Verlag Peter Engstler

Verlag Peter Engstler

Mashup von Juliane Duda zu der Beitragsserie „Im Delta der Lyrikverlage“

Im Delta der Lyrikverlage

Der Verlag Peter Engstler gehört zu den Obelisken des jenseits des Mainstreams sein Unwesen treibenden literarischen Untergrunds. Hier erscheint die Literaturzeitschrift Der Sanitäter, und in regelmäßigen Abständen bringt Peter Engstler Lyrikbände verschiedenster Schreibtemperamente heraus, denen ihr leidenschaftliches Interesse an der menschlichen Existenz gemeinsam ist, das ihr Schreiben ölt und befeuert: Paulus Böhmer, Caroline Hartge, Michael Kellner mit Herzblut (1993), Peer Schröder mit Das berühmte entlaufene Nilpferd (1993) u.a. Bevor Paulus Böhmer von größeren Verlagen entdeckt wurde, gab es Lyrik von ihm auch bei Peter Engstler: Die Ohm (1997) und Lama, Lama Sabachthani (2001). Neben dieser urgewaltigen Stimme gehört ins Engstler-Programm der viel zu früh verstorbene Helmut Salzinger (1935–1993), dessen eher mild gestimmte Gedichte ich gleichsam als Kontrapunkt zu Böhmers kataraktischen Konvulsionen auch nach 2000 noch mit Interesse lese. Mit jedem Gedicht Salzingers, das ich in den gehefteten Broschüren Die beiden Hände des Sperbers (1993) und Vogelschau (1995) zur Kenntnis nehme, nähere ich mich einem Menschen, der nichts anderes wollte als in enger Verbindung mit Natur und Erde zu leben. Diese Gedichte sind gelebte Federzeichnungen, die mir Trost spenden, wenn ich als Pendler zwischen Eifel und Köln in der Bahn sitze und mich nach Entspannung sehne. Mit Tötet für den Frieden (1992) lese ich den mittlerweile elften Lyrikband des immerzu schreiben müssenden Hadayatullah Hübsch und schließe eine weitere kleine Lücke in meiner Hübsch-Sammlung. Sehr angetan bin ich auch von den Versen der eher nur spärlich Lyrikbände veröffentlichenden Caroline Hartge, deren schroffe Schönheit Sie in den Bändchen Totem (1996), Asche (2001) und Requiem für Elise Cowen (2005) erleben können. Daß in einem beatdurchpulsten Verlag wie Peter Engstler der Blick über den Ozean nicht fehlt, ist klar: Charles Plymells Liebesgesänge (2000) sind Psalmen in der Zeit der Apostasie, hinter deren rauhem Ton ich ebenfalls die archaischen Sehnsüchte eines noch nicht vollends Verrücktgewordenen höre. Das von Cornelia Köster erstmals vollständig aus dem Russischen ins Deutsche übertragene Poem Ein Packen von Ordern (1999) des von Stalin 1941 ermordeten Aleksej Gastev zeigt das leidenschaftliche Interesse Peter Engstlers, wesentliche Lyrikstimmen, egal wann und wo sie zu hören waren, vor dem Verstummen zu bewahren. Dieses Gedicht sollte allen bürokratisch agierenden Aktionisten als Medizin verordnet werden. Wenn Ein Packen von Ordnern nicht hilft, was dann?

Erschienen in: Theo Breuer – Aus dem Hinterland, Edition YE, 2005

 

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