Ulf Stolterfoht: Zu Georg Trakls Gedicht „An den Knaben Elis“

Mashup von Juliane Duda zu der Beitragsserie „Im Kern“

Im Kern

− Zu Georg Trakls Gedicht „An den Knaben Elis“ aus Kurt Pinthus (Hrsg.): Menschheitsdämmerung. −

 

 

 

 

GEORG TRAKL 

An den Knaben Elis

Elis, wenn die Amsel im schwarzen Wald ruft,
Dieses ist dein Untergang.
Deine Lippen trinken die Kühle des blauen Felsenquells.

Laß, wenn deine Stirne leise blutet,
Uralte Legenden
Und dunkle Deutung des Vogelflugs.

Du aber gehst mit weichen Schritten in die Nacht,
Die voll purpurner Trauben hängt,
Und du regst die Arme schöner im Blau.

Ein Dornenbusch tönt,
Wo deine mondenen Augen sind.
O, wie lange bist, Elis, du verstorben.

Dein Leib ist eine Hyazinthe,
In die ein Mönch die wächsernen Finger taucht.
Eine schwarze Höhle ist unser Schweigen, 

Daraus bisweilen ein sanftes Tier tritt
Und langsam die schweren Lider senkt.
Auf deine Schläfen tropft schwarzer Tau,

Das letzte Gold verfallener Sterne.

 

pilsstube hansi gilgamesch

– 20 botschaften an den Knaben elis und ein paar andere. –

(1) 

an den knaben elis: ein blaues tier wohnt tief in dir und blutet. Und
blutet. böse häher trinken nachts aus deinen augenhöhlen. dir ist
das alles latte. schwül ist es hier, von deinen schläfen tropft seim.
und lattich wurzelt in den kutteln. über nacht bist du witwer gewor-
den. es ist dir schnulli. gottes wunderlichste gabe bist sicherlich du.

an den amerikanischen sänger elvis: wenn dich im wald der zeisig
beißt, dann will er dir was sagen. so dich aber in downtown mem-
phis der roadie rempelt, ist es für gespräche meistens zu spät. Du
haust ihn feste mit der bibel, mit dem ewigen licht. du darfst das.
es ist 1955. es ist tennessee. und die stagehand bestenfalls ein wicht.

an einen cruiser in oberursel und die fünf engländer im mosel-eck: ihr
seid voll strull und werdet baldigst getunkt. schon passiert. dann macht
ein storch euch von verfall erzittern. da sagt der cruiser: ich bin lull. Die
engländer sind schotten und etwa mittelgut drauf. da sagt der kellner: es
ist schluss. die gewerbliche frau wirft einen letzten euro in den rotamint.

an die amisch-leute alter ordnung in lagrange county, indiana: schnalle
ist eitel, verdeckte knopfleiste geil. morgens genießt ihr den pfannkuch
mit schmand, dann bereits bittet familie stoltzfus zum singekreis. basis
ist hierbei „der ausbund“, eine veritable kompilation. sodann spricht am-
mann über sich selbst den bann. zu spät: längst war die spaltung vollzogen.

an den knaben elis (2): lebt denn der alte holzmichl noch? nein, lebt nicht
mehr, ist tot. doch sein lied schreibt sich fort. allnächtlich erklingt es etwa
im „haus der schmerzen“, rudolstadt. dort bekommst du das saaleknie in die
niere für lau. für lau soll heißen: herrengedeck schwarzbacher hopfenperle
0,4 plus nordbrand gartenzwerg mit fassgeheimnis für gerade mal € 3,40!

 

(2) 

an den knaben elis (3): schwitzbude oder pilsstube hansi gilgamesch – die
entscheidung liegt allein bei dir! doch deine wahl fällt anders aus: für mich
bitte lesung mit jimmy blue schwanenschmalz und anschließend fürst met-
ternich. auf dem lidl-parkplatz nebenan schlachtet rentner bache von hand.
motto: wer könne, der kann. die milz geht als anonyme spende nach lienz. 

an bret easton ellis: ich, ein habitueller hardbody, trage eine dunkelgrüne
breitcord-hose von breuninger-u, ein kragenloses schlosserhemd aus abver-
kauf kokott-berufskleidung, darüber einen kanariengelben pullunder, eine art
dufflecoat mit plastiklitzen (beides: humana, wien), und auf dem geschorenen
kopf ein barett vom army-shop am gustav-siegle-haus. kann man das bringen?

an den knaben elis (4): ich fass es nicht – mein stift will nurmehr nationale
lyrik schreiben. der wird, na klar, sofort zerhackt, zerbröselt und verbrannt.
nichtsdestotrotz sind uns fälle bekannt, in denen stifte sich beharrlich rückver-
körpern / sich wieder selbst zusammensetzen und fortfahren zu hetzen. doch
sogar hier hätten wir einen brauchbaren tipp parat: blei schmilzt bei 327 grad. 

an die knäbin ellis kaut: die kinder im rheinland kennen deine kreatur als fizzi-
bitz. ich glaub, da sag ich nichts falsches. weiterhin in guter erinnerung: wie er
in folge 108 den klabautersauger durch schlachtung unschädlich macht. der schoß
jedoch ist fruchtbar noch. mich fröstelt ein bisschen, während draußen horb vor-
überzieht. der wirbeltiermorphologe wolfgang maier gilt als sohn dieser stadt.

an mich, einen bubi: der erste weibliche superheld war keine steile sahne-
schnitte, sondern eine amerikanische hausfrau mittleren alters namens ma
hunkel. bei ihrem debüt im jahre 1940 trug sie ein kariertes wachstuch als
umhang und einen verbeulten kochtopf als helm: ma hunkel aka der rote
tornado. superkräfte: keine. noch im selben jahr stahl ihr katzefrau die schau. 

 

(3)

an katze islam: oh jemine, die tropen! sehr müde, schwarze vögel streifen
mit dem fittich dein haupthaar. in den fängen bergen sie knaben. quatsch:
knochen! au mann, da hängt ja noch ordentlich fleisch dran. dauernd wird
es draußen nacht. manchmal beginnt es zu regnen. aber frage nicht, wie!
und ich? gute frage! ich glaube, ich nage versonnen die nuss (betelnuss).

an den alten knaben michael illes: jetzt pass auf! die pizzeria ist das haus,
die calonze [sic] leitet sich nur davon ab, und ein sogenannter sandro zapft
das geschlürf. vulgo: arminstüble, böblingerstraße. vulgo: die gemeinde ist
ein schiff. ein schiff, das sich „verbiestern“ nennt. und hier noch eine mög-
liche verwendung: „rensenbrink verbiesterte anno tobak ziemlich brutal“.

an die keli-limonaden-gmbh: euer kracherl ist klasse, euer dudler jedoch turnt
eher ab. und den vertrag für hugo sánchez hätte ich mir auch gespart. richtig
gut hingegen: keli-limos haben viel, aber nie zu viel kohlensäure. meine erste
keli trank ich, ich weiß es wie heute, 1971 in reutte / tirol. meine zweite dann
bereits in deutschfeistritz. (die erste schartner bombe aber in laa an der thaya.)

über die bübin vom hansaplatz: gib uns dein schönes veronal! nein, erwidert
die drogistin, ich rück das zeug nicht raus! da stirbt ein seemann und ein hertha-
frosch bricht nieder. du schaust dem olm beim trocknen zu. das gibt ein super
granulat. kröten sind gesellig und wandern in rotten und meuten. gib uns dein
gutes opium! im leben nicht, sagt da die bübin, das schluck ich selbst so gern.

an den knaben elis (5): glaube, mein lieber elis, ist das, was ein menschenherz
auszufüllen vermag, wenn wir durch alle abenteuer der vernunft hindurchgegan-
gen sind. liebe ist ein hummelstock, der von beiden seiten brummt. die hoffnung
aber, mein schatz, ist das geilste feeling: auch wenn dich die lawine schluckt, gibt
es einen, der wartet nur darauf, dich wieder auszugraben (bspw. ziegerhofer luis)

 

(4) 

an den knaben elis (6): ich möchte dir jetzt ein geheimnis verraten und
dich gleichzeitig bitten, es für dich zu behalten. das geht niemanden
sonst etwas an, das ist unser beider süßes ding. also, das geheimnis lau-
tet: al hinkle heißt im „book of dreams“ ed buckle, in „visions of cody“
slim buckle, in „on the road“ aber heißt er ed dunkel. und nun psssssst!

an den amerikanischen sänger elvis (2): einmal die einsamkeitsstraße
hinunter, quer über den vergeblichkeitsplatz und den zugeschissenen
park, wo der üble fluss vergessen fließt, dann – nur mut! – an den
stangen entlang, worauf die bösen eulen sitzen, da schimmert der gift-
sumach grell, da steht das verfickte herzbruchhotel. zweieinhalb sterne.

an evel knievel, einen teufelskerl und wilden hund: wer hätte es je ge-
wagt, mit dem motorrad vom battery park nach ellis island zu springen?
wer, wenn nicht du? nach 38 gescheiterten versuchen mit insgesamt 433
knochenbrüchen gabst du auf. ein leben am limit, vielleicht darüber
hinaus. fandest zu gott, schlapptest ab und liegst nun in butte, montana.

an den amerikanischen sänger elvis (3): how great thou art! and how
beautiful! und wie stylish dein jumpsuit, ein weißer, tief dekolletierter
einteiler mit hohem kragen und weit ausgestelltem bein. und in der
mitte prangt der gurt. deine höllische gedunsenheit! dein milder mund!
zwischen 1971 und 1973 trägst du überdies cape (vorbild: ma hunkel).

an den knaben elis (7): es heißt, du lebst derzeit in einer höhle in den
outskirts von bonn, hörst gladys knight, liest william gaddis und sa-
muel pepys, nährst dich von atropin, von damhirschurin – alles nicht
schlimm. doch wisse: besenrein und bärenfrei ist zweierlei. und wie
leichtlich ein lebenslicht zischt, wenn es dann umstandslos erlischt.

 

Ulf Stolterfoht, Schreibheft, Nr. 92, Februar 2019

1 Antwort : Ulf Stolterfoht: Zu Georg Trakls Gedicht „An den Knaben Elis“”

  1. An die Kaiserin Elisabeth: Du saßest einst auf Deines Mannes Schoß, ein Folterstuhl, und wußtest nicht, wie Dir geschehen wird in den Lichtspielhäusern und Flimmerkisten der unheilen Welt, von Omis Schneider ausstaffiert wie Plüsch-Katze Sissi, ganz in Schwarzweiß und doch zärtlich errötend in den Armen Luigis, des armen Luigis, dem Du erlaubtest, an Dir herumzufeilen.

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