STAATSEMPFANG
Händeschütteln, Bruderkuss
Marschmusik, Salut ein Schuss
Stillgestanden und Hurra
Tageslosung: Blahblahblah
Hymnenspiel, Begrüssungsworte
Frontabschritt zur Staatseskorte
Strassensperren, Fähnchentand
Grosse Worte an der Wand
Offner Wagen, bunte Bänder
Arbeitsvolk säumt Strassenränder
Alle Freude im Gesicht:
Planerfüllung ist heut nicht
In das grosse Staatsgebäude
Führt ein roter Teppich heute
Orden werden angehangen
Dann wird ans Buffet gegangen
Pralle Dekolletes geleiten
Führende Persönlichkeiten
Rundfunk-Fernsehreportagen
Lichtgeblitz der Zeitungspagen
Nächsten Tag muß wieder ran
Im ganzen Land der Arbeitsmann
Sonderschichten sind zu fahren
Summen gilt es einzusparen
Denn die Zeit ist nicht mehr lang
Bis zum nächsten Staatsempfang
1974
den ARBEITSKREIS LITERATUR im Kulturhaus Neulobeda-West in der dortigen Zirkel-Arbeit zu platzieren. Ich war mit von der Partie, ebenfalls die Staatssicherheit und ihre IMs im OV „Pegasus“.
Wir sprachen über eigene und andere Gedichte, organisierten Lesungen von DDR-Autoren und nahmen an den sog. Poetenseminaren der DDR teil. 1974 erhielten wir ein Verbot auf öffentliche Veranstaltungen. Zu jedem wöchentlichen Treffen sass dann ein offizieller Staatsdiener zwischen uns und protokollierte den Abend. Im Juni 1975 wurde der Arbeitskreis vom Stadtrat für Kultur Moser aufgelösst. Ich erhielt ein Öffentlichkeitsverbot. 1976, anlässlich der Biermann-Ausbürgerung, nahm mich die Stasi in U-Haft und schob mich ein Jahr später nach Westberlin ab.
Wolfgang Hinkeldey, Vorwort
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