DIE LUFT RIECHT SCHON NACH SCHNEE
Die Luft riecht schon nach Schnee, mein Geliebter
Trägt langes Haar, ach der Winter, der Winter der uns
Eng zusammenwirft steht vor der Tür, kommt
Mit dem Windhundgespann. Eisblumen
Streut er uns ans Fenster, die Kohlen glühen im Herd,
aaaaaund
Du Schönster Schweeweißer legst mir deinen Kopf in
aaaaaden Schoß
Ich sage das ist
Der Schlitten der nicht mehr hält, Schnee fällt uns
Mitten ins Herz, er glüht
Auf den Aschekübeln im Hof Darling lispelt die Amsel.
Sarah Kirsch
Nach den 1972 von Rainer Kirsch und Manfred Wolter herausgegebenen Sportgedichten Olympische Spiele wird jetzt in der Reihe Edition Neue Texte eine zweite thematische Lyriksammlung vorgelegt. Die Anthologie Don Juan überm Sund stellt einhundertvierundvierzig Liebesgedichte von achtundsiebzig Lyrikern unseres Landes vor. Alle Gedichte entstanden im letzten Jahrzehnt. Nur in wenigen Fällen griffen wir auf bereits veröffentlichte Arbeiten zurück. Der Rundbrief des Aufbau-Verlages, in dem zur Mitarbeit aufgefordert wurde, fand einen erfreulich großen Widerhall. Die Einladung wurde nahezu einmütig angenommen. Außerdem konnten wir auch aus einem stattlichen Konvolut unverlangt eingesandter Manuskripte auswählen. In einigen Fällen entschieden wir uns, bislang unbekannte Autoren in diese Sammlung aufzunehmen. Wir halten es für gerechtfertigt, in einer solchen Anthologie auch Debütanten neben bekannten Lyrikern zu Wort kommen zu lassen, vermag dies doch die Kontinuität des literarischen Lebens sinnvoll zu belegen. Von einigen der jüngsten Beiträger wird, wie wir annehmen, auch künftig zu hören und zu lesen sein.
Um möglichst viele Stimmen in diesem Ensemble vereinigen zu können, beschränkten wir uns von vornherein darauf, höchstens drei Gedichte von einem Lyriker aufzunehmen. Mit ein oder zwei Texten vertreten zu sein, bedeutet deshalb kein Werturteil und ist nicht als Versuch irgendeiner Katalogisierung nach Leistungsstufen anzusehen.
Die meisten Beiträge sind Zeugnisse der unmittelbaren Gegenwart. Unsere Auswahl schließt an die zu Beginn der sechziger Jahre erschienenen Sammlungen mit ähnlicher Intention und gleicher Thematik an. Daran gemessen, ist ohne sonderliche Mühe eine beträchtliche poetische „Zuwachsrate“ abzulesen, nicht nur, was die seither neu hinzugekommenen Namen anbelangt. Ohne Zweifel korrespondiert dieser Vorgang mit der gesamten geistig-kulturellen Entwicklung in unserer Republik. Freilich sollte eine solche Anthologie, mit der keine auf Repräsentation und Vollständigkeit abzielende Dokumentation angestrebt wurde, auch nicht überbewertet werden. Dennoch sind wir der Überzeugung, daß die hier vorgestellten Gedichte literarische Vielfalt und poetischen Reichtum auf eindrucksvolle Weise bezeugen. Ob das eine oder andere Gedicht in den Fundus der Lyrik eingeht, wird einer späteren Generation festzustellen vorbehalten bleiben.
Wulf Kirsten und Wolfgang Trampe, Nachwort
Wulf Kirsten – Dichter im Porträt.
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