Wiglaf Droste: nutzt gar nichts, es ist Liebe

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Wiglaf Droste: nutzt gar nichts, es ist Liebe

Droste-nutzt gar nichts, es ist Liebe

VOM VOLLRAUSCH ZUM LEERGUT
Ein Reigen

Durs Grünbeins Whiskyladen in Berlin-Mitte zugedacht

Seht ihn, den Leergut-Träger: Mit unter’n Arm
aaaaageklemmten Plastiktüten
Eilt er zu seinem Kraftfahrzeug. Es ist recht früh am
aaaaaMorgen.
In seinem Kopf, noch immer, wabern, weinbefeuert,
aaaaaMythen:
Zett be der Traum von einem Leben ohne Frühaufstehenmüssen, vulgo: ohne
aaaaaSorgen.

Er weiß: Der Traum ist aus und tschüssi. So hässlich wie das Wort Realität
Will ihm der Morgen, der im Gegensatz zu ihm noch jung ist, jetzt erscheinen.
Er fühlt sich wie ein Rasenmäher, der statt Rasen bloß die Eigenseele mäht.
So ist das, wenn man „Herz“ und „Liebe“ sagt, statt herz- und lieblich sich an
aaaaaschönen Beinen

Und allem, was auch sonst erfreulich ist, unschuldigschuldig zu erfreuen.
Und dort DAS GLÜCK zu suchen, nicht mutlos irgend-wie-wo-suppige:
aaaaaBE-ZIE-HUNG.
Er fährt das Leergut ab, lacht höhnisch schmaddrig über Lotto-Wetter auf dem Weg zur letzten Ziehung
Und ist doch neidisch auf ihr bisschen Hoffnung. Lädt zäh die Flaschen in den
aaaaaKofferraum, die neuen.

Mitbürger, Römer, Menschheit, alle – nehmt den letzten Schluck noch mit:
Vom Vollrausch bis zum Leergut, glaubt mir, ist es nur ein kleiner Schritt.

 

 

 

Die schärfsten Gedichte

aus dem Œuvre des Satirikers Wiglaf Droste. Sie behandeln so wichtige Themen wie „Heiße Hühnersuppe heilt“, „Aufstand und Roulade“, „Deutscher Herbst & Deutscher Sommer“, „Guido Westerwelle“, „Moral mit Tieren“, „Wirrsing“.
Wiglaf Droste wurde für sein „vitales Dissidententum“ und seine „Verbindung aus grobem Ton und feinem Stil“ mit dem Ben-Witter-Preis 2003 ausgezeichnet.
Wiglaf Droste kann beides: Satire vom Härtesten und Poesie vom Feinsten. In diesem formidablen Gedichtband stehen liebenswerte Gedichte und zarte Liebeserklärungen neben fabelhaften Kalauern und ätzenden Versen über allerhand peinliche Persönlichkeiten deutschen Gemeinwesens. Patrioten und andere Gläubische betupft Droste mit Heiterkeit und fröhlicher Härte, kompetent schickt er das prämenstruelle Syndrom, Soldaten und öffentliche Blähboys nach Hause. Virtuos besingt er die Birke, den Frosch, die Hühnersuppe, das Faulenzen und die Liebe.

Reclam Leipzig, Klappentext, 2005

 

Komische Gedichte als Waffe

– Wiglaf Drostes Lyrik zielt auf alle Arten von Heuchelei. Wiglaf Droste gibt sich gerne kämpferisch. Von ihm nicht gemocht zu werden, ist nicht angenehm, denn was er verachtet, übergießt er kübelweise mit Häme. Seine Kolumnen in der taz sind gefürchtet. Für sein „vitales Dissidententum“ und seine „Verbindung aus grobem Ton und feinem Stil“ wurde er 2003 mit dem Ben Witter-Preis ausgezeichnet. Ähnliches lässt sich auch über seine Gedichte sagen, die nun unter dem eher zarten Titel nutzt gar nichts, es ist Liebe vorliegen. –

Dem Band ist ein Zitat von Alfred Polgar vorangestellt, das die Gemeinsamkeit von Dichten und Schießen beschreibt. In beiden Fällen muss man, da es dem Schützen wie dem Dichter leicht die Hand verreißt, höher zielen, um zu treffen. Also zielt Droste hoch – und nimmt das Risiko in Kauf, gelegentlich mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Das Gedicht mit dem Titel „Die Lehren der 45er“ spielt folglich auf keine Nachkriegs-Generationserfahrung an, sondern meint die 45er „Magnum von Mike Hammer“, die sich bei Doste auf „Händefalter und Seitenscheitelkämmer“ reimt.

Die andre Wange jesusmäßig hinhalten
ist Quatsch mit Soße
In seine Feinde soll man Löcher machen
und zwar große.

Trotz solch martialischer Töne ist Droste außerhalb der Lyrik kein Freund gewaltsamer Konfliktlösungen. Als er einmal das Militär bespottete und behauptete, Soldaten seien Mörder, sah er sich mit einer Verleumdungsklage der Bundeswehr konfrontiert. Nun fragt er listig in Gedichtform:

Ja wie soll man sie denn nennen?
Faxgeräte? Sackgesichter?
Zeugungsfähiges Gelichter?
Freddies, die auf Totschlag brennen?
Weder Geist noch Güte kennen?

Nach den Soldaten kommen auf Drostes Feindesliste die Kirchenleute, gegen deren professionelles Geheuchel er eine gelegentlich etwas penälerhafte Blasphemie setzt. Die Spottverse „Ratzinger will Jesus werden“ lesen sich allerdings, nachdem Ratzinger erst einmal Papst geworden ist, durchaus prophetisch. Am besten ist Droste dann, wenn er ganz knapp wird. Seine Zweizeiler klingen so, als wären sie locker dahin geworfen, denn man sieht ihnen nicht an, wie viel Arbeit darin steckt. Guido Westerwelles Libido beispielsweise bringt Droste restlos in dem Vers unter:

Alles was er hatte
war seine Krawatte

Und in dem kleinen Gedicht „1 Schicksal“ könnte ahnungsvoll sogar so etwas wie Selbstkritik aufblitzen:

Die Pubertät
Die kam so spät:
Die Regression
Wartete schon.

Das Buch ist in acht Sachkapitel unterteilt. Neben „Religion und Schießkunst“ gibt es freundliche Kinderverse oder Gedichte über Tisch und Bett, die die Freuden sinnlichen Genießens feiern. Das Lob der Hühnersuppe oder das aus dem Nabel der Liebsten zu schlürfende Linsengericht gehören in diese Rubrik. Nach dem Essen und dem Lieben bleibt nur noch das Faulenzen:

Faulsein kostet so viel Kraft:
Man liegt da und ist geschafft.

Solche Verse haben Wilhelm Busch-haftes Kaliber und könnten es durchaus in den alltäglichen Zitatenschatz schaffen. Im Kapitel „Tiere und Pflanzen“ findet sich Drostes großartiger „toleranter Panther“. Weil lecker Hasen und Bambis vernaschen heutzutage in Männergruppen und im Pantherplenum nicht gut ankommt, mutiert er zum Softie, der behinderten Rehen über die Straße hilft und bei Hasenwitzen einschreitet.
Politische Korrektheit und alle Formen von Heuchelei stehen auf Drostes Abschussliste ganz weit oben. Gegen den Zwang öffentlicher Einvernahme wehrt er sich mit harten Bandagen – so zum Beispiel, wenn er die New Yorker Terroranschläge vom 11.9.2001 als „fliegende Architekturkritik“ bezeichnet. Natürlich ist das maßlos. Man darf solche Geschmacklosigkeit aber nicht als Meinungsäußerung lesen, sondern als gezielte Provokation.
Gerade dann, wenn alle sich einig sind, will Droste zornig werden dürfen. In den Glossen und Kolumnen des Journalisten wirkt das manchmal selbstgerecht und von oben herab. Die Lyrik arbeitet dem entgegen und bindet auch den gerechten Zorn in eine Form. Droste setzt die Tradition von Ringelnatz und Tucholsky fort. Es gibt derzeit nur wenige Autoren in Deutschland, die so scharfe Pointen setzen können und die es tatsächlich schaffen, das komische Gedicht als Waffe zu gebrauchen.

Jörg Magenau, Deutschlandfunk Kultur, 15.7.2005

Gedichte von Droste – Ein Best Of

Es gibt die, die ihn lieben und es gibt die, die ihn hassen. Gefühle, die irgendwo dazwischen liegen, produziert Wiglaf Droste meiner Erfahrung nach kaum. Nun bin ich jedoch latent voreingenommen, denn ich gehöre klar und auf immer zur ersten Gruppe. Droste spricht – oder besser schreibt – das aus, was viele uns angesichts dieser doch immer dümmer und schizophrener werdenden Welt empfinden, jedoch, wenn überhaupt, nur im engsten Kreise verständnisvoller Freunde auch gerne einmal auszusprechen wagen.
Und so kommt es doch einer Erlösung gleich, wenn man in diesem Buch Gedichte über „Die fliegende Architekturkritik“ des 11. Septembers, über die Wahrheit des Karnevals oder die Übersetzungskünste Wolf Biermanns liest. Letztendlich handelt es sich also um eine Gedichtesammlung, die, nach meiner Kenntnis, sowohl neue Gedichte als auch welche aus früheren Werken von Droste umfasst. Fazit: Für all jene, die ohne Droste nicht sein können, geschweige denn wollen, ein absolutes Muss!
Eine Anekdote am Rande: Wie ich live erfahren durfte, kummuliert Wiglaf Droste das Werk, ja die gesamte Existenz Wolf Biermanns in 3 einfachen spanischen Worten: Lupo cervesa hombre 🙂

Markus H., amazon.de, 12.11.2006

Lyrisches Lästermaul

Dass meistens Bitterböses droht, wenn Wiglaf Droste spricht und schreibt, ist ja bekannt. Doch wie zartfühlend zeigt sich der Schriftsteller in manchen seiner Gedichte! Der in diesem Jahr veröffentlichte Sammelband seiner Reime offenbart einen sensiblen Poeten, der gern liebt, kocht, speist – und dabei stets sein Herz für die Kreatur bewahrt: „

Siehst du eine Taube trudeln
Lass sie leben. Komm! Iss Nudeln!

Aber Wiglaf Droste würde sich wahrscheinlich selbst verleugnen, ätzte nicht auch aus seinen Versen der giftige Spott des literarischen Enfant terrible. An den heutigen Papst, damals noch Kardinal Ratzinger, schreibt Droste etwa: „

Du willst sein wie Jesus Christus?
Nimm den Hammer, und dann bist du’s!

Die Jury des „Annette-von-Droste-Hülshoff-Preises lobte Drostes Dichtungen kürzlich als „sprachliche Kabinettstückchen von hohem literarischen Rand. Auch wenn er manchmal hart an der Geschmacksgrenze entlangschrammt – den Preis hat Droste im November verliehen bekommen.

Mller Nin, amazon.de, 15.1.2006

Wigalf rules – einmal anders. Echt gelungen!

Okeh die meisten von uns kennen und schätzen Droste als brachiale Axt, die auf die Stellen draufhaut wo man selber immer schon mal wollte aber sich nicht trtaut oder weiß wie 😉 Aber: er kann auch anders! Wer Wigalf Droste schonmal in echt oder auf ein foto gesehen hat weiß, das er es bestint nicht leicht hat in Leben. Entsprechend läßt er hier seine sehr sensible und verletziche seite rauskommen und man muß sagen, es hat sich gelohnt. Und reimen tut sich das ganze auch noch, also Respekt! Aber so ganz kan Wigals auch hier das Motzen nicht lassen und so kommt auch der altgewohnte Leser teils auf seine Kosten. Ich hoffe und kan mir auch gut vorstellen, daß seine Bücher auch i hundert Jahren noch gelesen werden, weil es auch für zukünftige Generationen intersant sein dürfte, über die heutigen Leute wie U.Wickert, Grönemeyer, Merkel, Heiner Lauterbach, PUR, Hartmut Marktwort, Nils Folcker un wie sie alle heißen & Konsorten die Augen geöffnet zu kriegen.
Nur vier Sterne gebe ich bloß, weil der “richtige” Droste eben doch noch mehr fetzt.

Ein Kunde, amazon.de, 2.3.2006

Weiterer Beitrag zu diesem Buch:

Mario Alexander Weber: Das Hässliche geerdet am Schönen (und umgekehrt)
literaturkritik.de, August 2005

 

Fakten und Vermutungen zum Autor + Instagram + KLG
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Wiglaf Droste liest „Flaschendrehen im Vatikan“.

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