Urs Engeler & Hans Ruprecht (Hrsg.): Deutsch-Deutsche Übersetzungswerkstatt

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Urs Engeler & Hans Ruprecht (Hrsg.): Deutsch-Deutsche Übersetzungswerkstatt

Engeler & Ruprecht (Hrsg.)-Deutsch – Deutsche Übersetzungswerkstatt

HERR LYRIKE

LYRIK-VERHERRLICHUNG

sieh an aufbäumend praktisch zeugungsbewegung
vollführend denkt man an pferd vielleicht und
kurz darauf tatsächlich hengst mit gegenstück
in verfänglicher hieße die situation zu verken-

nen so kreatürlich so marder nagt maus dann
„reißt gazelle“ dann „keine landschaften als die
um ausschweifungen zu verüben“ und so weiter auf
die stute helfen mit tieren verkehren schauerliche

aufzählung dessen was heraus- was abgeschnitten wur-
de beide daumen gebrochen (pianist) und metzgerschürze
weh uns voran beherzte selbstverstümmelungen hier
vorab die entmannt-umstände: drahtschlinge rebmesser

diverse äxte (meistens stumpf) und: wer an gedärme
denkt wird bald darauf gedärme lesen er weiß sie
quellen hervor sind nicht mehr ganz frisch von aas-
liebhabern oft umringt er weiß es doch zu schätzen

das pulsen das pumpen sehnt sich so sehr danach ge-
fressen zu werden um endlich bestandteil zu sein ein
schleim zu sein sei hört man durchaus was feines oder
ein faulender apfel ein richtiges blut um sagen zu kön-

nen: sieh an ich bin ein richtiges blut es fließt
aber kaum es pulst nicht und pumpt und hat auch was
bekannt ist „keine hippe“ aber die wörter denken aber
immer die wörter denken wie fachausdrücke auch schlauch

Ulf Stolterfoht

 

HERR LYRIKE

Sieh an schau her ein Zeuge
ein Pferd vielleicht ein Übersetzer
ein Pferdefuß ein Pferdefüßchen
in seiner Situation

Schwer nagt der Zeuge
reißt aber zwei auseinander Gazellen
und es gibt ausschweifende Landschaften dann
und er verkehrt die Tiere

Ein bißchen anschneiden und abschneiden
aber beide und beide Daumen sind vier
die Herzen fliegen ihm zu –
der Übersetzer liebhabert übrigens nicht

Er entkleidet etwas. Wer
an Arme denkt wird gleich an Arme denken
er hat viele Arme selber
und wie gesagt liebhabert er damit nicht herum

Er will nichts pulsen ist nicht aufgeregt
ist er eßbar und unbeständig
ist er ein Apfel ist er fein
und faulend kann nicht richtig sagen

Zum Beispiel nicht: schau an ich bin.
Zum Beispiel: ich bin kaum
ich bin faul
mir fliegen die Hippen

Peter Waterhouse nach Ulf Stolterfoht

 

 

 

Dt.-Dt.-Übersetzungswerkstatt

Dass man Gedichte nicht mit Gefühlen schreibt, sondern mit Worten, ist ein mittlerweile bekannter Gemeinplatz. Bloss: Was bedeutet das? Die nicht ausschöpfbare Vielfalt der Wörter und Silben und ihrer Verbindungen ist die Quelle für das, was Dichter machen, wenn sie dichten: Sie machen das Wort besonders, sie machen es eigen, sie machen es eigensinnig. Gedichte sind eigensinniges Sprechen; sie laden uns ein, diesem Eigensinn zu folgen. Die Einladung der Deutsch-Deutschen-Übersetzungswerkstatt potenziert den poetischen Eigensinn durch eine überraschende Versuchsanordnung: Sie lädt jeweils zwei Dichter dazu ein, den Eigensinn des andern in den eigenen anderen Sinn, in das eigene Sprechen, in das eigene Dichten und Trachten zu überführen. Geht das überhaupt? Vielleicht können sich Dichter gegenseitig besser verstehen. Aber können Spezialisten der eigenen Sprechweise die eines andern Spezialisten nachempfinden, nachdenken, nachsprechen? Kann ein Gedicht zum Gedicht eines andern, zu einem andern Gedicht werden? Das grosse Gedichtbuch deutscher Poesie ist voller Beispiele produktiver Lektüren anderer Dichter, die zu eigenen Gedichten führten – doch dieser Dialog wurde häufig über grössere Zeiträume hinweg geführt und oft auch zwischen zwei Sprachen als Übersetzung. In der Deutsch-Deutschen-Übersetzungswerkstatt teilen sich die Autoren einen Schreibtisch; sie legen ihre Gedichte auf ihn, und sie schreiben mit den Gedichten des andern vor sich, mit dem andern Dichter neben sich neue Gedichte, die durchsichtig, die durchlässig sein sollen auf die Gedichte des andern. Die Paarungen sind: Urs Allemann und Sabina Naef, Christoph W. Bauer und Christian Uetz, Oswald Egger und Barbara Hundegger, Elke Erb und Raphael Urweider, Ulf Stolterfoht und Peter Waterhouse, Anja Utler und Jan Wagner.

roughbook, Ankündigung, 2010

Im roughblog können sie weitere aktuelle Informationen zum Buch erfahren.

 

 

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Fakten und Vermutungen zum Herausgeber Hans Ruprecht

1 Antwort : Urs Engeler & Hans Ruprecht (Hrsg.): Deutsch-Deutsche Übersetzungswerkstatt”

  1. Anne sagt:

    Mein erster Eindrück, als ich die Gedichte von Stolterfoht und Waterhouse las, war, dass Waterhouse nicht nah genug zu dem ursprünglichen Text blieb. Sollte der Übersetzer nicht, soweit wie möglich, zum Beispiel den Stil des Gedichts, die Syntax, und die Form der Worte behalten (Stolterfohts ursprüngliches Gedicht hat zum Beispiel keine große Buchstabe und fast keine Zeichensetzung), was schon wichtig für die Bedeutung und Auswirkung des Textes in Literatur und vor allem in Lyrik ist? Aber dadurch, dass der Werk solche Frage aufbringt, werden die spannende Themen und Fragen beim Übersetzen dargestellt. Wie nah kann man überhaupt zu einem Text bleiben, wenn er ihn übersetzt? Soll der Übersetzer dem Text so treu bleiben, dass es wenigen Sinn in der übersetzten Form macht? Soll er den Text – und dazu Wortstellung, Wortwahl, Syntax – ändern, damit es eher das Gefühl des Textes ausdrückt? Gibt es ein objektives Gefühl oder Bedeutung eines Textes, die der Übersetzer ausdrücken soll oder ist es immer eine Frage von seiner eigenen Interpretation? Wo steht die Grenze zwischen einer Übersetzung und einem völlig neuen Text? Solche Fragen gibt es schon bei Übersetzungen zwischen zwei Sprachen, obwohl oft wenn ich einen übersetzten Text lese, passe ich manchmal nicht auf diese Fragen und die Rolle des Übersetzers auf und nehme an, dass was übersetzt wird bedeutet genau was ursprünglich geschrieben wurde, dass die zwei Texte sind wirklich nur ein. Inwieweit ändern sich die Situation wenn es nicht mehr um zwei verschiedene Sprachen geht, sondern, in diesem Fall, um nur eine – Deutsch? Vielleicht zeigt der Werk, dass sie sich eigentlich nicht so viel ändert, weil es in jedem Fall bleibt, sowohl in Übersetzungen zwischen zwei Sprachen als auch zwischen “eine” Sprache, ein Dialog zwischen zwei verschieden Weise, in der man denkt, schreibt, und sich äußert. In dem die Übersetzungen hier alle auf der selben Sprache, sozusagen, aber deutlich nicht auf der selben Sprachweise sind, werden dadurch klarer die Unterschiedlichkeit zwischen Übersetzungen, der relativ großer Raum für Interpretation und Kreativität in dem ein Übersetzer arbeitet, und die oft schwierigen Fragen und Entscheidungen, die man als Übersetzer, besonders mit Lyrik aber auch im Allgemeinenm begegnen muss.

    Eine Link über Lyrik Übersetzungen zwischen verschiedenen Sprachen:
    http://www.telephonejournal.blogspot.com/
    Wo ich ursprünglich die Link gefunden habe:
    http://translationista.blogspot.com/

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