ein gespicktes klavier hinzu cello
guitarre triola die trombone cornets
georgesche Lyra das bennsche fahrwell
ein tupfer von indigo u. pipette pastell

 

 

 

Thomas Böhme: ich trinke dein plasma-november

Der Leipziger Autor Thomas Böhme veröffentlicht mit ich trinke dein plasma-november seinen vierten Gedichtband. 1988 war der Band stoff der piloten, danach 1990 sein erster Roman, oder eigentlich „Roman Imitation“ Die Einübung der Innenspur erschienen. Fünf Bücher in acht Jahren: ein produktiver Autor. Für seinen ersten Lyrikband Mit der Sanduhr am Gürtel war er 1983 noch ausgezeichnet mit dem Becher-Diplom des DDR-Kulturbundes: ein Förderpreis für vielversprechende junge Autoren in der DDR. Und doch entsprachen die Gedichte des von Texten der amerikanischen ,beat-generation‘ beeinflußten Anfängers in Struktur und Thematik nicht unbedingt der von offizieller kulturpolitischer Seite wohl gewünschten Entwicklung.
Nach dem zweiten Band, Die schamlose Vergeudung des Dunkels, folgte ein Umschlagpunkt: obengenannter Einfluß klang aus, in Sprache und Form trat eine ,Verknappung‘ in Erscheinung; die freien Rhythmen wurden abgelöst von den meist strophenartig gebauten Texten des Bandes stoff der piloten. Auch in inhaltlicher Hinsicht traten Veränderungen an den Tag. Am auffallendsten mag da das immer freimütigere Thematisieren von homosexuellen bzw. pädophilen Aspekten gelten; in der DDR-Lyrik auch der achtziger Jahre keineswegs ein selbstverständliches Thema. Obwohl in seinem dritten Band die Gedichte ihre Anregung anscheinend immer noch bekamen von Medien wie Film, Fernsehen, bildende Kunst, Musik usw. – öfter von deren trivialisierten Varianten –, verschlüsselten sich die Aussagen erheblich.
Im vorliegenden Gedichtband sind nur Gedichte in der gebändigten Form der Zwölfzeiler aufgenommen (eine Ausnahme bilden lediglich zwei Texte mit dreizehn Zeilen). Das bedeutet, daß mehr noch als in seinem vorletzten Band jedes einzelne Wort von besonderem Gewicht ist. Auf Personalformen der Verben wird oftmals verzichtet. Kleinen Frivolitäten, denen in früheren Texten meist in Nebensätzen Ausdruck verliehen wurde, wird jetzt mittels Hinzufügung von nur einem Buchstaben in einer Art Wortspiel ihre Form gegeben (z.B. „landglut“ statt „landgut“), Bibel und Mythen sind wichtige Quellen für Modelle, Haltungen und Denkansätze geworden.
Die politische Seite der ,Wende‘ hat sich nur sehr indirekt in diesen Texten niedergeschlagen. Das Wort Deutschland erscheint nicht explizit, sondern z.B. in der Gestalt von „landglut“, „fahnen“ uund „oh du mein abendland“. In Thomas Böhmes Gedichten ist eine solche Thematik eher implizit enthalten, und wenn sie es dem Leser auch nicht immer leicht machen, mögen sie dadurch doch weniger schnell verbraucht sein als manche anderen Texte, die die Ereignisse der letzten Jahre direkter reflektieren. Als eine Probe auf das Gegen-Exempel der Explizität mag ein Zitat des letzten Gedichts ,rand /     / not‘, das als Zeitangabe das vielsagende Datum „november 1989“ hat und in dem sich „die gefährdeten fahnen“ „ins wetter gebogen“ haben, gelten:

[…] aber das
goldene kalb das wir speichelten schleckten
das sich spreizt opulent u. in frischer glasur
:noch gilt meneh tekel… als randnotiz auf der gegen
spur

Anthonya Visser, Deutsche Bücher, Heft 2, 1992

 

 

 

Viktor Kalinke mit Thomas Böhme im Gespräch.

 

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Bild von Juliane Duda mit den Übermalungen von C.M.P. Schleime und den Texten von Andreas Koziol aus seinem Bestiarium Literaricum. Hier „Der Thomasböhme“.

 

Beitragsbild von Juliane Duda zu Richard Pietraß: Dichterleben – Thomas Böhme

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